European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0020OB00052.25Y.1023.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
I. Die Schriftsätze der beklagten Partei vom 22. Mai 2025 und 17. Juli 2025 sowie die Schriftsätze der klagenden Partei vom 23. Mai 2025 und 3. Juli 2025 werden zurückgewiesen.
II. Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es lautet:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 20.850 EUR samt 4 % Zinsen seit 26. 5. 2020 binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Das Zinsenmehrbegehren, die beklagte Partei sei weiters schuldig, der klagenden Partei 4 % Zinsen aus 20.850 EUR von 26. 7. 2017 bis 25. 5. 2020 zu bezahlen, wird abgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 6.280,08 EUR (darin 914,68 EUR USt und 792 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 3.570,52 EUR (darin 1.219 EUR USt und 1.340,90 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 3.220,40 EUR (darin 282,40 EUR USt und 1.526 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger hat im Jahr 2017 beim beklagten Bankinstitut einen Kredit über 695.000 EUR aufgenommen, um damit fünf Eigentumswohnungen anzukaufen und später zu vermieten. Damals hatte der Kläger noch keine anderen Wohnungen, die er vermietete. Der Kläger bezahlte eine Kreditbearbeitungsgebühr von 20.850 EUR aufgrund folgender im schriftlichen Kreditvertrag enthaltenen Vereinbarung (Hervorhebung durch den Senat):
„Effektiver Jahreszinssatz 1,400 % p.a.
Verzugszinssatz 5,875 % p.a.
(bei jeder Veränderung des Sollzinssatzes verändert sich auch der Verzugszinssatz jeweils im gleichen Ausmaß)
Bearbeitungsspesen (einmalig)* 20.850,00 EUR
Kontoführungsgebühr (für die gesamte Darlehenslaufzeit) 1.327,20 EUR
Grundbucheintragungsgebühr (einmalig) 8.340,00 EUR
Schätzgebühr (einmalig) 695,00 EUR
Gesamtkosten 94.987,39 EUR
Gesamtbetrag Ihrer Zahlungen 759.914,33 EUR
* Diese Bearbeitungsspesen sind eine einmalige, laufzeitunabhängige Abgeltung der Bearbeitung des Kredit-/Darlehensantrages, der Bonitätsprüfung sowie der Erstellung der Kredit-/Darlehensunterlagen und sie werden bei einer vorzeitigen Rückführung des Kredit-/Darlehensbetrages nicht - auch nicht anteilig - rückerstattet.“
[2] Der Kläger begehrt von der Beklagten mit seiner am 26. 5. 2023 eingebrachten Klage die Rückzahlung von 20.850 EUR sA. Er sei Verbraucher im Sinne des KSchG. Die Vereinbarung hinsichtlich der Kreditbearbeitungsgebühr sei intransparent, weil unklar bleibe, für welche Leistungen dieses Zusatzentgelt verrechnet werde und welche preisbestimmenden Faktoren dafür herangezogen würden. Darüber hinaus sei ein Entgelt, dem keine konkrete Zusatzleistung gegenüberstehe und das sich nicht am tatsächlichen Aufwand orientiere, gröblich benachteiligend. Da die Beklagte die vereinnahmten Bearbeitungsspesen zumindest teilweise an einen Kreditvermittler weitergegeben habe, liege aufgrund der unklaren Kostenzuordnung ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor. Da es sich um einen vorformulierten Vertragstext handle und seitens der Beklagten keine Verhandlungsbereitschaft bestanden habe, verstoße die Vereinbarung sowohl gegen § 6 Abs 3 KSchG als auch gegen § 879 Abs 3 ABGB.
[3] Die Beklagte wendet ein, dass die Verrechnung von Kreditbearbeitungsgebühren marktüblich und nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch zulässig sei. Die vereinbarte Bearbeitungsgebühr sei in Anbetracht der Kreditsumme nicht unverhältnismäßig und auch nicht überhöht, weil der Abschluss eines Hypothekarkreditvertrags den Einsatz kostspieliger Software und einen durchschnittlichen Zeitaufwand von 20 bis 23 Stunden erfordere. Wie das vereinnahmte Geld verwendet werde, bleibe der Beklagten überlassen. Ein Teil der Bearbeitungsspesen sei an den Kreditvermittler weitergegeben worden, weil sich durch dessen Tätigkeit der Aufwand der Beklagten verringert habe. Im Übrigen seien die mehr als drei Jahre rückständigen Zinsen bereits verjährt.
[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger sei aufgrund des Vorliegens eines Gründungsgeschäfts im Sinne des § 1 Abs 3 KSchG als Verbraucher anzusehen. Eine Verletzung des in § 6 Abs 3 KSchG enthaltenen Transparenzgebots sei aber schon deshalb zu verneinen, weil die Bearbeitungsspesen „konkret“ vereinbart worden seien. Wie die Beklagte diese Gelder verwende, sei nicht maßgeblich. Der Kläger könne sich auch nicht auf § 879 Abs 3 ABGB berufen, weil die Zahlung von Bearbeitungsspesen eine Hauptleistung darstelle.
