Anlage 1 Lehrpläne - Bildungsanstalt für Sozialpädagogik

Alte FassungIn Kraft seit 01.9.1993

Anlage 1

— III. ALLGEMEINE DIDAKTISCHE GRUNDSÄTZE

Um das allgemeine Bildungsziel zu erreichen, sind für die Unterrichtsarbeit an den Bildungsanstalten für Sozialpädagogik die folgenden zehn didaktischen Grundsätze, also allgemeine Leit- bzw. Richtlinien, Normen, Anweisungen, Anleitungen und Regeln, zu berücksichtigen:

  1. 1. Jugendgemäßheit - Wissenschaftsorientierung - Soziales Lernen

Der Unterricht ist im dreifachen Beziehungsgefüge von Personhaftigkeit des jungen Menschen, von Sachlichkeit und von Mitmenschlichkeit zu planen und durchzuführen:

Zum ersten hat er die Ansprüche der Jugend auf Verständnis und Vertrauen, auf Wohlwollen und Gerechtigkeit, auf Geltung und Anerkennung, auf Sicherheit, Zugehörigkeit und Geborgenheit, auf Wertfindung, Wertorientierung und Wertbindung sowie auf Selbständigkeit zwischen Selbständigseinwollen und Selbständigseinkönnen zu berücksichtigen. Dadurch kann vor allem auch ein gesundes Selbstwertgefühl aufgebaut bzw. vertieft werden. Dementsprechend sind den Schülern dort Möglichkeiten bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des Unterrichts wie bei der Gestaltung des Schullebens einzuräumen, wo dies pädagogisch sinnvoll erscheint.

Zum zweiten sollen insbesondere die unmittelbar berufsrelevanten Lehrstoffe den jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnisstand berücksichtigen. Die Schüler sollen Verständnis für komplexe Sachzusammenhänge erwerben sowie unterschiedliche Methoden kritisch beurteilen lernen, was vor allem auch Offenheit für die Veränderung des Erkenntnisstandes einschließt.

Zum dritten geht es um die zielorientierte und kontinuierliche Weiterentwicklung und Entfaltung der sozialen Kompetenzen in einer Atmosphäre der gegenseitigen Achtung und Rücksichtnahme, der Kooperation und der mitmenschlichen Verantwortung. Das Sammeln von eigenen Erfahrungen beim Aufbau einer Klassen- und Schulgemeinschaft als einer Hilfe-, Aussprache-, Arbeits-, Feier- und Spielgemeinschaft ist für jede spätere Teamarbeit wie auch für eine erfolgreiche Führung von Kinder- und Jugendgruppen von großer Bedeutung.

  1. 2. Berufsorientierung und Allgemeinbildung

In allen Bereichen hat der Unterricht grundsätzlich darauf Bedacht zu nehmen, der doppelten Zielstellung der Bildungsanstalten für Sozialpädagogik gerecht zu werden: nämlich die Schüler einerseits zur kompetenten Berufsausübung und sie andererseits zur Studierfähigkeit zu führen.

Was die Berufsorientierung betrifft, sollten bei der Auswahl und Akzentuierung der Lehrstoffe sowie bei der Bestimmung der Ziele jene Einstellungen, Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten im Mittelpunkt stehen, die zu einer reflektierenden Bewältigung beruflicher Situationen befähigen. Dazu gehören vor allem eine hohe Meinung vom angestrebten Beruf und die entsprechende Professionalität im Wissen und Handeln.

Hinsichtlich des Anspruches der Allgemeinbildung geht es sowohl um die Vermittlung eines soliden Basiswissens und Basiskönnens als auch um die Einführung in die wichtigsten Lern-, Arbeits- bzw. Studiertechniken als wesentlicher Grundlage für die Erteilung der Lernhilfe sowie für die selbständige Weiterbildung und die allfällige Aufnahme eines Studiums.

  1. 3. Berufsorientierung im Theorie-Praxis-Bezug

Im berufsorientierten Teil der Ausbildung ist dafür zu sorgen, daß die Veranstaltungen zur praktischen Tätigkeit theoriebezogen und die Veranstaltungen zur theoretischen Reflexion praxisbezogen erfolgen. Durch den ständigen Theoriebezug der Praxis und durch das Praktischwerden der Theorie wird das unverzichtbare Ineinandergreifen von Praxis und Theorie sichergestellt. Darüber hinaus sind den Schülern in jedem Unterrichtsgegenstand Möglichkeiten der didaktischen Aufbereitung der Lehrstoffe bewußt zu machen, um sie dadurch im Hinblick auf ihre Berufsorientierung für das Problem der Didaktisierung zu sensibilisieren.

