Normen
AVG §69
B-VG Art133 Abs4
UniversitätsG 2002 §68 Abs1 Z8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §32 Abs1 Z2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022100017.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Rektorats der Medizinischen Universität Wien vom 18. September 2019 wurde der Revisionswerber gemäß § 68 Abs. 1 Z 8 Universitätsgesetz 2002 (UG) vom Diplomstudium Humanmedizin an der Medizinischen Universität Wien ausgeschlossen. Weiters wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen.
2 Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16. März 2020 wurde die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17. Jänner 2022 wurde der Antrag des Revisionswerbers vom 27. Dezember 2021 auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16. März 2020 abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 32 VwGVG abgewiesen. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (vgl. VwGH 24.2.2022, Ra 2020/10/0129; 4.5.2021, Ra 2020/10/0081; 30.3.2020, Ra 2019/10/0180‑0182, 0187).
8 In den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision wird geltend gemacht, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 18.1.2017, Ra 2016/18/0197) insofern abgewichen, als es zwar im angefochtenen Erkenntnis konzediere, dass die im Behördenakt befindliche interne „Stellungnahme des Leiters der Stabsstelle interne Revision“ vom 16. Jänner 2019 (im Folgenden: „Risikoeinschätzung“) nicht Teil jener Akten gewesen sei, die von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt worden seien, dieser „jedoch zur Gänze die abstrakte Eignung abspricht, zu einem im Hauptinhalt des Spruchs ... anderslautenden Erkenntnis“ führen zu können, dies „obschon die Risikoeinschätzung einerseits von drei hochrangigen Mitarbeitern der belangten Behörde verfasst wurde und andererseits in wesentlichen Punkten hinsichtlich der Gefährlichkeit bzw. Studieneignung ... [des Revisionswerbers] zu deutlich abweichenden Schlüssen gelangt als das lediglich zu Zwecken der Strafrechtspflege erstattete Gutachten Dris S sowie obschon die Risikoeinschätzung, welche inhaltlich deutlich vom genannten Gutachten abweicht und das Vorbringen [des Revisionswerbers] hinsichtlich der nichtbestehenden Gefährlichkeit stützt, mangels Vorlage ... nicht in die Beweiswürdigung des BVwG“ habe einfließen können. Das Verwaltungsgericht übersehe, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 19.4.2007, 2004/09/0159) lediglich „die abstrakte Tauglichkeit des Beweismittels (konkret: die Risikoeinschätzung)“ zu prüfen habe, und zwar danach, ob dieses nach seinem objektiven Inhalt und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit die abstrakte Eignung besitze, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche das Verwaltungsgericht entweder die den Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens bildende Entscheidung oder zumindest die zum Ergebnis dieser Entscheidung führende Beweiswürdigung tragend gestützt habe. Das Verwaltungsgericht nehme eine im Wiederaufnahmeverfahren unzulässige, weil dem Erkenntnisverfahren eines wiederaufgenommenen Verfahrens vorbehaltene, vorgreifende Beweiswürdigung vor, indem es den Beweiswert der Risikoeinschätzung - bezogen auf das gerichtliche Sachverständigengutachten - unzulässigerweise im Vorhinein beurteile.
9 Dem ist zu erwidern, dass mit diesem Zulässigkeitsvorbringen schon deshalb keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufgezeigt wird, weil die vom Revisionswerber als „neu hervorgekommenes Beweismittel“ pauschal ins Treffen geführte „Risikoeinschätzung“ vom 16. Jänner 2019 sich nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes und den vorgelegten Verfahrensakten ‑ lediglich ‑ als behördenintere, von drei (keine medizinische Ausbildung aufweisenden) Mitarbeitern des Rektorates der Medizinischen Universität Wien vorgenommene rechtliche Beurteilung der Frage, ob der Revisionswerber aufgrund von in der Stellungnahme im Einzelnen dargestellten Sachverhaltsannahmen gemäß § 68 Abs. 1 Z 8 UG vom Studium auszuschließen sei, darstellt. Dass sich aus den in dieser „Risikoeinschätzung“ referierten Sachverhaltsannahmen aber neue Tatsachen im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG ergeben hätten, wird in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht konkret behauptet. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen sind aber keine „Tatsachen“, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu rechtfertigen vermögen (vgl. VwGH 13.12.2016, Ra 2016/09/0107, mit Verweis auf VwGH 23.4.1998, 95/15/0108). Es kann daher keine Rede davon sein, dass das Verwaltungsgericht mit seiner Beurteilung, die genannte „Risikoeinschätzung“ hätte kein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre.
10 Nach dem Gesagten bedarf es auch keiner weiteren Auseinandersetzung mit der Frage, ob das zeitlich nach der „Risikoeinschätzung“ erstellte und auf einer am 27. Februar 2019 erfolgten Untersuchung des Revisionswerbers basierende Sachverständigengutachten Dris S vom 23. Juni 2019, auf das das Verwaltungsgericht im Erkenntnis vom 16. März 2020 seine Annahme, beim Revisionswerber sei nach dem weisungswidrig ab etwa April 2018 erfolgten Abbruch der Medikation im März 2019 „ein antriebsgesteigertes, denkgestörtes, megalomanes, paranoid-wahnhaftes Zustandsbild mit deutlich vermindertem Kritik- und Urteilsvermögen bei bekannter schizoaffektiver Psychose“ vorgelegen, stützte, durch eine zeitlich frühere ‑ hier aber gar nicht vorliegende ‑ sachverständige Stellungnahme ohne eigene (neue) Befundergebnisse zu entkräften gewesen wäre. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt es jedenfalls weder einen Wiederaufnahmegrund dar, wenn der bereits im Hauptverfahren vernommene Sachverständige später erklären sollte, sich bei seinen Schlussfolgerungen geirrt zu haben, und nunmehr zu neuen Schlussfolgerungen kommt, noch stellt es einen Wiederaufnahmegrund dar, wenn ein im Verfahren nicht vernommener Sachverständiger auf Grund unveränderter Sachverhaltsgrundlage nunmehr zu anderen Schlüssen kommen sollte als der im Verfahren vernommene Sachverständige. Daher können nur neue Befundergebnisse (die konkreten sachverständigen Tatsachenfeststellungen) in einem Gutachten und nicht auch die sachverständigen Schlussfolgerungen (das Gutachten im engeren Sinn) einen Wiederaufnahmegrund bilden (vgl. VwGH 2.7.2007, 2006/12/0043, sowie die bei Hengstschläger/Leeb, AVG, §§ 69, 70 Rz 33, zitierte hg. Judikatur).
11 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 18. Mai 2022
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