[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. § 879 Abs 3 ABGB gelte im Wege der Analogie auch für einseitig vorformulierte Vertragstexte. Die Zahlung von Bearbeitungsspesen betreffe nicht die Hauptleistung, sondern eine Nebenverpflichtung aus dem Kreditvertrag. Es liege aber keine gröbliche Benachteiligung vor, weil es sich um eine einmalige und laufzeitunabhängige Abgeltung der mit dem Abschluss des Kreditvertrags verbundenen Aufwendungen handle. Der Kläger habe auch nicht konkret vorgebracht, inwieweit die Höhe der Bearbeitungsspesen in einem Missverhältnis zum tatsächlichen Aufwand stünde. Angesichts des Kreditvolumens seien Bearbeitungsspesen von 3 % nicht unverhältnismäßig.
[6] Aus dem vom Kläger vorgelegten Vermittlungsvertrag gehe hervor, dass er sich gegenüber dem Kreditvermittler damit einverstanden erklärt habe, dass das Kreditinstitut bei Zustandekommen einer Finanzierung eine Bearbeitungsgebühr von bis zu 3 % des Kreditbetrags verrechnet und daraus eine anteilige Provision an den Vermittler zahlt. Dass im Kreditvertrag nicht aufgeschlüsselt werde, welcher Anteil der Bearbeitungsgebühr auf die Provision entfällt, mache die Vereinbarung nicht intransparent, weil keine Doppelverrechnung zu befürchten sei. Im Übrigen könne die Vermittlungstätigkeit unter den Begriff der Bearbeitung des Kreditvertrags subsumiert werden.
[7] Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Zulässigkeit einzelvertraglich vereinbarter Bearbeitungsspesen bei Kreditverträgen vorliege.
[8] Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mit der er beantragt, die Entscheidung der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass der Klage stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
[9] Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
[10] I. Jeder Partei steht nur eine einzige Rechtsmittelgegenschrift zu. Weitere Nachträge oder Ergänzungen sind unzulässig (RS0041666; RS0100170). Die nach Erstattung der Revisionsbeantwortung eingebrachten Schriftsätze der Beklagten vom 22. 5. 2025 und 17. 7. 2025 waren daher ebenso wie die Schriftsätze des Klägers vom 23. 5. 2025 und 3. 7. 2025 zurückzuweisen.
[11] II. Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist auch berechtigt.
1. Zum einseitig vorformulierten Vertragstext
[12] 1.1. Sowohl die Anwendung des § 6 Abs 3 KSchG als auch jene des § 879 ABGB setzt voraus, dass es sich um eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung handelt. Was unter den Begriffen „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ und „Vertragsformblätter“ zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber nicht definiert. Nach der Rechtsprechung sind unter Allgemeinen Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen zu verstehen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt, wobei gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat (RS0123499 [T2, T7]). Diese Definition von Allgemeinen Geschäftsbedingungen erfasst auch die im Gesetz zusätzlich genannten „Vertragsformblätter“ (RS0123499).
[13] 1.2. Auch wenn der Wortlaut des Gesetzes auf das Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Vertragsformblättern abstellt, kommt es für die Anwendbarkeit des § 6 Abs 3 KSchG und des § 879 Abs 3 ABGB doch nicht darauf an, ob die Vertragsbestimmung tatsächlich für eine Vielzahl von Verträgen verwendet werden soll. Die für Allgemeine Geschäftsbedingungen und Vertragsformblätter typische Ungleichgewichtslage, bei welcher der Vertragspartner in seiner Willensbildung eingeengt ist, weil er sich der Vertragsbestimmung fügen oder in Kauf nehmen muss, dass ihm der Vertragsabschluss verweigert wird, besteht nämlich unabhängig davon, ob diese Vertragsbestimmung mehrfach verwendet wird (Kletečka, Inhaltskontrolle im Vertragsrecht, in Aicher/Holoubek, Der Schutz von Verbraucherinteressen [2000] 133 [137]; Krejci in Rummel/Lukas 4 § 879 ABGB Rz 372; Kietaibl/Rebhahn in Neumayr/Reissner, ZellKomm3§ 879 ABGB Rz 61). Der Oberste Gerichtshof wendet deshalb § 879 Abs 3 ABGB im Wege der Analogie beispielsweise auch an, wenn den Bietern in einem Vergabeverfahren der Vertragsinhalt vorgegeben wird (RS0119323).
[14] 1.3. Gegenüber Verbrauchern ergibt sich die Notwendigkeit einer (analogen) Anwendung auf Einzelverträge schon aus dem Umstand, dass Art 3 der Klausel-Richtlinie 93/13/EWG alle Vertragsbestimmungen erfasst, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurden (1 Ob 144/04i; Kiendl, Die Richtlinie des Rates über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, JBl 1995, 87 [93]; Kellner, Der Rechtsbegriff der Allgemeinen Geschäftsbedingungen [2013] 306 f). Nach Art 3 Abs 2 der Richtlinie ist eine Vertragsklausel immer dann als nicht im Einzelnen ausgehandelt zu betrachten, wenn sie im Voraus abgefasst wurde und der Verbraucher deshalb, insbesondere im Rahmen eines vorformulierten Standardvertrags, keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen konnte.
