European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:010OBS00032.25S.0424.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Sozialrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob der Unfall des Klägers als Arbeitsunfall im Sinn des § 175 ASVG anzusehen ist.
[2] Der Kläger war im Vertrieb eines Unternehmens beschäftigt, dessen Inhaber die Belegschaft zur Weihnachtsfeier am 16. Dezember 2023, 19:00 Uhr, einlud, die in einem (näher bezeichneten) Restaurant stattfinden sollte. Bereits im Vorfeld der Weihnachtsfeier sprachen einige Mitarbeiter darüber, im Anschluss an den Aufenthalt in dem Restaurant noch in ein anderes Lokal zu fahren. Das war auch im Jahr davor schon so gemacht worden. Mit dem Unternehmensinhaber wurde dies im Vorfeld nicht besprochen.
[3] Die Feierlichkeiten begannen am 16. Dezember 2023 gegen 19:00 Uhr mit einem Empfang und wurden anschließend im Restaurant fortgesetzt. Es nahmen neben dem Unternehmensinhaber überwiegend Personen teil, die aktiv Beschäftigte des Unternehmens waren, aber auch ehemalige Mitarbeiter und Familienmitglieder des Inhabers.
[4] Etwas nach Mitternacht – die genaue Uhrzeit steht nicht fest – neigten sich die Feierlichkeiten in dem Restaurant dem Ende zu. Im Kollektiv diskutierten die Anwesenden dann, wo sie noch weiter hinfahren könnten. Die Wahl fiel dann auf das von einigen Mitarbeitern bereits vorbesprochene Lokal. Diese Entscheidung wurde an sich gemeinsam von den Mitarbeitern und dem Inhaber des Unternehmens getroffen, wobei federführend bei der Entscheidung, dass noch dieses Lokal aufgesucht wird, ein anderer Mitarbeiter war.
[5] Nahezu alle aktiven Mitarbeiter des Unternehmens und auch der Unternehmensinhaber fuhren im Anschluss an den Aufenthalt im Restaurant noch in dieses besprochene Lokal. Sie organisierten Fahrgemeinschaften dorthin. Die Mitarbeiter (somit auch der Kläger) wären in das Lokal auch dann gefahren, wenn der Inhaber des Unternehmens nicht mitgekommen wäre.
[6] Sie kamen dann vor bzw im Lokal wieder zusammen. Im Lokal war kein Tisch reserviert und der Unternehmensinhaber übernahm nicht sämtliche Kosten für den Konsum der Mitarbeiter, sondern nur die Kosten für die erste Getränkerunde bzw erwarb er eine Flasche Wodka für alle. Andere Mitarbeiter bezahlten teilweise auch Getränke für andere.
[7] Zur Sperrstunde des Lokals waren noch alle Mitarbeiter und der Unternehmensinhaber im Lokal. Diese organisierten sich die Heimfahrt jeweils selbst und hatten sie bereits angetreten, als der Kläger und ein weiterer Mitarbeiter das Lokal nach 4:00 Uhr morgens verließen und der Kläger vor dem Lokal von einer fremden Personen attackiert und dadurch verletzt wurde.
[8] Mit Bescheid vom 3. April 2024 lehnte die beklagte Allgemeine Unfallversicherungsanstalt die Anerkennung des Unfalls vom 16. Dezember 2023 als Arbeitsunfall und die Gewährung von Leistungen aus der Unfallversicherung ab.
[9] Die Vorinstanzen wiesen die auf Feststellung, dass die (näher bezeichneten) Verletzungen des Klägers Folge des Arbeitsunfalls vom 16. Dezember 2023 seien, und auf Gewährung einer Versehrtenrente von zumindest 20 % im gesetzlichen Ausmaß gerichteten Klagebegehren ab. Der Wechsel in das Lokal im Anschluss an den „offiziellen“ Teil der Weihnachtsfeier (im Restaurant) sei nicht mehr unter Versicherungsschutz gestanden, weshalb kein gemäß § 175 Abs 2 Z 1 ASVG dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterliegender Wegunfall vorliege. Darüber hinaus stelle auch der zu den Verletzungen des Klägers führende Angriff ein außerdienstliches, nicht von der gesetzlichen Unfallversicherung gedecktes Ereignis dar.
