LVwG Tirol LVwG-2021/15/2475-11

LVwG TirolLVwG-2021/15/2475-1125.4.2022

NatSchG Tir 2005 §3 Abs2
NatSchG Tir 2005 §9
NatSchG Tir 2005 §23
NatSchG Tir 2005 §29

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2021.15.2475.11

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Dünser über die Beschwerde des Landesumweltanwaltes, Adresse 1, **** Z, mitbeteiligte Parteien Herr AA und Frau BB, Adresse 2, **** Y, vertreten durch Rechtsanwalt CC, Adresse 3, **** Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 16.08.2021, Zl ***, betreffend die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung zur Errichtung eines Holzhauses zu Wohnzwecken auf der Grundparzelle **1, KG W, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

 

zu Recht:

 

1. Der Beschwerde des Landesumweltanwaltes wird Folge gegeben und die beantragte Genehmigung versagt.

 

2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I. Verfahrensgang:

 

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den mitbeteiligten Parteien die naturschutzrechtliche Bewilligung zur Errichtung eines Holzhauses zu Wohnzwecken nach Durchführung einer Interessensabwägung erteilt.

 

Dagegen richtet sich das fristgerecht erhobene Rechtsmittel des Landesumweltanwaltes. Begründend wird im Rechtsmittel, auf das Wesentliche zusammengefasst, ausgeführt, dass das Verbot des § 2 Abs 4 lit b TNSchVO 2006, betreffend die geschützte Pflanzenart „Hohe Schlüsselblume“, verletzt werde. Außerdem wurde das Vorliegen eines langfristigen öffentlichen Interesses an der Verwirklichung des Bauvorhabens verneint, es handle sich im vorliegenden Fall ausschließlich um ein privates Interesse. Verwiesen wurde dabei auch auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.12.1995, 90/10/0018, wonach eine entsprechende Flächenwidmung ein gewisses öffentliches Interesse indiziere, doch könne diese Aussage aus Sicht des Landesumweltanwaltes nicht so weit verstanden werden, dass jegliche Baulandwidmung im öffentlichen Interesse liege. Schließlich könne der Naturschutz ansonsten bereits in den raumordnungsrechtlichen Verfahren ausgehebelt werden. Der Bau eines Einfamilienhauses zu Wohnzwecken liege stets alleine im Privatinteresse der Antragsteller und könne somit niemals ein die Naturschutzinteressen überwiegendes langfristiges öffentliches Interesse darstellen. Sollte dennoch vom Landesverwaltungsgericht von einem langfristigen öffentlichen Interesse ausgegangen werden, so könne dieses aus Sicht des Landesumweltanwaltes immer noch nicht so stark gewichtet werden, dass es die Interessen des Naturschutzes überwiege. Außerdem wurde im Rechtsmittel darauf hingewiesen, dass im Nahebereich ein Bibervorkommen bestehe. So sei davon auszugehen, dass obgleich des Umstandes, dass der Biber auf der Vorhabensfläche nicht direkt vorkomme, seine Ansiedlung im Nahebereich doch auch einen Einfluss auf die zur Bebauung beantragte Fläche habe.

 

Von den mitbeteiligten Parteien wurde im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht mehrfach darauf hingewiesen, dass es sich bei der Fläche, auf welcher das Vorhaben verwirklicht werden soll, um gewidmetes Bauland handle. Die Änderung des Flächenwidmungsplanes sei von der Aufsichtsbehörde rechtskräftig genehmigt worden. Beabsichtigt sei die Errichtung eines umweltfreundlichen Bauvorhabens. Der Vorhalt des Landesumweltanwaltes, dass sie in späterer Folge die Entfernung des naheliegenden Biberdammes beantragen würden, treffe nicht zu. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass das Bauvorhaben ohnedies bereits eingeschränkt worden sei und nur ein geringer Anteil der Gesamtfläche des Baugrundstückes durch das Bauvorhaben beansprucht werde. Sie seien weder Grundstückspekulanten noch Investoren, ihre Beweggründe seien einzig und allein aus familiären Gründen den Hauptwohnsitz nach W zu verlegen. Verwiesen wurde im weiteren Verfahren überdies darauf, dass direkt neben dem Grundstück, auf dem das beantragte Vorhaben errichtet werden soll, zwischenzeitlich auch eine Straße errichtet worden sei. Dabei sei offensichtlich von einem entsprechenden öffentlichen Interesse ausgegangen worden, hätte doch ansonsten die Straße nicht errichtet werden können, so die mitbeteiligten Parteien.

 

Der Landesumweltanwalt seinerseits hat im laufenden Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol darauf hingewiesen, dass es auch darum gehe, die Schaffung eines Präzedenzfalles zu verhindern. So würde die Bewilligung der Bebauung des Grundstückes schließlich gleichzeitig auch der Bebauung der darunterliegenden Grundstücke, die derzeit noch als Siedlungsentwicklungsfläche ausgewiesen seien, Tür und Tor öffnen. Auch auf diesen weiteren Grundstücken fänden sich aus naturkundlicher Sicht wertvolle Standorte und seien diese Grundstücke daher als Bauland aufgrund ihrer Einordnung als artenreiche Nasswiese ungeeignet. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass in der Gemeinde W aus Sicht des Landesumweltanwaltes zahlreiche Grundstücke vorhanden sind, die zur Bebauung besser geeignet wären, als das gegenständliche. So werde es vom Landesumweltanwalt als nicht für notwendig erachtet, aufgrund der vorhandenen Baulandreserven in derart sensible Bereiche zu bauen.

 

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat in der vorliegenden Beschwerdesache am 08.03.2022 die öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. An der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat ein Vertreter der Gemeinde W, ein naturkundefachlicher Amtssachverständiger, Vertreter des Landesumweltanwaltes sowie die rechtsfreundlich vertretenen mitbeteiligten Parteien.

 

 

II. Sachverhalt:

 

Die mitbeteiligten Parteien haben bei der belangten Behörde um Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses angesucht. Es handelt sich beim Wohnhaus um eines in Holzbauweise, auf dem Dach des Wohnhauses soll eine Photovoltaikanlage im Ausmaß von ca 25 m² errichtet werden.