[15] 1.4. Auch im Wege automatischer Textverarbeitung erstellte Verträge, die offenkundig unter Verwendung von Textbausteinen erstellt und bloß für den Einzelfall angepasst werden, sind deshalb den Vertragsformblättern gleichzustellen, weil auch in einem solchen Fall kein im Einzelfall ausgehandelter Vertrag vorliegt (6 Ob 206/12f). Die Vorschriften für Allgemeine Geschäftsbedingungen und Vertragsformblätter gelten auch dann, wenn nur Teile des Vertrags oder bestimmte Vertragspunkte mit solchen Textbausteinen erstellt wurden (4 Ob 117/14f; 7 Ob 93/12w). Nicht verhandelte und aus der Sicht des Verwenders jedenfalls beizubehaltende Vertragsbestimmungen sind deshalb wie Allgemeine Geschäftsbedingungen und Vertragsformblätter zu behandeln, auch wenn andere Vertragspunkte erörtert und über Wunsch des Vertragspartners abgeändert wurden (RS0123499 [T3]).
[16] 1.5. Die besonderen Regeln für Allgemeine Geschäftsbedingungen und Vertragsformblätter sind aber dann nicht anzuwenden, wenn Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt wurden (RS0123499 [T2, T16]). Von einer individuellen Vereinbarung kann in Abgrenzung von einem Formularvertrag nur gesprochen werden, wenn der Geschäftspartner hinsichtlich des Vertragsinhalts eine Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener berechtigter Interessen hatte, es ihm also möglich war, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen, weshalb sein Vertragspartner zu einer Abänderung des von ihm verwendeten Textes erkennbar bereit gewesen sein musste (RS0123499 [T17]).
[17] 1.6. Das Vorbringen des Klägers, wonach es sich bei den gegenständlichen Bearbeitungsspesen um einen vorformulierten Vertragstext handelt und seitens der Beklagten keine Verhandlungsbereitschaft bestanden habe, wurde von der Beklagten nicht bestritten. Die vorliegende Vereinbarung, mit welcher sich der – im Revisionsverfahren unstrittig – als Verbraucher im Sinne des KSchG anzusehende Kläger zur Zahlung von Bearbeitungsspesen von 20.850 EUR verpflichtet hat, unterliegt daher sowohl dem Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG als auch – soweit es sich um keine Hauptleistung handelt – dem Verbot der gröblichen Benachteiligung nach § 879 Abs 3 ABGB.
2. Zu den unionsrechtlichen Vorgaben der Missbrauchskontrolle und deren Ausnahmen
[18] 2.1. Nach Art 3 Abs 1 der Klausel-Richtlinie 93/13/EWG ist eine nicht im einzelnen ausgehandelte Vertragsklausel als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht. Mittlerweile hat sich der EuGH in mehreren Entscheidungen mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen Nebengebühren in Kreditverträgen als missbräuchlich anzusehen sind.
[19] 2.2. In der Rechtssache Kiss, C-621/17 , führte der EuGH aus, dass die Vereinnahmung eines Bearbeitungsentgelts und einer Bereitstellungsprovision nicht missbräuchlich im Sinne des Art 3 Abs 1 der Klausel-Richtlinie 93/13/EWG ist, wenn diese Dienstleistungen im Rahmen der Bearbeitung oder der Bereitstellung des Darlehens erbracht wurden und die dem Verbraucher hierfür auferlegten Beträge „nicht im Verhältnis zum Darlehensbetrag übermäßig hoch“ sind. In den Rechtssachen Profi Credit Polska, C‑84/19 , C‑222/19 und C‑252/19 , sprach der EuGH aus, dass eine Vertragsklausel über zinsunabhängige Kreditkosten missbräuchlich ist, wenn sie dem Verbraucher eine Zahlungspflicht auferlegt, die „gegenüber den erhaltenen Leistungen und dem bereitgestellten Darlehensbetrag unverhältnismäßig“ ist. Diese Einschätzung hielt er in den Entscheidungen Provident Polska, C‑321/22 , Rz 47, und Caja Rural de Navarra, C-699/23 , Rz 49, aufrecht.
[20] Nunmehr hat der EuGH in der Rechtssache Malicník,C‑280/24 , ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die Prüfung der Frage, ob ein erhebliches Missverhältnis vorliegt, nicht auf eine quantitative wirtschaftliche Bewertung beschränken darf, die auf einem Vergleich zwischen dem Kreditbetrag und den dem Verbraucher auferlegten Kosten beruht, sondern der Kreditgeber auch nachweisen können muss, dass die vereinbarte Kreditbearbeitungsgebühr den „tatsächlich erbrachten Dienstleistungen sowie dem Kreditgeber entstandenen Kosten entspricht“ (Rz 47 und 50). Der EuGH sprach deshalb aus, dass eine Bearbeitungsgebühr in einem Verbraucherkreditvertrag „den tatsächlichen Dienstleistungen oder Aufwendungen entsprechen muss, die vernünftigerweise zu den Leistungen gehören, die der Kreditgeber im Rahmen des Abschlusses dieses Vertrags erbringt und die für diesen erforderlich sind“.
[21] 2.3. Die Rechtsprechung des EuGH zur Missbräuchlichkeit von Kreditbearbeitungsgebühren kann aber aus folgendem Grund nicht ohne Weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen werden.
