OGH 5Ob33/25a

OGH5Ob33/25a3.6.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun‑Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin C*, vertreten durch Berger Ettl Rechtsanwälte in Wien, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts ob der Liegenschaft EZ * KG *, über den außerordentlichen Revisionrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 7. Jänner 2025, AZ 47 R 274/24b, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 18. Oktober 2024, TZ 1817/2024, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00033.25A.0603.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Grundbuchsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

[1] Die C.* Privatstiftung ist Alleineigentümerin der im Kopf genannten Liegenschaft. Unter Vorlage eines Notariatsakts über die Zuwendung vom 11. 5. 2021, der Vereinbarung vom gleichen Tag, der Stiftungsurkunde vom 6. 12. 2000 samt Zusatz vom 7. 12. 2000, der Verzichtserklärung vom 13. 12. 2023, eines Firmenbuchauszugs, eines Ertragsgutachtens der Privatstiftung und der Personaldokumente der Antragstellerin beantragte diese die Einverleibung ihres Eigentumsrechts ob der der Privatstiftung gehörigen Liegenschaft.

[2] Das Erstgericht wies den Antrag ab. Die Urkunde „Notariatsakt Zuwendung vom 11.5.2021“ sei teilweise widersprüchlich und unbestimmt.

[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge. Die Stiftungsurkunde sehe die Kollektivvertretung durch zumindest zwei Mitglieder des Stiftungsvorstands vor. Unterfertigt habe den Notariatsakt über die Zuwendung der Liegenschaft an die Letztbegünstigte Dr. S*, die zum maßgeblichen Zeitpunkt im Firmenbuch nicht als Stiftungsvorstandsmitglied eingetragen gewesen sei. Dass die im als Beilage ./B dem Notariatsakt angeschlossenen Beschluss genannten Beiratsmitglieder sie zum Zeitpunkt 11. 5. 2021 wirksam bestellen hätten können, sei nicht nachgewiesen. Als weiteres Stiftungsvorstandsmitglied habe Dr. M* im eigenen Namen und aufgrund einer dem Notariatsakt als Beilage ./A angeschlossenen, bis 30. 6. 2021 befristeten Spezialvollmacht des dritten Vorstandsmitglieds Dr. B* unterfertigt. Mangels Unterfertigung der Vollmacht durch ein weiteres Stiftungsvorstandsmitglied handle es sich nicht um eine Vollmacht der Privatstiftung, sondern eine Vollmachtserteilung eines kollektivvertretungsbefugten Organs an ein anderes Organ der Privatstiftung. Dies sei unzulässig, weil dadurch das Ausmaß der Vertretungsmacht des kollektivvertretungsberechtigten Vorstandsmitglieds an das eines einzelvertretungsbefugten Stiftungsvorstandsmitglieds angeglichen würde. Da es keine Eigentümer der Privatstiftung gebe und eine Kontrolle des Stiftungsvorstands durch diese nicht möglich sei, sei eine Einschränkung der Kollektivvertretungsbefugnis möglichst hintanzuhalten. Nach den vorgelegten Urkunden bestünden daher iSd § 94 Abs 1 Z 2 GBG gegründete Bedenken gegen Bestehen und Umfang der Vertretungsmacht desjenigen, der die Vertragsurkunde im Vollmachtsnamen unterfertigte.

[4] Den Entscheidungsgegenstand bewertete das Rekursgericht mit 30.000 EUR übersteigend. Den Revisionsrekurs ließ es mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[5] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionrekurs der Antragstellerin, der zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt ist.

1. Prüfungsumfang des Grundbuchgerichts:

[6] 1.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Fachsenats (RS0060878) kann ein Ansuchen nur dann bewilligt werden, wenn der Urkundeninhalt ein derartiger ist, dass er nicht nur in formaler Beziehung unbedenklich erscheint, sondern auch bezüglich der materiell‑rechtlichen Frage irgendwelche Zweifel nicht aufkommen lässt. Gemäß § 94 Abs 1 Z 2 erster Fall GBG darf das Grundbuchgericht eine grundbücherliche Eintragung nur dann bewilligen, wenn keine gegründeten Bedenken gegen die persönliche Fähigkeit der an der Eintragung Beteiligten bestehen. Dazu zählen auch Bedenken gegen Bestehen und Umfang der Vertretungsmacht dessen, der eine Vertragsurkunde im Vollmachtsnamen eines Vertragspartners unterfertigt hat (RS0060604; 5 Ob 146/17g).

