European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0030OB00064.25W.0528.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
I. Der außerordentliche Revisionsrekurswird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
II. Der Ordinationsantrag wird abgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin begehrte von den drei Beklagten Schadenersatz für die schon eingetretenen und die Feststellung ihrer Haftung für alle künftigen Gesundheitsschäden aufgrund der Verwendung eines (angeblich) mangelhaften Medizinprodukts. Die Zweitbeklagte, die ihren Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika habe, sei die Herstellerin eines von ihr (der Klägerin) seit dem Jahr 2019 jede Nacht verwendeten Beatmungsgeräts, das insofern fehlerhaft sei, als sich der darin zum Einsatz kommende Schaumstoff im Lauf der Zeit zersetze, wodurch giftige Gase und Schaumstoffpartikel in die Lunge gelangen und die Bronchien schädigen könnten. Die Haftung der Beklagten ergebe sich aus dem PHG und schuldhaftem Verhalten, weil sie spätestens 2015 von der Fehlerhaftigkeit des Produkts gewusst, dieses bis 2021 aber nicht zurückgerufen und keine Sicherheitswarnungen abgegeben hätten. Die Erstbeklagte hafte als Importeurin und die Drittbeklagte als Bevollmächtigte im Sinn der Medizinprodukteverordnung solidarisch mit der Zweitbeklagten. Die internationale Zuständigkeit Österreichs liege nach § 27a iVm § 92a JN sowie Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012 vor und folge nach § 93 JN auch aus der zwischen den Beklagten aufgrund ihrer Solidarhaftung bestehenden materiellen Streitgenossenschaft gemäß § 11 Z 1 ZPO.
[2] Hilfsweise stellte die Klägerin auch einen Ordinationsantrag an den Obersten Gerichtshof.
[3] Das Erstgericht wies die Klage gegen die Zweitbeklagte wegen fehlender internationaler Zuständigkeit a limine zurück.
[4] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteige und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs unter Verweis auf bestehende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Parallelfällen für nicht zulässig.
I. Zum Revisionsrekurs:
Rechtliche Beurteilung
[5] In ihremaußerordentlichen Revisionsrekurszeigt die Klägerin keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 528 Abs 1 ZPO auf.
[6] 1. Ein bi‑ oder multilaterales Abkommen, das die Zuständigkeit in bürgerlichen Rechtssachen zwischen Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika gesondert regelt (vgl § 27a Abs 2 JN), besteht nicht. Für die behauptete örtliche und internationale Zuständigkeit sind daher in Anwendung des § 27a Abs 1 JN iVm § 41 Abs 2 JN die Voraussetzungen auf Basis der Angaben der Klägerin zu prüfen (RS0115860; RS0046236).
[7] 2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in den Entscheidungen zu 3 Ob 200/23t, 3 Ob 129/24b, 8 Ob 126/24y, 9 Ob 93/24b und 4 Ob 27/25m in vergleichbaren Fällen die „internationale Zuständigkeit“ (inländische Gerichtsbarkeit) für Schadenersatzklagen gegen die zweitbeklagte Herstellerin mit Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika jeweils mit ausführlicher Begründung verneint. In diesen Entscheidungen hat der Oberste Gerichtshof sämtliche auch hier geltend gemachten Anspruchsgrundlagen geprüft (vgl insb 8 Ob 126/24y und 4 Ob 27/25m, in denen ebenfalls Produktbeobachtungs- und Vigilanzpflichten aus der RL 93/42/EWG betreffend Medizinprodukte, dem MPG 1996, der VO [EU] 2017/745 über Medizinprodukte [MP-VO], dem MPG 2021 und dem PSG 2004 abgeleitet wurden), jedoch keine ausreichenden Anknüpfungspunkte für die inländische Gerichtsbarkeit Österreichs erkannt.
[8] Daran hat der Senat in seiner kürzlich ergangenen Entscheidung zu 3 Ob 35/25f festgehalten und den dort erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs mangels aufgeworfener Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen. Diesem Verfahren lag ein im Wesentlichen inhaltsgleichesKlagevorbringen wie im Anlassfall zugrunde; auch die Argumente im Rechtsmittel gegen die die Klage gegen die Zweitbeklagte zurückweisenden Beschlüsse der Vorinstanzen waren im Wesentlichen ident mit jenen des vorliegenden außerordentlichen Revisionsrekurses.
[9] 3. Die von der Klägerin als erheblich erachteten Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs somit geklärt. Es besteht kein Anlass, von den etablierten Grundsätzen abzugehen. Auch die Anregung der Klägerin auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens war nicht aufzugreifen (vgl 3 Ob 35/25f).
[10] 4. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
II. Zum Ordinationsantrag:
[11] 1. Infolge Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses liegt die Voraussetzung jeder Ordination nach § 28 Abs 1 JN, dass für die betreffende Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind (vgl RS0108569), nunmehr vor (6 Ob 201/24p Rz 8). Die Entscheidung über den bereits in der Klage für den Fall der rechtskräftigen Verneinung der Zuständigkeit des Erstgerichts gestellten Eventualantrag auf Ordination hat dabei in der für die Behandlung des Rechtsmittels vorgesehenen Besetzung zu erfolgen (RS0124243; 8 Ob 4/25h Rz 4).
[12] 2. Nach dem hier in Betracht kommenden § 28 Abs 1 Z 2 JN ist die Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichts durch den Obersten Gerichtshof (nur) dann zulässig, wenn der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre. Diese Voraussetzungen sind nach § 28 Abs 4 Satz 2 JN vom Antragsteller zu behaupten und zu bescheinigen (RS0124087 [T3]).
[13] Durch § 28 Abs 1 Z 2 JN sollen Fälle abgedeckt werden, in denen trotz Fehlens eines Gerichtsstands im Inland ein Bedürfnis nach Gewährung inländischen Rechtsschutzes vorhanden ist, weil ein Naheverhältnis zum Inland besteht und im konkreten Fall eine effektive Klagemöglichkeit im Ausland nicht gegeben ist (RS0124087 [T4]).
[14] 3. Die Klägerin führt zu ihrem Ordinationsantrag nur aus, die Rechtsverfolgung gegen die Zweitbeklagte im Ausland sei ihr im Hinblick auf ihr hohes Alter (81 Jahre) und ihren Gesundheitszustand unmöglich und unzumutbar.
[15] Der Hinweis auf ihr Alter kann die begehrte Ordination schon deshalb nicht rechtfertigen, weil etwaige damit einhergehendeSchwierigkeiten keine Besonderheit einer Rechtsverfolgung im Ausland sind. Auch der Verweis auf ihren schlechten Gesundheitszustand ist nicht tragfähig, zumal nicht dargelegt wurde, ob und aus welchen Gründen ihre persönliche Anwesenheit am Prozessort zwingend erforderlich ist (vgl 8 Nc 25/06b [Rechtsverfolgung einer stark Gehbehinderten in den USA]; vgl auch 10 Nc 13/10h; 4 Nc 20/21k Rz 12).
[16] 4. Mit dem weiteren Vorbringen, es bestehe „das Risiko, dass das Erstgericht die inländische Gerichtsbarkeit verneint, weshalb auch dann die Voraussetzungen der mangelnden örtlichen Zuständigkeit des österreichischen Gerichts“ vorlägen, werdenkeine Gründe aufgezeigt, die eine Rechtsverfolgung in den USA unmöglich oder unzumutbar erscheinen lassen (8 Ob 4/25h; 4 Ob 27/25m; 6 Ob 201/24p; 3 Ob 129/24b).
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