[22] 2.4. Nach Art 4 Abs 2 Klausel-Richtlinie 93/13/EWG betrifft die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Klauseln „weder den Hauptgegenstand des Vertrages noch die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw den Gütern, die die Gegenleistung darstellen, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefaßt sind“. Nach der Rechtsprechung des EuGH betreffen Kreditbearbeitungsgebühren jedenfalls nicht den Hauptgegenstand des Vertrags (Profi Credit Polska, C-84/19 , C-222/19 und C-252/19 Rz 67; Caixabank SA III, C-565/21 , Rz 22 f; Caja Rural de Navarra, C‑699/23 , Rz 52), was auch der Entscheidung 7 Ob 169/24i zugrunde liegt. Jedoch fällt die Frage, ob eine vertraglich vereinbarte Kreditbearbeitungsgebühr im Verhältnis zu der vom Kreditgeber erbrachten Gegenleistung angemessen ist, in die zweite Kategorie von Klauseln im Sinne von Art 4 Abs 2 der Richtlinie (Provident Polska, C‑321/22 , Rz 52; Caja Rural de Navarra, C‑699/23 , Rz 53; so auch schon Profi Credit Polska C-84/19 , C‑222/19 und C-252/19 , Rz 80 f).
[23] Die in Art 4 Abs 2 Klausel-Richtlinie 93/13/EWG angeordnete Ausnahme von der unionsrechtlichen Missbräuchlichkeitsprüfung gilt (nur) dann, wenn die Klausel „klar und verständlich“ abgefasst ist. Nur wenn dies nicht der Fall ist, fordert das Unionsrecht eine Missbrauchskontrolle zur vereinbarten Kreditbearbeitungsgebühr (Provident Polska, C‑321/22 , Rz 58; Caja Rural de Navarra,C‑699/23 , Rz 56). Auf solche Fälle bezieht sich die Rechtsprechung des EuGH. Ist die Klausel demgegenüber transparent, fällt die Angemessenheit des Zusatzentgelts an sich nicht unter die Missbrauchskontrolle nach der Klausel-Richtlinie.
[24] 2.5. Dies ändert aber nichts daran, dass das nationale Recht nach Art 8 der Klausel-Richtlinie 93/13/EWG strengere Bestimmungen vorsehen kann, um ein höheres Schutzniveau zu gewährleisten (vgl im gegebenen Zusammenhang insb C‑84/19 , C‑222/19 und C‑252/19 , Profi Credit Polska; C-321/22 , Provident Polska). Die Klausel‑Richtlinie 93/13/EWG enthält nur Mindeststandards. Dementsprechend hat der EuGH in der Rechtssache Caixabank II, C‑224/19 und C‑259/19 , darauf hingewiesen, dass sich die Missbräuchlichkeit eines im Kreditvertrag vereinbarten Zusatzentgelts auch daraus ergeben kann, dass das nationale Recht vorsieht, dass eine Bereitstellungsprovision den mit der jeweiligen Dienstleistung tatsächlich verbundenen Kosten „entsprechen“ muss, dem Finanzinstitut dieser Nachweis aber nicht gelingt. Die mögliche Relevanz strengeren nationalen Rechts ergibt sich auch aus den Entscheidungen Provident Polska, C‑321/22 , Rz 53, und Profi Credit Polska, C‑84/19 , C‑222/19 und C‑252/19 , Rz 84.
[25] 2.6. Entsprechend den dargelegten unions‑rechtlichen Grundsätzen ist daher zunächst die Transparenz der vereinbarten Bearbeitungsspesen zu prüfen, weil diese in die zweite Kategorie von Klauseln im Sinne von Art 4 Abs 2 der Klausel‑Richtlinie 93/13/EWG fallen. Ist die Klausel transparent, greift die Ausnahme von der Missbrauchskontrolle nach Art 4 Abs 2 Klausel-Richtlinie 93/13/EWG , sodass auch die dargestellte Rechtsprechung des EuGH zur Missbräuchlichkeit von Bearbeitungsspesen nicht einschlägig ist. Eine allfällige Missbräuchlichkeit könnte sich dann (nur) aus strengerem nationalen Recht ergeben. Im Fall der Intransparenz ist die Klausel aber schon nach § 6 Abs 3 KSchG unwirksam (RS0122168), sodass es ohnehin keiner Missbräuchlichkeitskontrolle mehr bedarf.
3. Zum Transparenzgebot
[26] 3.1. Das (inhaltlich gleichlaufende) Transparenzgebot nach Art 4 Abs 2 und Art 5 Satz 1 Klausel‑Richtlinie 93/13/EWG wurde in Österreich durch § 6 Abs 3 KSchG umgesetzt (RS0037107; RS0115219 [T4]). Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Der EuGH hat in den Rechtssachen Kiss, C-621/17 , und Caja Rural de Navarra, C‑699/23 , ausgesprochen, dass es nicht erforderlich ist, dass ein Kreditvertrag, der eine Bereitstellungsprovision vorsieht, alle Dienstleistungen im Einzelnen anführt, die für die betreffenden Beträge als Gegenleistung erbracht werden. Wohl aber hat der EuGH in den Rechtssachen Caixabank SA III,C‑565/21 , und Caja Rural de Navarra, C‑699/23 ,festgehalten, dass die Klarheit und Verständlichkeit einer Bereitstellungsprovision es erfordert, dass der Verbraucher die Art der Dienstleistungen, die als Gegenleistung erbracht werden, verstehen und überprüfen kann, weshalb sich die verschiedenen im Vertrag vorgesehenen Entgelte oder damit vergüteten Dienstleistungen nicht überschneiden dürfen.
