OGH 4Ob176/24x

OGH4Ob176/24x24.6.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Istjan, LL.M., Mag. Waldstätten, Dr. Stiefsohn und Mag. Böhm in der Markenschutzsache der Antragstellerin Comité International Olympique, *, Schweiz, vertreten durch die KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Antragsgegnerin * GmbH, *, vertreten durch die CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Widerspruch gegen die Marken AT 321272 und AT 321273, über den außerordentlichen [richtig:] Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 1. August 2024, GZ 33 R 26/24x‑19, mit dem der Unterbrechungsantrag der Antragsgegnerin abgewiesen und der Beschluss des Patentamts vom 26. September 2023, GZ WM 10050/2023‑4, WM 10051/2023‑4, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00176.24X.0624.001

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Antragsgegnerin meldete am 9. 12. 2022 die (aus ihrer älteren Firma abgeleiteten) Marken OLYMP (Wortmarke; AT 321273) und OLYMP Realitätenges.m.b.H. (Wortbildmarke; AT 321272):

für die Klassen 35, 36 und 37 an, konkret für:

Klasse 35: Werbung für Immobilien; Marketing in Bezug auf Immobilien; Immobilienversteigerungen; Vertriebsanalysen für die Immobilienbranche.

Klasse 36: Immobilienwesen; Immobilienberatung; Immobilienschätzung; Immobilienverwaltung; Immobiliendienstleistungen; Immobiliengeschäfte [Finanzdienstleistungen]; Beratung über Immobilien; Vermietung von Immobilien; Dienstleistungen von Immobilienbüros; Dienstleistungen eines Immobilienmaklers; Verwaltung von Immobilienportfolios; Recherchedienstleistungen im Zusammenhang mit dem Erwerb von Immobilien [Immobilienwesen];Vermittlung von Immobilien für Dritte; Vermittlung von Mietverträgen [für Immobilien]; Vermittlung von Pachtverträgen [für Immobilien]; Vermietung von Immobilien und Grundstücken; Erstellen von Immobilienangeboten für die Vermietung von Häusern und Wohnungen; Zurverfügungstellen von Informationen in Bezug auf das Immobilienwesen über das Internet; Immobilienverwaltung durch Treuhänder.

Klasse 37: Beratungsdienste in Bezug auf den Umbau von Immobilien; Renovierung von Immobilien.

 

[2] Das österreichische Patentamt gab mit Beschluss vom 26. 9. 2023 (nach Verfahrensverbindung) Widersprüchen der Antragstellerin, dem Internationalen Olympischen Komitee, statt, und hob die Registrierung beider Marken für alle Dienstleistungen wegen Verwechslungsgefahr iSd § 30 Abs 1 Z 2 MSchG rückwirkend auf. Die Antragstellerin stützte sich dafür auf ihre älteren internationalen Wortmarken OLYMPIC (IR 1128501A; Veröffentlichung der Registrierung am 24. 2. 2022) und OLYMPIAN (IR 1496460; 7. 11. 2019), die für zahlreiche Waren und Dienstleistungen eingetragen sind, so auch in den Klassen 35, 36 und 37, etwa für „advertising“, „real estate affairs“ oder „construction, repair, installation services“.

[3] Das Oberlandesgericht Wien gab einem Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zu.

[4] Weiters wies es einen Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung zweier von der Antragsgegnerin beim EUIPO am 27. 11. 2023 eingebrachter Nichtigkeitsanträge ab. Es zog dafür § 35 Abs 5 MSchG iVm § 119 Abs 1 PatG iVm § 190 ZPO heran und führte aus, dass eine Unterbrechung nur zulässig sei, wenn sie nicht zu Verzögerungen und Weitläufigkeiten führe. Auch müsse das präjudizielle Verfahren zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz bereits anhängig gewesen sein, was hier nicht der Fall gewesen sei. Die Abweisung des Unterbrechungsantrags sei nach § 192 Abs 2 ZPO unanfechtbar.

[5] Die Antragsgegnerin erhob einerseits einen Rekurs gegen die Abweisung ihres Unterbrechungsantrags und andererseits einen außerordentlichen Revisionsrekurs, mit dem sie eine Abweisung der Widersprüche anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

[6] Beide (richtig) Revisionsrekurse sind mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig und daher zurückzuweisen.

