OGH 6Ob201/24p

OGH6Ob201/24p18.2.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Dr. Maximilian Maier, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. P* GmbH, *, Deutschland, 2. R* Inc., *, USA, 3. R* GmbH & Co KG, *, Deutschland, erst‑ und drittbeklagte Parteien vertreten durch DORDA Rechtsanwälte GmbH in Wien,wegen 40.000 EUR sA und Feststellung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 9. Oktober 2024, GZ 4 R 115/24w‑9, womit der Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 4. Juli 2024, GZ 4 Cg 75/24y‑2, bestätigt wurde, sowie den Ordinationsantrag der klagenden Partei den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0060OB00201.24P.0218.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen

 

Spruch:

I. Der außerordentlichen Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

II. Der Ordinationsantrag wird abgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadenersatz und die Feststellung der Haftung für Gesundheitsschäden, die er durch die Verwendung eines fehlerhaften Beatmungsgeräts im Zeitraum 2012 bis 2023 erlitten habe. Die Zweitbeklagte, die ihren Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika hat, sei die Herstellerin des fehlerhaften Beatmungsgeräts. Die Haftung der Beklagten ergebe sich aus dem PHG sowie schuldhaftem Verhalten, weil sie trotz seit 2010 bzw 2015 bestehender Kenntnis der Fehler des Produkts dieses nicht zurückgerufen und keine Sicherheitswarnungen abgegeben hätten. Die internationale Zuständigkeit Österreichs liege nach § 27a iVm § 92a JN sowie Art 7 Z 3 EuGVVO vor und folge nach § 93 JN auch aus der zwischen den Beklagten aufgrund ihrer Solidarhaftung bestehenden materiellen Streitgenossenschaft gemäß § 11 Z 1 ZPO.

[2] Hilfsweise stellte die Klägerin einen Ordinationsantrag an den Obersten Gerichtshof.

[3] Das Erstgerichtsprach aus, für die Klage gegen die Zweitbeklagte international und örtlich nicht zuständig zu sein.

Rechtliche Beurteilung

[4] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.

I. Zum Revisionsrekurs:

[5] Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

[6] Gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der angefochtene erstrichterliche Beschluss – wie im vorliegenden Fall – zur Gänze bestätigt wurde, es sei denn die Klage wäre ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen worden. Eine solche ausnahmsweise Anfechtbarkeit bestünde aber nur bei einer endgültigen („definitiven“) Verweigerung der Sachentscheidung über ein Rechtsschutzbegehren (RS0044536 [insb T8, T27]; jüngst 2 Ob 167/24h; 1 Ob 143/24x; 4 Ob 18/23k).

[7] Im vorliegenden Verfahren hat das Erstgericht – anders als in den Entscheidungen 3 Ob 129/24b und 9 Ob 93/24b zugrunde liegenden Verfahren – die Klage nicht zurückgewiesen, sondern lediglich seine internationale und örtliche Zuständigkeit auf Grundlage vom Kläger in Anspruch genommener Zuständigkeitstatbestände verneint. Die Klage ist nach wie vor anhängig. Daher liegt weder eine Ausnahme von der Unbekämpfbarkeit zur Gänze bestätigender Beschlüsse gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO noch ein dieser Ausnahme gleichzuhaltender Fall vor.

II. Zum Ordinationsantrag:

[8] II.1. Eine Ordination durch den Obersten Gerichtshof im Sinn des § 28 Abs 1 JN hat erst dann zu erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind (RS0108569; vgl RS0046568). Im vorliegenden Fall mangelt es an einem örtlich zuständigen Gericht, weil die Unzuständigkeit durch die Zurückweisung des Revisionsrekurses rechtskräftig ausgesprochen wurde. Der Oberste Gerichtshof hat daher über den vom Kläger gestellten Eventualantrag auf Ordination zu entscheiden.

[9] Die Entscheidung über den Ordinationsantrag ist in der für die Behandlung des Rechtsmittels vorgesehenen Besetzung zu treffen (RS0124243).

[10] II.2. Sind für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts im Sinne dieses Gesetzes oder einer anderen Rechtsvorschrift nicht gegeben oder nicht zu ermitteln, so hat der Oberste Gerichtshof aus den sachlich zuständigen Gerichten gemäß § 28 Abs 1 Z 2 JN eines zu bestimmen, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat, wenn der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre.

[11] Die Voraussetzungen des § 28 Abs 1 Z 2 JN sind nach § 28 Abs 4 zweiter Satz JN vom Antragsteller zu behaupten und zu bescheinigen (RS0124087 [T3]). Diese Bestimmung soll Fälle abdecken, in denen trotz Fehlens eines Gerichtsstands im Inland ein Bedürfnis nach Gewährung inländischen Rechtsschutzes vorhanden ist, weil ein Naheverhältnis zum Inland besteht und im Einzelfall eine effektive Klagemöglichkeit im Ausland nicht gegeben ist (RS0124087 [T4]).

[12] II.3. Der Kläger führt zu seinem Ordinationsantrag ohne jede Konkretisierung lediglich aus, die Rechtsverfolgung gegenüber der Zweitbeklagten sei „im Ausland unmöglich und unzumutbar“. Es bestehe „das Risiko, dass das Erstgericht die inländische Gerichtsbarkeit verneint, weshalb auch dann die Voraussetzungen der mangelnden örtlichen Zuständigkeit des österreichischen Gerichts“ vorlägen. Damit zeigt der Kläger aber nicht auf, aus welchen Gründen die Rechtsverfolgung gegen die Zweitbeklagte in den Vereinigten Staaten für ihn unmöglich oder unzumutbar sein sollte.

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