VwGH Ra 2016/09/0107

VwGHRa 2016/09/010713.12.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Höhl, über die außerordentliche Revision des DI G R in T, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 4. April 2016, Zl. KLVwG-2389/5/2015, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens in einer disziplinarrechtlichen Angelegenheit, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §69 Abs1 Z2;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art139 Abs3 Z3;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §32 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs1 Z2;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art139 Abs3 Z3;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §32 Abs1 Z2;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Zur Vorgeschichte verweist der Verwaltungsgerichtshof zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf das hg. Erkenntnis vom 19. März 2014, Ro 2014/09/0019, mit dem die gegen die Verhängung einer Disziplinarstrafe nach dem Kärntner Dienstrechtsgesetz gerichtete Revision des Revisionswerbers als unbegründet abgewiesen worden war.

2 Mit am 12. Oktober 2015 beim Landesverwaltungsgericht Kärnten eingelangten Schreiben beantragte der Revisionswerber die Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens. In einem weiteren Disziplinarverfahren gegen den Revisionswerber habe der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 18. September 2015 erkannt, dass die Verordnung "Verzeichnis der Disziplinarsenate der Disziplinarkommission für Landesbeamte beim Amt der Kärntner Landesregierung" für die Funktionsperiode vom 1. Jänner 2013 bis 31. Dezember 2017, Beschluss der Kärntner Landesregierung vom 23. April 2013, gesetzwidrig gewesen sei, weil sie nicht ordnungsgemäß kundgemacht gewesen sei. Sie sei daher aufgehoben worden.

3 Der Revisionswerber sei der Ansicht, dass "in der Klärung der Frage der Gesetzmäßigkeit der Verordnung über die Kundmachung der Disziplinarsenate eine Vorfrage gemäß § 38 AVG begründet" werde. Weiters sei "im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes eine gerichtliche Entscheidung zu erblicken, die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren die Einwendung der entschiedenen Sache begründet

hätte. ... (Es seien) im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes

neue Tatsachen und Beweismittel hervorgekommen ..., die im erstinstanzlichen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einem im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte."

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 4. April 2016 wurde der Antrag auf Wiederaufnahme abgewiesen. Dies wurde zusammengefasst damit begründet, dass der Einwand einer mangelhaften Kundmachung nicht geltend gemacht worden sei.

5 Die ordentliche Revision sei unzulässig.

6 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 9. Juni 2016 deren Behandlung ab und trat sie über nachträglichen Antrag iSd § 87 Abs. 3 VfGG gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG mit Beschluss vom 29. Juli 2016 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Die Revision wurde mit Schriftsatz vom 8. September 2016 für den Verwaltungsgerichtshof ausgeführt.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 In der Revision wird vorgebracht, der Revisionswerber habe seinen Antrag auf Wiederaufnahme auf das Hervorkommen einer neuen entscheidungswesentlichen Tatsache bzw. eines neuen Beweismittels gestützt. Der Senat der Disziplinarkommission, welche in erster Instanz entschieden habe, sei gesetzwidrig konstituiert gewesen, weil die seine Geschäftsordnung enthaltende Verordnung nicht gehörig kundgemacht worden sei. Dies sei durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 18. September 2015, V 97/2015, hervorgekommen.

11 Die weiteren im Antrag auf Wiederaufnahme genannten Punkte (Vorfrage gemäß § 38 AVG, Einwendung der entschiedenen Sache) werden in der Revision nicht mehr erwähnt.

12 Zwar liegt der vom Verfassungsgerichtshof im Grunde des Art. 139 Abs. 3 Z 3 B-VG erkannten fehlerhaften Kundmachung der Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission - auch - ein Sachverhaltselement zu Grunde. Dabei handelt es sich aber nicht - wie der Revisionswerber geltend macht - um eine neue Tatsache im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG oder § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine "Tatsachen", die eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu rechtfertigen vermögen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 1998, 95/15/0108, und Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, 4. Teilband 2009, RZ 30 zu § 69 AVG, mwN).

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Übrigen in ständiger Rechtsprechung erkannt (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Seite 1499, E 168 ff, insbesondere E 170, wiedergegebene hg. Rechtsprechung), dass der Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG (Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel) durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht verwirklicht wird. Unter einer "neuen Tatsache" kann nicht der Umstand verstanden werden, dass eine Zuständigkeitsregelung - nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens - in anderen Fällen als verfassungswidrig aufgehoben (oder als gesetzwidrig festgestellt) wurde. Mitteilungen oder Entscheidungen betreffend den Inhalt von generellen Normen können ebensowenig als Beweismittel iSd § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG gelten (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Seite 1500, E 173 wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

14 Da sohin weder eine neue Tatsache noch ein Beweismittel iSd § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG vorliegen, kommt es nicht darauf an, ob die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG gegeben wären, weshalb das weitere Vorbringen in der Revision zur Zulässigkeit ins Leere geht.

15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 13. Dezember 2016

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte