European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0100OB00006.25T.0626.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Eltern von K* trennten sich rund ein Jahr nach seiner Geburt. K* lebte ab diesem Zeitpunkt im Haushalt der Mutter, der auch die alleinige Obsorge zukam.
[2] Nachdem bei der Mutter im November 2022 ein Gehirntumor diagnostiziert worden war, übersiedelte sie im Sommer 2023 mit K* von Wien zu den mütterlichen Großeltern nach Niederösterreich. Seit September 2023 war die Mutter dort auch gemeldet; K* besuchte den örtlichen Kindergarten. Als sich der Zustand der Mutter sukzessive verschlechterte, übernahmen die mütterlichen Großeltern neben der Betreuung von K* auch die Versorgung ihrer Tochter und fungierten ab 14. November 2023 als deren Vorsorgebevollmächtigte. Die Mutter verstarb am 17. April 2024. K* blieb bei den mütterlichen Großeltern und wurde weiter von ihnen betreut; er fühlte sich dort wohl und war im Ort gut integriert.
[3] Seit der Trennung von der Mutter betreute der Vater K* jedes zweite Wochenende. Bis September 2022 betreute er ihn zudem jeden Mittwoch von 17:30 Uhr bis 19:00 Uhr. Im Herbst 2023 betreute er K* während der Krankenhausaufenthalte der Mutter insgesamt rund drei Wochen alleine.
[4] Die mütterlichen Großeltern, vor allem der mütterliche Großvater, sind wichtige Bezugspersonen für K*. Zwischen diesem und K* besteht eine innige, liebevolle und sichere Bindung. Auch der Vater ist eine wichtige Bezugsperson für K* und hat eine gute Bindung zu ihm; er zeigt sich in Bezug auf Kontakte der mütterlichen Großeltern zu K* offen und anerkennt, dass vor allem der mütterliche Großvater eine wichtige Bezugsperson für seinen Sohn ist. Sowohl die mütterlichen Großeltern als auch der Vater sind um das Wohl von K* bemüht und geeignet, seine Betreuung zu übernehmen.
[5] Das Verhältnis des Vaters und der mütterlichen Großeltern ist konfliktbehaftet, die Kommunikation schwierig und der Informationsfluss von den mütterlichen Großeltern zum Vater spärlich. Die mütterlichen Großeltern sehen sich seit dem Tod der Mutter als deren „Repräsentanten“ und sehen K* als „ihr“ Kind an.
[6] Das Erstgerichtübertrug die Obsorge für K* gemäß § 107 AußStrG vorläufig dem Vater und wies korrespondierende Anträge der mütterlichen Großeltern ab. Zudem traf es Regelungen über das Kontaktrecht der mütterlichen Großeltern. Die Obsorgeentscheidung begründete es damit, dass der Vater aus derzeitiger Sicht eine zumindest gleich gute Betreuung und ein zumindest gleich gutes gedeihliches Aufwachsen für K* gewährleisten könne wie die mütterlichen Großeltern. Anders als beim Vater erscheine die Bindungstoleranz der mütterlichen Großeltern allerdings fraglich. Da K* einen Obsorgeträger benötige und keine gesicherten Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass ein Wechsel der Betreuung sein Wohl auf lange Sicht erheblich beeinträchtigen werde, sei die Obsorge vorläufig dem Vater zu übertragen.
[7] Das Rekursgericht bestätigte die vorläufige Obsorgeübertragung. Auf Basis der Feststellungen sei nicht zu befürchten, dass K* der erneute Aufenthalt in Wien in einer ihm ohnedies schon seit langem vertrauten Wohnung überfordern würde. Dagegen könne sein dauerhafter Verbleib in eben jenem Haus, in dem er die fortschreitende Erkrankung und den Tod seiner Mutter miterlebt habe, durchaus als erhebliche Belastung für ihn gesehen werden und es demgemäß eine erhebliche Entlastung darstellen, wenn er nicht dauerhaft in einem Haushalt aufwachse, in dem die Großeltern vorrangig mit Trauerarbeit beschäftigt seien. Zudem ergebe sich aus dem Verhalten der mütterlichen Großeltern, dass sie das schon bei der Mutter bestehende Misstrauen und die Ablehnung gegenüber dem Vater weiterführten und nur in geringem Maß bereit seien, die Wichtigkeit des Vaters als Bezugsperson für K* wahrzunehmen. Das Kindeswohl erscheine daher beim Vater langfristig besser gewahrt als bei den mütterlichen Großeltern, wohingegen das von diesen angestrebte „Einzementieren“ ihrer vorrangigen Betreuung bis zur endgültigen Obsorgeentscheidung nicht dem Wohl des Minderjährigen entspreche.