[7] 1.2. Abzustellen ist bei der Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen nach § 94 Abs 1 Z 2 GBG nur auf das allfällige Vorliegen „gegründeter Bedenken“, sodass eine endgültige Wirksamkeitsprüfung nicht stattzufinden hat (RS0060604 [T23]). Es reicht für das Versagen der Eintragungsbewilligung daher aus, dass die Beschränkung der Verfügungsfähigkeit aus beachtlichen Gründen anzunehmen ist. Da dem Grundbuchgericht im Grundbuchsverfahren als reinem Aktenverfahren Beweisaufnahmen verwehrt sind, muss mit einer kursorischen Feststellung und Überprüfung von „Bedenken“ iSd § 94 Abs 1 Z 2 GBG das Auslangen gefunden werden (RS0107975 [T4]).

[8] 1.3. Nach ständiger Rechtsprechung (RS0060573) ist es dem Grundbuchgericht verwehrt, eine undeutliche und zu begründeten Zweifeln Anlass gebende Urkunde auszulegen. Durch den Inhalt der Urkunden erweckte und nicht restlos beseitigte Zweifel haben vielmehr zur Abweisung des Grundbuchsgesuchs zu führen. Eine ergänzende oder vom Wortsinn der Grundbuchsurkunde abweichende Interpretation ist nicht vorzunehmen (RS0060573 [T3, T5, T10]). Erlaubt ist es dem Grundbuchgericht lediglich, aus Urkunden durch deren Wortlaut gedeckte unmittelbare logische Schlussfolgerungen zu ziehen (RS0060573 [T16]).

[9] 1.4. Zwar ist die Frage, ob aus vorliegenden Urkunden iSd § 94 Abs 1 Z 2 GBG begründete Bedenken gegen die persönliche Fähigkeit der an der Eintragung Beteiligten vorliegen, grundsätzlich eine solche des Einzelfalls (5 Ob 59/23x), die nur im Fall einer groben Fehlbeurteilung des Rekursgerichts aufzugreifen wäre. Eine grobe Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor; da das Rekursgericht sich zur Begründung seiner Ansicht aber auf Rechtsprechung zur Frage der zulässigen Bevollmächtigung eines Kollektivvertreters durch einen anderen bezieht (RS0019388; 6 Ob 43/09f), die auf die hier gegebene Konstellation nicht unmittelbar anwendbar ist, ist der Revisionsrekurs zur Klarstellung inhaltlich zu behandeln.

2. Vertretungsbefugnis für die Privatstiftung:

[10] 2.1. § 17 PSG regelt die Aufgaben des Stiftungsvorstands und die Vertretung der Privatstiftung. Gemäß § 17 Abs 1 PSG verwaltet und vertritt der Stiftungsvorstand die Privatstiftung und sorgt für die Erfüllung des Stiftungszwecks. Bestimmt die Stiftungserklärung nichts anderes, so sind nach § 17 Abs 3 Satz 1 PSG sämtliche Mitglieder des Stiftungsvorstands nur gemeinschaftlich zur Abgabe von Willenserklärungen und zur Zeichnung für die Privatstiftung befugt.

[11] 2.2. Hier ergab sich nach der zutreffenden Auffassung des Rekursgerichts aus der vorgelegten Stiftungsurkunde (Punkt VIII Abs 1), dass der Stiftungsvorstand – wie im PSG vorgesehen – aus drei Mitgliedern besteht, wobei (Punkt VIII Abs 6) zur Vertretung der Stiftung jeweils zwei Mitglieder des Stiftungsvorstands gemeinschaftlich befugt sind. Die Stiftungsurkunde ordnet daher Gesamtvertretung durch zwei Mitglieder des Stiftungsvorstands an.

