European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:009OBA00053.25X.0923.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Arbeitsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin ist bei der Beklagten als Linienbuslenkerin beschäftigt. Auf ihr Dienstverhältnis ist der Bundes-Kollektivvertrag für Dienstnehmer in den privaten Autobusbetrieben anzuwenden.
[2] Am 26. 8. 2023 umfasste die Einsatzzeit der Klägerin (§ 16 Abs 1 AZG) auch fahrplanbedingte „Pausen“ von insgesamt fünf Stunden und 18 Minuten. Die Beklagte zahlte ihr drei Stunden und 48 Minuten aus. Die restlichen eineinhalb Stunden wertete sie als unbezahlte Ruhepause iSv Abschnitt III Z 2 lit e KollV.
[3] Das Berufungsgericht bestätigte die das Klagebegehren auf Zahlung des Arbeitsentgelts für diese eineinhalb Stunden (22,44 EUR brutto sA) abweisende Entscheidung des Erstgerichts. Das Vorgehen der Beklagten habe dem Gesetz und dem KollV entsprochen. Die Revision sei nicht zulässig, weil der Oberste Gerichtshof die hier wesentlichen Rechtsfragen bereits beantwortet habe.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (§ 502 Abs 1 ZPO) auf:
[5] 1. Die von der Klägerin behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[6] 2. Nach der gefestigten Rechtsprechung haben als Lenker von Kraftfahrzeugen Beschäftigte nur für die Arbeitszeit iSd hier anwendbaren § 13b Abs 1 AZG einen gesetzlichen Entgeltanspruch (RS0051919 [T5]). Ruhepausen gehören nach der klaren gesetzlichen Regelung nicht zur Arbeitszeit (§ 2 Abs 1 Z 1, § 13b Abs 1 AZG: „ohne die Ruhepausen“; § 11 Abs 1 AZG: „durch eine Ruhepause […] zu unterbrechen“). Die inhaltlichen Voraussetzungen für die Qualifikation einer „Pause“ als Ruhepause hat die Rechtsprechung ebenfalls geklärt: Der Arbeitnehmer kann sie ihrer Lage und Dauer nach vorhersehen, weil sie im Voraus fixiert ist oder von ihm frei gewählt werden kann, und sie nach Belieben verbringen, weil er weder arbeiten noch sich für den Arbeitgeber bereithalten muss (vgl RS0102995 [T1]). Durch den Fahr‑ und Dienstplan im Voraus fixierte Zeiten zwischen einzelnen Fahrten, die der Arbeitnehmer nach Belieben verbringen kann, gehören daher nicht zur Arbeitszeit (RS0051919 [T2, T6]).
[7] 3. Ob eine „Pause“ ihrer Lage und Dauer nach für den Arbeitnehmer vorhersehbar ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine erhebliche Rechtsfrage läge daher nur vor, wenn die Beurteilung des Berufungsgerichts unvertretbar wäre. Davon kann hier keine Rede sein, weil der Dienstplan der Klägerin für den 26. 8. 2023 die fahrplanbedingten „Pausen“ im Voraus minutiös festlegte.
[8] 4. Die Klägerin argumentiert, es fehle eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob der Arbeitnehmer fahrplanbedingte „Pausen“ an einem Ort ohne wie immer geartete Infrastruktur, welche die Befriedigung einfachster Lebensbedürfnisse erlaube, überhaupt „nach Belieben“ verbringen könne. Tatsächlich aber hat der Oberste Gerichtshof bereits geklärt, dass die Einordnung einer Zeit als Ruhepause iSd § 11 Abs 1 AZG unabhängig von der Infrastruktur ist, die dem Arbeitnehmer in dieser Zeit zur Verfügung steht (vgl 8 ObA 56/97m = RS0109387; 9 ObA 117/11p [27. 2. 2012] = RS0127596; „de lege lata“ zustimmend Brodil, DRdA 2013/17, 165 [167]).
[9] 5. Die Klägerin meint weiters zusammengefasst, es fehle eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Verhältnis von Abschnitt III Z 2 lit e („Ruhepausen“) und Abschnitt IV Z 1 („Fahrplanmäßig konzessionierter periodischer Personentransport [Stehzeiten]“) KollV in ihrem gemeinsamen Anwendungsbereich. Sie weist jedoch selbst auf einige Entscheidungen hin, denen im Kern (zumindest) zu entnehmen ist: „Pausen“, deren Lage und Dauer sich im Voraus aus dem Dienstplan ergibt und die der Arbeitnehmer nach Belieben verbringen kann, sind (nur) unter der Voraussetzung als Stehzeiten iSv Abschnitt IV Z 1 KollV zu entlohnen, dass sie nicht (oder nicht mehr) Teil der unbezahlten Ruhepause von höchstens eineinhalb Stunden täglich iSv Abschnitt III Z 2 lit e KollV sind (vgl 9 ObA 308/92; 8 ObA 56/97m; 9 ObA 42/04y; 9 ObA 117/11p [27. 2. 2012], Punkt 2; den ersten beiden Entscheidungen nach methodischer Kritik im Ergebnis zustimmend Klein, DRdA 1999/25). Das Berufungsgericht ist dieser Rechtsprechung gefolgt.
[10] 6. Ob die Klägerin den Bus am 26. 8. 2023 in einer im Dienstplan fixierten „Pause“ auftanken musste, ist unerheblich: Die „Pausen“ dieses Tages dauerten insgesamt fünf Stunden und 18 Minuten. Dass bei einem einmaligen Auftanken des Busses nicht einmal eineinhalb Stunden verblieben wären, in denen die Klägerin weder arbeiten noch sich für die Beklagte bereithalten musste, ist der außerordentlichen Revision nicht zu entnehmen.
[11] 7. Auch mit ihrem Argument, es sei nicht vorhersehbar gewesen, welcher Teil der fahrplanbedingten „Pausen“ zur unbezahlten Ruhepause iSv Abschnitt III Z 2 lit e KollV gehöre und welcher zu den bezahlten Stehzeiten iSv Abschnitt IV Z 1 KollV, zumal der Dienstplan nur eine halbe Stunde der Stehzeiten als unbezahlte Ruhepause ausgewiesen habe, zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf: Soweit sie die fahrplanbedingten „Pausen“ nach Belieben verbringen konnte und ihr deren Lage und Dauer aufgrund des Dienstplans vorab bekannt waren, gehörten sie nicht zur Arbeitszeit im Sinn des AZG. Dass sie diese Zeiten aufgrund der für sie gegenüber dem Gesetz günstigeren kollektivvertraglichen Regelung immerhin in dem Ausmaß, in dem sie über die kollektivvertragliche unbezahlte Ruhepause hinausgingen, bezahlt erhielt, hat mit der Frage der Vorhersehbarkeit von Ruhepausen nichts zu tun. Dass der Dienstplan vom 26. 8. 2023 nur einen konkreten dreißigminütigen Teil der „Pausen“ der unbezahlten Ruhepause zuordnete, entsprach der Vorgabe von Abschnitt III Z 2 lit e KollV.
[12] 8. Die außerordentliche Revision der Klägerin ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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