[27] 3.2. Der Oberste Gerichtshof hat zu 6 Ob 13/16dausgesprochen, dass der Begriff der „Bearbeitungsgebühr“ als Ausdruck des allgemeinen Sprachgebrauchs grundsätzlich nicht intransparent ist, sondern der gesonderte Ausweis diesesEntgelts – im Vergleich zur Verrechnung höherer Zinsen – die Preistransparenz sogar erhöhe. Wohl aber qualifizierte der Oberste Gerichtshof zu 2 Ob 238/23y eine Vereinbarung in einem Kreditvertrag, die eine einmalige Bearbeitungsgebühr von 4 %, Erhebungsspesen von 75 EUR, Überweisungsspesen von 15 EUR und Kosten für Porto und Drucksorten von 25 EUR vorsah, als intransparent, weil sich für Verbraucher nicht ausreichend klar überprüfen ließ, inwieweit es hierdurch zu Überschneidungen und Doppelverrechnungen kommt. Entsprechendes gilt nach 4 Ob 181/24g für eine Vereinbarung, wonach neben einer einmaligen Bearbeitungsgebühr und einer Kontoführungsgebühr auch eine einmalige Erhebungsgebühr und eine einmalige Lohnvormerkgebühr geschuldet wird und der Kreditnehmer sich zusätzlich zur Zahlung sonstiger Kosten und Gebühren verpflichtet, die nur beispielhaft (Stundungsgebühren und Ratenplanänderungen) angeführt sind, sodass sich die Bearbeitungsgebühr nicht klar von anderen Zahlungspflichten abgrenzen lässt. Schließlich beurteilte der Oberste Gerichtshof zu 5 Ob 191/24k eine Bearbeitungsgebühr mangels Überprüfbarkeit der darin enthaltenen Leistungen als intransparent im Sinne des § 6 Abs 3 KSchG, weil sich dem Klauselwerk nicht mit hinreichender Gewissheit entnehmen ließ, ob diese Bearbeitungsgebühr zusätzlich zum Währungsumrechnungsentgelt zu bezahlen war oder nicht.
[28] 3.3. Im vorliegenden Fall wird im Kreditvertrag ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit den Bearbeitungsspesen die Bearbeitung des Kreditantrags, die Bonitätsprüfung sowie die Erstellung der Kreditunterlagen entlohnt wird, sodass sie von den vertraglich vereinbarten Gebühren für Kontoführung, Grundbucheintragung und Schätzung klar abgegrenzt werden können. Die Festellung des Berufungsgerichts, wonach sich der Kläger – entgegen der im Kreditvertrag vereinbarten Zweckwidmung – damit einverstanden erklärt habe, dass die Bearbeitungsspesen auch zur Entlohnung des Kreditvermittlers verwendet werden, ist nicht vom Parteivorbringen gedeckt und kann daher schon deshalb zu keiner abweichenden rechtlichen Beurteilung führen (RS0036933 [T10]; RS0112213 [T1]; Lovrek in Fasching/Konecny 3 § 503 ZPO Rz 177). Dass die Beklagte den für die Bearbeitung vereinnahmten Betrag auch zur Entlohnung des Kreditvermittlers und damit anders verwendet hat, als dies im schriftlichen Kreditvertrag vorgesehen ist, macht die im Kreditvertrag enthaltene Vereinbarung weder unklar noch unverständlich, sodass ein Verstoß gegen § 6 Abs 3 KSchG zu verneinen ist.
4. Missbrauchskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB
[29] 4.1. Aufgrund der klaren und verständlichen Fassung der Bearbeitungsspesenklausel greift die Ausnahme des Art 4 Abs 2 Klausel‑Richtlinie 93/13/EWG . Die Rechtsprechung des EuGH zur Missbrauchskontrolle ist folglich nicht einschlägig. Eine Missbräuchlichkeit kann sich aber, wie oben dargelegt (Pkt 2.5.) aus strengerem nationalen Recht, insbesondere § 879 Abs 3 ABGB ergeben.
4.2. Zum Vorliegen einer Nebenleistung
[30] 4.2.1. Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, ist nach § 879 Abs 3 ABGB jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt. Die Ausnahme von der im § 879 Abs 3 ABGB verankerten Inhaltskontrolle – die Festlegung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten – wird von der Rechtsprechung seit jeher möglichst eng verstanden (RS0128209; RS0016908). Entgeltklauseln, die ein Zusatzentgelt zur Abgeltung einer auch im Regelfall mit der Erfüllung der vertraglichen Pflichten verbundenen Leistung vorsehen, schränken das eigentliche Leistungsversprechen ein, verändern es oder höhlen es aus und unterliegen der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB (6 Ob 253/07k; RS0016908 [T6]).
[31] 4.2.2. Dennoch gelangte der Oberste Gerichtshof zu 6 Ob 13/16d und 10 Ob 31/16f noch zum Ergebnis, dass Kreditbearbeitungsgebühren zur Hauptleistungspflicht aus dem Kreditvertrag gehören und daher nicht der Kontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB unterliegen würden. Mittlerweile hat allerdings der EuGH im Rahmen der Auslegung der Klauselrichtlinie ausgesprochen, dass eine Bereitstellungsprovision keine Hauptleistung des Kreditvertrags betrifft (Caixabank SA III, C‑565/21 ; Caja Rural de Navarra, C‑699/23 , Rz 52). Dies gilt unabhängig davon, ob dieses Zusatzentgelt in den Gesamtkosten angeführt wird oder nicht (Caixabank II, C‑224/19 und C-259/19 ).
