OGH 10Ob41/25i

OGH10Ob41/25i10.7.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden und den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofräte Dr. Annerl sowie Dr. Vollmaier und die Hofrätin Dr. Wallner‑Friedl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch Viehböck Breiter Schenk Nau & Linder Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Mödling, gegen die beklagte Partei *, vertreten durch Wiedenbauer Mutz Winkler & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Buchauszug (30.000 EUR) und Leistung (Stufenklage gemäß Art XLII EGZPO), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. Februar 2025, GZ 4 R 155/24d‑21, mit dem das Teilurteil des Landesgerichts Korneuburg vom 28. Juni 2024, GZ 5 Cg 158/23t‑17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0100OB00041.25I.0710.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.261,40 EUR (darin 376,90 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der als Handelsagent (selbständiger Handelsvertreter) tätige Kläger begehrt von der Beklagten in Punkt 1 seiner Stufenklage ua die Übermittlung eines vollständigen und richtigen Buchauszugs über sämtliche im Jahr 2020 geschlossenen Geschäfte (betreffend Heimtextilien und Schutzmasken), die zu seinen Gunsten provisionspflichtig sind oder sein können. Weiters begehrt er, die Beklagte in Punkt 2 der Klage ferner schuldig zu erkennen, ihm die sich aus dem Buchauszug ergebenden Provisionsbeträge zu zahlen, wobei die ziffernmäßige Festsetzung dieses Zahlungsbegehrens bis zur Übermittlung des Buchauszugs und Erteilung aller Auskünfte vorbehalten bleibe.

[2] Die Vorinstanzen gaben dem Begehren auf Buchauszug mit Teilurteil statt. Zum Umfang des Buchauszugsbegehren stützte sich das Berufungsgericht auf höchstgerichtliche Rechtsprechung (4 Ob 142/21t und 9 ObA 83/17x) und Kommentarliteratur (Nocker in Nocker, HVertrG2 § 16 Rz 31).

[3] Das Berufungsgericht ließ die Revision auf Antrag der Beklagten nach § 508 ZPO nachträglich zu, weil zu den im Einzelnen vom Kläger wegen der Vermittlung von Kaufverträgen (betreffend Schutzmasken) als provisionsrelevant begehrten Informationen keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

[5] 1. Die Ansprüche auf Rechnungslegung und auf Buchauszug nach § 16 Abs 1 HVertrG stellen Kontrollrechte zur Provisionsabrechnung dar (RS0126737). Auch dem selbständigen Handelsvertreter steht – gleich dem sogenannten „freien Handelsvertreter“ und dem provisionsberechtigten Angestellten – der klagbare Anspruch auf Vorlage einer Abrechnung durch Mitteilung eines Buchauszugs mit nachfolgender Konkretisierung des Leistungsbegehrens in Form einer Stufenklage nach Art XLII EGZPO zu (RS0035140).

[6] 2. Nach seinem Namen und seiner Funktion ist der Buchauszug eine teilweise Abschrift aus den Geschäftsbüchern des Geschäftsherrn, die eine Kontrolle über die provisionspflichtigen Geschäfte ermöglichen soll (RS0028140 [T3]). Der Anspruch auf Mitteilung eines Buchauszugs dient dabei dem Zweck, dem Berechtigten die Möglichkeit zu geben, sich eine Übersicht über die von ihm verdienten Provisionen zu verschaffen und die Provisionsabrechnung zu kontrollieren (RS0028157). Grundsätzlich sind dem Auskunftsberechtigten in möglichst übersichtlicher Form alle Informationen zugänglich zu machen, die erforderlich sind, um sämtliche ihm zustehenden Provisionsansprüche ermitteln zu können (1 Ob 34/15d ErwGr 2; 9 ObA 95/15h ErwGr 3.2). Der Sinn des Auskunftsanspruchs liegt auch darin, auch über jene Geschäfte ausreichende Informationen zu erlangen, in denen – auf tatsächlicher oder rechtlicher Ebene – Streit darüber bestehen könnte, ob sie zu jenen gehören, für die eine Provision gebührt (9 ObA 83/17x ErwGr 4; 8 ObA 31/21y Rz 12).