 

Beim Grundstück, das für das Bauvorhaben in Anspruch genommen wird, handelt es sich um ein Feuchtgebiet in Form einer artenreichen Nasswiese. Außerdem wird es bei Umsetzung des Vorhabens zur Vernichtung einzelner Exemplare der geschützten Pflanzenart „Hohe Schlüsselblume“ kommen. Diese Pflanzenart kommt in der Umgebung jedoch häufig vor, weshalb eine erhebliche Beeinträchtigung der lokalen Population durch den Sachverständigen ausgeschlossen wurde. Betreffend die Beeinträchtigung der Interessen des Naturschutzes hat der Sachverständige festgestellt, dass mit der Verwirklichung des Bauvorhabens die Schutzgüter Naturhaushalt und Lebensraum von Tier- und Pflanzenarten langfristig mittelstark beeinträchtigt würden.

 

Festgestellt wird weiters, dass nach dem beantragten Projekt auf dem Dach des zu errichtenden Wohnhauses eine Photovoltaikanlage im Ausmaß von ca 25 m² errichtet werden soll. Mit dem daraus gewonnenen Strom soll einerseits das Gebäude, welches über eine Wärmepumpe verfügen soll, versorgt, andererseits soll allenfalls anfallender Überstrom in das öffentliche Stromnetz eingespeist werden.

 

Die Grundfläche, auf der das Bauwerk errichtet werden soll, ist im entsprechenden Flächenwidmungsplan als Bauland ausgewiesen. Nördlich und östlich des beantragten Bauvorhabens befinden sich direkt angrenzend bereits Wohnhäuser. Südöstlich der Baufläche befindet sich ebenfalls angrenzend ein Wohngebäude, südwestlich ein Schrebergarten. Der Abstand vom beantragten Gebäude zum Schrebergarten beträgt unter 50 Meter, der Abstand zwischen dem Schrebergarten und dem südöstlich zur Parzelle **1 situierten Wohngebäude beträgt 50 Meter. Westlich der Parzelle **1 befindet sich ein Gebäude, das gemessen vom westlichsten Punkt des geplanten Vorhabens 53 Meter entfernt liegt. Der Abstand zwischen dem Gebäude in westlicher Richtung und dem Wohngebäude in nördlicher Richtung beträgt ca 63 Meter; zum nächsten Wohn- oder Betriebsgebäude in nordwestlicher Richtung beträgt der Abstand gemessen vom zu errichtenden Gebäude ca 70 Meter. Das westlich und das nordwestlich situierte Gebäude weisen einen Abstand zueinander von ca 54 Meter auf.

 

Die Fläche, auf dem das Bauwerk errichtet werden soll, ist sohin insbesondere in westlicher und nordwestlicher Richtung nicht durch eine zusammenhängende Bebauung im Ausmaß von höchstens 50 Meter Abstand zwischen den einzelnen Gebäuden umschlossen. Betreffend den südwestlich befindlichen Schrebergarten wird festgehalten, dass es sich dabei offensichtlich nicht um ein Wohn- oder Betriebsgebäude handelt.

 

Die Baulandausweisung ist im Zusammenhang mit einem Umlegungsverfahren erfolgt. Die mitbeteiligten Parteien sind derzeit noch nicht Eigentümer dieses Grundstückes, dieses soll allerdings nach rechtskräftiger Erteilung der naturschutzrechtlichen Genehmigung vom Eigentümer erworben werden.

 

Zu den öffentlichen Interessen, die für die Verwirklichung des Vorhabens sprechen, wird von den mitbeteiligten Parteien und der Gemeinde W im Wesentlichen auf das durchgeführte raumordnungsrechtliche Verfahren verwiesen. Auch sei im Zusammenhang mit der konkreten Widmung der Parzelle **1 auf den Umstand, dass auf diesem Grundstück ein Feuchtgebiet bestehe, auch insofern eingegangen worden, dass für einen erheblichen Teil des Grundstückes eine Bauhöhe im Bebauungsplan mit 0,0 festgesetzt worden sei, sohin auf diesem Teil, der sich im Wesentlichen mit der Angabe eines Feuchtgebietes im Biotopkataster deckt, eine Bebauung ausgeschlossen worden. Aus diesem Grund sei sodann auch die aufsichtsbehördliche Bewilligung für diese Maßnahme erteilt worden. Schließlich wurde noch darauf hingewiesen, dass auch die Erschließungskosten, die anfallen, zugleich wie die Ertragsanteile der Gemeinde zu berücksichtigen seien.

 

Von den Beschwerdeführern wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung außerdem ausdrücklich nochmals darauf hingewiesen, dass auch die Errichtung einer PV-Anlage im Ausmaß von ca 25 m² bei den öffentlichen Interessen zu berücksichtigen sei. Außerdem wurde nochmals auf die am südlichen Ende des Grundstückes nach unten verlaufende Straße verwiesen, die ohne Einspruch errichtet worden sei.

 

Außerdem hat der Bürgermeister der Gemeinde W vorgebracht, dass auch öffentliche Subventionen zur Herstellung der für die Erschließung notwendigen Infrastruktur gewährt worden seien. Auch aus diesem Grund spreche sich die Gemeinde für die Verbauung aus.

 

 

III. Beweiswürdigung:

 

Zur Frage, inwiefern das Grundstück außerhalb geschlossener Ortschaft gelegen ist, wird insbesondere auf den TIRIS-Auszug (Beilage./1 zur Niederschrift) und die signierten Einreichunterlagen verwiesen. Aus diesen Unterlagen ergibt sich eindeutig, dass insbesondere im westlichen und nordwestlichen Bereich keine Bebauung mit einem Wohn- oder Betriebsgebäude in einem Abstand von maximal 50 Metern besteht.

 

Das Vorhaben grenzt sohin zwar in nördlicher, östlicher und südöstlicher Richtung an bestehende Bebauungen an. Unabhängig von der Qualifikation des südwestlich gelegenen Schrebergartenhauses als Wohn- oder Betriebsgebäude ergibt sich allerdings aus diesem TIRIS-Auszug, dass der Abstand in westlicher und nordwestlicher Richtung zum nächsten Wohn- oder Betriebsgebäude mehr als 50 Meter beträgt. Es liegt somit keine geschlossene Ortschaft im Sinne des § 3 Abs 2 TNSchG vor.

 

Die maßgeblichen Feststellungen in Bezug auf das Gebäude stützen sich auf den Antrag der mitbeteiligten Parteien, die betreffend die naturräumlichen Gegebenheiten und Auswirkungen des Vorhabens auf die Ausführungen des naturkundefachlichen Amtssachverständigen DD.