[12] 2.3. Dem Argument des Rekursgerichts, die Vertretungsbefugnis der den Notariatsakt unterfertigenden Dr. S* in der Funktion als Mitglied des Stiftungsvorstands sei nicht nachgewiesen, weil sie im Firmenbuch zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Rechtsgeschäfts nicht eingetragen war und dem Grundbuchgericht nicht nachgewiesen wurde, dass die sie laut Beiratsbeschluss vom gleichen Tag zum Stiftungsvorstand bestellenden Beiratsmitglieder ihrerseits wirksam bestellt waren, tritt der Revisionrekurs nicht entgegen. Dass aufgrund dieser Urkundenlage gegründete Bedenken gegen ihre Vertretungsbefugnis für die Privatstiftung am 11. 5. 2021 bestanden, bedarf somit keiner weiteren Erörterung.

[13] 2.4. Dr. M* war an diesem Tag Stiftungsvorstandsmitglied und unterfertigte im eigenen Namen. Zu prüfen bleibt, ob aufgrund seiner weiteren Unterschrift im Namen des weiteren Stiftungsvorstandsmitglieds Dr. B* auf Basis der als Beilage ./A dem Notariatsakt angeschlossenen Vollmacht von einer wirksamen Gesamtvertretung auszugehen ist. Die vom Rekursgericht geäußerten Bedenken hiezu sind im Ergebnis zu teilen.

3. Rechtliche Einordnung der „Spezialvollmacht“ eines gesamtvertretungsbefugten Stiftungsvorstandsmitglieds an ein anderes:

[14] 3.1. Der – im Grundbuchsverfahren ausschließlich maßgebliche (RS0060573 [T10]) – Wortlaut der dem Notariatsakt angeschlossenen Spezialvollmacht lautete wie folgt:

Ich, Dr. B* [...] bevollmächtige und beauftrage hiemit

Dr. M* [...]

1. mich als Mitglied des Stiftungsvorstands der [Privatstiftung] beim Abschluss des Notariatsakts über die Zuwendung der Liegenschaft EZ * KG * in das alleinige Eigentum von [Antragstellerin] als Letztbegünstigte, abgeschlossen zwischen der [Privatstiftung], [Antragstellerin] und Frau C*, zu vertreten und diesen Notariatsakt in meinem Vollmachtsnamen zu unterfertigen, womit insbesondere auch [Antragstellerin] sich gegenüber ihrer Schwester Frau C* zu einer lebenslangen, wertgesicherten monatlichen Leibrente verpflichtet und zur Absicherung dieser Unterhaltsverpflichtung ein Pfandrecht zu Gunsten von Frau C* rücksichtlich der obgenannten Liegenschaft eingetragen wird.

2.  sowie überhaupt alle Urkunden zu unterfertigen, rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben sowie überhaupt alles vorzukehren, um die Zuwendung in dem beschriebenen Umfang abzuschließen.

3. Diese Spezialvollmacht ist bis 30.6.2021 befristet.

4. Herr Dr. M* ist von den Beschränkungen des Selbstkontrahierens befreit.“

[15] Dr. B* hat diese Vollmacht grundbuchsfähig unterfertigt.

[16] Den Notariatsakt selbst unterfertigte Dr. M* einerseits als kollektivvertretungsbefugtes Mitglied des Stiftungsvorstands im eigenen Namen, andererseits aufgrund dieser Vollmacht als Bevollmächtigter des weiteren Stiftungsvorstandsmitglieds Dr. B*.

[17] 3.2. Gemäß § 17 Abs 3 PSG sind – wenn die Stiftungserklärung nichts anderes bestimmt – sämtliche Mitglieder des Stiftungsvorstands nur gemeinschaftlich zur Abgabe von Willenserklärungen und zur Zeichnung für die Privatstiftung befugt. Der Stiftungsvorstand kann allerdings einzelne Mitglieder des Stiftungsvorstands zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen. Diese Bestimmung ist § 71 Abs 3 AktG nachgebildet (RV 1132 der BlgNR XVII. GP 27).