[8] Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil sich nach Aufhebung des § 178 Abs 1 Satz 2 und Satz 3 ABGB sowie Teilen des § 204 ABGB mit 1. Oktober 2024 aus dem Gesetz nicht mehr klar ergebe, ob auch die väterlichen Großeltern in das Verfahren einzubeziehen gewesen wären und ob der andere Elternteil gegenüber Großeltern sowie anderen in Betracht kommenden Personen weiterhin vorrangig mit der Obsorge zu betrauen sei.
[9] Gegen diese Entscheidung richtet sich der – vom Vater beantwortete – Revisionsrekurs der mütterlichen Großeltern mit dem primären Antrag, ihnen, hilfsweise dem Kinder- und Jugendhilfeträger, die Obsorge für K* vorläufig zu übertragen. Zusätzlich streben sie entsprechende Regelungen des Kontaktrechts des Vaters sowie der Ausübung der Betreuung durch sie an. Eventualiter stellen sie einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
[10] Der Revisionsrekurs ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.
I. Zur Verletzung des rechtlichen Gehörs
[11] 1.1. Nach der ständigen Rechtsprechung ist der Anfechtungsgrund der Gehörverletzung aus Anlass eines zulässigen Rechtsmittels amtswegig wahrzunehmen, wenn sie Einfluss auf die Richtigkeit der Entscheidung haben konnte (RS0119971 [insb T11]; RS0120213) und eine Sanierung durch Beteiligung der bisher nicht gehörten Partei ausscheidet (vgl RS0123128). Das ist der Fall, wenn dem Verfahren Personen nicht beigezogen wurden, die nach dem Gesetz bevorzugt mit der Obsorge zu betrauen sind (vgl RS0119971 [T12]; 3 Ob 198/18s Pkt 7.; 5 Ob 68/15h Pkt 6.).
[12] 1.2. Obwohl eine Verletzung des Gehörs weder im Revisionsrekurs noch in dessen Beantwortung behauptet wird, ist daher auf die vom Rekursgericht als erheblich erachtete Frage, ob den väterlichen Großeltern Parteistellung zukommt, einzugehen. Im Hinblick auf § 66 Abs 1 Z 1 iVm § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG und das Fehlen einer § 519 Abs 1 ZPO vergleichbaren Bestimmung steht dem auch nicht entgegen, dass das Rekursgericht eine Verletzung des Gehörs verneinte (vgl RS0121265 [insb T4]; RS0120715 [T3]; RS0107248 [T2]).
[13] 2. Diese (Zulassungs-)Frage stellt sich aber nicht.
[14] 2.1. Nach der bisherigen, in erster Instanz noch geltenden Rechtslage hatte das Gericht für den Fall, dass der allein obsorgeberechtigte Elternteil an der weiteren Ausübung der Obsorge verhindert war, unter Beachtung des Wohles des Kindes zu entscheiden, ob der andere Elternteil oder ob und welches Großelternpaar (Großelternteil) oder Pflegeelternpaar (Pflegeelternteil) mit der Obsorge zu betrauen ist (§ 178 Abs 1 Satz 2 ABGB aF). Aus dieser Rechtsposition (unter anderem) der Großeltern leitete der Oberste Gerichtshof deren materielle Parteistellung iSd § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG im Obsorgeverfahren ab (vgl RS0133751; 8 Ob 75/21v Rz 12, 13 ua). Dies galt allerdings erst, wenn beide Elternteile nicht imstande waren, die Obsorge (zum Wohl des Kindes) auszuüben, also nicht der andere Elternteil betraut wurde oder auch dieser verhindert war und daher eine dritte Person mit der Obsorge betraut werden musste (RS0121304 [T1]; 5 Ob 97/21g Rz 24; 5 Ob 41/20w Pkt 3.3. ua). Im Hinblick auf die von den Vorinstanzen im Anlassfall angenommene Eignung des Vaters kam nach der alten Rechtslage somit den mütterlichen (§ 2 Abs 1 Z 2 AußStrG), nicht aber den väterlichen Großeltern Parteistellung zu.