 

Der Sachverständige hat anlässlich der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass es sich bei der gesamten Baufläche um ein Feuchtgebiet handelt und somit nicht nur bei einem Teil derselben. Zwar liegt in der sogenannten Biotopkartierung eine Anmerkung vor, dass nur ein Teil der Grundparzelle **1 ein Feuchtgebiet darstelle, demgegenüber stützt sich allerdings die Feststellung, dass das gesamte Grundstück ein Feuchtgebiet darstellt, auf die im vorliegenden Fall nach durchgeführtem Lokalaugenschein eingestufte Bewertung durch den Amtssachverständigen.

Das Feuchtgebiet ragt in südlicher Richtung über das Grundstück **1 hinaus und erstreckt sich somit weiter entlang der westlich gelegenen „EE“. Es handelt sich bei diesem Feuchtgebiet nach den Feststellungen des Amtssachverständigen bei der durchgeführten mündlichen Verhandlung um einen abgegrenzten Bereich. Der Amtssachverständige hat bei seinem Lokalaugenschein Feuchtigkeitszeiger wie die Sumpfdotterblume, Schachtelhalme und blau-grüne Binsen, bis zur östlichen Parzellengrenze hin, vorgefunden. Es handelt sich somit bei der gesamten Baufläche um ein Feuchtgebiet in Form einer artenreichen Nasswiese. Diesen fachlichen Ausführungen des Amtssachverständigen wurde bei der mündlichen Verhandlung nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Beim Landesverwaltungsgericht Tirol bestehen sohin keine Zweifel an der fachlichen Richtigkeit der Ausführungen des Amtssachverständigen, dass es sich um einen von Wasser geprägten Lebensraum mit den für ein Feuchtgebiet typischen Pflanzenarten handelt.

 

Aus dem Gutachten des naturkundefachlichen Amtssachverständigen ergibt sich, dass durch die beantragte Baumaßnahme einerseits ein Feuchtgebiet partiell zerstört wird, zumal durch die Bebauung auf dem Feuchtgebiet eine Versiegelung der Grundfläche stattfindet.

 

Zudem hat der Amtssachverständige bei seinem Lokalaugenschein das Vorhandensein der „Hohen Schlüsselblume“ festgestellt. Ausdrücklich ausgeführt hat der Amtssachverständige, dass es bei Umsetzung des Vorhabens zur Vernichtung von Einzelindividuen dieser Art kommen wird. Dass dadurch allerdings keine erhebliche Beeinträchtigung der lokalen Population eintreten wird, ergibt sich ebenso aus den Ausführungen des Amtssachverständigen.

 

 

IV. Rechtslage:

 

Tiroler Naturschutzgesetz 2005 – TNSchG 2005

 

„§ 1

Allgemeine Grundsätze

 

(1) Dieses Gesetz hat zum Ziel, die Natur als Lebensgrundlage des Menschen so zu erhalten und zu pflegen, dass

a) ihre Vielfalt, Eigenart und Schönheit,

b) ihr Erholungswert,

c) der Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume und

d) ein möglichst unbeeinträchtigter und leistungsfähiger Naturhaushalt

bewahrt und nachhaltig gesichert oder wiederhergestellt werden. Die Erhaltung und die Pflege der Natur erstrecken sich auf alle ihre Erscheinungsformen, insbesondere auch auf die Landschaft, und zwar unabhängig davon, ob sie sich in ihrem ursprünglichen Zustand befindet (Naturlandschaft) oder durch den Menschen gestaltet wurde (Kulturlandschaft). Der ökologisch orientierten und der die Kulturlandschaft erhaltenden land- und forstwirtschaftlichen Nutzung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Die Natur darf nur so weit in Anspruch genommen werden, dass ihr Wert auch für die nachfolgenden Generationen erhalten bleibt.

 

§ 3

Begriffsbestimmungen

 

(2) Geschlossene Ortschaft ist ein Gebiet, das mit mindestens fünf Wohn- oder Betriebsgebäuden zusammenhängend bebaut ist, wobei der Zusammenhang bei einem Abstand von höchstens 50 Metern zwischen zwei Gebäuden noch nicht als unterbrochen gilt. Zur geschlossenen Ortschaft gehören auch Parkanlagen, Sportanlagen und vergleichbare andere weitgehend unbebaute Grundstücke, die überwiegend von einem solchen Gebiet umgeben sind. Land- und forstwirtschaftliche Gebäude, die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften im Freiland errichtet werden dürfen, gelten nicht als Betriebsgebäude.

(8) Feuchtgebiet ist ein vom Wasser geprägter, in sich geschlossener und vom Nachbargebiet abgrenzbarer Lebensraum mit den für diesen charakteristischen Pflanzen- und Tiergemeinschaften. Dazu gehören insbesondere auch Röhrichte und Großseggensümpfe, Quellfluren und Quellsümpfe, Flach- und Zwischenmoore, Hochmoore, Moor- und Bruchwälder.

 

§ 9

Schutz von Feuchtgebieten

 

In Feuchtgebieten außerhalb geschlossener Ortschaften bedürfen folgende Vorhaben einer naturschutzrechtlichen Bewilligung:

a) das Einbringen von Material;

b) das Ausbaggern;

c) die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 berührt werden;

d) jede über die bisher übliche Art und den bisher üblichen Umfang hinausgehende Nutzung;

e) Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen sowie jede sonstige Veränderung der Bodenoberfläche;

f) Entwässerungen;

g) die Verwendung von Kraftfahrzeugen.

 

§ 23

Geschützte Pflanzenarten und Pilze

 

(2) Hinsichtlich der im Anhang IV lit. b der Habitat-Richtlinie genannten Pflanzenarten sind in allen ihren Lebensstadien verboten:

a) absichtliches Pflücken, Sammeln, Abschneiden, Ausgraben oder Vernichten von Exemplaren in deren Verbreitungsräumen in der Natur und

b) Besitz, Transport, Handel oder Austausch und Angebot zum Verkauf oder zum Austausch von aus der Natur entnommenen Exemplaren solcher Pflanzen, soweit es sich nicht um Exemplare handelt, die vor dem 1. Jänner 1995 rechtmäßig entnommen worden sind.