[7] 3.1 Die entsprechende Informationserteilung muss detailliert sein und kann sich nicht nur in der bloßen Angabe von Endziffern (RS0028098; RS0035140 [T5]) oder in der Überlassung von Belegen erschöpfen (RS0035140 [T5]). Auch eine bloße Zusammenstellung der einkassierten und überwiesenen Beträge ist unvollständig (RS0063416).

[8] 3.2 Im Allgemeinen gehören zum konkreten Inhalt des Buchauszugs Name und Anschrift des Kunden für jedes einzelne Geschäft, ferner die provisionsrelevanten Angaben über den Inhalt (wie insbesondere Datum, Gegenstand und Umfang, Preis pro Einheit und Gesamtpreis) und die Ausführung desselben (wie insbesondere Gegenstand und Menge der Lieferung, verrechneter Preis, eingegangene Zahlungen). Der Buchauszug muss diese Angaben in klarer und übersichtlicher Weise enthalten (RS0028147; RS0028140 [T2]).

[9] 4. Die Entscheidungen der Vorinstanzen halten sich im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung. Das Rechtsmittel zeigt hinsichtlich des Umfangs des vorzulegenden Buchauszugs keine korrekturbedürftige Fehlentscheidung auf.

[10] 4.1 Zum einen deckt sich der Umfang der gegenständlich bejahten Buchauszugsverpflichtung über weite Strecken (sogar wörtlich) mit jenem Begehren, das der Oberste Gerichtshof zu 4 Ob 142/21t bejaht hat.

[11] 4.2 Im Übrigen hängt es auch entscheidend von den Umständen des Einzelfalls (9 ObA 95/15h ErwGr 3.2; 1 Ob 34/15d Rz 2), insbesondere der Vereinbarung, der Verkehrsüblichkeit (vgl RS0106851 [T4]; RS0019529) und der Natur des Geschäfts (RS0019529) ab, in welchem Umfang der Auskunftspflichtige Informationen zur Verfügung stellen muss, damit der Berechtigte in der Lage ist, sämtliche ihm zustehenden Provisionsansprüche ermitteln zu können. Der Inhalt des Auskunftsanspruchs ist dabei unter Rückgriff auf das geltend gemachte materielle Aufklärungsrecht im Einzelfall zu ermitteln (1 Ob 34/15d Rz 2). Die Informationspflicht ist daher nicht in allen Fällen gleich, sondern muss nach ihrem konkreten Zweck einzelfallbezogen beurteilt werden (RS0035044; RS0019529 [T7]).

[12] 4.3 Diesen Fragen kommt aber – vom Fall der Fehlbeurteilung abgesehen – keine über diesen hinausgehende und iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Bedeutung zu. In der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung, dass die Beklagten einen Buchauszug mit den einzeln angeführten Informationen zu übermitteln hat, ist jedenfalls keine Fehlbeurteilung zu erkennen, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit bzw Einzelfallgerechtigkeit korrigiert werden müsste.

[13] 5. Das trifft auch für die Frage zu, ob die Streitteilen einen Handelsvertretervertrag konkludent vereinbart haben.

[14] 5.1 Ob durch ein schlüssiges Verhalten ein Vertrag zustande gekommen ist, hängt typischerweise von den Umständen des Einzelfalls ab und wirft daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RS0081754; RS0014420 [T16]; RS0109021).

[15] 5.2 Nach den Feststellungen besprachen die Parteien eine Tätigkeit des Klägers als Handelsagent und fassten ins Auge, dass er gegen Provision Neukunden für die Beklagte vermitteln könnte. In der Folge vermittelte der Kläger (auch) der Beklagten Geschäfte (ua auch über Schutzmasken). Diese Geschäfte wurden von der Beklagten ausgeführt und abgerechnet. Der Kläger erhielt für seine Tätigkeit eine Provisionsakontozahlung. Schließlich wurde der Kläger bei der Beklagten gesperrt, nachdem ihm gegenüber die entsprechende Zusammenarbeit aufgelöst wurde.

[16] 5.3 Die von der Beklagten gegen die Annahme eines (auch die Schutzmasken betreffenden) konkludenten Vertragsabschlusses erhobenen Einwände betreffen sämtlich keine über die Lösung einzelfallspezifischer Fragestellung hinausgehenden Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO. Eine unvertretbare Fehlbeurteilung wird im Rechtsmittel jedenfalls nicht aufgezeigt.

[17] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen. Für die Kosten war nur der Streitwert des Teilurteils (30.000 EUR) heranzuziehen.

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