[15] 2.2. Daran hat sich durch die mit Ablauf des 30. September 2024 in Kraft getretene Aufhebung (unter anderem) des zweiten Satzes des § 178 Abs 1 ABGB aF durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 9. März 2023, AZ G 223/2022, nichts geändert. Da es neben dem obsorgeberechtigten Elternteil nunmehr keine vorrangig mit der Obsorge zu betrauenden Personen mehr gibt, hat auch niemand mehr eine rechtlich geschützte Position, die gemäß § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG eine materielle Parteistellung vermitteln könnte. Der nicht mit der Obsorge betraute Elternteil und die Großeltern werden nach derzeitiger Rechtslage daher nur mehr im Wege des § 2 Abs 1 Z 2 AußStrG, also nur dann Partei des Verfahrens, wenn sie einen entsprechenden Antrag stellen (Gitschthaler, Déjà-vu mit dem Gesetzgeber. Säumig oder lustlos? Oder doch nicht gans?, EF‑Z 2024/111; Fucik, Familienrecht: rien ne va plus, ÖJZ 2024/141; Barth, Der VfGH schafft Recht: Erweiterung des bei Verhinderung eines Elternteils für die Obsorge in Betracht zu ziehenden Personenkreises, iFamZ 2024, 219 [II.3.]). Das trifft auf die väterlichen Großeltern nicht zu. Ob nach der neuen Rechtslage die Personen des nächsten Umfelds – wie das Rekursgericht meint – zumindest vom Verfahren in Kenntnis zu setzen sind, muss hier nicht geklärt werden, weil das Rekursgericht aktenkonform davon ausgegangen ist, dass die väterlichen Großeltern vom Verfahren wissen.
II. Zum Revisionsrekurs
[16] 1. Bei Entscheidungen über die Obsorge für ein Kind ist allein dessen Wohl maßgebend, hinter das die Rechte Dritter, etwa jene von Obsorgeprätendenten, zurückzutreten haben (vgl RS0118080; RS0130247; RS0048632 [T5, T7, T15]). Die Beurteilung, was dem Wohl des Kindes entspricht, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab, was auch für die Erlassung vorläufiger Maßnahmen iSd § 107 Abs 2 AußStrG gilt. Ihr kommt grundsätzlich keine erhebliche Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu, es sei denn, dass das Wohl des Kindes nicht ausreichend bedacht worden wäre (RS0097114 [T18]; RS0007101 [T18]; RS0115719 [T5, T13]). Das ist hier nicht der Fall.
[17] 2. Die behaupteten Mängel des Rekursverfahrens liegen nicht vor.
[18] Auch im Außerstreitverfahren kann eine vom Rekursgericht verneinte Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens im Revisionsrekursverfahren nicht mehr geltend gemacht werden (RS0050037; RS0030748; RS0043919). Dieser Grundsatz kann nur durchbrochen werden, wenn dies aus Gründen des Kindeswohls erforderlich ist (RS0050037 [T1, T4, T8, T18]; RS0030748 [T2, T5, T18]). Dafür sprechende Anhaltspunkte zeigen die Revisionsrekurswerber nicht auf.