(3) Die Landesregierung kann durch Verordnung für Pflanzenarten nach Abs. 1 lit. b, soweit dies zur Sicherung des Bestandes bestimmter Pflanzenarten, insbesondere zur Aufrechterhaltung eines günstigen Erhaltungszustandes der wild wachsenden Pflanzenarten des Anhanges V lit. b der Habitat-Richtlinie, erforderlich ist,

a) verbieten,

1. Pflanzen solcher Arten sowie deren Teile (Wurzeln, Zwiebeln, Knollen, Blüten, Blätter, Zweige, Früchte und dergleichen) und Entwicklungsformen von ihrem Standort zu entfernen, zu beschädigen oder zu vernichten, im frischen oder getrockneten Zustand zu befördern, feilzubieten, zu veräußern oder zu erwerben;

2. den Standort von Pflanzen solcher Arten so zu behandeln, dass ihr weiterer Bestand an diesem Standort unmöglich wird;

3. Pflanzen auf eine bestimmte Art zu entnehmen.

Die Verbote nach Z 1 können auf bestimmte Mengen und Entwicklungsformen von Pflanzen sowie auf bestimmte Tage, Zeiträume und Gebiete, die Verbote nach Z 2 auf bestimmte Zeiträume und Gebiete beschränkt werden;

b) Regelungen über die künstliche Vermehrung von Pflanzenarten unter streng kontrollierten Bedingungen erlassen, um die Entnahme von Exemplaren aus der Natur zu verringern.

(5) Sofern es keine andere zufrieden stellende Lösung gibt und die Populationen der betroffenen Pflanzenart in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen, können Ausnahmen von den Verboten nach den Abs. 2 und 3 lit. a bewilligt oder hinsichtlich der im Abs. 1 lit. b genannten Pflanzenarten auch durch Verordnung der Landesregierung festgelegt werden

a) zum Schutz der übrigen Pflanzen und wild lebenden Tiere und zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume,

b) zur Verhütung ernster Schäden insbesondere an Kulturen, Gewässern und Eigentum,

c) im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt,

d) zu Zwecken der Forschung und des Unterrichtes, der Bestandsauffüllung und Wiederansiedlung und der für diese Zwecke erforderlichen Aufzucht, einschließlich der künstlichen Vermehrung von Pflanzen,

e) um unter strenger Kontrolle, selektiv und im beschränkten Ausmaß das Entnehmen oder Halten einer begrenzten, von der Behörde spezifizierten Anzahl von Exemplaren bestimmter Pflanzenarten zu erlauben.

 

§ 29

Naturschutzrechtliche Bewilligungen, aufsichtsbehördliche Genehmigungen

 

(2) Eine naturschutzrechtliche Bewilligung

a) für die Errichtung von Anlagen in Gletscherschigebieten nach § 5 Abs. 1 lit. d Z 3 (§ 6 lit. c), eine über die Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgehende Änderung einer bestehenden Anlage im Bereich der Gletscher, ihrer Einzugsgebiete und ihrer im Nahbereich gelegenen Moränen (§ 6 lit. f), für Vorhaben nach den §§ 7 Abs. 1 und 2, 8, 9, 27 Abs. 3 und 28 Abs. 3,

b) für Vorhaben, für die in Verordnungen nach den §§ 10 Abs. 1 oder 11 Abs. 1 eine Bewilligungspflicht festgesetzt ist,

c) für Ausnahmen von den in Verordnungen nach den §§ 13 Abs. 1, 21 Abs. 1 und 27 Abs. 4 festgesetzten Verboten darf nur erteilt werden,

1. wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wird, die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht beeinträchtigt oder

2. wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen. In Naturschutzgebieten darf außerdem ein erheblicher, unwiederbringlicher Verlust der betreffenden Schutzgüter nicht zu erwarten sein.“

 

Tiroler Naturschutzverordnung 2006 – TNSchVO 2006

 

„§ 2

Schutz von anderen wild wachsenden Pflanzenarten

 

(4) Hinsichtlich der teilweise geschützten Pflanzenarten der Anlage 3 ist es verboten:

a) die oberirdisch wachsenden Teile solcher Arten absichtlich in einer über einen Handstrauß hinausgehenden Menge zu entnehmen und zu befördern,

b) die unterirdisch wachsenden Teile (Wurzeln, Zwiebeln, Knollen) solcher Arten absichtlich von ihrem Standort zu entfernen, zu beschädigen oder zu vernichten, zu befördern, feilzubieten, zu veräußern oder zu erwerben,

c) den Standort von Pflanzen solcher Arten so zu behandeln, dass ihr weiterer Bestand an diesem Standort unmöglich wird.“

 

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG

 

„Erkenntnisse

§ 28.

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(4) Hat die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben, hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.“

 

 

V. Erwägungen:

 

Zunächst wird betreffend das Vorbringen im Rechtsmittel, wonach die Antragsteller in weiterer Folge die Entfernung eines in der Nähe gelegenen Biberdammes beantragen würden, festgehalten, dass ein derartiger Antrag im vorliegenden Verfahren nicht gestellt wurde. Zumal auch der Landesumweltanwalt im Rechtsmittel nicht vorbringt, dass durch die hier beantragte Genehmigung tatsächlich in ein nach dem Tiroler Naturschutzgesetz bzw nach der Tiroler Naturschutzverordnung normiertes Verbot betreffend den Schutz des Bibers eingegriffen wird, war auf diesen Teil der Beschwerde nicht näher einzugehen.

 

Weiters wird betreffend das Vorbringen des Landesumweltanwaltes zum Schutz der „Hohen Schlüsselblume“ darauf hingewiesen, dass sich aus den bezughabenden Bestimmungen der Tiroler Naturschutzverordnung und des Tiroler Naturschutzgesetzes kein generelles Verbot ergibt, zu welchem eine Ausnahmegenehmigung nicht erteilbar wäre. Dazu wird auf die weiter unten stehenden Ausführungen verwiesen.

 

Die Beschwerdeführer haben anlässlich der mündlichen Verhandlung bestritten, dass das Vorhabensgebiet außerhalb geschlossener Ortschaft gelegen sei.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hält in ständiger Rechtsprechung fest (vgl VwGH 18.03.2015, 2013/10/0193), dass eine "geschlossene Ortschaft" nach § 3 Abs. 2 TNSchG 2005 durch eine Ansammlung von weniger als 50 m voneinander entfernt gelegenen Gebäuden konstituiert und begrenzt wird; das Gebiet zwischen zwei solchen Gebäudeansammlungen bzw. einer solchen Ansammlung und einem mehr als 50 m davon entfernt gelegenen Gebäude zählt nicht zur geschlossenen Ortschaft (vgl. E 27. März 2012, 2011/10/0054; E 31. März 2009, 2007/10/0186; E 26. Februar 2007, 2005/10/0018). Das Tatbildmerkmal "außerhalb" geschlossener Ortschaft ist auch dann verwirklicht, wenn das betreffende Vorhaben "in unmittelbarer Nähe einer geschlossenen Ortschaft" liegt; negatives Tatbildmerkmal ist die Lage "innerhalb" der geschlossenen Ortschaft (VwGH 22.12.2003, 2003/10/0055).

