Anlage 1
— III. ALLGEMEINE DIDAKTISCHE GRUNDSÄTZE
Um das allgemeine Bildungsziel zu erreichen, sind für die Unterrichtsarbeit am Kolleg für Kindergartenpädagogik die folgenden zehn didaktischen Grundsätze, also allgemeine Leit- bzw. Richtlinien, Normen, Anweisungen, Anleitungen und Regeln, zu berücksichtigen:
- 1. Personbezogenheit - Wissenschaftsorientierung - Soziales Lernen
Der Unterricht ist im Beziehungsgefüge von Personhaftigkeit des Menschen, von Sachlichkeit und von Mitmenschlichkeit zu planen und durchzuführen:
Er hat die Ansprüche des Menschen auf Verständnis und Vertrauen, auf Wohlwollen und Gerechtigkeit, auf Geltung und Anerkennung, auf Sicherheit, Zugehörigkeit und Geborgenheit, auf Wertfindung, Wertorientierung und Wertbindung sowie auf Selbständigkeit zu berücksichtigen. Dadurch kann das Selbstwertgefühl aufgebaut bzw. vertieft werden. Dementsprechend sind den Schülerinnen und Schülern Möglichkeiten bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des Unterrichts wie bei der Gestaltung des Schullebens einzuräumen.
Der Unterricht soll den wissenschaftlichen Erkenntnisstand und dessen wissenschaftstheoretische Reflexion berücksichtigen. Die Schülerinnen und Schüler sollen Verständnis für komplexe Sachzusammenhänge erwerben sowie unterschiedliche Methoden kritisch beurteilen lernen, was vor allem auch Offenheit für die Veränderung des Erkenntnisstandes einschließt.
Weiters ist die zielorientierte und kontinuierliche Weiterentwicklung und Entfaltung der sozialen Kompetenzen in einer Atmosphäre der gegenseitigen Achtung und Rücksichtnahme, der Kooperation und der mitmenschlichen Verantwortung anzustreben. Das Sammeln von Erfahrungen in der Klassen- und Schulgemeinschaft als einer Hilfe-, Aussprache-, Arbeits-, Feier- und Spielgemeinschaft ist für jede spätere Teamarbeit wie auch für eine erfolgreiche Führung von Kindergruppen von großer Bedeutung.
- 2. Berufsorientierung - Kompetenzorientierung
Bei der Auswahl und Akzentuierung der Lehrstoffe sowie bei der Bestimmung der Ziele sollten jene Einstellungen, Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten im Mittelpunkt stehen, die zu einer reflektierenden Bewältigung beruflicher Situationen befähigen. Dazu gehören vor allem eine hohe Meinung vom angestrebten Beruf und die entsprechende Professionalität im Wissen und Handeln.
- 3. Berufsorientierung im Theorie-Praxis-Bezug
Im Rahmen der Ausbildung ist dafür zu sorgen, daß die Veranstaltungen zur praktischen Tätigkeit theoriebezogen und die Veranstaltungen zur theoretischen Reflexion praxisbezogen erfolgen. Durch den ständigen Theoriebezug der Praxis und durch die Praxisorientierung der Theorie wird das unverzichtbare Ineinandergreifen von Praxis und Theorie sichergestellt. Darüber hinaus sind den Schülerinnen und Schülern in jedem Unterrichtsgegenstand Möglichkeiten der didaktischen Aufbereitung der Lehrstoffe bewußt zu machen und sie mitwirken zu lassen, um sie dadurch im Hinblick auf ihre Berufsorientierung für eine stets notwendige Didaktisierung zu sensibilisieren.
- 4. Persönlichkeitsbildung und Wissensintegration
Die Lernangebote des Kollegs für Kindergartenpädagogik sollen auf eine ganzheitliche Bildungswirkung abzielen und den schöpferischen Selbstaufbau der Persönlichkeit ermöglichen, welcher Körper und Geist, Gefühl, Gemüt und Wille, Denken und Handeln, Wissen und Können gleichermaßen einschließt.
