OGH 6Ob135/25h

OGH6Ob135/25h16.9.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Faber, Mag. Pertmayr, Dr. Weber und Mag. Nigl LL.M. als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Gottgeisl Leinsmer Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei N*, Malta, vertreten durch Mag. Simon Wallner Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 87.629 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. Juni 2025, GZ 13 R 60/25a‑22, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0060OB00135.25H.0916.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

I. Der Antrag auf Unterbrechung des Revisionsverfahrens bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die Vorabentscheidungsersuchen zu C‑9/25 und C‑440/23 wird abgewiesen.

II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die beklagte Limited hat ihren Sitz in Malta. Sie verfügt über keine nationale Glücksspiellizenz in Österreich. Sie bot im Zeitraum 11. 7. 2023 bis 18. 6. 2024 auf mehreren konkret bezeichneten, in Österreich abrufbaren Websites Online‑Glücksspiele an. Der Kläger nahm in diesem Zeitraum von seinem Wohnsitz in Österreich aus auf den Spielportalen der genannten Websites an Glücksspielen teil und erlitt dabei Verluste in Höhe des eingeklagten Betrags.

Rechtliche Beurteilung

[2] Die Vorinstanzen gaben der auf die Unwirksamkeit der Glücksspielverträge gestützten Klage auf Rückersatz statt.

[3] I. Einer Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über die Vorabentscheidungsersuchen zu C‑9/25 , Tipico, und C‑440/23 , European Lotto and Betting sowie Deutsche Lotto- und Sportwetten, bedarf es nicht, weil die dort zu klärenden unionsrechtlichen Fragen – soweit sie nicht ohnehin die spezifisch deutsche Situation betreffen – bereits geklärt erscheinen (jüngst 7 Ob 112/25h [Rz 3]; vgl etwa 6 Ob 215/24x [Rz 3]; 6 Ob 19/25z [Rz 10]; 4 Ob 219/23v; 9 Ob 72/23p; 8 Ob 31/24b; 2 Ob 194/24d).

[4] Die am 4. 9. 2025 in der Rechtssache C‑440/23 erstatteten Schlussanträge des Generalanwalts enthalten keine Ausführungen, die eine abweichende Einschätzung nach sich ziehen. Eine Klarstellung durch den EuGH wird in den Schlussanträgen nur insofern als erforderlich angesehen, als es um die Befugnis und Verpflichtung der nationalen Gerichte der Mitgliedstaaten geht, die Vereinbarkeit des Rechts anderer Mitgliedstaaten mit dem Unionsrecht zu prüfen (vgl Rz 39 der Schlussanträge). Diese Frage stellt sich im vorliegenden Verfahren, in dem die Unwirksamkeit des österreichischen Glücksspielmonopols behauptet wird, jedoch nicht.

[5] II. Die außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

[6] 1. Die behaupteten Mangelhaftigkeiten des Berufungsverfahrens wurden geprüft, liegen jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO):

[7] Eine mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht angefochten werden. Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht oder nur so mangelhaft befasst, dass keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und im Urteil festgehalten sind, ist sein Verfahren mangelhaft (RS0043371; RS0043141; RS0043027 [T3]). Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Beweisrüge ist mangelfrei, wenn es sich – wie hier – mit dieser überhaupt befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt sowie in seinem Urteil festhält (RS0043150). Fehlende Feststellungen können schon per se keine (primäre) Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens begründen (7 Ob 112/25h [Rz 6]).