 

Maßgeblich ist somit, ob das Vorhabensgebiet durch Gebäude im beschriebenen Abstand umschlossen ist. Wenn das Vorhabensgebiet zwar an eine geschlossene Ortschaft angrenzt, von dieser aber nicht umschlossen wird, so ist das Vorhaben als außerhalb geschlossener Ortschaft gelegen einzustufen. Ebendies trifft für das hier zu beurteilende Vorhaben nach den oben wiedergegebenen Feststellungen zu. Da eine Anlage in einem Feuchtgebiet errichtet werden soll, unterliegt das Vorhaben somit dem Bewilligungstatbestand nach § 9 lit c TNSchG 2005.

 

Aus den oben wiedergegebenen Feststellungen des naturkundefachlichen Amtssachverständigen ergibt sich, dass durch die Umsetzung des Vorhabens ein Teil des vorliegenden Feuchtgebietes dauerhaft zerstört wird. So liegt es auf der Hand, dass durch einen Hausbau auf einer Grundfläche, welche vor Umsetzung der Maßnahme als Feuchtgebiet einzustufen war, bedingt durch die Baumaßnahmen nach Umsetzung der Maßnahmen dieses Feuchtgebiet auf der Baufläche nicht mehr vorhanden ist. Dass das Feuchtgebiet nach den fachlichen Ausführungen wesentlich größer ist als die Fläche, auf die sich das Bauvorhaben bezieht, ist dabei unbeachtlich. Der Schutz eines Feuchtgebietes greift nämlich nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht erst dann, wenn eine vollständige Zerstörung des Feuchtgebiets durch das beantrage Vorhaben zu befürchten steht, sondern genügt es für die Bewilligungspflicht nach den Bestimmungen des TNSchG, dass bestimmte Maßnahmen in diesem Feuchtgebiet gesetzt werden.

 

Durch die partielle Zerstörung des Feuchtgebiets wird nach den Ausführungen des Amtssachverständigen das Interesse an einem möglichst unbeeinträchtigten und leistungsfähigen Naturhaushalt und das Interesse des Artenreichtums der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume beeinträchtigt. Die Beeinträchtigung wurde vom Amtssachverständigen als langfristig eingestuft, die Intensität der Beeinträchtigung als mittel.

 

Der explizite Schutz von Feuchtgebieten wurde erstmals im TNSchG 1990 (LGBl Nr 52/1990) normiert. Der Gesetzgeber hat in den erläuternden Bemerkungen dazu ausgeführt, dass Feuchtgebiete auf Grund ihrer Seltenheit zu den besonders gefährdeten Gebieten Tirols zählen. Die Bestandsaufnahme habe ergeben, dass in Tirol an Feuchtgebieten bereits irreversible Schäden eingetreten sind. Aus diesem Grund wurde zum Schutz dieser Gebiete normiert, dass nicht öffentliche Interessen, sondern nur langfristige öffentliche Interessen bei der durchzuführenden Interessenabwägung zu berücksichtigen sind.

 

Weiters wird vom Vorhaben eine teilweise geschützte Pflanzenart, nämlich die Hohe Schlüsselblume (geschützte Art nach Anlage 3 lit b Z 19 der Tiroler Naturschutzverordnung 2006) betroffen. Bei Umsetzung des Vorhabens wird es zur Vernichtung von Einzelindividuen dieser Art kommen. Da sie in der Umgebung jedoch noch häufig vorkommt, sind erhebliche Beeinträchtigungen der lokalen Population auszuschließen.

 

Zum Pflanzenartenschutz wird auf das in § 23 Abs 3 lit a Z 1 TNSchG 2005 bzw § 2 Abs 4 lit b TNSchVO 2006 normierte Verbot verwiesen, wonach es verboten ist, unterirdisch wachsende Teile solcher Arten absichtlich zu vernichten. Soweit die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auf § 2 Abs 4 lit c der TNSchVO 2006 und den dort normierten Standortschutz für diese geschützten Pflanzenarten verweist so genügt es darauf hinzuweisen, dass in § 2 Abs 4 TNSchVO 2006 drei alternative Verbotstatbestände normiert werden. So ist es einerseits verboten, den oberirdischen Teil dieser Pflanzen zu entnehmen, dies ausgenommen die Entnahme eines Handstraußes, andererseits aber auch den unterirdischen Teil zu vernichten – diesbezüglich ist keine quantitative Ausnahme vorgesehen. Hinzu kommt außerdem das Verbot der Standortbeeinträchtigung. Es kann der Verordnung aber nicht entnommen werden, dass in einem Fall, in dem der Standort nicht beeinträchtigt wird, die zuvor genannten Verbote außer Kraft gesetzt wären. Vielmehr ergibt sich schon aus dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs 4 TNSchVO 2006, dass die drei genannten Verbote parallel nebeneinanderstehen und sohin ein Vorhaben gegen keines der genannten Verbote verstoßen darf. Dass der Standort durch das Vorhaben nicht beeinträchtigt wird, ist sohin für die Frage, ob eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden kann, von Bedeutung (vgl dazu die folgenden Ausführungen), führt aber nicht dazu, dass keine Bewilligungspflicht der Maßnahme bestehen würde.

 

Durch die mit einem Bauvorhaben verbundenen Grabungsarbeiten kommt es zwangsläufig zu einem Vernichten der unterirdisch wachsenden Teile dieser geschützten Pflanzenart. Zumal diese Vernichtung durch das Gutachten des naturkundefachlichen Amtssachverständigen zweifelsfrei erfolgen würde und die Beschwerdeführer von diesem Sachverhalt Kenntnis haben liegt es auf der Hand, dass die Vernichtung dieser Individuen in Kauf genommen wird, weshalb das Kriterium der „Absichtlichkeit“ vorliegend erfüllt wird (zur insofern vergleichbaren Rechtslage betreffend den Tierartenschutz VwGH 15.10.2020, Ro 2019/04/0021). Da diese Pflanzenart aber nach dem Gutachten des naturkundefachlichen Amtssachverständigen in der Umgebung noch häufig vorkommt ist jedenfalls davon auszugehen, dass die betroffene Pflanzenart in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen wird bzw dieser Erhaltungszustand durch die Maßnahme nicht wesentlich verschlechtert wird (VwGH 24.07.2014, 2013/07/0215). Insofern kann nach § 23 Abs 5 lit c TNSchG 2005 eine Ausnahme von diesem Verbot aus „zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses“ erteilt werden. Bei diesen „zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses“ ist davon auszugehen, dass diese Interessen jenen entsprechen, die im vorliegenden Fall für einen Eingriff in ein Feuchtgebiet vorliegen müssen (zur vergleichbaren Rechtslage nach dem Salzburger Naturschutzgesetz VwGH 16.12.2019, Ra 2018/03/0066).

