OGH 4Ob48/25z

OGH4Ob48/25z9.5.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Istjan, LL.M., Mag. Waldstätten, Dr. Stiefsohn und Mag. Böhm in der Rechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch Dr. Herwig Ernst, Rechtsanwalt in Korneuburg, gegen die beklagte Partei *, vertreten durch die Weinrauch Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 28. Jänner 2025, GZ 40 R 213/24f‑14, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 13. Februar 2025, GZ 40 R 213/24f‑16, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00048.25Z.0509.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der klagende Bestandnehmer und die beklagte Bestandgeberin schlossen einen Bestandvertrag über eine unbebaute Liegenschaft. Er enthielt die Bestimmung: „Das Bestandverhältnis hat am 1. 7. 1989 begonnen und wird auf die Dauer von fünf Jahren geschlossen.“ Die Allgemeinen Pachtbedingungen der Beklagten – deren Einbeziehung in den Bestandvertrag strittig ist – sahen vor: „Der Bestandvertrag hat eine Laufzeit von fünf Jahren. Eine Verlängerung ist möglich und wird grundsätzlich mit Nachtrag zum Bestandvertrag gewährt.“ Alle fünf Jahre verlängerten die Parteien mit Nachträgen zum Bestandvertrag die Vertragsdauer um weitere fünf Jahre, zuletzt bis 30. 6. 2029.

[2] Der Kläger begehrte die Feststellung, dass das Bestandverhältnis dem „Kündigungsschutzsystem des MRG“ unterliege, sowie hilfsweise, dass die Beklagte schuldig sei, das Bestandverhältnis alle fünf Jahre zu gleichen Bedingungen zu erneuern.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte das das Klagebegehren abweisende Ersturteil. DerBestandvertrag und die Nachträge seien jeweils wirksam befristet worden. Die Beklagte habe sich auch nicht dazu verpflichtet, das Bestandverhältnis alle fünf Jahre zu gleichen Bedingungen zu erneuern. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die außerordentliche Revision zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf (§ 502 Abs 1 ZPO):

[5] 1. Die Revision bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Berufungsgericht einem konkreten Beweismittel einen falschen Inhalt unterstellt und auf dieser Grundlage eine falsche Feststellung getroffen hätte (vgl RS0043284). Die behauptete Aktenwidrigkeit (von der Qualität einer erheblichen Rechtsfrage) liegt schon deshalb nicht vor.

[6] 2.1. Der Oberste Gerichtshof fordert für die wirksame Befristung eines Mietvertrags iSd § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG regelmäßig die schriftliche Vereinbarung eines unbedingten, durch Datum oder Fristablauf bestimmten Endtermins (RS0070201; RS0090569 [insb T1, T3, T8]; RS0112243), der aus der Urkunde selbst hervorgehen muss (RS0070201 [T3, T8]; RS0112243 [T3]). Entscheidend ist, dass sich der Mieter, entsprechend der Intention des Gesetzgebers, darauf einstellen konnte und davon ausgehen musste, dass das Mietverhältnis ohne sein weiteres Zutun zu einem bestimmten Zeitpunkt enden werde (10 Ob 88/18s  Pkt 3.3.; 6 Ob 124/20h Pkt 1.; 9 Ob 11/21i Rz 3; 3 Ob 227/21k Rz 7; 5 Ob 174/22g Rz 12). Ob ein Endtermin bestimmt ist, ist durch Auslegung zu ermitteln (RS0070201 [T3, T4]; RS0090569 [insb T3]). Wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Beurteilung liegt eine erhebliche Rechtsfrage nur bei einer unvertretbaren Auslegung des Berufungsgerichts vor (vgl RS0042936).

[7] 2.2. Der Kläger wirft dem Berufungsgericht eine „grobe Missachtung der Auslegungsregeln“ vor, weil es den Wortlaut der Allgemeinen Pachtbedingungen und eine Erklärung des damaligen Vertreters der Beklagten, nach der es „nicht möglich“ sei, eine längere als fünfjährige Vertragsdauer zu vereinbaren, dass gegen eine Verlängerung des Vertrags „im gegebenen Zeitpunkt“ aber „keine Bedenken“ bestünden, nicht berücksichtigt habe. Damit zeigt der Kläger aber schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage auf, weil sein Vorwurf falsch ist: Das Berufungsgericht hat sich im Rahmen der Auslegung der Befristungsvereinbarung sowohl mit den Allgemeinen Pachtbedingungen als auch mit der Erklärung des damaligen Vertreters der Beklagten auseinandergesetzt und diese in die Auslegung einbezogen. Dass seine auf dieser Grundlage angestellten Überlegungen inhaltlich unvertretbar wären, behauptet der Kläger nicht.

[8] 2.3. Auch ein Widerspruch des Berufungsurteils zur Entscheidung 3 Ob 219/13x ist, anders als der Kläger meint, nicht zu erblicken: Dieser Entscheidung lag zugrunde, dass die Vermieter der Mieterin – anders als im vorliegenden Fall – bereits im Mietvertrag ausdrücklich die Verlängerung des Mietverhältnisses über den vertraglichen Endigungstermin hinaus „zugesagt“ hatten – unter der auslegungsbedürftigen Bedingung eines „friktionsfreien Ablaufs des Mietverhältnisses“. Vor diesem Hintergrund konnte sich die Mieterin nicht darauf einstellen und musste nicht davon ausgehen, dass das Mietverhältnis ohne ihr weiteres Zutun zu einem bestimmten Zeitpunkt enden werde.

[9] 2.4. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Bestandvertrag ursprünglich wirksam auf fünf Jahre befristet wurde, bedarf daher auch unter den Annahmen des Klägers, dass die Allgemeinen Pachtbedingungen ein Vertragsbestandteil geworden seien und dass § 29 MRG analog auf den Bestandvertrag anzuwenden sei, keiner Korrektur durch eine gegenteilige Sachentscheidung. Ob die Annahmen des Klägers zutreffen, kann ebenso offen bleiben wie die Frage der Feststellungsfähigkeit der Anwendbarkeit des „Kündigungsschutzsystems des MRG“ auf den Bestandvertrag (vgl in diesem Zusammenhang RS0038878).

[10] 3. Ein rechtliches Interesse (§ 228 ZPO) an der Feststellung, dass der befristete Bestandvertrag den „Kündigungsschutzbestimmungen des MRG“ unterläge, hat der Kläger nicht behauptet.

[11] 4. Der Kläger kritisiert zwar die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts auch in anderen Punkten als unrichtig – sowohl zum Haupt- als auch zum Eventualbegehren –, behauptet aber keine weiteren erheblichen Rechtsfragen. Die Revision ist daher zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).

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