OGH 13Os35/25h

OGH13Os35/25h4.6.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Juni 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Artner in der Finanzstrafsache gegen Mag. * F* und einen anderen Angeklagten wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Dr. * H* sowie die Berufung der Finanzstrafbehörde gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. Oktober 2024, GZ 128 Hv 24/24y‑228, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0130OS00035.25H.0604.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Finanzstrafsachen

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Finanzstrafbehörde werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Dr. * H* werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Dr. * H* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens, soweit sie nicht durch das ganz erfolglos gebliebene Rechtsmittel der Finanzstrafbehörde verursacht worden sind, zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit im Verfahren über die Nichtigskeitsbeschwerde von Bedeutung – Dr. * H* mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (teils „idF BGBl I 28/1999“, teils „idF BGBl I 104/2010“) schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

[2] Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 3 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde dieses Angeklagten.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde:

[3] Die Verfahrensrüge (Z 3) moniert einen Verstoß gegen die mit ausdrücklicher Nichtigkeit bewehrte Vorschrift des § 221 Abs 2 erster Satz StPO, weil weder die Ladung zur Hauptverhandlung dem (in Brasilien wohnhaften) Beschwerdeführer persönlich zugestellt worden sei noch dieser zu Beginn derselben explizit auf die ihm zustehende Vorbereitungsfrist verzichtet habe. Vom Termin der Hauptverhandlung habe er faktisch erst fünf Tage davor erfahren.

[4] Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund ist zu verneinen, wenn der – nicht wirksam zur Hauptverhandlung persönlich geladene (§ 83 Abs 4 zweiter Satz StPO; zu Ladungen aus dem Ausland siehe Danek/Mann, WK‑StPO § 221 Rz 14/1) – Angeklagte einer Abkürzung seiner in § 221 Abs 1 erster Satz StPO normierten (Mindest-)Vorbereitungsfrist ausdrücklich zustimmt. Dass er sich in die Hauptverhandlung einlässt, ohne die Fristverkürzung zu rügen, ist keine solche ausdrückliche Zustimmung (RIS-Justiz RS0097942; Danek/Mann, WK-StPO § 221 Rz 8).

[5] Nach dem Protokoll über die Hauptverhandlung am 9. Oktober 2024 hat sich der (dort persönlich anwesende) Beschwerdeführer „trotz [der] mangelnden Zustellung nach […] Brasilien“ mit der „Abführung der heutigen Hauptverhandlungsführung einverstanden“ erklärt (ON 227 S 4).

[6] Daraus erschließt sich nicht unmissverständlich, dass er mit dieser (ausdrücklichen) Erklärung auch seine Einwilligung (gerade) in die Verkürzung seiner Vorbereitungsfrist (§ 221 Abs 2 erster Satz StPO) zum Ausdruck gebracht hätte (zur für die Rechtsgültigkeit eines entsprechenden Verzichts geforderten Kenntnis des rechtlichen Sinnzusammenhangs nach Laienart siehe Ratz, WK-StPO § 281 Rz 241 iVm Rz 138).

[7] Allerdings hat sich der Beschwerdeführer nach der Aktenlage sowohl im Ermittlungs- (ON 111 S 45 f) als auch im Hauptverfahren (ON 227 S 12 f und 17; vgl US 60 ff) zu den vom Schuldspruch umfassten Tatvorwürfen umfänglich geständig verantwortet. In solchen Fällen ist regelmäßig ausgeschlossen, dass die reklamierte Formverletzung auf die Entscheidung einen dem Angeklagten (im Sinn des § 281 Abs 3 erster Satz StPO) nachteiligen Einfluss üben konnte – es sei denn, eine gleichwohl bestandene Notwendigkeit besonderer Vorbereitung der Verteidigung würde in der Beschwerde dargetan (vgl RIS‑Justiz RS0098369 sowie Ratz, WK-StPO § 281 Rz 743 und 746). Mit hypothetischen Spekulationen, der Beschwerdeführer hätte sich „[b]ei entsprechender Vorbereitung“ „auch zur Gänze nicht schuldig verantworten und freigesprochen werden können“, geschieht dies gerade nicht.

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[9] Hinzugefügt sei, dass der Tatbestand des § 33 Abs 1 FinStrG (in der – ungeachtet wiederholter Änderungen des gesetzlichen Umfelds dieser Bestimmung – weiterhin geltenden Fassung BGBl 1975/335) von den jeweiligen Tatzeitpunkten bis zum Zeitpunkt der Urteilsfällung in erster Instanz unverändert geblieben ist. Urteilszeitrecht und Tatzeitrecht sind daher hier unter dem Aspekt der Subsumtion (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO, dazu im gegebenen Zusammenhang RIS-Justiz RS0087102) ident (siehe nur 13 Os 129/18x, 13 Os 20/20w und 13 Os 126/21k).

Zur Berufung der Finanzstrafbehörde:

[10] Die Finanzstrafbehörde hat mit Telefax vom 11. Oktober 2024 (ON 229) „Berufung gemäß § 294 StPO (in Bezug auf den Angeklagten H*)“ angemeldet. Der Finanzstrafbehörde steht – im gleichen Umfang wie der Staatsanwaltschaft (§ 200 Abs 2 lit a FinStrG) – Berufung gegen Urteile sowohl zum Vorteil als auch zum Nachteil des Angeklagten zu (Lässig in WK2 FinStrG § 200 Rz 10, vgl RIS-Justiz RS0086743). Als Bezugspunkt einer solchen kommt hier nur der (den Angeklagten Dr. H* betreffende) Strafausspruch in Betracht. Weder in der Anmeldung noch in einer rechtzeitig überreichten Ausführung ihres Rechtsmittels hat die Finanzstrafbehörde jedoch erklärt, in welche Richtung (zugunsten oder zum Nachteil des Angeklagten) sie diesen Ausspruch anfechten will (zur angesprochenen Obliegenheit siehe RIS-Justiz RS0100560 und RS0099919 [insbesondere T2] sowie Ratz, WK-StPO § 295 Rz 7).

[11] Ihre Berufung war daher ebenfalls bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 296 Abs 2 StPO iVm § 294 Abs 4 StPO).

[12] Über die Berufung des Angeklagten Dr. * H* hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 285i StPO).

[13] Der Kostenausspruch – der die durch das ganz erfolglos gebliebene Rechtsmittel der Finanzstrafbehörde verursachten Kosten nicht umfasst – gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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