[19] 2.1. Wenn der Revisionsrekurs die unterlassene Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens bemängelt, gehört es nicht zu den Grundprinzipien des Pflegschaftsverfahrens, ein solches in jedem Fall einzuholen (7 Ob 144/24p Rz 17 ua). Ob ein Sachverständigengutachten im Einzelfall erforderlich ist, stellt zudem eine vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbare Frage der Beweiswürdigung dar (RS0108449 [T4]). Im Übrigen hat schon das Erstgericht zutreffend betont, dass bei einer vorläufigen Entscheidung nicht sämtliche notwendigen Verfahrensschritte getroffen werden müssen, weil andernfalls bereits mit einer endgültigen Entscheidung vorgegangen werden könnte (RS0006999). Das steht auch mit dem Ziel der vorläufigen Regelung der Obsorge im Einklang, für die Dauer des Verfahrens rasch Klarheit zu schaffen und dadurch das Kindeswohl zu fördern (RS0129538 [T9]; 5 Ob 63/25p Rz 5 ua). Damit setzt sich der Revisionsrekurs nicht auseinander.
[20] 2.2. Mit dem Vorwurf, die Vorinstanzen hätten den vorgelegten fachkundigen Stellungnahmen zu Unrecht die notwendige Objektivität abgesprochen und sie deshalb nicht beachtet, wendet sich der Revisionsrekurs gegen die in dritter Instanz nicht anfechtbare Beweiswürdigung (RS0007236 [insb T2, T4, T6, T7]; RS0108449 [insb T2, T3] ua).
[21] 2.3. Die Ansicht des Rekursgerichts, bei Kindern sei eine überlegte Äußerung bis zum Erreichen des 5. oder 6. Lebensjahres in der Regel nicht zu erwarten, sodass gemäß § 105 Abs 2 AußStrG eine Befragung unterbleiben könne, ist keine „nicht näher fundierte Vermutung“, sondern entspricht ständiger Rechtsprechung (RS0119594 [T4]; 2 Ob 4/23m Rz 7; 6 Ob 103/17s Pkt 1.2. ua). Liegen – wie im Anlassfall – umfangreiche Erhebungsergebnisse der Jugendgerichtshilfe und des Trägers der Jugendwohlfahrt vor, begründet die Entscheidung, ob das Verfahren ohne Anhörung des Kindes mangelhaft war, wegen ihrer Einzelfallbezogenheit auch keine revisible Rechtsfrage (8 Ob 21/19z Pkt 4.).
[22] 2.4. Auch im Außerstreitverfahren ist der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz (RS0006737; RS0108449 [T2]; RS0006379 [T4]), weshalb Fragen der Beweiswürdigung nicht – auch nicht unter der Bezeichnung als Aktenwidrig‑keit – an ihn herangetragen werden können (RS0007236 [T7, T10]; RS0117019).
[23] Mit Revisionsrekurs kann nur geltend gemacht werden, dass das Rekursverfahren an einem Mangel leidet, weil sich das Rekursgericht mit den Rekursausführungen zur Beweisrüge nur unvollständig auseinandergesetzt und sich mit gewichtigen Argumenten gar nicht befasst hat (RS0043144 [T6 bis T8]; RS0043027 [T3]; RS0043371). Die Entscheidung über eine Beweisrüge ist dagegen mängelfrei, wenn sich das Rekursgericht mit dieser inhaltlich auseinandersetzt und die wesentlichen Überlegungen nachvollziehbar darlegt (vgl RS0043150; RS0040165 [T2, T3]; 8 Ob 29/24h Rz 6 ua). Das ist hier erfolgt. In Wahrheit bekämpft der Revisionsrekurs nur das Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge, was keinen Mangel des Rekursverfahrens begründen kann (vgl RS0043371 [T28]).
[24] 3. Auch in der Rechtsrüge wird eine über die Umstände des Einzelfalls hinaus bedeutsame Rechtsfrage nicht aufgezeigt.
[25] 3.1. Es trifft zwar zu, dass sich das Rekursgericht eingehend damit befasst hat, ob der andere Elternteil auch nach der neuen Rechtslage gegenüber Großeltern vorrangig mit der Obsorge zu betrauen ist. Auch der Revisionsrekurs widmet dieser Frage breiten Raum. Sie ist aber nicht präjudiziell, weil das Rekursgericht ohnehin davon ausgegangen ist, dass die Betrauung des Vaters mit der vorläufigen Obsorge dem Wohl von K* eher entspricht. Eine für den Ausgang der Sache relevante Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zeigt der Revisionsrekurs insofern daher nicht auf (vgl RS0088931 [T2, T4, T8]).