[32] 4.2.3. Der Oberste Gerichtshof hat aber auch in anderem Zusammenhang schon mehrfach ausgesprochen, dass Zusatzentgelte, die nicht der Abgeltung einer nur im Einzelfall erforderlichen Mehrleistung dienen, sondern die Abgeltung einer im Regelfall mit der Erfüllung der vertraglichen Pflichten verbundenen Leistung vorsehen, das eigentliche Leistungsversprechen einschränken, verändern oder aushöhlen können und somit der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB unterliegen (RS0016908 [T5, T6]). Auf dieser Grundlage unterliegt auch ein Kreditbearbeitungsentgelt, wie es auch im vorliegenden Fall vereinbart wurde, der Inhaltskontrolle des § 879 Abs 3 ABGB (ebenso Schwarzenegger, Kreditbearbeitungsgebühr und Klauselkontrolle, ecolex 2024/568 [1009]; im Ergebnis ebenso 7 Ob 169/24i).
4.3. Zur gröblichen Benachteiligung
[33] 4.3.1. In der Entscheidung 6 Ob 13/16d vertrat der Oberste Gerichtshof zwar primär die Auffassung, dass ein Kreditbearbeitungsentgelt als Teil der Hauptleistung kontrollfrei sei (Punkt 3 und 4). Subsidiär führte er aber auch aus, dass eine Kreditbearbeitungsgebühr von 1 oder 2 % der Kreditsumme keine gröbliche Benachteiligung im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB sei. Im Gegensatz zu Deutschland seien in Österreich Zusatzentgelte für eine typische Nebenleistung nicht von vornherein unzulässig. Dabei sei nicht entscheidend, ob der Bearbeitungsaufwand im Interesse einer Partei oder beider Parteien liege. Entgeltklauseln seien insbesondere dann sachgerecht, wenn sie jenen Kunden belasten, der die damit abgegoltenen Kosten tatsächlich verursacht habe. Auch eine wertabhängige Gebührengestaltung sei im Hinblick auf die Regelungen in der Immobilienmakler-VO, im RATG und im GGG nicht zu beanstanden. Dass das vereinbarte Entgelt dem tatsächlichen Aufwand des Kreditgebers exakt entspreche, sei nicht erforderlich, weil ein derartiges Erfordernis jede Pauschalierung unmöglich machen würde. Ähnlich argumentierte der Oberste Gerichtshof zuletzt auch – unter Hinweis auf 6 Ob 13/16d – in 10 Ob 31/16f (Punkt 5).
[34] 4.3.2. In seiner jüngeren Rechtsprechung beurteilte der Oberste Gerichtshof demgegenüber die pauschale Verrechnung von Entgelten ohne konkrete Zusatzleistung und ohne konkrete Kosten als unzulässig (RS0123253 [T4]). So wurden Klauseln zur Verrechnung einer Chipgebühr, einer periodischen Servicepauschale oder einer Aktivierungsgebühr in einem Fitnesscenter-Nutzungsvertrag (4 Ob 59/22p; 4 Ob 62/22d; 9 Ob 94/22x), die Verrechnung eines „Green-Beitrags“ für die Müllentsorgung und eines „Peak Week-Zuschlags“ für Buchungen in der populärsten Reisewoche in einem Maturareisevertrag (9 Ob 18/23x) sowie die Einschreibegebühr in eine Kinderkrippe (9 Ob 68/24a) als gröblich benachteiligend im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB angesehen.
[35] 4.3.3. Diese Rechtsprechung ist zwar auf den vorliegenden Fall nicht unmittelbar übertragbar, weil das Bearbeiten des Kreditantrags, die Bonitätsprüfung sowie das Erstellen der Kreditunterlagen dem Kreditgeber konkrete Kosten verursacht, die über die bloße Bereitstellung des Kapitals hinausgehen. Der Kreditgeber hat auch ein berechtigtes Interesse daran, dass die mit der Vertragserrichtung verbundenen Aufwendungen selbst im Fall einer vorzeitigen Rückzahlung, die nach § 20 HIKrG zum Erlöschen des Anspruchs auf Verzinsung führt, vollständig entlohnt werden (Perner/Spitzer, Zulässigkeit (?) von Kreditbearbeitungsentgelten, ÖBA 2023, 779 [787]).
[36] 4.3.4. Wohl aber ist im Hinblick auf § 879 Abs 3 ABGB eine Pauschalierung solcher Entgelte in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur zulässig, solange damit die konkreten Kosten nicht „grob überschritten“ werden (RS0123253). Dieser das nationale Recht konkretisierenden Rechtsprechung liegt die Wertung zugrunde, dass die Verrechnung von zusätzlichen Entgelten, denen keine konkreten Zusatzleistungen oder konkreten Kosten gegenüberstehen, die also bloß eine in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen „verschobene“ Entgeltverrechnung für ohnehin mit der Erfüllung der Hauptleistung üblicherweise verbundenen Aufwendungen darstellt, gröblich benachteiligend im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB ist (RS0123253 [T6]).