Bei der Auswahl der Lehrstoffe soll im Sinne dieses Bildungsprinzips einerseits auf die Gültigkeit der Inhalte, andererseits auf deren Gegenwartsbezogenheit und Zukunftsbedeutung geachtet werden. Hinsichtlich ihrer Berufsorientierung sollen die Schülerinnen und Schüler befähigt werden, sich zunehmend auch als verantwortliche Entscheidungsträger für erzieherisches Handeln zu begreifen.
- 5. Aktivierung und Motivierung
Wo immer es möglich ist, sollen bei den Schülerinnen und Schülern die Bereitschaft zum Denken und Handeln, das Interesse an kulturellen Werken, Ereignissen und Veranstaltungen, die Freude am Erleben und Erforschen der Natur, das Bedürfnis nach Auseinandersetzung mit Menschen und Ideen auch hinsichtlich des außerschulischen Lebensbereichs aufgegriffen und geweckt, unterstützt und gefördert, erweitert und vertieft werden. Dazu eignen sich unter anderem auch vorbereitende Aufgabenstellungen und das Reflektieren des Unterrichts. All dies führt zum selbsttätigen Bildungserwerb in verschiedenen Arbeits- und Sozialformen und darüber hinaus zur geistigen Selbständigkeit.
- 6. Strukturierung und Exemplarität
Die Forderung nach Strukturierung bezieht sich sowohl auf die Aufbereitung der Lehrstoffe als auch auf die Gestaltung des Unterrichtsablaufs (ua. auch in seminaristischer Form). Das vorausgehende Erfassen und Verstehen der Strukturen der Inhalte durch die Lehrenden ist die wesentlichste Voraussetzung für die einsichtige Vermittlung von Strukturwissen im Unterricht. Erst eine sorgfältige Inhaltsanalyse zeigt nämlich, ob sich ein Stoffgebiet für das exemplarische oder für das orientierende, überblicksmäßige Lehren, für entdeckendes, forschendes oder für informierendes Lernen eignet. Andererseits ermöglicht erst die überlegte Anordnung der Lehr- bzw. Lernschritte erfolgreiche Lernprozesse. Systematisches Lernen ist jedenfalls sowohl auf die Tiefenwirkung des Exemplarischen wie auf die Breitenwirkung des Orientierenden angewiesen.
- 7. Lebensbezogenheit und Veranschaulichung
Im Unterricht sind Lernsituationen zu arrangieren bzw. aufzugreifen, die das soziale, kulturelle und naturhafte Umfeld der Schülerinnen und Schüler sowie des Kollegs, die Alltagssituationen, aktuelle Ereignisse oder Praxiserfahrungen bieten. Außerdem werden die Lehrenden versuchen, den Schülerinnen und Schülern die Bedeutsamkeit und Sinnhaftigkeit der Bildungsaufgaben und Lehrstoffe für ihr gegenwärtiges und zukünftigtes Berufsleben argumentativ einsichtig zu machen. Die Lebensbezogenheit drückt sich auch in der Verbundenheit des Unterrichts mit dem Leben (insbesondere Berufsleben) außerhalb der Schule aus.
Veranschaulichung verlangt von den Lehrenden, daß sie die Lehrstoffe dem Erleben und Erfahren der Schülerinnen und Schüler mehr- bzw. vielsinnig oder durch Beispiele zugänglich machen. Lernprozesse des Erkennens und Verstehens, des Denkens und Abstrahierens werden oft durch die Auseinandersetzung mit der konkreten Wirklichkeit, oft aber auch durch Nachbildungen, Abbildungen oder Symbole ermöglicht.
- 8. Individualisierung durch Differenzierungsmaßnahmen
Individualisierung verlangt von den Lehrenden, daß sie trotz der vereinheitlichenden Tendenz jedes Klassenunterrichts die Verschiedenartigkeit der Persönlichkeiten der Schülerinnen und Schüler und ihre Bedingtheit ernst nehmen und diesen Tatsachen zu entsprechen versuchen. Dabei werden sie die unterschiedlichen Individuallagen der Schülerinnen und Schüler im allgemeinen sowie den sachstrukturellen Wissensstand auf Grund bisheriger Lernerfahrungen in den Zubringerschulen im besonderen, also die verschiedenen Bildungsvoraussetzungen, berücksichtigen (insbesondere im ersten Semester).