[26] 3.2. Dass das Rekursgericht unter den gegebenen Umständen vorläufig den Vater mit der Obsorge betraut hat, hält sich im Rahmen des ihm zukommenden Beurteilungsspielraums.
[27] Die Vorinstanzen haben sich eingehend mit der Situation und den Bedürfnissen von K* sowie seiner Beziehung zum Vater und den Revisionsrekurswerbern befasst, eine Vielzahl von Faktoren abgewogen und auf deren Auswirkungen auf sein Wohl Bedacht genommen. Zwar betonten beide Instanzen, dass die mütterlichen Großeltern sehr um K*s Wohl bemüht, verantwortungsbewusst und liebevoll sind. Als entscheidend haben sie aber erachtet, dass sie eine geringere Bindungstoleranz als der Vater haben und sich über dessen Rolle als Elternteil stellen, obwohl er für K* eine wichtige Bezugsperson ist. Das Rekursgericht legte zudem schlüssig dar, dass der großelterliche Haushalt durch das miterlebte Leid und den Tod der Mutter hochbelastet ist und Indizien für ein daraus resultierendes regressives Verhalten von K* und die Gefahr einer Parentifizierung bestünden, wohingegen er beim Vater unbeschwert Kind sein könne. Das stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende grobe Fehlbeurteilung dar.
[28] 3.3. Soweit die Revisionsrekurswerber dem einzelne zutreffende Aspekte entgegenhalten, haben diese in Anbetracht der insgesamt bestehenden Lebens- und Beziehungssituation von K* keine ausschlaggebende Bedeutung.
[29] 3.3.1. Der ins Treffen geführte Grundsatz der Kontinuität der Erziehung ist für Obsorgeentscheidungen zwar ein maßgeblicher, nicht aber der allein entscheidende Faktor (RS0047928 [T4, T7, T10, T13]). Wie schon vom Erstgericht dargelegt, ist er vor allem kein Selbstzweck, sondern stets dem Wohl des Kindes unterzuordnen (RS0047928 [T2, T5]; 2 Ob 24/22a Rz 6 ua), was auch in der vom Revisionsrekurs zitierten Entscheidung 4 Ob 68/20h betont wird (Pkt 1.2.). Abgesehen davon, dass die Vorinstanzen K* eine hohe Anpassungsfähigkeit attestieren und ihm der väterliche Haushalt vertraut ist, wirkt der befürchteten Entfremdung von den Großeltern sowie dem Abbruch der am Wohnort der mütterlichen Großeltern aufgebauten sozialen Beziehungen deren weitreichendes Kontaktrecht entgegen.
[30] 3.3.2. Ob es für K* auf Dauer günstiger sein wird, dass dem Vater die Obsorge zukommt, wird zwar erst im Rahmen der endgültigen Obsorgeentscheidung zu beurteilen sein (vgl 1 Ob 163/14y Pkt 4.). Auch das Alter der mütterlichen Großeltern ist für die vorläufige Entscheidung nicht zentral. Das ändert aber nichts daran, dass die vorläufige Obsorgebetrauung des Vaters eher dem Kindeswohl entspricht.
[31] 3.3.3. Dass eine (letztwillige) Verfügung des allein Obsorgeberechtigten darüber, wem im Verhinderungsfall die Obsorge zukommen soll, nur dann als Wunsch iSd § 205 ABGB berücksichtigt werden kann, wenn er dem Kindeswohl entspricht, stellt der Revisionsrekurs nicht in Abrede (so auch 10 Ob 30/16h). Welche inhaltliche Auseinandersetzung mit der „letztwilligen Verfügung“ der Mutter angesichts dessen noch erforderlich gewesen wäre, legt der Revisionsrekurs nicht dar.
[32] 4. Zusammenfassend beruht die vorläufige Übertragung der Obsorge an den Vater weder auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage (vgl RS0129538 [T6]; 1 Ob 163/14y Pkt 3.), noch bedarf sie einer Korrektur im Einzelfall.
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