 

Da durch das beantragte Vorhaben, das nach den oben wiedergegebenen Erwägungen als außerhalb einer geschlossenen Ortschaft gelegen einzustufen ist, nach den Ausführungen des naturkundefachlichen Amtssachverständigen durch einen Eingriff in ein Feuchtgebiet die Interessen des Naturschutzes beeinträchtigt werden und zudem der unterirdisch wachsende Teil einzelner Individuen einer geschützten Pflanzenart zerstört wird, scheidet eine Genehmigung nach § 29 Abs 2 Z 1 TNSchG aus. Eine Genehmigung wäre daher nur dann zu erteilen, wenn an der Verwirklichung des Vorhabens öffentliche Interessen bestehen und diese gegenüber den Interessen des Naturschutzes überwiegen. Bei einer Beeinträchtigung eines Feuchtgebietes sind nach § 29 Abs 2 Z 2 TNSchG 2005 nur langfristige öffentliche Interessen zu berücksichtigen, dies gilt vorliegend wie ausgeführt auch bei der Vernichtung einer geschützten Pflanzenart.

 

Betreffend die für die Umsetzung des Vorhabens zu berücksichtigenden Interessen wird zunächst festgehalten, dass bei der Beurteilung des Antrages nicht ausschlaggebend war, dass die Beschwerdeführer derzeit noch nicht in der Gemeinde W wohnen, sondern erst nach der Errichtung des beantragten Hauses in diese Gemeinde ziehen würden. So hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich festgehalten (vgl VwGH 24.10.2011, 2010/10/0231), dass das Verfahren zur Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung gemäß § 29 TNSchG 2005 ein ausschließlich projekt- und standortbezogenes Verfahren ist. Auf persönliche Eigenschaften des Antragstellers kommt es nicht an. Ein über einen solchen Antrag ergehender Abspruch entfaltet daher nicht nur Wirkungen gegen den Antragsteller, sondern gegenüber jedem, der entsprechende Rechte an der betroffenen Sache hat ("dingliche Wirkung"; vgl. E 13. Dezember 2010, 2010/10/0213). Mit anderen Worten ist es daher für die hier zu beurteilenden Fragen unbeachtlich, ob der Antrag zur Errichtung eines Wohngebäudes von einer bereits in der betreffenden Gemeinde ansässigen Person gestellt wird oder von jemandem, der erst in diese – zu gleich welchem Zweck – zuziehen möchte.

 

Zur Frage, in wie weit durch die Widmung des Baugrundstückes als Bauland ein langfristiges öffentliches Interesse begründet wird, wird auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen. Dieser hat zu einer mit dem Tiroler Naturschutzgesetz vergleichbaren Rechtslage nach dem Salzburger Naturschutzgesetz folgendes festgehalten (VwGH 16.12.2019, Ra 2018/03/0066):

„Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgeführt, dass bei Bestehen einer entsprechenden Flächenwidmung beziehungsweise eines rechtswirksamen Raumordnungsplanes oder örtlichen Entwicklungskonzeptes (REK) eine dieser Widmung entsprechende Bebauung und Nutzung als im öffentlichen und nicht bloß privatem Interesse gelegen zu beurteilen ist; eine solche Widmung bewirkt aber noch nicht, dass bei der in Rede stehenden Interessenabwägung von vornherein und bindend von einem Überwiegen der Interessen an der Projektausführung auszugehen wäre (vgl. VwGH 9.8.2006, 2004/10/0235). Derart kann die Flächenwidmung zwar als Indiz für ein öffentliches Interesse an der Verbauung angesehen werden, sie vermag jedoch die Grundlage und das Ergebnis der von der Naturschutzbehörde vorzunehmenden Darstellung der Interessenlage und der Interessenabwägung nicht vorwegzunehmen (vgl. VwGH vom 27.11.1995, 90/10/0059, mwN). Das Vorliegen eines das Projekt unterstützenden REK vermag somit für sich allein kein besonders wichtiges öffentliches Interesse iSd § 3a Sbg. NSchG zu begründen, sondern kann (allenfalls) bei der Interessenabwägung zur Untermauerung der dort abzuwägenden besonders wichtigen öffentlichen Interessen herangezogen werden.“ (Anm.: Hervorhebung durch das LVwG)

 

Nach diesen klaren Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofes bewirkt somit die Widmung als Bauland im Flächenwidmungsplan für sich genommen kein öffentliches Interesse. Allenfalls könnte die Widmung zur Untermauerung der bei der Interessenabwägung abzuwägenden öffentlichen Interessen herangezogen werden.

 

Soweit von den Beschwerdeführern im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse aus der das Vorhaben befürwortenden Stellungnahme der Gemeinde W abgeleitet wird so wird darauf hingewiesen, dass die Befürwortung eines Vorhabens durch die Gemeinde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich kein langfristiges öffentliches Interesse darstellt (VwGH 26.09.2011, 2009/10/0256). Dies gilt auch für die allenfalls bestehenden wirtschaftlichen Interessen der Gemeinde im Hinblick auf Ertragsanteile oder die Frage der Finanzierung und Aufteilung der Erschließungskosten.

 

Ebenso kann es für die Frage, ob im vorliegenden Fall öffentliche Interessen für die Verwirklichung des Vorhabens sprechen, nicht von Bedeutung sein, ob ein anderes Vorhaben, nämlich die Errichtung einer Erschließungsstraße, genehmigt wurde.