Die Unterschiedlichkeiten der Schülerinnen und Schüler betreffen im einzelnen ihr Lerntempo, ihre Lernbereitschaft und Lernfähigkeit, ihre Interessen, ihre Vorerfahrungen, ihre Kooperations- und Kommunikationsbereitschaft und -fähigkeit, ihre Selbständigkeit, ihre Selbsteinschätzung, eventuell besondere individuelle Begabungen und anderes. Diesen Unterschiedlichkeiten sollen die Lehrenden durch differenzierende Maßnahmen, wie zum Beispiel unterschiedlich viele oder/und schwierige Aufgabenstellungen, verschiedene Sozialformen, Lehr-/Lernmittel, Lernzeit und Hilfestellung, entsprechen. Die zusätzliche verantwortungsbewußte Berücksichtigung der wahrgenommenen Lernfortschritte jedes einzelnen schafft die Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen und hilft mit, unnötige Über- bzw. Unterforderungen möglichst zu vermeiden.
- 9. Berücksichtigung verschiedener Lehr- und Lernformen
Der Unterricht ist so zu führen, daß die Schülerinnen und Schüler verschiedene erwachsenengerechte Formen des Wissens- und Könnenserwerbs erfahren und erproben können: das gebundene und das freie Lernen, das informierende und experimentierende, das projektorientierte und entdeckende Lernen, das wiederholende und übende Lernen, das vermittelnde und selbstaneignende Lernen sowie das Lernen im Gespräch. Durch dieses vielfältige Angebot von Möglichkeiten der Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung sollen jene grundlegenden Denk- und Arbeitsmethoden erworben werden, die für das Berufsfeld Kindergarten und für die ständige Fortbildung von Bedeutung sind. Jedenfalls dient das geleitete Lernen als Grundlage zu selbständigem, reflektierendem und handelndem Lernen.
- 10. Sicherung und Kontrolle des Unterrichtsertrags
Um die Lern- bzw. Leistungsbereitschaft und -fähigkeit der Schülerinnen und Schüler zu entwickeln, erhalten und womöglich zu steigern, werden die Lehrenden versuchen, ihnen Erfolgserlebnisse im Lernen und Leisten zu ermöglichen und zur Selbsteinschätzung der Lernenden (hinsichtlich von Stärken und Defiziten) zu sensibilisieren. Dazu werden sie trachten, den Lernertrag zu sichern und zu bewahren, und zwar einerseits durch kontinuierliches, abwechslungsreiches und sinnvolles Zusammenfassen und Üben bzw. Wiederholenlassen des Wesentlichen, andererseits durch das Anknüpfen an bereits Gelerntes, das Herstellen von Querverbindungen und durch das Anwendenlassen des Gelernten in andersartigen Aufgabenstellungen und in verschiedenen Zusammenhängen.
Zur Sicherung des Lernertrags eignen sich auch mündliche und schriftliche nachbereitende Hausaufgaben. Diese sind so vorzubereiten, daß sie von den Schülerinnen und Schülern selbständig durchgeführt werden können. Auf die Belastbarkeit der Schülerinnen und Schüler ist Bedacht zu nehmen.
Die Lernkontrolle und die Beobachtung der Schülerleistungen geben den Lehrenden Hinweise auf die Wirksamkeit ihrer Unterrichtsarbeit und auf Maßnahmen zu deren Verbesserung. Die Kontrolle des Unterrichtsertrags dient aber auch der Motivation der Schülerinnen und Schüler und informiert diese über den Leistungsstand und über Lernfortschritte.
Zuletzt aktualisiert am
28.01.2025
Gesetzesnummer
10008942
Dokumentnummer
NOR12109787
alte Dokumentnummer
N6199443238J
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