[18] 3.3. Dabei handelt es sich um eine organschaftliche Ermächtigung, die eines Vorstandsbeschlusses bedarf (M. Arnold, Privatstiftungsgesetz4 [2022] § 17 PSG Rz 10; Brditschka in Hasch & Partner, Kommentar zum Privatstiftungsrecht2 [2014] § 17 Rz 14). Für die im Revisionsrekurs angesprochene organschaftliche Ermächtigung eines einzelnen Stiftungsvorstandsmitglieds durch den Stiftungsvorstand in diesem Sinn fehlt aber eine ausreichende Grundlage im Urkundeninhalt. Eine Ermächtigung iSd § 17 Abs 3 Satz 2 PSG, die Dr. M* befähigen würde, eine Erklärung mit Wirkung für die Stiftung selbst abzugeben, ist aus dem Wortlaut der Spezialvollmacht des Dr. B*, die im Übrigen nur dieser (und kein weiteres Stiftungsvorstandsmitglied) grundbuchsfähig unterfertigt hat, nicht abzuleiten. Fragen einer – allenfalls – schlüssig erteilten Ermächtigung sind im Rahmen des Grundbuchsverfahrens nicht zu erörtern (RS0060573 [T3, T5]). Eine Ermächtigung zur Gesamtvertretung durch den Stiftungsvorstand, die Erklärung mit Wirkung für alle abzugeben, womit ihm allein organschaftliche Einzelvertretungsmacht eingeräumt worden wäre (vgl RS0059910; 1 Ob 538/95 [zu § 71 Abs 3 AktG]), lässt sich aus den vorgelegten Urkunden daher nicht ableiten.

[19] 3.4. Vergleichbares gilt für die Frage, ob Dr. M* als ein Mitglied des Vorstands von den übrigen allenfalls eine rechtsgeschäftliche Vollmacht zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften erteilt wurde (vgl hiezu M. Arnold aaO und Brditschka aaO). Zu 6 Ob 155/06x beurteilte der Oberste Gerichtshof die Bevollmächtigung und Beauftragung eines Vorstandsmitglieds mit rechtlicher Beratung und Vertretung der Privatstiftung als rechtsgeschäftliche Vollmachtserteilung und verlangte hiefür iSd § 17 Abs 5 PSG die Genehmigung des Gerichts. Auch eine Vollmachtserteilung durch die übrigen Mitglieder des Stiftungsvorstands lässt sich aber aus dem Wortlaut der Urkunde nicht ableiten, weil die Vollmacht – wie bereits erwähnt – nur von Dr. B* als einem gesamtvertretungsbefugten Stiftungsvorstandsmitglied unterfertigt wurde.

[20] 3.5. Zu prüfen bleibt, ob Dr. B* allein (nur) seine auf die Organfunktion als Gesamtvertreter gegründete Vertretungsmacht rechtsgeschäftlich auf ein weiteres gesamtvertretungsbefugtes Stiftungsvorstandsmitglied übertragen konnte. Das Rekursgericht hat dies unter Hinweis auf den Rechtssatz RS0019388 einerseits, wonach im Fall der Kollektivvertretung nicht einer der Kollektivvertreter von den übrigen generell bevollmächtigt werden könne, und die Entscheidung 6 Ob 43/09f andererseits, die die Unzulässigkeit der Erteilung der Einzelprokura an ein sonst nur kollektivvertretungsbefugtes Organ bei Personen‑ und Kapitalgesellschaften betraf, verneint. Insoweit ist die Auffassung des Rekursgerichts ergänzungs- und korrekturbedürftig.