  1. 4. Persönlichkeitsbildung und Wissensintegration

Die Lernangebote der Bildungsanstalten für Sozialpädagogik sollen auf eine ganzheitliche Bildungswirkung abzielen und den schöpferischen Selbstaufbau der Persönlichkeit ermöglichen, welcher Körper und Geist, Gefühl, Gemüt und Wille, Denken und Handeln, Wissen und Können gleichermaßen einschließt.

Bei der Auswahl der Lehrstoffe soll im Sinne dieses Bildungsprinzips einerseits auf die Gültigkeit der Inhalte, andererseits auf deren Gegenwartsbezogenheit und Zukunftsbedeutung geachtet werden. Hinsichtlich ihrer Berufsorientierung sollen die Schüler befähigt werden, sich zunehmend auch als verantwortliche Entscheidungsträger für erzieherisches Handeln zu begreifen.

  1. 5. Aktivierung und Motivierung

Wo immer es möglich ist, sollen bei den Schülern die Bereitschaft zum Denken und Handeln, das Interesse an kulturellen Werken, Ereignissen und Veranstaltungen, die Freude am Erleben und Erforschen der Natur, das Bedürfnis nach Auseinandersetzung mit Menschen und Ideen auch hinsichtlich des außerschulischen Lebensbereichs aufgegriffen und geweckt, unterstützt und gefördert, erweitert und vertieft werden. Dazu eignen sich unter anderem auch vorbereitende Hausaufgaben und das Reflektieren des Unterrichts. All dies führt die jungen Menschen zum selbsttätigen Bildungserwerb in verschiedenen Arbeits- und Sozialformen und darüber hinaus zur geistigen Selbständigkeit.

  1. 6. Strukturierung und Exemplarität

Die Forderung nach Strukturierung bezieht sich sowohl auf die Aufbereitung der Lehrstoffe als auch auf die Gestaltung des Unterrichtsablaufs. Das vorausgehende Erfassen und Verstehen der Strukturen der Inhalte durch die Lehrenden ist die wesentlichste Voraussetzung für die einsichtige Vermittlung von Strukturwissen im Unterricht. Erst eine sorgfältige Inhaltsanalyse zeigt nämlich, ob sich ein Stoffgebiet für das exemplarische oder für das orientierende, überblicksmäßige Lehren, für entdeckendes oder für informierendes Lernen eignet. Andererseits ermöglicht erst die überlegte Anordnung der Lehr- bzw. Lernschritte erfolgreiche Lernprozesse. Systematisches Lernen ist jedenfalls sowohl auf die Tiefenwirkung des Exemplarischen wie auf die Breitenwirkung des Orientierenden angewiesen.

  1. 7. Lebensbezogenheit und Veranschaulichung

Im Unterricht sind Lerngelegenheiten zu arrangieren bzw. aufzugreifen, die das soziale, kulturelle und naturhafte Umfeld der Jugendlichen und der Schule, die Alltagssituationen, aktuelle Ereignisse oder Praxiserfahrungen bieten. Außerdem werden die Lehrenden versuchen, den Schülern die Bedeutsamkeit und Sinnhaftigkeit der Bildungsaufgaben und Lehrstoffe für ihr gegenwärtiges und zukünftigtes Leben argumentativ einsichtig zu machen. Die Lebensbezogenheit drückt sich auch in der Verbundenheit der Schule und des Unterrichts mit dem Leben außerhalb der Schule aus.

Veranschaulichung verlangt von den Lehrenden, daß sie die Lehrstoffe dem Erleben und Erfahren der Jugendlichen mehr- bzw. vielsinnig oder durch Beispiele zugänglich machen. Lernprozesse des Erkennens und Verstehens, des Denkens und Abstrahierens werden oft durch die Auseinandersetzung mit der konkreten Wirklichkeit, oft aber auch durch Nachbildungen, Abbildungen oder Symbole ermöglicht.