[8] 2. Welche Anforderungen an die Konkretisierung des Klagebegehrens zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0037874 [T39]; 7 Ob 112/25h [Rz 7]). Das Berufungsgericht hat – wie auch in dem der Entscheidung 7 Ob 112/25h zugrunde liegenden Verfahren – unter Bezugnahme auf höchstgerichtliche Rechtsprechung hinreichend begründet, warum die vorliegende Zahlungsklage eines Spielers gegen die ohne österreichische Konzession tätige maltesische Online‑Glücksspielanbieterin, mit der er den Ersatz seiner Spielverluste anstrebt, nicht am Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO scheitert. Dabei vertrat es – wie jüngst auch in dem der Entscheidung 7 Ob 112/25h zugrunde liegenden Verfahren – im Hinblick auf die Vielzahl der Transaktionen des Klägers die Ansicht, es würde das Gebot der Präzisierung des Vorbringens überspannen, würde man für jede von zahlreichen Einzelforderungen ein gesondertes detailliertes Vorbringen fordern. Das Klagebegehren sei durch die Konkretisierung des Anspruchs nach dem Zeitraum des wiederholten Spielgeschehens, der Summe der Einzahlungen und der Summe der Auszahlungen hinreichend schlüssig. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der Rechtsprechung (7 Ob 112/25h [Rz 7]; 9 Ob 64/25i; vgl auch 3 Ob 210/24i uva).

[9] 3. Im Übrigen führte der Oberste Gerichtshof jüngst in der Entscheidung 7 Ob 112/25h vom 7. 8. 2025, die ebenfalls die Rückforderung von Spielverlusten gegen dieselbe, auch hier beklagte Partei betraf, aus:

3. Der Argumentation der Revisionswerberin, die Verweigerung eines Rückforderungsanspruchs würde dem Spielerschutz besser gerecht werden, weil ansonsten die Möglichkeit eines 'risikolosen Spiels' bestehe, ist der Oberste Gerichtshof bereits in mehreren Entscheidungen nicht gefolgt (8 Ob 54/25m; 1 Ob 22/25d; uva). Sie lässt die mit dem Glücksspielgesetz verfolgten ordnungspolitischen und fiskalischen Zwecke außer Acht, die eine absolute Nichtigkeit und beiderseitige Rückforderbarkeit erfordern (vgl 8 Ob 21/24g). Den Rückforderungsanspruch zu verweigern, widerspräche im Übrigen dem Zweck der Glücksspielverbote (RS0025607 [T1]). Es wurde bereits mehrmals vom Obersten Gerichtshof dargelegt, dass der Verbotszweck die Rückabwicklung erfordert, wenn sich das Verbot – wie hier – gegen den Leistungsaustausch an sich wendet und es den Schutz der Spieler bewirken soll (3 Ob 17/25h; 6 Ob 77/23a mwN). Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung, dass Spieler ihre verlorenen Einsätze aus verbotenen Glücksspielen zurückverlangen können (RS0134152). Dies gilt im Hinblick auf die Zielsetzung des GSpG nach gefestigter Rechtsprechung auch dann, wenn der Leistende in Kenntnis der Nichtschuld ist und ihm die Ungültigkeit seiner Verpflichtung bekannt war (3 Ob 17/25h; 6 Ob 77/23a mwN), sodass das Argument der Revision, die Rückforderung erfolge wider Treu und Glauben, keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO begründet.

4. Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (zuletzt etwa 8 Ob 54/25m). Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht dieser Rechtsprechung.

5. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl 5 Ob 30/21d). Entgegen der Darstellung der Revision ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH C‑920/19 , Fluctus, kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen 'höherer' (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen. Vielmehr sprach der EuGH darin bloß aus, dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfe, wenn ein 'höheres' nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen (vgl insbesondere Rn 58 der genannten Entscheidung des EuGH). Dass und bei welcher nationalen Norm dies hier der Fall gewesen wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Der von der Beklagten behauptete Feststellungsmangel und damit eine (sekundäre) Mangelhaftigkeit der Berufungsentscheidung, weil Feststellungen 'zum Thema Unionsrechtswidrigkeit' fehlten, ist damit nicht zu erkennen. Es besteht somit auch kein Anlass, das von der Beklagten angeregte Vorabentscheidungsersuchen zu stellen (vgl 1 Ob 22/25d; 7 Ob 135/24i mwN).

[10] Diese Erwägungen treffen auch auf den vorliegenden Fall zu. Die außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine Argumente auf, die eine abweichende Beurteilung erfordern würden.

[11] Sie ist daher mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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