[37] 4.3.5. Das gilt jedenfalls dann, wenn eine Klausel die Abgeltung von „Spesen“ in bestimmter Höhe vorsieht oder auf andere Weise erkennen lässt, dass sich der Vertragspartner zur Abgeltung eines konkreten Aufwands des Unternehmers verpflichten soll. In diesem Fall wird der Vertragspartner annehmen, dass die verrechneten Beträge nicht unverhältnismäßig höher sind als der tatsächliche Aufwand. Denn er wird dem Unternehmer zwar eine gewisse Pauschalierung zubilligen, er wird ihm aber nicht unterstellen, dass er „Spesen“ oder konkret bezeichnete Aufwendungen verrechnet, die in Wahrheit nicht einmal annähernd in dieser Höhe angefallen sind; dass er also in Wahrheit ein zusätzliches Entgelt für seine an sich durch andere Entgeltbestandteile (hier durch die Zinsen) abgegoltene Hauptleistung fordert. Trifft das entgegen dieser Annahme zu, ist die Klausel als gröblich benachteiligend anzusehen.
[38] 4.3.6. Der Oberste Gerichtshof hat deshalb zu 7 Ob 169/24i eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Klausel, die ein Kreditbearbeitungsentgelt von 1,5 % ohne Obergrenze vorsah, bei der im Verbandsprozess gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung als grobe Kostenüberschreitung qualifiziert und einen Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB bejaht, weil nicht nachvollziehbar ist, warum sich bei einer bloßen Verdoppelung der Kreditsumme auch der Aufwand auf das Doppelte erhöhen soll. Gleichzeitig hat der Oberste Gerichtshof aber auch darauf hingewiesen, dass die Höhe der vereinbarten Gebühr mit dem tatsächlichen Aufwand des Kreditgebers nicht exakt korrelieren muss, weil dies jede Pauschalierung unmöglich machen würde (so bereits 6 Ob 13/16d). Insofern ist die Kontinuität zur letztgenannten Entscheidung gewahrt.
[39] 4.3.7. Der Senat schließt sich – auch aus den weiteren oben genannten Gründen – dieser Auffassung an. Danach ist es durchaus zulässig, Fixbeträge vorzusehen, die dem Kunden gegenüber mit konkreten Kosten („Spesen“) des Kreditinstituts erklärt werden, selbst wenn der Aufwand im Einzelfall niedriger ausfallen kann (aA offenbar Schumacher/Wenda, Kreditbearbeitungsgebühren nach 4 Ob 59/22p, ÖBA 2024, 101 [108]). Eine solche Klausel verstößt aber gegen § 879 Abs 3 ABGB, wenn das vereinbarte Zusatzentgelt die tatsächlichen Kosten, die für die Erbringung dieser Leistung zu erwarten sind, grob überschreitet. Ob dies der Fall ist, muss anhand des dem Kreditgeber tatsächlich entstehenden Kostenaufwands beurteilt werden (I. Vonkilch, Zusatzentgelte im Lichte europäischer und nationaler Inhaltskontrolle, ÖJA 2024/9 [215]; Burtscher, Kreditbearbeitungsgebühren nach 7 Ob 169/24i? ÖJZ 2025/62 [405 f]). Der Personalaufwand kann dabei anhand marktüblicher Stundensätze abgeschätzt werden, sodass sich umfassende betriebswirtschaftliche Analysen erübrigen (aA Kellner, Pandoras Rechtssätze, ZFR 2025/64 [158]).
[40] 4.3.8. Das gilt unabhängig davon, ob die Kreditbearbeitungsgebühr in einem angemessenen Verhältnis zur Kreditsumme steht oder nicht. Die gegenteilige Auffassung Schoppers (Das Kreditbearbeitungsentgelt auf dem Prüfstand des europäischen und österreichischen Zivilrechts, ÖJZ 2024/16 [87]) beruht ausschließlich auf der oben dargestellten Rechtsprechung des EuGH zu den unionsrechtlichen Mindesterfordernissen und berücksichtigt nicht, dass das nationale Recht höhere Anforderungen stellen kann. Das trifft hier aus den oben genannten Gründen zu.
5. Zur „Rückwirkung“ der Rechtsprechung
[41] 5.1. Die Beklagte meint, dass es sich bei der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 7 Ob 169/24i um eine Änderung der Rechtsprechung handle, die sich nicht zu ihrem Nachteil auswirken dürfe (idS auch Pfeifer/Riss, Muss der OGH die Rückwirkung seiner aus Anlass eines EuGH‑Urteils geänderten Rechtsprechung beschränken? wbl 2024, 309 [316 f]). Dem ist aber entgegenzuhalten, dass für zivilgerichtliche Erkenntnisse kein Rückwirkungsverbot gilt, sodass eine geänderte Rechtsprechung auch Sachverhalte erfassen kann, die sich davor verwirklicht haben (RS0109026). Da das Postulat einer „richtigen“ Entscheidung dem Schutz des Vertrauens des Rechtsanwenders vorgeht, muss stets mit einer Judikaturänderung gerechnet werden (10 Ob 65/17g; F. Bydlinski, Gegen die „Zeitzündertheorien“ bei der Rechtsprechungsänderung nach staatlichem und europäischem Recht, JBl 2001, 1 [17]; idS auch Kerschner/Kehrer in Klang3 § 12 ABGB Rz 31 mwN). Der Oberste Gerichtshof hat deshalb bereits zu 7 Ob 169/24i eine zeitliche Beschränkung der nunmehrigen Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Kreditbearbeitungsentgelten, welche den tatsächlichen Aufwand des Kreditgebers überschreiten, abgelehnt, weil im Verfahren nicht dargelegt worden war, dass diese Rückforderungsansprüche für die Beklagte entweder existenzbedrohend seien oder aber zumindest merkliche negative Folgen für die künftige Versorgung der Verbraucher mit den entsprechenden Bankdienstleistungen haben würden.