  1. 8. Individualisierung durch Differenzierungsmaßnahmen

Individualisierung verlangt vom Lehrer, daß er trotz der vereinheitlichenden Tendenz jedes Klassenunterrichts die Verschiedenartigkeit der Jugendlichen und ihrer Bedingtheit ernst nimmt und ihnen zu entsprechen versucht. Dabei wird er die unterschiedlichen Entwicklungsstufen und Individuallagen der Schüler im allgemeinen sowie den sachstrukturellen Entwicklungsstand auf einem umschriebenen Sachgebiet aufgrund bisheriger Lernerfahrungen im besonderen, also die verschiedenen Bildungsvoraussetzungen, berücksichtigen (insbesondere in der ersten Klasse).

Die Unterschiedlichkeiten der Schüler betreffen im einzelnen ihr Lerntempo, ihre Lernbereitschaft und Lernfähigkeit, ihre Interessen, ihre Vorerfahrungen, ihre Kooperations- und Kommunikationsbereitschaft und -fähigkeit; ihre Selbständigkeit, ihre Selbsteinschätzung, eventuell besondere individuelle Begabungen und anderes. Diesen Unterschiedlichkeiten sollen die Lehrer durch differenzierende Maßnahmen, wie zum Beispiel unterschiedlich viele oder/und schwierige Aufgabenstellungen, verschiedene Sozialformen, Lehr-/Lernmittel, Lernzeit und Hilfestellung, entsprechen. Die zusätzliche verantwortungsbewußte Berücksichtigung der wahrgenommenen Lernfortschritte jedes einzelnen schafft die Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen und hilft mit, unnötige Über- bzw. Unterforderungen möglichst zu vermeiden.

  1. 9. Berücksichtigung verschiedener Lehr- und Lernformen

Der Unterricht ist so zu führen, daß die Schüler verschiedene Formen des Wissens- und Könnenserwerbs erfahren und erproben können:

das gebundene und das freie Lernen, das informierende und experimentierende, das projektorientierte und entdeckende Lernen, das wiederholende und übende Lernen sowie das Lernen im Gespräch. Durch dieses vielfältige Angebot von Möglichkeiten der Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung sollen auch jene grundlegenden Denk- und Arbeitsmethoden erworben werden, die sowohl für das Berufsfeld des Erziehers (Hort, Heim, außerschulische Jugendarbeit) und für die ständige Fortbildung als auch für das erfolgreiche Aufnehmen eines Studiums von Bedeutung sind. Jedenfalls bedarf das geleitete Lernen der Ergänzung durch selbständiges Lernen.

  1. 10. Sicherung und Kontrolle des Unterrichtsertrags

Um die Lern- bzw. Leistungsbereitschaft und -fähigkeit der Schüler zu erhalten und womöglich zu steigern, werden die Lehrenden versuchen, ihnen Erfolgserlebnisse im Lernen und Leisten zu ermöglichen. Dazu werden sie trachten, den Lernertrag zu sichern und zu bewahren, und zwar einerseits durch kontinuierliches, abwechslungsreiches und sinnvolles Zusammenfassen und Üben bzw. Wiederholenlassen des Wesentlichen, andererseits durch das Anknüpfen an bereits Gelerntes, das Herstellen von Querverbindungen und durch das Anwendenlassen des Gelernten in andersartigen Aufgabenstellungen und in verschiedenen Zusammenhängen.

Zur Sicherung des Lernertrags eignen sich auch mündliche und schriftliche nachbereitende Hausaufgaben. Diese sind gemäß § 17 Abs. 2 des Schulunterrichtsgesetzes so vorzubereiten, daß sie von den Schülern ohne die Hilfe anderer durchgeführt werden können. Auf die Belastbarkeit der Schüler ist - auch unter Berücksichtigung der anderen Unterrichtsgegenstände - besonders Bedacht zu nehmen.

Die Lernkontrolle und die Beobachtung der Schülerleistungen geben den Lehrenden Hinweise auf die Wirksamkeit ihrer Unterrichtsarbeit und auf Maßnahmen zu deren Verbesserung. Die Kontrolle des Unterrichtsertrags dient aber auch der Motivation der Schüler und informiert diese und deren Erziehungsberechtigte über den Leistungsstand und über Lernfortschritte. Mit den Erziehungsberechtigten hat der Lehrer auch in dieser Hinsicht die erforderlichen Kontakte zu pflegen.

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