Normen
B-VG Art133 Abs4
NatSchG Tir 2005 §29 Abs2 Z2
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022100080.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16. August 2021 wurde den revisionswerbenden Parteien die naturschutzrechtliche Bewilligung zur Errichtung eines Holzhauses zu Wohnzwecken auf einem näher genannten Grundstück gemäß §§ 1, 9 Abs. 1 lit. c sowie 29 Abs. 2 lit. a Z 2 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 (TNSchG 2005) erteilt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 25. April 2022 wurde der dagegen vom Landesumweltanwalt erhobenen Beschwerde Folge gegeben und die beantragte Genehmigung versagt. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (vgl. VwGH 18.5.2022, Ra 2022/10/0017; 4.5.2021, Ra 2020/10/0081; 24.2.2022, Ra 2021/10/0029). Verweise in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) auf andere Teile der Revision sind zur Begründung der Zulässigkeit einer Revision unbeachtlich (vgl. VwGH 4.3.2022, Ra 2020/02/0230; 28.2.2019, Ra 2018/16/0130; 31.1.2019, Ra 2018/07/0367 bis 0371).
7 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision wird geltend gemacht, es liege eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG vor, weil das angefochtene Erkenntnis mit wesentlichen Verfahrensmängeln behaftet sei. Das Verwaltungsgericht habe das angefochtene Erkenntnis mangelhaft begründet, es liege eine nicht nachvollziehbare Scheinbegründung vor und sei der Sachverhalt nicht von Amts wegen ermittelt worden. Das Verwaltungsgericht habe „eine umfassende Interessensabwägung“ vorgenommen und komme zum Schluss, dass langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nicht überwiegen würden. Das „Ergebnis der vorgenommenen Interessensabwägung“ erweise sich jedoch als verfehlt.
8 Dazu wird in der Zulässigkeitsbegründung im Wesentlichen geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe außer Acht gelassen, dass sich für das Landschaftsbild und den Erholungswert lediglich geringe Beeinträchtigungen ergeben würden, nur ein Teil des vorliegenden Feuchtgebietes bebaut würde, es zu keiner Beeinträchtigung der geschützten Tier‑ und Pflanzenarten in der Umgebung kommen würde und die Behörde Auflagen „zum Schutz der ohnedies nicht vom Bauprojekt umfassten Teilfläche“ erteilen hätte können. Weiters sei dem Umstand, dass die gegenständliche Parzelle als Bauland gewidmet sei, keine maßgebliche Bedeutung beigemessen worden. Auch wenn es sein möge, dass noch Baulandreserven in der Gemeinde vorhanden seien, könne nicht richtig sein, dass nur dann ein öffentliches Interesse gegeben sei, wenn „ansonsten Knappheit an Baugrundstücken“ vorliege. Es müsse als „ein wesentliches und vor allem langfristiges öffentliches Interesse“ gewertet werden, dass die Gemeinde für den Fall, dass die in Bauland umgewidmeten Grundstücke nicht bebaut werden könnten, mit enormen Schadenersatzforderungen konfrontiert wäre. Auch sei ein öffentliches Interesse der Gemeinde gegeben, weil eine Erschließungsstraße in diesem Bereich projektiert, genehmigt und verwirklicht worden sei. Zudem seien die mit der geplanten Photovoltaikanlage verbundenen langfristigen öffentlichen Interessen nicht (ausreichend) berücksichtigt worden.
9 Zu diesem Vorbringen ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine im Einzelfall durchgeführte Interessenabwägung im Sinne des § 29 Abs. 2 Z 2 TNSchG 2005 vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen des Revisionsmodells dann aufzugreifen ist, wenn das Verwaltungsgericht die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien bzw. Grundsätze nicht beachtet und somit seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen hat (vgl. VwGH 9.6.2020, Ra 2019/10/0075, mwN). Mit dem wiedergegebenen Zulässigkeitsvorbringen wird eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalles allerdings nicht aufgezeigt. Das Verwaltungsgericht hat ‑ wie von den revisionswerbenden Parteien selbst ausgeführt ‑ eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen; dass das Verwaltungsgericht die dabei zu berücksichtigenden Interessen in einer unvertretbaren Weise gewichtet bzw. maßgebliche Interessen unberücksichtigt gelassen oder unmaßgebliche Interessen einbezogen hätte, wird von den revisionswerbenden Parteien nicht aufgezeigt.
10 In der Zulässigkeitsbegründung wird auch geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, den Sachverhalt von Amts wegen ausreichend zu ermitteln. Dazu wird vorgebracht, der Amtssachverständige habe ausgeführt, dass sich auf dem in Rede stehenden Grundstück ein Feuchtgebiet befinde. Es liege aber keine Feuchtwiese mehr vor, da sich „der Wasserstand des Baches deutlich verringerte, seit der Biber in diesem Bereich keinen Damm mehr baut.“ Dadurch seien die umliegenden Felder ausgetrocknet. Dieser Umstand wäre durch einen Ortsaugenschein und entsprechende Feuchtigkeitsmessungen hervorgekommen. Diese Abklärung des Sachverhaltes hätte amtswegig durchgeführt werden müssen.
11 Dem ist zu erwidern, dass das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage nicht mit einem Vorbringen begründet werden kann, das unter das Neuerungsverbot fällt (vgl. VwGH 20.10.2021, Ra 2021/09/0158; 18.2.2021, Ra 2021/16/0006; 23.4.2018, Ra 2017/11/0221). Die revisionswerbenden Parteien ‑ die in der Beschwerdeverhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 8. März 2022 anwaltlich vertreten waren ‑ haben im Verwaltungsverfahren bzw. im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ein diesbezügliches Vorbringen aber nicht erstattet; geltend gemacht wurde in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht insofern unter dem Hinweis, dass „die Aktenlage die Realität nicht mehr zeitgemäß“ abbilde, lediglich, dass „zwischenzeitlich weitere Gebäude errichtet worden“ seien. Gleiches gilt sinngemäß für die ebenfalls gerügte unterlassene „amtswegige Erkundung“ der Bereitschaft der revisionswerbenden Parteien, die projektierte Photovoltaikanlage auf die doppelte Größe auszudehnen.
12 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 27. Juli 2022
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