[21] 3.6. Grundsätzlich bedeutet der Begriff der Gesamtvertretung, dass rechtsgeschäftliche Erklärungen der Gesellschaft (hier: Stiftung) erst dann wirksam werden, wenn sich sämtliche oder die nach der Satzung erforderliche Zahl von Vertretern an ihnen beteiligen. Rechtstechnisch ist dies – sieht man von den besonderen urkundlichen Voraussetzungen im Grundbuchsverfahren ab – an sich auf verschiedene Weise möglich (vgl 1 Ob 538/95 mwN). Die Gesamtvertretung kann durch Abgabe einer gemeinschaftlichen Erklärung oder externer Teilerklärungen aller Vertreter, durch Ermächtigung eines Gesamtvertreters zur Vornahme von Rechtsgeschäften sowie durch die (vorherige oder nachträgliche) Zustimmung der übrigen Gesamtvertreter zu einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung eines von ihnen ausgeübt werden (2 Ob 170/06y; RS0052927 [T3, T4]). Grundsätzlich können Gesamtvertreter auch einem aus ihrer Mitte eine Vollmacht erteilen (RS0059734; RS0019398). Da Kollektivvertreter gemeinschaftlich einen Dritten wirksam voll – somit auch zur Einzelvertretung für bestimmte Geschäfte – bevollmächtigen können, müssen sie erst recht einen aus ihrer Mitte durch „Ergänzung“ seiner Vertretungsmacht zur Alleinvertretung zumindest bei einem konkreten Geschäft bevollmächtigen können (6 Ob 127/05b). Eine Grenze ist – insoweit ist dem Rekursgericht zu folgen – dort zu ziehen, wo andernfalls die mit der Gesamtvertretung angestrebte Kontrolle zwischen handelnden Organmitgliedern unterlaufen würde. Dies führte zu 6 Ob 43/09f zum Ergebnis, dass die Erteilung der Einzelprokura an ein sonst nur kollektivvertretungsbefugtes Organ bei Personen‑ und Kapitalgesellschaften als unzulässig erachtet wurde, weil das Ausmaß der Vertretungsmacht des kollektivvertretungsbefugten Geschäftsführers damit zu stark an dasjenige eines einzelvertretungsbefugten Geschäftsführers angeglichen und damit die in der Satzung vorgesehene grundsätzliche Kollektivvertretung unterlaufen würde.

[22] 3.7. Der vom Rekursgericht zitierte RS0019388 über die Unzulässigkeit der generellen Bevollmächtigung eines Kollektivvertreters durch die anderen ist nicht unmittelbar einschlägig, weil es im konkreten Fall gerade nicht um eine generelle Bevollmächtigung des Dr. M* geht. Auch die Entscheidung 6 Ob 43/09f betraf einen nicht vergleichbaren Sachverhalt, weil dort die organschaftliche (Gesamt‑)Vertretungsbefugnis durch die Erteilung einer Einzelprokura unterlaufen werden sollte, wogegen inhaltliche Bedenken bestanden. Hier bezog sich die Spezialvollmacht hingegen an sich auf ein konkretes Rechtsgeschäft. Dessen ungeachtet ist der Entscheidung des Rekursgerichts im Hinblick auf die Teleologie des PSG im Ergebnis zuzustimmen.

[23] 3.8. Das PSG schreibt das Vorhandensein von mindestens drei Vorstandsmitgliedern zum Zweck der Wahrung der internen Kontrolle vor (§ 15 Abs 1 PSG). Nach § 17 PSG verwaltet und vertritt ausschließlich der Vorstand die Stiftung, sodass andere Organe oder einzelne Vorstandsmitglieder die Vertretung nicht übernehmen können (RS0130583). Der Gesetzgeber sieht in § 17 Abs 3 PSG grundsätzlich die gemeinschaftliche Vertretungsbefugnis sämtlicher Mitglieder des Stiftungsvorstands vor. Dieser gesetzlich normierte Regelfall (von dem nur in der Stiftungsurkunde abgewichen werden kann) zeigt, dass der Gesetzgeber des PSG nicht nur aus Gründen der internen Kontrolle, sondern auch bei der Vertretung nach außen die Beteiligung sämtlicher Mitglieder des Stiftungsvorstands (im konkreten Fall daher zumindest zweier Mitglieder des Stiftungsvorstands) für erforderlich erachtete, um das aufgrund fehlender Eigentümer bestehende „Kontrolldefizit“ (dazu RS0129853) wirksam auszugleichen. Die bereits zitierten grundsätzlichen Erwägungen zur Zulässigkeit der Bevollmächtigung eines Gesamtvertreters durch einen anderen im Bereich von Personen‑ und Kapitalgesellschaften (die auch der von der Revisionsrekurswerberin erwähnten Entscheidung 4 Ob 164/85 [Genossenschaft] zugrunde lagen) treffen daher für Privatstiftungen, bei denen aufgrund des gegebenen Kontrolldefizits ein besonderes Bedürfnis nach Verhinderung allfälligen Missbrauchs besteht, nicht uneingeschränkt zu. Allgemein ist nach der Rechtsprechung nämlich dem Umstand, dass die Privatstiftung keine Eigentümer hat, etwa durch rechtschutzfreundliche Auslegung von Bestimmungen zu begegnen, die eine umfassende Prüfung und Beurteilung durch unabhängige Gerichte ermöglichen (RS0129853). Dieses Kontrolldefizit ist auch bei der Beurteilung der Zulässigkeit der „Weitergabe“ der Gesamtvertretungsmacht zu berücksichtigen.

