European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0080OB00137.24S.0328.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 3.368,33 EUR (darin enthalten 561,39 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] 1. Zur Besicherung einer Kreditverbindlichkeit ihres Sohnes gegenüber der klagenden Bank unterfertigten die Beklagten am 25. 6. 2015 einen Blankowechsel mit der Beifügung: „als Bürge für den Bezogenen“. Am Wechsel befindet sich unter der Bezeichnung „Angenommen“ die eigenhändige Unterschrift des Sohnes der Beklagten. Am 28. 6. 2021 wurde über dessen Vermögen das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Im Auftrag der Klägerin wurde der Wechsel am 16. 3. 2023 ausgefüllt, indem als Bezogene die Beklagten samt Geburtsdatum und Adresse, die Wechselsumme von 194.920,64 EUR samt Zinsen und das Fälligkeitsdatum 22. 3. 2023 eingesetzt wurden.
[2] Gestützt auf diesen Wechsel begehrte die Klägerin mit Wechselzahlungsauftrag zuletzt 193.004,99 EUR sA, wovon die Erstbeklagte höchstens 116.000 EUR sA und der Zweitbeklagte höchstens 101.000 EUR sA zu zahlen habe.
[3] Die Beklagten beantragen Klagsabweisung und wendeten insbesondere die formale Ungültigkeit des Wechsels ein.
[4] Das Erstgericht gab der Klage im Umfang von 128.670 EUR sA statt, wovon der Erstbeklagte höchstens 77.333,33 EUR sA und die Zweitbeklagte höchstens 67.333,33 EUR sA zu zahlen habe. Es bejahte die Gültigkeit der Wechselbürgschaft, mäßigte jedoch die Verbindlichkeit nach § 25d KSchG um ein Drittel.
[5] Das von beiden Seiten angerufene Berufungs-gericht änderte dieses Urteil im Sinne gänzlicher Klagsabweisung ab. Mangels eines formell verpflichtenden Skripturakts hafteten die Beklagten nicht aus dem Wechsel. Die Revision ließ das Berufungsgericht zur Frage zu, ob die Judikatur, wonach ein Beklagter, der einen Blankowechsel „als Bürge“ unterfertigt habe und bei Ausfüllung des Wechsels vereinbarungswidrig als Bezogener eingesetzt werde, mangels formell verpflichtenden Skripturakts nicht hafte (8 Ob 209/70), auch angesichts der Rechtsprechung aufrecht bleibe, die besage, dass ein Beklagter gegenüber dem unmittelbaren Vertragspartner nach dem Inhalt der getroffenen Abrede hafte, wenn er vereinbarungswidrig statt als Wechselbürge als Bezogener eingesetzt werde (7 Ob 535/84).
Rechtliche Beurteilung
[6] Die von den Beklagten beantwortete Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[7] 1. Im Wechselverfahren ist allein zu prüfen, ob der geltend gemachte Anspruch aufgrund des Wechsels berechtigt ist; es gilt der Grundsatz der „beschränkten Kognition“. Ob dem Kläger ein Anspruch aus dem Grundgeschäft zusteht, ist unerheblich (RS0082472; RS0044685; RS0041337; RS0039167).
[8] 2.1. Gemäß Art 32 Abs 2 WG besteht bei der Wechselbürgschaft ein eingeschränktes Akzessorietätsprinzip, nach dem der Wechselbürge auch für nichtige Wechselverpflichtungen haftet, wenn diese zumindest formgültig zustande gekommen sind. Der Wechselbürge kann daher auch in Anspruch genommen werden, wenn der Hauptschuldner geschäftsunfähig ist, seine Unterschrift gefälscht ist, die Person oder Firma nicht tatsächlich existiert oder der Wechsel aus einem anderen Grund materiell nichtig ist (RS0083440; 8 Ob 87/07p; 8 Ob 78/03h). Für die Haftung des Wechselbürgen ist aber der Rechtsschein der Hauptschuld erforderlich, das heißt, der Wechsel darf nach außen keinen Formfehler aufweisen (RS0083456).
