European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0080OB00054.25M.0425.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiete: Konsumentenschutz und Produkthaftung, Unionsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
I. Der Antrag auf Unterbrechung des Revisionsverfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu C‑440/23 wird abgewiesen.
II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Beklagte ist ein Unternehmen mit Sitz auf Curaçao, betreibt ein Online‑Casino und verfügt über keine österreichische Glücksspiellizenz. Sie bietet unter der Internetdomain l*.com ihr Online-Glücksspiel – auch auf Österreich ausgerichtet – an.
[2] Der Kläger nahm von Österreich aus an von der Beklagten veranstalteten Online-Glücksspielen teil und verlor dabei im Zeitraum 1. 7. 2023 bis 11. 2. 2024 insgesamt 94.500 EUR. Der Betrag setzt sich aus allen getätigten Einzahlungen (119.500 EUR) abzüglich der getätigten Auszahlungen (25.000 EUR) in diesem Zeitraum zusammen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die Vorinstanzen verpflichteten die Beklagte zur Begleichung dieses Verlustes.
Zu I.:
[4] Der von der Beklagten beantragten Unterbrechung des (Revisions‑)Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über das bei ihm zu C‑440/23 registrierte Vorabentscheidungsersuchen bedarf es nicht, weil die dort zu klärenden unionsrechtlichen Fragen – soweit sie nicht ohnehin die spezifisch deutsche Situation betreffen – im Hinblick auf die Entscheidungen des EuGH zu C‑390/12 , C‑79/17 und C‑545/18 bereits geklärt sind (vgl etwa 8 Ob 31/24b mwH).
Zu II.:
[5] Die außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[6] 1. Ein vom Berufungsgericht verneinter Verfahrensmangel kann in dritter Instanz nicht mehr erfolgversprechend geltend gemacht werden (RS0042963).
[7] 2. Der Oberste Gerichtshof ist nicht Tatsachen-instanz. Die Beweiswürdigung und die darauf beruhenden Feststellungen der Vorinstanzen sind im Revisionsverfahren nicht mehr anfechtbar (RS0043371; RS0042903).
[8] 3. Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung eingehend begründet, warum die vorliegende Zahlungsklage eines Spielers nicht am Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO scheitert. Dabei vertrat es die Ansicht, im Hinblick auf die Vielzahl der Transaktionen des Klägers überspannte es das Gebot der Präzisierung des Vorbringens, forderte man für jeden einzelnen der zahlreichen Glücksspielverträge ein gesondertes, detailliertes Vorbringen.
[9] Welche Anforderungen an die Konkretisierung des Klagebegehrens zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet damit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0037874 [T39]). Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der Rechtsprechung (vgl auch 3 Ob 210/24i [Rz 3]).
[10] 4. Soweit die Revisionswerberin meint, die Verweigerung eines Rückforderungsanspruchs würde dem Spielerschutz besser gerecht, weil ansonsten die Möglichkeit eines „risikolosen Spiels“ bestehe, lässt sie die mit dem Glücksspielgesetz verfolgten ordnungspolitischen und fiskalischen Zwecke außer Acht, die eine absolute Nichtigkeit und beiderseitige Rückforderbarkeit erfordern (7 Ob 16/25s [Rz 7 f]S mwH).
[11] 5. Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (vgl nur 1 Ob 95/23m; 1 Ob 111/23i; 1 Ob 78/24p; 7 Ob 150/24w [Rz 7]; 6 Ob 157/24t [Rz 8]). Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht dieser Rechtsprechung.
[12] 6. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl die Hinweise in 5 Ob 30/21d). Entgegen der Darstellung der Revisionswerberin ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH C-920/19 , Fluctus, kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen. Vielmehr sprach der EuGH darin bloß aus (vgl insbesondere Rn 58 der Entscheidung), dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfe, wenn ein „höheres“ nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen (vgl 2 Ob 23/23f [Rz 10]; 7 Ob 135/24i [Rz 16] mwN).
[13] Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
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