[24] 3.9. Zunächst spricht die bloße Existenz der Bestimmung über die organschaftliche Ermächtigung eines Mitglieds des Stiftungsvorstands nach § 17 Abs 3 Satz 2 PSG gegen die Zulässigkeit der Übertragung organschaftlicher Vertretungsbefugnis eines Gesamtvertreters auf den anderen mittels einfacher Vollmacht, weil der genannten Ermächtigung der Anwendungsbereich hiedurch – jedenfalls für den Bereich eines bestimmten Geschäfts – weitgehend entzogen wäre. Außerdem brachte der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung deutlich zum Ausdruck, dass im Bereich der Privatstiftung deren Vertretung durch nur ein einzelnes Stiftungsvorstandsmitglied eine – an strenge Voraussetzungen geknüpfte – Ausnahme sein soll. Selbst wenn man aber mit der Antragstellerin von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Weitergabe der Vertretungsbefugnis durch einen organschaftlichen Gesamtvertreter an den anderen mittels Spezialvollmacht im Bereich der Privatstiftung ausgehen wollte, würde dies nach Auffassung des erkennenden Senats jedenfalls eine solche Vollmacht voraussetzen, die keinen Zweifel offen lässt, dass damit nicht etwa eine – im PSG unerwünschte – Erweiterung der bloßen Gesamtvertretungsbefugnis in Einzelvertretungsmacht bewirkt werden soll. Derartige Zweifel sind hier allerdings angebracht.

[25] 3.10. Zwar handelt es sich bei der dem Notariatsakt angeschlossenen Vollmachtsurkunde ./A tatsächlich um eine Spezialvollmacht, die auch wesentliche Elemente des abzuschließenden Geschäfts in Punkt 1. umschreibt, wobei ihr Punkt 2. sie in nicht näher bestimmtem Ausmaß – wenn auch nur im Rahmen der Umsetzung dieses Geschäfts – ausweitet. Allerdings befreit Punkt 4. dieser Urkunde den Vollmachtnehmer (ohne jegliche Einschränkung) von den Beschränkungen des Selbstkontrahierens. Was dies konkret bedeuten sollte, erschließt sich nicht unmittelbar logisch aus dem Wortlaut, sondern wäre auslegungsbedürftig. Eine derartige Auslegung zu finden ist aber – wie bereits erwähnt – nicht Sache des Grundbuchgerichts. Vergleichbares gilt für die Frage, ob die in der einheitlichen Urkunde enthaltene Vollmachtserteilung nach dem Willen der Parteien teilbar oder nur insgesamt gültig sein sollte. Aufgrund des wegen der Einräumung (offenbar) unbeschränkter Ermächtigung zum „Selbstkontrahieren“ an einen Gesamtvertreter nicht auszuschließenden Missbrauchsrisikos bestehen somit hier – selbst wenn man von der grundsätzlichen Zulässigkeit einer derartigen Vollmachtserteilung ausginge – begründete Bedenken iSd § 94 Abs 1 Z 2 GBG, dass der Vollmachtnehmer als ein organschaftlicher Gesamtvertreter wirksam vom Vollmachtgeber als weiterem organschaftlichen Gesamtvertreter ohne Zutun weiterer Mitglieder des Stiftungsvorstands rechtsgeschäftlich zum Abschluss des die Privatstiftung durch Aufgabe ihres Liegenschaftseigentums belastenden Geschäfts bevollmächtigt wurde.

[26] 4. Dem Revisionsrekurs konnte daher im Ergebnis kein Erfolg beschieden sein.

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