OGH 4Ob27/25m

OGH4Ob27/25m25.2.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch Dr. Maximilian Maier, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. * GmbH, *, Deutschland, 2. * Inc., *, USA, und 3. * GmbH & Co KG, *, Deutschland, erst- und drittbeklagte Partei jeweils vertreten durch DORDA Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 4.000 EUR sA und Feststellung (Gesamtstreitwert 19.000 EUR), über den Ordinationsantrag und den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 27. Jänner 2025, GZ 15 R 123/24d‑12, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 23. Juli 2024, GZ 16 Cg 34/24k‑2, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00027.25M.0225.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht

 

Spruch:

I. Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

II. Der Ordinationsantrag wird abgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadenersatz und die Feststellung der Haftung für Gesundheitsschäden, die er durch die Verwendung eines fehlerhaften Beatmungsgeräts erlitten habe. Hinsichtlich der Zweitbeklagten stützte die Klage die (inländische und örtliche) Zuständigkeit auf § 92a JN, wobei hilfsweise ein Ordinationsantrag gestellt wird.

[2] Die Zweitbeklagte, die ihren Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika habe, sei die Herstellerin des fehlerhaften Beatmungsgeräts. Die Haftung der Beklagten ergebe sich aus dem PHG sowie aus ihrem schuldhaften Verhalten, weil sie trotz Kenntnis der Fehler des Produkts (Schaumstoffzersetzung, wodurch Gase und Feinstaubteilchen davon in die Lungen der Anwender gelangt seien) dieses nicht zurückgerufen und keine Sicherheitswarnungen abgegeben hätten. Der Zweitbeklagten habe bereits ab dem Jahr 2010 bzw seit 2015 klar sein müssen, dass die Beatmungsgeräte fehlerhaft waren; sie habe das Risiko der Gesundheitsschädigung unzähliger Anwender in Kauf genommen. Der Kläger habe von 2014 bis Juli 2022 das Beatmungsgerät verwendet. Eine Sicherheitsmitteilung sei erst am 14. 6. 2021 durch die Erstbeklagte erfolgt.

[3] Den Ordinationsantrag stützt der Kläger auf den Umstand, dass die Rechtsverfolgung gegenüber der Zweitbeklagten im Ausland unmöglich und unzumutbar sei. Es liege keine Gerichtsstandsvereinbarung vor, völkerrechtliche Bestimmungen lägen ebenfalls nicht vor.

[4] Das Erstgericht sprach aus, dass es international unzuständig sei und wies die Klage gegen die Zweitbeklagte a limine wegen fehlender internationaler Zuständigkeit zurück.

[5] Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung mit Blick auf den hilfsweise gestellten (und noch offenen) Ordinationsantrag dahin ab, dass die Zurückweisung der Klage entfiel. Hinsichtlich des Ausspruchs über die internationale Unzuständigkeit wurde die Entscheidung bestätigt.

[6] Das Rekursgericht verneinte im Zusammenhang mit den geltend gemachten Verstößen gegen die Handlungspflichten (zB Produktbeobachtungspflichten, Informationspflichten) der Zweitbeklagten ausreichende Anknüpfungspunkte für pflichtwidrige Handlungen bzw Unterlassungen der Zweitbeklagten in Österreich. Insoweit sich der Kläger auf eine Haftung der Zweitbeklagten nach dem PHG als Herstellerin stütze, habe diese die den Schaden verursachende Handlung (nämlich die Herstellung des Beatmungsgeräts) in den Vereinigten Staaten von Amerika gesetzt.

Rechtliche Beurteilung

[7] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels Rechtsprechung zum Handlungsort des Herstellers hinsichtlich Melde- und Rückrufpflichten zu.

Zum Revisionsrekurs:

[8] 1. Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[9] 2. Bereits in den Entscheidungen 3 Ob 200/23t, 3 Ob 129/24b, 8 Ob 126/24y und 9 Ob 93/24b hat der Oberste Gerichtshof bei einem sehr vergleichbaren Klagsvorbringen die internationale Zuständigkeit der zweitbeklagten Herstellerin mit Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika für die Schadenersatzklage der jeweiligen Kläger verneint. Zuletzt hat der 9. Senat, an den der dortige klagende Revisionsrekurswerber zu 9 Ob 93/24b deckungsgleiche Rechtsfragen als erheblich herangetragen hat, die Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO verneint und den Revisionsrekurs zurückgewiesen.

