OGH 7Ob14/25x

OGH7Ob14/25x19.2.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K* GmbH, *, vertreten durch Puttinger Vogl Rechtsanwälte OG in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei G* AG, *, vertreten durch Eger/Gründl Rechtsanwälte OG in Graz, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 4. Dezember 2024, GZ 4 R 164/24f‑19, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00014.25X.0219.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Zwischen den Parteien besteht eine Betriebshaftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von 10.000.000 EUR für Personen- und Sachschäden. Dem Versicherungsverhältnis liegen unter anderem die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB) 2011 zugrunde, diese lauten auszugsweise:

Artikel 7

Ausschluss vom Versicherungsschutz:

10. die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an

[…]

10.3 jenen Teilen von unbeweglichen Sachen, die unmittelbar Gegenstand der Bearbeitung, Benutzung oder einer sonstigen Tätigkeit sind.“

[2] Punkt 2.17 der Anlage zur Polizze lautet:

„2.17 Tätigkeiten an beweglichen und unbeweglichen Sachen

[...]

2. Tätigkeiten an unbeweglichen Sachen

2.1 Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an jenen Teilen von unbeweglichen Sachen, die unmittelbar Gegenstand der Bearbeitung, Benutzung oder einer sonstigen Tätigkeit sind, gelten abweichend von Art 7, Pkt 10.3 AHVB als mitversichert.

2.2 Die Versicherungssumme beträgt im Rahmen der Pauschalversicherungssumme EUR 1.000,000 (ꞌTätigkeitsklauselꞌ)“

[3] Die T* AG (in der Folge: T*) hatte die Klägerin mit Revisionsarbeiten im Druckschaft eines Kraftwerks beauftragt. Am 29. Oktober 2014 kam es in der Druckrohrleitung des Kraftwerks zu einem Brand mit massiven Sachschäden. Der Versicherer der T* ersetzte dieser einen Schaden in Höhe von 13.708.917,41 EUR, welchen er im Regressweg gegenüber der nunmehrigen Klägerin als dortige Beklagte in einem noch anhängigen Haftpflichtprozess geltend macht.

Rechtliche Beurteilung

[4] 1.1. Bereits in einem Vorverfahren begehrte die Klägerin die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr im Rahmen des mit ihr geschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrags Deckungsschutz zu gewähren. Dort entschied der erkennende Senat zu 7 Ob 14/18m, dass Deckung aufgrund und im Umfang des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrags besteht. Begründend wurde – soweit hier von Interesse – ausgeführt: Das rechtliche Interesse des Versicherungsnehmers an der Feststellung der Deckungspflicht ist nur zu verneinen, wenn sich im Zuge des Feststellungsbegehrens herausstellt, dass der Versicherer aufgrund eines Ausschlusses – unabhängig vom Versicherungsrahmen – unter keinen Umständen zur Leistung herangezogen werden kann. Beim Einwand der beklagten Versicherung im Sinn der Begrenzung des Versicherungsrahmens nach Punkt 2.17.2.2 der Anlage zur Polizze, die sich nur auf einen Teil der vom Versicherungsschutz umfassten Schadenersatzverpflichtungen bezieht, handelt es sich jedoch um einen solchen, der nicht den Grund des Deckungsanspruchs als Ganzes betrifft. In diesem Fall ist die Prüfung, ob und in welchem Umfang die an die Klägerin herangetragenen Schadenersatzforderungen allenfalls (auch) Schäden an den in dieser Bestimmung genannten Teilen betreffen, dem Leistungsstreit vorbehalten.

[5] 1.2. Die Klägerin begehrt nun die Feststellung, „dass die in dem zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrag unter Vertragspunkt 2.17.2.2 vereinbarte Beschränkung der Pauschalversicherungssumme auf 1 Mio EUR auf den Schadenfall vom 29. Oktober 2014 in der Druckrohrleitung der T* nicht anzuwenden ist.“ Sie beabsichtigt daher den Einwand der Tätigkeitsklausel der Beklagten bereits vorab, also während des parallel noch laufenden Haftpflichtprozesses rechtsverbindlich zu klären.