Rechtliche Beurteilung
[10] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[11] 1.1. Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen stehen nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs insoweit unter Versicherungsschutz, als die Teilnahme an ihnen ein Ausfluss der Ausübung der Erwerbstätigkeit ist. Es muss sich um eine Gemeinschaftsveranstaltung handeln, die allen Betriebsangehörigen offensteht, an der, wenn auch ohne ausdrücklichen Zwang, alle teilnehmen sollen und die eine gewisse Mindestbeteiligung aufweist. Die Gemeinschaftsveranstaltung muss vom Betriebsleiter selbst veranstaltet, zumindest aber bei der Planung und Durchführung von seiner Autorität getragen werden (RS0084544). Hiefür sind die Anwesenheit des Betriebsinhabers, die gänzliche oder teilweise Übernahme der Kosten, die Durchführung der Veranstaltung während der Arbeitszeit oder die Gewährung arbeitsfreier Zeit wichtige Anhaltspunkte. Wenn nicht alle Kriterien vorliegen, so muss dies noch keinen Versicherungsausschluss bedeuten, doch kommt es darauf an, in welcher Intensität die Gemeinschaftsveranstaltung betrieblichen Zwecken dient und in welchem Umfang außerbetriebliche private Interessen beteiligt sind (RS0084647).
[12] 1.2. Die betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung behält im Regelfall ihren dienstlichen Charakter, bis ihre Beendigung ausdrücklich erklärt wird oder sich aus anderen Umständen ergibt (RS0103500; RS0103497). Umstände, die auf eine Beendigung der Gemeinschaftsveranstaltung hindeuten, sind etwa das längere, nicht mehr von der Autorität des Dienstgebers (oder einer von ihm beauftragten Person) getragene Verweilen von Belegschaftsmitgliedern (10 ObS 56/12a; 10 ObS 246/95). Nicht entscheidend ist, ob im Verhältnis zur Gesamtzahl der Teilnehmer noch ein ins Gewicht fallender Teil der Betriebsangehörigen anwesend ist (RS0103497).
[13] 1.3. Für die Beantwortung der Frage, ob eine Veranstaltung (noch) betrieblichen oder (schon) außerbetrieblichen privaten Interessen dient, sind immer die konkreten Verhältnisse im Einzelfall im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung entscheidend (10 ObS 54/12g ErwGr 1.), weswegen sich eine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage regelmäßig nicht stellt.
[14] 2. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Fortsetzung der Feierlichkeiten ab dem Lokalwechsel nicht mehr unter Versicherungsschutz standen, entspricht der dargestellten Rechtsprechung. Bereits die Einladung zur Weihnachtsfeier bezog sich nur auf das Restaurant und auch der Lokalwechsel erfolgte erkennbar nicht auf Initiative des Dienstgebers, der diesbezüglich auch keinerlei organisatorische Maßnahmen traf. Angesichts dieser Umstände zeigt die Revision des Klägers eine Überschreitung des den Vorinstanzen zukommenden Beurteilungsspielraums nicht auf. Die im Rechtsmittel hervorgehobene Beteiligung der gesamten aktiven Belegschaft und des Dienstgebers selbst am Lokalwechsel sowie die weitere Übernahme eines Teils der Kosten durch letzteren ändert nichts daran, dass die fortgesetzten Feierlichkeiten primär der privaten Geselligkeit dieser Personen dienten, weil der Lokalwechsel in Planung und Durchführung für den Kläger erkennbar nicht von der Autorität seines Dienstgebers getragen war und er sich zur Teilnahme daran nicht verpflichtet fühlen durfte.
[15] 3. Auf die in der Revision weiters aufgeworfene Frage, ob die Annahme eines Arbeitsunfalls auch deswegen ausgeschlossen wäre, weil der zu den Verletzungen des Klägers führende Angriff ein außerdienstliches, nicht von der gesetzlichen Unfallversicherung gedecktes Ereignis darstellte, kommt es somit nicht mehr an, sodass darauf nicht einzugehen ist.
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