[9] 2.2. Nach der Rechtsprechung des Fachsenats setzt die Verbindlichkeit des Wechselbürgen daher das Vorliegen eines formell gültigen Skripturakts desjenigen voraus, für den sich der Wechselbürge verbürgt hat (RS0082502; vgl auch RS0097251). In der diese Judikaturlinie begründenden Entscheidung 8 Ob 209/70 wurde festgehalten, dass diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, wenn der Wechselbürge in einem Blankowechsel, den er nur als „Bürge für den Annehmer“ mitunterfertigt, aber nicht akzeptiert hat, als (einziger) Bezogener genannt ist, weil – mangels Nennung des Akzeptanten als Bezogener – keine aus dem Wechsel ersichtliche Hauptverpflichtung besteht. Auch in den nachfolgenden Entscheidungen 8 Ob 655/85 und 6 Ob 615/87 wurde die Haftung des Wechselbürgen mangels eines formal gültigen Wechsels verneint (vgl weiters 1 Ob 694/78).
[10] 2.3. Wird ein Blankowechsel in einem Punkt vom unmittelbaren Vertragspartner verabredungswidrig ausgefüllt und tritt der Ausfüller als Kläger auf, so ist in der Judikatur allerdings anerkannt, dass er den Wechsel insoweit geltend machen kann, als dessen Inhalt der getroffenen Abrede entspricht. Wurde der Beklagte vereinbarungswidrig vom Kläger anstatt als Wechselbürge als Bezogener eingesetzt, so ändert das inhaltlich nichts an seiner Haftung dem Wechselgläubiger gegenüber. Der Umstand, dass dem Beklagten im Falle einer Zahlung als Bezogener nicht das Rückgriffsrecht im Sinne des Art 32 Abs 3 WG zusteht, spielt im Verhältnis zum Wechselgläubiger nämlich keine Rolle (RS0083936).
[11] Auch diese Judikatur setzt aber einen formal gültigen Wechsel voraus: Im zu 7 Ob 535/84 entschiedenen Fall wurden im Blankowechsel sowohl der Hauptschuldner, der den Wechsel akzeptiert hatte, als auch der Wechselbürge als Bezogene eingefügt; aufgrund der Identität zwischen dem Bezogenen und dem Akzeptanten war der Wechsel formal gültig, auf die falsche Bezeichnung des Wechselbürgen kam es daher nicht an. Auch zu 8 Ob 117/97g, 8 Ob 123/98s und 8 Ob 87/07p lagen jeweils formal gültige Wechsel vor.
[12] Die weiteren unter dem mit der Entscheidung 7 Ob 535/84 begründeten Rechtssatz RS0083936 gleichgestellten Entscheidungen 8 Ob 24/88, 8 Ob 98/99z, 8 Ob 307/99a, 8 Ob 229/00k und 3 Ob 77/03z betreffen keine Wechselbürgschaften; die Entscheidung 8 Ob 253/99k behandelt eine „verkleidete Wechselbürgschaft“, die nicht eingeschränkt akzessorisch ist.
[13] 2.4. Während die mit der Entscheidung 8 Ob 209/70 begründete Judikaturlinie (RS0082502) sohin vom Fehlen eines formal gültigen Wechsels geprägt ist, fußt die mit der Entscheidung 7 Ob 535/84 beginnende Rechtsprechung (RS0083936) auf dessen Existenz. Ein Widerspruch zwischen den beiden Rechtsprechungslinien ist demgemäß zu verneinen.
[14] 2.5. Auch die Revision zeigt keinen Anlass auf, von der mit der zu 8 Ob 209/70 begründeten Judikaturlinie (RS0082502) abzugehen. Vielmehr ist an ihr schon aufgrund des klaren Wortlauts des Art 32 Abs 2 WG festzuhalten.
[15] 3. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass der gegenständliche Sachverhalt jenem vergleichbar ist, der der Entscheidung 8 Ob 209/70 zugrunde lag. Demnach handelt es sich um einen formal ungültigen Wechsel, weil der Sohn der Beklagten, der die Verpflichtung als Bezogener angenommen hatte, nicht als solcher genannt ist und die Beklagten nur die Verpflichtung als Wechselbürgen, aber nicht als Bezogene des Wechsels wirksam angenommen haben.
[16] 4. Warum die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens über das Vermögen des Kreditnehmers für das Vorliegen eines formgültigen Wechsels von Bedeutung sein soll, erschließt sich dem Fachsenat nicht.
[17] 5. Der Revision gelingt es daher nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Dementsprechend ist sie zurückzuweisen.
[18] 6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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