[6] 2.1. Gemäß § 228 ZPO kann auf Feststellung (unter anderem) des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechts geklagt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung dieses Rechtsverhältnisses oder Rechts hat. Ein rechtliches Interesse ist also (materielle) Voraussetzung jeden Feststellungsbegehrens (vgl RS0039177). Das Bestehen eines rechtlichen Interesses richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalls, denen in der Regel keine über diesen hinausgehende Bedeutung zukommt (RS0039177 [T1]).

[7] 2.2. Das zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemachte Rechtsverhältnis muss eine unmittelbare rechtliche Wirkung auf die Rechtsstellung des Klägers ausüben, es muss also geeignet sein, die Beeinträchtigung der Rechtsspähre durch den Gegner zu beenden und einen künftigen weiteren Rechtsstreit zu vermeiden (RS0039071 [T13]). Ein solches Begehren ist daher nur dann zulässig, wenn das festzustellende Recht oder Rechtsverhältnis die Rechtsspähre des Klägers unmittelbar berührt (RS0038819; RS0038958). Die Feststellungsklage muss im konkreten Fall ein geeignetes Mittel zur Beseitigung der Rechtsgefährdung des Klägers bilden (RS0039232). Das in § 228 ZPO geforderte rechtliche Interesse fehlt daher, wenn die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils die Beseitigung der Unsicherheit und das Rechtsverhältnis nicht garantieren kann (RS0014654 [T5]).

[8] 2.3. Das Berufungsgericht verneinte das rechtliche Interesse der Klägerin an dem von ihr erhobenen Feststellungsbegehren. Die Revision zeigt hier keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung auf.

[9] 3.1. Die Klägerin geht selbst zutreffend davon aus, dass vor Beendigung des Haftpflichtprozesses noch gar nicht geklärt ist, ob sie dort überhaupt zur Zahlung von Schadenersatz verpflichtet wird, weil sich ein ihr allenfalls überhaupt aufzuerlegender Schadenersatz noch in einem Schwebezustand befindet. Die Rechtskraftwirkung des hier begehrten Feststellungsurteils könnte die von der Klägerin behauptete Rechtsgefährdung daher auch gar nicht beseitigen, strebt sie doch nur an, isoliert einen im Leistungsstreit möglichen Einwand der Beklagten vorab klären zu lassen. Damit ist aber keineswegs garantiert, dass sie – unabhängig vom Einwand der Tätigkeitsklausel – nicht dennoch nach Ende des Haftpflichtprozesses einen Leistungsstreit wird führen müssen.

[10] 3.2. Bereits das Berufungsgericht hat auf das Vorsichtsprinzip des § 201 Abs 2 Z 4 UGB hingewiesen. Demnach gilt im Rahmen der Bewertung von Passivposten – ebenso wie für Vermögensgegenstände – das Vorsichtsprinzip. Es sind somit bereits erkennbare Risiken und drohende Verluste zu berücksichtigen. Dabei ist das Höchstwertprinzip zu beachten. Inwieweit es vor dem Hintergrund dieser für die Bildung von Rückstellungen bestehenden gesetzlichen Bestimmungen der Klägerin nicht möglich sein soll, eine „richtige“ Bilanz zu erstellen, bleibt offen.

[11] 3.3. Nicht nachvollziehbar ist, aus welchem Grund die Frage der Anwendbarkeit der Tätigkeitsklausel im vorliegenden Fall eine „auch für künftige gleichartige Fälle maßgebliche Streitfrage, die sich im einschlägigen Versicherungsfall neuerlich stellen kann“ sein soll. Das Begehren der Klägerin beschränkt sich ausschließlich auf die Feststellung, dass die Tätigkeitsklausel auf den konkreten Schadensfall vom 29. 10. 2014 nicht anwendbar ist.

[12] 4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

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