[42] 5.2. Nichtsdestoweniger wurde vorgeschlagen, das Vertrauen der Banken auf die Rechtmäßigkeit von Kreditbearbeitungsgebühren in die Beurteilung einfließen zu lassen, ob es dadurch tatsächlich zu einer gröblichen Benachteiligung nach § 879 Abs 3 ABGB gekommen ist (A. Vonkilch, [Un‑]Zulässigkeit von Aktivierungsgebühren, Servicepauschalen & Co im Telekommunikationsrecht. Was kann das Argument des Vertrauensschutzes leisten? ÖJZ 2024/112, 665 f). Die Berücksichtigung des Vertrauens auf eine bestimmte Rechtsauslegung könnte aber jedenfalls nur im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung geschehen, welche auch die Schutzwürdigkeit des Prozessgegners angemessen bedenkt (Thunhart, Auslegung und Vertrauensschutz, ÖJZ 2010/77, 715). So darf der Schutz des Vertrauens des Kreditgebers nicht dazu führen, dass der Kreditnehmer im Einzelfall gröblich benachteiligt wird, indem er Zusatzentgelte bezahlen muss, die den tatsächlichen Aufwand – dessen Vorliegen der Kreditgeber durch die Verwendung des Begriffs „Spesen“ und gegebenenfalls, wie hier, durch ausdrückliches Nennen der betroffenen Leistungen suggeriert hat – grob übersteigen. Die Frage, ob die Beklagte tatsächlich auf die Zulässigkeit derart überhöhter Kreditbearbeitungsentgelte vertrauen durfte und ob das unter Umständen zu einem Ausschluss der Rückwirkung führen könnte, muss daher gar nicht mehr beantwortet werden.
[43] 6. Im vorliegenden Fall führen diese Erwägungen zum Ergebnis, dass die Verpflichtung des Klägers zur Bezahlung von Bearbeitungsspesen gegen § 879 Abs 3 ABGB verstößt, wenn dieser Betrag den zu erwartenden Aufwand der Beklagten für die in der Klausel genannten Tätigkeiten grob überschreitet. Nach § 269 ZPO bedürfen offenkundige Tatsachen keines Beweises, sodass auch das Rechtsmittelgericht sie ohne Ergänzung des Beweisverfahrens seiner Entscheidung zugrundelegen kann (RS0040219). Eine Erörterung konnte im vorliegenden Fall schon deshalb unterbleiben, weil die Beklagte bereits ein Vorbringen zum Aufwand erstattet hat. Da der Abschluss eines Hypothekarkreditvertrags nach dem Vorbringen der Beklagten einen durchschnittlichen Zeitaufwand von 20 bis 23 Stunden erfordert, ist – auch unter Berücksichtigung der Kosten für die verwendete Software – offenkundig, dass die vereinbarten Bearbeitungsspesen von 20.850 EUR den tatsächlichen Kostenaufwand, wie er mit der Bearbeitung des Kreditantrags, der Bonitätsprüfung und der Erstellung der Kreditunterlagen verbunden ist, grob überschreiten, sodass die gegenständliche Klausel gegen § 879 Abs 3 ABGB verstößt. Dass die vereinnahmten Bearbeitungsspesen entgegen der im Kreditvertrag enthaltenen Vereinbarung auch zur Entlohnung eines Kreditvermittlers verwendet wurden, kann daran nichts ändern. Die Beklagte war daher zur Rückzahlung der vereinnahmten Bearbeitungsspesen zu verpflichten.
[44] 7. Nach § 1480 ABGB verjähren Zinsforderungen in drei Jahren; darunter fallen auch Zinsen aus einer ohne Rechtsgrund geleisteten und daher zurückzuerstattenden Geldsumme (RS0031939; 7 Ob 10/20a). Die Entscheidung der Vorinstanzen war deshalb dahin abzuändern, dass der Klage hinsichtlich der Rückzahlung der vereinnahmten Bearbeitungsspesen einschließlich der nicht länger als drei Jahre zurückliegenden Zinsen stattgegeben, das darüber hinausgehende Zinsbegehren aber abgewiesen wird.
[45] 8. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden: Eine nicht im Einzelnen ausgehandelte Verpflichtung zur Leistung eines Zusatzentgelts, das als Spesenersatz bezeichnet wird oder auf andere Weise erkennen lässt, dass es der Abgeltung eines konkreten Aufwands des Unternehmens dient, ist gröblich benachteiligend im Sinne von § 879 Abs 3 ABGB, wenn das Entgelt den tatsächlichen Aufwand grob überschreitet.
[46] 9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 43 Abs 2, Fall 1, ZPO, für das Rechtsmittelverfahren in Verbindung mit § 50 ZPO. Im Berufungsverfahren wurde keine Umsatzsteuer verzeichnet.
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