 

Weiters wird von den Antragstellern vorgebracht, dass durch eine Photovoltaikanlage auf dem Dach des zu errichtenden Gebäudes Strom erzeugt werden soll und der nicht für eigene Zwecke verwendete Strom in das öffentliche Stromnetz eingespeist werden soll.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 21.12.2016, Ro 2014/10/0046 festgestellt, dass an der Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie und den daraus resultierenden positiven Auswirkungen für den Klimaschutz ein langfristiges öffentliches Interesse besteht. Entscheidend ist dabei, welche Bedeutung die Verwirklichung der konkret beantragten Maßnahme für den Klimaschutz hat (wobei insbesondere die projektgemäß produzierte Strommenge maßgeblich ist) und wie gravierend die damit verbundenen Auswirkungen auf die naturschutzgesetzlich geschützten Rechtsgüter sind (vgl. E 13. Dezember 2010, 2009/10/0020).

 

Insofern wird durch die im Projekt vorgesehene Erzeugung von erneuerbarer Energie ein langfristiges öffentliches Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens nachgewiesen und war daher vom Landesverwaltungsgericht eine Interessenabwägung gemäß § 29 Abs 2 lit b Z 2 TNSchG 2005 vorzunehmen.

 

Das LVwG hat bei dieser Interessensabwägung zu prüfen, welches Gewicht der Beeinträchtigung der Interessen des Naturschutzes durch das Vorhaben zukommt. Dem hat es das Gewicht der durch das Vorhaben allenfalls verwirklichten anderen öffentlichen Interessen gegenüber zu stellen. Die Entscheidung, welche Interessen überwiegen, muss in der Regel eine wertende Entscheidung sein, weil die konkurrierenden Interessen meist nicht monetär bewertbar und damit berechenbar und vergleichbar sind. Dies erfordert es, die für und gegen ein Vorhaben sprechenden Argumente möglichst umfassend und präzise zu erfassen und einander gegenüber zu stellen, um die Wertentscheidung transparent und nachvollziehbar zu machen. Das Erkenntnis hat daher nachvollziehbare Feststellungen über jene Tatsachen zu enthalten, von denen Art und Ausmaß der verletzten Interessen des Naturschutzes abhängt, über jene Auswirkungen des Vorhabens, in denen eine Verletzung dieser Interessen zu erblicken ist, und über jene Tatsachen, die das öffentliche Interesse ausmachen, zu dessen Verwirklichung die beantragte Maßnahme dienen soll (vgl. etwa VwGH 27.07.2007, 2006/10/0061, VwGH 24.02.2006, 2005/04/0044, VwGH 23.3.2005, 2004/10/0223 sowie VwGH 13.10.2004, 2001/10/0252). Die Rechtmäßigkeit der Wertentscheidung ist somit im Allgemeinen daran zu messen, ob das "Abwägungsmaterial" in einer diesen Grundsätzen entsprechenden Weise in der Begründung der Entscheidung dargelegt und die Abwägung der konkurrierenden Interessen im Einklang mit Denkgesetzen, Erfahrungssätzen und - gegebenenfalls - Erkenntnissen der Wissenschaft erfolgte (vgl. dazu beispielsweise VwGH 22.12.2011, 2008/07/0123, VwGH 28.1.2010, 2008/07/0033, und VwGH 2.10.2007, 2004/10/0174, jeweils mwN).

 

Festgehalten wird, dass durch eine Überbauung eines Feuchtgebiets dieses in diesem Umfang nicht mehr besteht. Maßgebliche Intention des Gesetzgebers beim Schutz der Feuchtgebiete war einerseits die Seltenheit dieser Gebiete, andererseits der Umstand, dass an den Feuchtgebieten in Tirol bereits irreversible Schäden eingetreten sind. Das beantragte Vorhaben würde zu einer weiteren Reduktion der Feuchtgebietsflächen in Tirol führen und damit dem Grund für die Unterschutzstellung zuwiderlaufen. Wenn nun in Fällen, in welchen ein Feuchtgebiet nicht zu Gänze, sondern nur in einem bestimmten Ausmaß beeinträchtigt würde, von vorn herein nur von einer geringfügigen Beeinträchtigung der Interessen des Naturschutzes ausgegangen würde, so würde durch eine derartige Auslegung des Gesetzes nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts den bei der Auslegung naturschutzrechtlichen Bestimmungen maßgebenden Zielbestimmungen des Gesetzes (VwGH 31.03.2003, 2001/10/0093) widersprochen. Das Landesverwaltungsgericht Tirol geht daher davon aus, dass auch durch eine nur partielle Zerstörung eines Feuchtgebiets obgleich der im Hinblick auf die insgesamt in Tirol und insbesondere im Bezirk vorkommenden Feuchtgebiete eine quantitativ relevante Beeinträchtigung der Interessen des Naturschutzes eintritt. Der naturkundefachliche Amtssachverständige hat dazu in seinem Gutachten auf die Schutzgüter Interesse an einem möglichst unbeeinträchtigten und leistungsfähigen Naturhaushalt und Interesse des Artenreichtums der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume verwiesen. Die Beeinträchtigung dieser Interessen erfolgt langfristig, zumal jedenfalls für den Zeitraum des Bestandes des beantragten Bauwerks ein Feuchtgebiet auf dieser Fläche nicht mehr vorhanden sein kann. Die Intensität und somit die qualitative Beeinträchtigung dieser Interessen hat der Sachverständige als „mittel“ eingestuft. Es ist damit einerseits nicht von einer geringen Beeinträchtigung auszugehen, andererseits aber auch nicht von einer gravierenden. Betreffend die Beeinträchtigung der Interessen des Naturschutzes durch die Zerstörung unterirdisch wachsender Teile der Hohen Schlüsselblume geht das Landesverwaltungsgericht auf Grund der vom Sachverständigen dokumentierten Verbreitung dieser Pflanzenart in der näheren Umgebung von einer nur geringen Beeinträchtigung des Schutzgutes „Artenreichtum der heimischen Pflanzenwelt“ aus.

 

Zu den für die Verwirklichung des Vorhabens sprechenden langfristigen öffentlichen Interessen wird auf die beabsichtigte Produktion erneuerbarer Energie durch eine Photovoltaikanlage verwiesen. Diese Anlage dient in erster Linie der Eigenversorgung des Gebäudes, anfallender Überstrom soll in das öffentliche Netz eingespeist werden. Bei der beantragten Dimension der Anlage (25 m²) ist schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht davon auszugehen, dass mit dieser über den für das Gebäude zu deckenden Bedarf ein relevantes Ausmaß an erneuerbarer Energie produziert wird. Nach der oben zitierten Entscheidung des VwGH vom 21.12.2016 ist für die Gewichtung dieses öffentlichen Interesses entscheidend, welche Bedeutung die Verwirklichung der konkret beantragten Maßnahme für den Klimaschutz hat, wobei insbesondere die projektgemäß produzierte Strommenge maßgeblich ist. Das Landesverwaltungsgericht Tirol geht davon aus, dass die Bedeutung der Verwirklichung einer Photovoltaikanlage im Ausmaß von 25 m², bei welcher zudem zunächst der Eigenbedarf des zu errichtenden Gebäudes gedeckt werden soll, für den Klimaschutz auf Grund der nur sehr geringen Strommenge, die dabei für die öffentliche Stromversorgung gewonnen wird, sehr gering ist.