I. Zur Unterbrechung:

[7] I.1 Die Antragsgegnerin zeigt in ihrem Rechtsmittel zutreffend auf, dass der Rechtszug an den Obersten Gerichtshof insoweit nicht jedenfalls unzulässig ist.

[8] Während § 192 Abs 2 ZPO einen Rechtsmittelausschluss für Beschlüsse vorsieht, mit denen ua eine (nicht zwingend vorgeschriebene) Unterbrechung verweigert oder einem Fortsetzungsantrag stattgegeben wird (s jüngst 4 Ob 183/24a mwN), schließt § 26 Abs 4 AußStrG nur die gesonderte Anfechtbarkeit von Beschlüssen aus, die eine Unterbrechung (§ 25 AußStrG) verweigern oder eine Verfahrensfortsetzung anordnen. Ein Revisionsrekurs ist – unabhängig davon, ob der Beschluss im Verfahren erster Instanz oder im Rekursverfahren gefasst wird – (nur) unter den Voraussetzungen des § 62 AußStrG zulässig (vgl RS0122154; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 26 Rz 55, 57).

[9] § 29b MSchG kennt eigene Regelungen für die Unterbrechung eines Widerspruchsverfahrens. So sieht § 29b Abs 3 MSchG eine Unterbrechung für den (hier nicht vorliegenden) Fall vor, dass die Widerspruchsmarke wegen Nichtbenutzung iSd § 33a MSchG angefochten wird. Nach § 29b Abs 4 MSchG „kann ein Widerspruchsverfahren gemäß § 190 ZPO unterbrochen werden“, wenn ua eine der streitverfangenen Marken in ihrem Bestand angefochten ist.

[10] § 35 Abs 5 MSchG verweist für das Verfahren vor dem Patentamt allgemein – „soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist“ – ua auf § 119 PatG, der besagt: „Die Verhandlung ist nach den sinngemäß anzuwendenden Vorschriften der §§ 171 bis 203 ZPO zu leiten und durchzuführen […].

[11] Gemäß § 37 Abs 2 MSchG kann ein Unterbrechungsbeschluss der Rechtsabteilung im Widerspruchsverfahren – anders als vorbereitende Verfügungen des Referenten und Zwischenentscheidungen – angefochten werden. Im Übrigen besagt § 35 Abs 1, § 37 Abs 1 und 3 iVm § 139 PatG, dass Beschlüsse der Rechtsabteilung des österreichischen Patentamts, auch wenn sie in einem kontradiktorisch geführten Widerspruchs‑ und Einspruchsverfahren ergangen sind, mit Rekurs an das Oberlandesgericht Wien angefochten werden können, und für das Rekursverfahren das AußStrG gilt (mit den in § 139 PatG genannten Ausnahmen und Besonderheiten; s auch Terlitza in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 37 MSchG Rz 3, Fn 2).

[12] Gegen einen im Rahmen des Rekursverfahrens ergangenen Beschluss des Rekursgerichts ist gemäß § 38 MSchG der Revisionsrekurs nach Maßgabe des § 62 AußStrG zulässig. Auf das Verfahren ist § 140 Abs 2 PatG sinngemäß anzuwenden, der wiederum auf das AußStrG verweist und (hier nicht relevante) Besonderheiten regelt.

[13] Aus all dem folgt, dass sich die Unterbrechung zwar nach § 190 ZPO richtet, der Rechtsmittelausschluss des § 192 Abs 2 ZPO jedoch nicht zur Anwendung kommt, sondern die Zulässigkeit des (richtig) Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen die Abweisung ihres Unterbrechungsantrags vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG abhängt.

[14] I.2 Eine derartige erhebliche Rechtsfrage wird im Rechtsmittel aber nicht aufgezeigt.

[15] Da das Oberlandesgericht Wien über den erstmals mit dem Rekurs verbundenen Unterbrechungsantrag funktionell nicht als Rekursgericht entschied, kommt insofern nicht § 37 Abs 3 MSchG iVm § 139 PatG und das AußStrG zur Anwendung, sondern § 29b MSchG. Wie dargelegt kennt § 29b MSchG zwei verschiedene Unterbrechungstatbestände, wobei Abs 4 die Unterbrechung nach seinem Wortlaut ins (gebundene) Ermessen stellt und (wie auch § 35 Abs 5 MSchG iVm § 119 PatG) auf § 190 ZPO verweist.

