European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0060OB00215.24X.0430.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
I. Der Antrag auf Unterbrechung des Revisionsverfahrens bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache C‑440/23 wird abgewiesen.
II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die beklagte Limited hat ihren Sitz in Malta. Sie veranstaltet über eine Website Online‑Glücksspiel. Sie verfügt über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz. Der Kläger erlitt im Zeitraum von 9. 5. 2021 bis 22. 1. 2024 Spielverluste aus von der Beklagten über ihre Website veranstalteten Slots‑Spielen in Höhe des eingeklagten Betrags.
[2] Die Vorinstanzen gaben der auf die Unwirksamkeit der Glücksspielverträge gestützten Klage auf Rückersatz statt.
Rechtliche Beurteilung
[3] I. Einer Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen zu C‑440/23 bedarf es nicht, weil die dort zu klärenden unionsrechtlichen Fragen – soweit sie nicht ohnehin die spezifisch deutsche Situation betreffen – bereits geklärt erscheinen (vgl etwa 6 Ob 19/25z [Rz 10]; 4 Ob 219/23v; 9 Ob 72/23p; 8 Ob 31/24b; 2 Ob 194/24d).
[4] II. Die außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.
[5] 1. Nach ständiger Rechtsprechung steht § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB einem (bereicherungsrechtlichen) Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein (verbotenes) Online‑Glücksspiel nicht entgegen, weil die entsprechenden Einsätze nicht gegeben werden, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern um am Spiel teilzunehmen. Damit ist § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB schon seinem Wortlaut nach nicht anwendbar. Darauf, ob der Spieler durch die Teilnahme am verbotenen Spiel (selbst) einen Verwaltungsstraftatbestand erfüllt (konkret § 52 Abs 5 GSpG), kommt es daher nicht an (6 Ob 19/25z [Rz 5]; 7 Ob 150/24w).
[6] 2. Den Rückforderungsanspruch zu verweigern, widerspräche dem Zweck der Glücksspielverbote (RS0025607 [T1]). Es wurde bereits mehrmals vom Obersten Gerichtshof erläutert, dass der Verbotszweck die Rückabwicklung erfordert, wenn sich das Verbot – wie hier – gegen den Leistungsaustausch an sich wendet und es den Schutz der Spieler bewirken soll (siehe bloß 6 Ob 77/23a). Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung, dass Spieler ihre verlorenen Einsätze aus verbotenen Glücksspielen zurückverlangen können (RS0134152). Dies gilt im Hinblick auf die Zielsetzung des Glücksspielgesetzes nach gefestigter Rechtsprechung auch dann, wenn der Leistende in Kenntnis der Nichtschuld ist und ihm die Ungültigkeit seiner Verpflichtung bekannt war (2 Ob 198/24t; 6 Ob 77/23a), sodass das Argument der Revision, die Rückforderung erfolge wider Treu und Glauben, scheitert (vgl 6 Ob 19/25z [Rz 6]).
[7] 3. Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspiel‑Konzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (vgl etwa 6 Ob 19/25z; 1 Ob 95/23m; 6 Ob 157/24t). Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht dieser Rechtsprechung.
[8] 4. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl die Hinweise in 5 Ob 30/21d). Entgegen der Darstellung der Revision ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH C‑920/19 , Fluctus, kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen. Vielmehr sprach der EuGH darin bloß aus, dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfe, wenn ein „höheres“ nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen (vgl insbesondere Rn 58 der genannten Entscheidung des EuGH). Dass und bei welcher nationalen Norm dies hier der Fall gewesen wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
[9] Der behauptete Feststellungsmangel und damit eine (sekundäre) Mangelhaftigkeit der Berufungsentscheidung, weil Feststellungen „zum Thema Unionsrechtswidrigkeit“ fehlten, ist damit nicht zu erkennen.
[10] Der Senat sieht auch keinen Anlass, dem von der Beklagten angeregten Vorabentscheidungsersuchen näher zu treten (vgl jüngst 6 Ob 19/25z). Die ergänzend formulierten Vorlagefragen zur Erteilung von Konzessionen im Sitzstaat, den Anforderungen an Konzessionäre nach Erteilung einer Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz und zu non-liquet-Feststellungen erweisen sich als nicht präjudiziell.
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