[10] 3. In den genannten Entscheidungen hat sich der Oberste Gerichtshof mit den auch hier geltend gemachten Anspruchsgrundlagen bereits umfassend auseinandergesetzt (vgl zB 8 Ob 126/24y ebenfalls zu Produktbeobachtungs- und Vigilanzverpflichtungen, die der dortige Kläger auf die Richtlinie 93/42/EWG betreffend Medizinprodukte, das MPG 1996, die Verordnung [EU] 2017/745 über Medizinprodukte [MP‑VO], das MPG 2021 und das PSG 2004 stützte). Aus weitgehend deckungsgleichen Vorbringen konnte der Oberste Gerichtshof in den Vorentscheidungen keinen Anknüpfungspunkt für eine internationale Zuständigkeit Österreichs für eine Klage gegen die zweitbeklagte Herstellerin aus den Vereinigten Staaten von Amerika ableiten, zumal das schadensauslösende Verhalten von ihr nicht in Österreich gesetzt worden ist (8 Ob 126/24y, Rz 19; 9 Ob 93/24b, Rz 18). Ebenso wurden – bei einem fast identen Klagsvorbringen – Anhaltspunkte verneint, dass die Herstellerin im Jahr 2015 nach dem damals anwendbaren MPG 1996 in das europaweit geltende Medizinprodukteüberwachungs- und -meldesystem derart eingebunden gewesen wäre, dass sie eine gerade am Wohnort des Klägers zu erfüllende Verständigungspflicht unterlassen hätte (3 Ob 129/24b, Rz 12; 9 Ob 93/24b, Rz 18). Vom Obersten Gerichtshof wurde schließlich klargestellt, dass sich aus den auch vom gegenständlichen Kläger herangezogenen Normen keine unmittelbare Mitteilungs- oder Verständigungspflicht über Zwischenfälle an die Patienten ergibt (3 Ob 129/24b, Rz 15; 9 Ob 93/24b, Rz 18).

[11] Daran ist auch im vorliegenden Verfahren festzuhalten.

[12] 4. Der Senat sieht sich auch nicht veranlasst, der Anregung des Revisionsrekurswerbers auf Einleitung eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union zu folgen, wobei auf die Begründungen in den jüngst ergangenen Entscheidungen 8 Ob 126/24y (Rz 21) und 9 Ob 93/24b (Rz 23) verwiesen werden kann, in der die dortigen Kläger idente Fragen (erfolglos) zu der von ihnen angestrebten Vorabentscheidung vorlegten.

[13] 5. Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Zum Ordinationsantrag:

[14] 6. Über den vom Kläger gestellten Eventualantrag auf Ordination ist in der für die Behandlung des Rechtsmittels vorgesehenen Besetzung zu entscheiden (RS0124243).

[15] 7. Sind für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts im Sinne dieses Gesetzes oder einer anderen Rechtsvorschrift nicht gegeben oder nicht zu ermitteln, so hat der Oberste Gerichtshof aus den sachlich zuständigen Gerichten gemäß § 28 Abs 1 Z 2 JN eines zu bestimmen, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat, wenn der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre.

[16] 8. Die Voraussetzungen des § 28 Abs 1 Z 2 JN sind nach § 28 Abs 4 zweiter Satz JN vom Antragsteller zu behaupten und zu bescheinigen (RS0124087 [T3]). Diese Bestimmung soll Fälle abdecken, in denen trotz Fehlens eines Gerichtsstands im Inland ein Bedürfnis nach Gewährung inländischen Rechtsschutzes vorhanden ist, weil ein Naheverhältnis zum Inland besteht und im Einzelfall eine effektive Klagemöglichkeit im Ausland nicht gegeben ist (RS0124087 [T4]).

[17] 9. Der Kläger führt zu seinem Ordinationsantrag ohne jede Konkretisierung lediglich aus, die Rechtsverfolgung gegenüber der Zweitbeklagten sei „im Ausland unmöglich und unzumutbar“. Es bestehe „das Risiko, dass das Erstgericht die inländische Gerichtsbarkeit verneint, weshalb auch dann die Voraussetzungen der mangelnden örtlichen Zuständigkeit des österreichischen Gerichts“ vorlägen. Damit zeigt der Kläger aber nicht auf, aus welchen Gründen die Rechtsverfolgung gegen die Zweitbeklagte in den Vereinigten Staaten von Amerika für ihn unmöglich oder unzumutbar sein sollte (3 Ob 129/24b; 9 Ob 93/24b; 8 Ob 126/24y).

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