[16] Das Oberlandesgericht Wien stützte sich bei seiner Entscheidung auf Rechtsprechung zu § 190 ZPO, wonach eine Unterbrechung erst im Rechtsmittelverfahren zwar zulässig sei, aber nur dann, wenn das präjudizielle Verfahren bereits vor Schluss der Verhandlung erster Instanz – hier der Beschlussfassung – anhängig gewesen sei (vgl RS0036791, RS0036799, RS0036801 [T2, T10]).

[17] Die Antragsgegnerin hält dem nur entgegen, dass § 190 ZPO nicht heranzuziehen sei und zu § 25 Abs 2 AußStrG keine vergleichbare Rechtsprechung existiere. Insofern verkennt sie jedoch den dargelegten Anwendungsbereich von § 29b Abs 4 MSchG iVm § 190 ZPO bzw § 37 Abs 3 MSchG iVm § 139 PatG sowie, dass der Oberste Gerichtshof die vom Oberlandesgericht Wien zitierte Rechtsprechung zu § 190 ZPO etwa auch schon im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren auf § 25 Abs 2 AußStrG übertrug (vgl 5 Ob 55/17z). Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG wird insoweit nicht aufgezeigt, sodass der (richtig) Revisionsrekurs gegen die Abweisung des Unterbrechungsantrags zurückzuweisen ist.

II. Zum Widerspruchsverfahren:

[18] II.1 Ebenso verhält es sich im Widerspruchsverfahren.

[19] Das Patentamt und das Rekursgericht stützten ihre Entscheidungen über den Widerspruch weder auf das „Bundesgesetz zum Schutz der olympischen Embleme und Bezeichnungen“, BGBl Nr 15/1992, noch auf die Bekanntheit der Antragstellerin für Sportveranstaltungen. Der Verweis der Antragsgegnerin auf die Entscheidung 4 Ob 31/13gFitnesscenter Olympia geht daher ins Leere, weil hier nicht die Frage der Verwechslungsgefahr oder Rufausbeutung im Zusammenhang mit den von der Antragstellerin veranstalteten Olympischen Spielen und deren Zeichen zu beurteilen ist, sondern ausschließlich die Verwechslungsgefahr mit den von ihr ua für die Klassen 35, 36 und 37 registrierten Marken.

[20] Die Vorinstanzen gingen – unter umfassender Darstellung der nationalen und europäischen Rechtsprechung – davon aus, dass die prioritätsälteren Widerspruchsmarken OLYMPIC und OLYMPIAN, die für zahlreiche Dienstleistungen der Klassen 35, 36 und 37 registriert seien, die mit jenen der Antragsgegnerin ident oder ähnlich seien, relative Fantasiebegriffe und normal kennzeichnungskräftig seien und angesichts der Ähnlichkeit der jüngeren Marken in ihrem dominierenden Bestandteil und Bedeutungsgehalt Verwechslungsgefahr iSd § 30 Abs 1 Z 2 MSchG bestehe.

[21] Die Verwechslungsgefahr kann jedoch nur anhand aller Umstände des Einzellfalls beurteilt werden und begründet daher keine erhebliche Rechtsfrage (vgl RS0112739, RS0111880).

[22] II.2 Der Revisionsrekurs vertritt die Ansicht, dass der sondergesetzliche Schutz den Handlungsspielraum der Antragstellerin beschränke und die Anmeldung der Widerspruchsmarken in nahezu allen möglichen Klassen, die nichts mit deren Tätigkeiten zu tun hätten, bösgläubig erfolgt sei. Daraus leitet sie für das Widerspruchsverfahren ab, dass die von ihr angemeldete Marke „OLYMP“ für Immobilien-Dienstleistungen sogar hochgradig fantasievoll sei, während den Marken „OLYMPIC“ und „OLYMPIAN“, wenn sie von der Antragstellerin angemeldet würden, nur eine ganz geringe Unterscheidungskraft zugebilligt werden könne, sodass geringste Abweichungen eine Verwechslungsgefahr ausschließen würden.

