Anlage 1 Lehrpläne - Bildungsanstalt für Erzieher

Alte FassungIn Kraft seit 01.9.1985

Anlage 1

— GESCHICHTE UND SOZIALKUNDE

Bildungs- und Lehraufgabe:

Der Unterricht hat einen gegenwartsbezogenen Überblick über den Verlauf des Weltgeschehens zu vermitteln, wobei Ursachen, Anlässe und Zusammenhänge zu verdeutlichen sind. Die so vertiefte Allgemeinbildung soll dem jungen Staatsbürger und zukünftigen Erzieher das Verständnis des Zeitgeschehens ermöglichen und zu seiner politischen Mündigkeit beitragen.

Die Kenntnis der Geschichte Österreichs und die politische Bildung sollen zur Achtung vor den Leistungen der Vergangenheit sowie zur Aufgeschlossenheit für die Aufgaben der österreichischen Demokratie in Gegenwart und Zukunft führen; die Vermittlung von sozialkundlichen Bildungsstoffen soll die Bereitschaft zu einer von Toleranz und Humanität geprägten Lebensführung fördern.

Lehrstoff:

  1. 1. Klasse (2 Wochenstunden):

Die Entwicklungsstufen menschlicher Zivilisation und Kultur in urgeschichtlicher Zeit, insbesondere in Österreich.

Beispiele für bleibende Leistungen altorientalischer Hochkulturen.

Modellhafte Erarbeitung grundsätzlicher Begriffe zur Staatenbildung, Entwicklung von Staaten und Staatsformen, zur Wechselwirkung von Staat und Kultur im Rahmen der griechischen Geschichte.

Die Entwicklung Roms zum Weltreich, der römische Rechtsbegriff und seine Auswirkungen, Austria Romana.

Germanisch-romanischer, byzantinischer, islamischer Kulturkreis.

Das Christentum als religiöser, politischer und kultureller Faktor in Spätantike und Mittelalter, abendländischer Dualismus von Kaisertum und Papsttum.

Mittelalterlicher Staatsbegriff, mittelalterliche Rechtsvorstellungen, Lehenswesen und ständische Ordnung.

Der Verfall der Königsmacht im Spätmittelalter (Landeshoheit, Hausmachtpolitik), wirtschaftliche Veränderungen und deren Folgen (Stadt, Bürgertum).

Das Werden Österreichs unter den Babenbergern und Habsburgern. Die abendländischen Kunststile Romanik und Gotik.

Sozialkundliche Bildungsstoffe:

Das unterschiedliche Menschenbild der Antike und des Christentums (Wertschätzung der Arbeit, Personalität der Frau). Recht als ethische und als gesellschaftliche Norm. Stand, Klasse, Partei.

  1. 2. Klasse (2 Wochenstunden):

Der europäische Erkenntnisfortschritt am Beginn der Neuzeit, geistiger und künstlerischer Ausdruck desselben in Humanismus und Renaissance.

Reformation und katholische Erneuerung in der Spannung von religiösen Anliegen und weltlicher Machtpolitik. Der Dreißigjährige Krieg als europäisches Ereignis.

Frankreich unter Ludwig XIV. als Beispiel für den höfischen Absolutismus, dessen Wirtschaft und Kultur. Österreich unter Maria Theresia und Josef II. als Beispiel für den aufgeklärten Absolutismus, dessen Wirkungen bezüglich Toleranz und Humanität.

Türkenbedrohung und Türkenabwehr (Prinz Eugen). Die künstlerische Gestaltung des gegensätzlichen Lebensgefühles der Zeit in Barock und Rokoko.

Der Versuch der Verwirklichung der Ideen der Aufklärung in der Französischen Revolution (Vorbild der USA). Die Machtansprüche Napoleons, sein Bemühen um Legitimierung. Die Restauration des Gottesgnadentums auf dem Wiener Kongreß. Nationalismus, Liberalismus

  1. - ihr revolutionärer Durchbruch 1848.

Klassik, Romantik, Biedermeier im Zusammenhang mit den politischen Ereignissen.

Sozialkundliche Bildungsstoffe:

Entfaltung der Einzelpersönlichkeit, religiöse Toleranz, Menschenrechte, Rechtsgleichheit, Verhältnis von Staat und Kirche.

Wesen und Antriebskräfte von Revolutionen, Evolution, Individuum und Masse. Begriffe Nation, Volk, Nationalismus, Chauvinismus.

  1. 3. Klasse (1 Wochenstunde):

Die erste Industrielle Revolution und die damit verbundene Veränderung der Gesellschaftsstruktur.

Lösungsversuche der sozialen Frage (Marxismus, christliche Soziallehre).

Europäische Krisenherde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der Versuch ihrer Bewältigung durch die Gründung von Nationalstaaten, durch Kongresse und Bündnisse.

Die kleindeutsche „Lösung“ der „Deutschen Frage“.

Österreichs Probleme als Vielvölkerstaat (Ausgleich mit Ungarn, Dezemberverfassung 1867).

Die Kunst des Fin de siecle zwischen Epigonentum und Aufbruch. Imperialistische Politik der Weltmächte bis 1914.