 

Auch die nach der dargestellten Judikatur (VwGH 16.12.2019, Ra 2018/03/0066) allenfalls zu berücksichtigende raumordnungsrechtliche Zuordnung des Grundstückes zur Kategorie „Bauland“ bei der Bewertung der öffentlichen Interessen führt zu keinem anderen Ergebnis. So wird die Errichtung von Photovoltaikanlagen nach § 38 Abs 4 TROG in Wohngebieten für zulässig erklärt; dass aber das hier zu beurteilende öffentliche Interesse anders zu bewerten wäre kann daraus nicht abgeleitet werden.

 

Selbst wenn aber aus der älteren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu das im angefochtenen Bescheid zitierte Erkenntnis des VwGH vom 03.06.1996, 94/10/0039) abgeleitet würde, dass schon aus der Widmung einer Grundfläche als Bauland das Bestehen eines öffentlichen Interesses an ihrer Erschließung dokumentiert wird, so wird festgehalten, dass bei Errichtung eines Einfamilienhauses im Unterschied zu einem Gebäude, das mehreren Einzelpersonen oder Familien Wohnraum bietet, das öffentliche Interesse an der Bebauung jedenfalls nur als marginal bezeichnet werden kann. So stellt die Errichtung eines Einfamilienhauses jedenfalls keine effiziente Ausnützung von Bauland dar und kann folglich daraus kein relevantes öffentliches Interesse abgeleitet werden.

 

Abschließend wird zur Frage des Vorliegens öffentlicher Interessen noch darauf hingewiesen, dass in der Periode 2015 bis 2020 die Baulandreserven (unbebaute Flächen in der Kategorie „Wohngebiete“) in der Gemeinde W 23,3 % der Gesamtfläche dieser Widmungskategorie betragen haben. Dies entspricht einem durchschnittlichen Wert im Verhältnis zu den anderen Gemeinden in der Umgebung. Auch aus diesen zur Verfügung stehenden Reserven zeigt sich, dass an der Bebauung des vorliegenden Grundstückes etwa auf Grund einer besonderen Knappheit an Baugrundstücken kein besonderes öffentliches Interesse besteht. Sollte dies auf Grund der konkreten Situation erforderlich sein (was vom Landesverwaltungsgericht mangels Entscheidungsrelevanz für das vorliegende Verfahren nicht überprüft wurde), wäre angesichts der Größe der Baulandreserven in der Gemeinde W überdies bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auch ein Vorgehen nach dem Bodenbeschaffungsgesetz möglich (vgl dazu LVwG Tirol 18.07.2018, LVwG-2018/15/0058-6; LVwG-2018/15/0059-6). Auch vor diesem Hintergrund kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass alleine schon durch die Widmung als Bauland ein langfristiges öffentliches Interesse an der Errichtung eines Einfamilienhauses bestehen würde.

 

Andere öffentliche Interessen, die für die Verwirklichung des Vorhabens sprechen, wurden von den Beschwerdeführern nicht vorgebracht und sind solche für das Landesverwaltungsgericht auch nicht ersichtlich. So wird an dieser Stelle betreffend die Interessen, die für die Verwirklichung des Vorhabens sprechen, abschließend darauf hingewiesen, dass das Anliegen der Beschwerdeführer, ein Wohnhaus in einer Landgemeinde am Wohnort der Tochter zu errichten, jedenfalls nachvollziehbar ist. Es handelt sich dabei aber um ein privates und eben nicht um ein öffentliches Interesse. Zumal nach dem Tiroler Naturschutzgesetz ausdrücklich nur öffentliche Interessen bei einer Abwägungsentscheidung berücksichtigt werden können, konnten diese nachvollziehbaren privaten Interessen der Antragsteller nicht berücksichtigt werden.

 

Eine Gegenüberstellung einerseits der langfristigen mittelstarken Beeinträchtigung der Schutzgüter Interesse an einem möglichst unbeeinträchtigten und leistungsfähigen Naturhaushalt und Interesse des Artenreichtums der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume betreffend den Eingriff in das Feuchtgebiet und der geringen Beeinträchtigung des Schutzgutes Artenreichtum der heimischen Pflanzenwelt durch die absichtliche Zerstörung unterirdisch wachsender Teile der geschützten Pflanzenart „Hohe Schlüsselblume“, andererseits der nur sehr geringen Bedeutung der Errichtung einer Photovoltaikanlage im Ausmaß von 25 m² für den Klimaschutz und der allenfalls zu berücksichtigenden marginalen öffentlichen Interessen an der Errichtung eines Einfamilienhauses zeigt, dass langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs 1 TNSchG 2005 nicht überwiegen. Die Interessenabwägung fällt somit nicht zu Gunsten des beantragten Vorhabens aus, weshalb die beantragte Bewilligung zu versagen war.

 

Abschließend festgehalten wird, dass es sich bei einer naturschutzrechtlichen Interessenabwägung nicht um eine Ermessensentscheidung handelt (vgl VwGH 14.09.2004, 2001/10/0178; Dünser, Ermessenskontrolle durch Gerichte? Ermessen und öffentliche Interessen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, in Larcher, Handbuch Verwaltungsgerichte). Aus diesem Grund war die Kognitionsbefugnis des Landesverwaltungsgerichts in Bezug auf die Interessenabwägung von vorn herein nicht durch § 28 Abs 4 VwGVG eingeschränkt.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. So war im vorliegenden Fall im Wesentlichen eine Sachverhaltsfrage zu klären, nämlich, inwiefern durch das Vorhaben ein naturschutzrechtlicher Bewilligungstatbestand ausgelöst wird und inwiefern dazu aufgrund des Überwiegens öffentlicher Interessen eine Genehmigung erteilt werden kann. Dabei handelt es sich um Sachverhaltsfragen und nicht um Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung. Im Übrigen wird auf die in der Begründung zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

 

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Dünser

(Richter)

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