[23] Dem kann nicht gefolgt werden. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass zwischen dem „Bundesgesetz zum Schutz der olympischen Embleme und Bezeichnungen“ und Ansprüchen aus registrierten Marken echte Anspruchskonkurrenz besteht (so auch BGH I ZB 6/20), begegnet keinen Bedenken. Ob die Marken wegen Bösgläubigkeit zu löschen sind, ist – wie die Antragsgegnerin selbst richtig erkennt – einzig vom EUIPO aufgrund der von ihr eingebrachten Nichtigkeitsanträge zu entscheiden (vgl 4 Ob 40/22v = RS0134135; RS0119658). Auch eine allfällige Irreführungseignung ist hier nicht zu prüfen.

[24] Die für den Revisionsrekurs allein relevante Frage der Kennzeichnungskraft eines Begriffs kann nur jeweils bezogen auf die konkret angemeldete Ware oder Dienstleistung geprüft werden und wird durch die umfassende Registrierung nicht pauschal herabgesetzt. Ebensowenig kommt anderen Eintragungen von „Olymp-Marken“ durch Dritte eine präjudizielle Wirkung zu (vgl 4 Ob 148/24d mwN).

[25] Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass OLYMPIC bzw OLYMPIAN (ungeachtet der englischen Endung) von den maßgeblichen Verkehrskreisen als „olympisch“ verstanden wird und hinsichtlich der hier zu beurteilenden Dienstleistungen, insbesondere im Zusammenhang mit Immobilien, normal kennzeichungskräftig ist (und zwar auch, wenn die Anmelderin das IOC ist), ist jedenfalls vertretbar.

[26] II.3 Nach der vom Revisionsrekurs weiters ins Treffen geführten „Neutralisationstheorie“ können Bedeutungsunterschiede die optische und klangliche Ähnlichkeit zweier Zeichen „neutralisieren“ (vgl 4 Ob 228/14dArtist/Arktis mwN). Dies ist hier aber nicht der Fall, weil alle vier Marken nach der zweifellos vertretbaren Ansicht der Vorinstanzen auch an den Olymp als höchstes Gebirge Griechenlands und mythologischen Wohnort der Götter erinnern (was für Immobilien-Dienstleistungen noch näher liegt als ein Bezug auf die olympischen Spiele als Sportveranstaltung), der Bildbestandteil dies lediglich verstärkt und der Zusatz „Realitätenges.m.b.H.“ für die angemeldeten Dienstleistungen bloß beschreibend ist.

[27] Soweit sich die Revisionsrekurswerberin unter dem Schlagwort „Neutralisationstheorie“ auf den Umstand beruft, dass sie unter dieser Firma bzw dem Logo seit 1994 ein in Österreich bekanntes Immobilienunternehmen betreibe, während die Antragstellerin internationale Sportveranstaltungen organisiere, hielten ihr bereits die Vorinstanzen entgegen, dass im Widerspruchsverfahren auf den Registerstand abzustellen ist (vgl Om 4/11; RS0116295, RS0066553 [T13]). Insofern negiert der Revisionsrekurs zudem, dass nach Ansicht der Vorinstanzen prägender Bestandteil aller vier Marken derselbe Wortstamm mit demselben Bedeutungsgehalt ist, nämlich „OLYMP“, und die Widerspruchsmarken etwa auch für „real estate affairs“ eingetragen sind.

[28] Dass die Benutzungsschonfrist des § 33a MSchG im Hinblick auf Art 190, 203 UMV noch nicht abgelaufen ist, wird im Revisionsrekurs nicht angezweifelt.

[29] Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung oder sonst erhebliche Rechtsfrage wird sohin nicht aufgezeigt.

[30] II.4 Schließlich argumentiert der Revisionsrekurs mit einer Antragsüberschreitung. Abgesehen davon, dass die Auslegung des Vorbringens durch die Vorinstanzen, wonach sich die Widersprüche im Gesamtzusammenhang auf eine gänzliche Löschung bezogen, eine Frage des Einzelfalls darstellt (vgl RS0042828), würde eine Überschreitung des Begehrens (sowohl nach § 405 ZPO als auch nach § 36 Abs 3 und 4 AußStrG) nur einen Verfahrensmangel begründen (RS0007501). Verneinte Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens können mit Revisionsrekurs jedoch nicht mehr geltend gemacht werden (vgl RS0030748 uvm).

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