Sozialkundliche Bildungsstoffe:

Zusammenhang von Wirtschaftsformen und Gesellschaftsstrukturen. Privateigentum, Verstaatlichung. Ansprüche des einzelnen und des Staates. Der Wandel vom „Untertanen“ zum „Staatsbürger“. Die Entwicklung des Wahlrechts in Österreich. Politische Willensbildung. Die österreichische Verfassung (1920, 1929, 1945; Prinzipien). Sozialgesetzgebung.

  1. 4. Klasse (2 Wochenstunden):

Der Erste Weltkrieg, seine Auswirkungen auf europäische Staatsgebiete, Herrschaftsformen, Wirtschafts- und Sozialstrukturen.

Geschichte der 1. Republik in Österreich.

Kommunismus, Faschismus, Nationalsozialismus.

Die Weltwirtschaftskrise in ihrer politischen Bedeutung.

Der Zweite Weltkrieg.

Die Weltsituation im Jahr 1945. Das Wachsen der Divergenz zwischen den USA und der Sowjetunion.

Besetzung und Wiederaufbau in der 2. Republik in Österreich, Erreichung des Staatsvertrages, Erklärung der immerwährenden Neutralität, umfassende Landesverteidigung. Österreichs gegenwärtige Stellung und Aufgaben in Europa und in der Welt.

Schwerwiegende zwischenstaatliche Konflikte seit 1945, ihre Lösung auf friedlichem Wege oder die damit verbundenen kriegerischen Auseinandersetzungen.

Die Vereinten Nationen, andere zwischenstaatliche Einrichtungen und überstaatliche Organisationen.

Sozialkundliche Bildungsstoffe:

Soziale Strukturen und Probleme in der pluralistischen Industriegesellschaft, im Ostblock und in den Entwicklungsländern; die Rolle der Bildung in diesen Gesellschaftsformen. Nationale, weltanschauliche, rassische Spannungen der Gegenwart, das Bemühen um die Verwirklichung der Menschenrechte. Die Manipulation des Menschen (Ideologie, Propaganda, Massenmedien, öffentliche Meinung).

  1. 5. Klasse (1 Wochenstunde):

Die modernen Naturwissenschaften und die zweite Industrielle Revolution; Gesellschaftsformen unserer Zeit.

Kunstströmungen der Moderne.

Krisenherde der Gegenwart. Transparentmachung des tagespolitischen

Geschehens.

Sozialkundliche Bildungsstoffe:

Wesen und Aufgaben des modernen Staates, kritischere Betrachtung der derzeit bestehenden Staatsformen. Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit in Österreich.

Sozialkundliche Bildungsstoffe, die in allen Klassen zu behandeln sind:

Der Mensch als Person und soziales Wesen. Die Bedeutung der Familie. Gleichberechtigung der Geschlechter, Wertschätzung des Kindes. Sozialgeschichte des Kindes. Verschiedene Formen menschlicher Gemeinschaft. Staatenbildung, Staatstheorien, Staatsformen.

Zusammenhänge und Wechselbeziehungen von Wirtschaft, Zivilisation, Kultur.

Individuum und Gemeinschaft als Kulturschöpfer und Kulturträger, Kulturüberschichtungen, Kulturbeeinflussungen, Kulturkonflikte. Pluralismus von Wertvorstellungen, Interessenskonflikte.

Recht und Gesetz.

Religion und Gesellschaft, Kirche und Staat.

Wissenschaft und Gesellschaft, Wissenschaft und Staat.

Die Bedeutung von Erziehung, Bildung und Arbeit für das Individuum

und für die Gemeinschaft.

Der Freiheitsbegriff im Wandel der Zeit.

Erziehung zur Demokratie, Förderung des Demokratieverständnisses.

Didaktische Grundsätze:

Geschichtserkenntnis soll vor allem durch Aufhellung der Grundtatsachen, Triebkräfte und Probleme der einzelnen Epochen gewonnen werden. Abbildungen von Werken aus dem Bereich der bildenden und angewandten Kunst sollen so eingebracht werden, daß über ein kooperatives Aufschließen ihres Gehaltes an Symbolik der Ideenhorizont von Epochen faßbar wird. Die Stoffülle gebietet eine exemplarische Behandlung des Lehrstoffes. Beispiele aus der Geschichte Österreichs sind - wo immer möglich - vorzuziehen.

Probleme des Zeitgeschehens sollen bei allen sich bietenden Anlässen in objektiver Weise behandelt und Möglichkeiten der Erziehung zu demokratischer Gesinnung genützt werden. Dabei ist insbesondere dem Unterrichtsprinzip Politische Bildung Rechnung zu tragen.

Sozialkundliche Bildungsstoffe sind nicht isoliert zu behandeln, sondern anhand konkreter historischer oder aktueller Situationen zu gewinnen. Daraus soll ein vertieftes Verständnis für die politischen und sozialen Gegenwartsfragen erwachsen, das die Schüler zu kritischer Urteilsfähigkeit hinführt.

Audio-visuelle Unterrichtsmittel, Quellenlektüre und Quellenauswertung, Referate und Diskussionen sind zur Verlebendigung des Unterrichts in geeigneter Weise einzusetzen. Lehrausgänge bzw. Exkursionen sowie Wiederholungen in Längs- und Querschnitten sollen zu einem umfassenden Unterrichtserfolg beitragen.

Zuletzt aktualisiert am

17.01.2025

Gesetzesnummer

10008573

Dokumentnummer

NOR12101625

alte Dokumentnummer

N6198516814S

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