OGH 1Ob97/24g

OGH1Ob97/24g25.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely‑Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Pfurtscheller als weitere Richterinnen und Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch die Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. S*, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH in Wien, wegen 53.232,36 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 8. Mai 2024, GZ 11 R 55/24z‑85, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0010OB00097.24G.0325.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger war Dienstnehmer einer GmbH, deren Geschäftsführerin die Beklagte war. In einem gegen die Beklagte geführten abfallrechtlichen Finanzstrafverfahren schob sie die Verantwortung auf den Kläger, weswegen die Behörde auch gegen ihn ein solches Verfahren einleitete. Der Kläger beauftragte einen Anwalt mit seiner Vertretung und erreichte letztlich die Einstellung des Verfahrens. Die Finanzstrafbehörde sah die Beklagte als Alleinverantwortliche an.

[2] Der Kläger begehrt die von ihm aufgewendeten Anwaltskosten, weil die Beklagte ihn vor der Finanzstrafbehörde belastet habe, obwohl sie gewusst habe, dass die beanstandeten Vorgänge nicht zu seinem Verantwortungsbereich gehört hätten.

[3] Die Beklagte bestritt Grund und Höhe des Anspruchs, wobei sie sich insbesondere dagegen wendet, dass der Kläger mit seinem Anwalt eine Honorierung nach Stundensätzen vereinbart hatte.

[4] Gegen die teilweise stattgebende Entscheidung der Vorinstanzen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten.

[5] Die Revision macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass der Anspruch des Klägers nach dem analog anzuwendenden § 390 Abs 4 StPO zu beurteilen sei. Dies führe dazu, dass die Beklagte nur bei Wissentlichkeit hafte – was sich auch aus allgemeinem Zivilrecht ergebe – und dass nur die notwendigen Kosten nach AHK und RATG zu ersetzen seien. Mangels Wissentlichkeit bestehe der Anspruch dem Grunde nach nicht zu Recht; jedenfalls sei aber der auf einer Honorierung nach Stundensatz beruhende Zuspruch überhöht.

Rechtliche Beurteilung

[6] Damit zeigt die Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1. Zum Grund des Anspruchs:

[7] 1.1. Richtig ist, dass die Beklagte für falsche Anschuldigungen schon nach allgemeinem Zivilrecht nur haftet, wenn diese wider besseres Wissen erfolgten (RS0097183; RS0097195; zuletzt 3 Ob 194/22h mwN). Da § 390 Abs 4 StPO dasselbe anordnet (Veranlassung eines Strafverfahrens durch eine „wissentlich falsche Anzeige“), kommt es auf dessen analoge Anwendbarkeit nicht an.

[8] 1.2. Soweit die Beklagte das Fehlen von Feststellungen zur Wissentlichkeit rügt, ist sie darauf zu verweisen, dass das Berufungsgericht im ersten Rechtsgang ausgeführt hat, dass es der Beklagten „vollkommen klar“ war, dass die dem Finanzstrafverfahren zugrunde liegenden Tathandlungen „nicht in den Zuständigkeitsbereich des Klägers gefallen“ seien; eine „bewusste Lüge“ stelle ein unzulässiges Verteidigungsverhalten dar. Soweit man das nicht ohnehin als eine jedenfalls vertretbare (RS0118891) Auslegung der erstgerichtlichen Feststellungen sieht, lag darin eine ergänzende Feststellung, die den Grund des Anspruchs abschließend erledigte.

[9] 1.3. Die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils bezog sich ausschließlich auf die Höhe des Anspruchs, sodass sich das Verfahren im zweiten Rechtsgang auf diese Frage zu beschränken hatte (RS0042411; RS0042031). Mangels Zulassung des Rekurses wäre es der Beklagten aber freigestanden, die Auslegung der Feststellungen oder eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes beim Treffen einer ergänzenden Feststellung im Aufhebungsbeschluss in der im zweiten Rechtsgang erhobenen Revision zu bekämpfen (4 Ob 88/20z; 8 ObA 15/21w). Da dies nicht erfolgt, zeigt sie zum Grund des Anspruchs keine erhebliche Rechtsfrage auf.

2. Zur Höhe des Anspruchs:

[10] 2.1. Rechtsanwaltskosten und weiterer Verfahrensaufwand, um eine drohende (Verwaltungs‑)Strafe abzuwenden, sind nur zu ersetzen, soweit sie – ex ante betrachtet – zweckmäßig und angemessen waren (6 Ob 110/21a mwN). Auch für Anwaltskosten kann der Schädiger daher grundsätzlich verlangen, dass er Ersatz (nur) in angemessener Höhe leisten muss (RS0022802 [T4]). Ob der Geschädigte insofern seine Schadensminderungspflicht verletzt hat, ist eine Frage des Einzelfalls (RS0027787 [T18, T20]; RS0022681 [T4]).

[11] 2.2. Da § 390 Abs 4 StPO eine Haftung für eine wissentlich falsche Anzeige nur dem Grunde nach normiert, ist die Frage der analogen Anwendung dieser Bestimmung für die Höhe der Vertretungskosten nicht präjudiziell. Im Übrigen steht es im Ermessen der Strafgerichte, ob sie die Allgemeinen Honorar‑Kriterien (AHK) im jeweiligen Einzelfall als Maßstab für die Angemessenheit rechtsanwaltlicher Leistungen heranziehen oder nicht (RS0052149; RS0101502; 11 Os 117/91).

[12] 2.3. Das Berufungsgericht ging davon aus, dass der Beklagten der Beweis, der Kläger hätte in kurzer Zeit einen anderen im Umwelt‑ bzw Abfallrecht versierten Rechtsanwalt finden können, der mit einer tarifmäßigen Entlohnung nach RATG bzw AHK einverstanden gewesen wäre, nicht gelungen sei. Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den Kläger sei daher nicht erwiesen.

[13] Die Beklagte wiederholt in der Revision wörtlich die Ausführungen in ihrer Berufung und setzt sich mit der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts zur verneinten Verletzung der Schadensminderungspflicht nicht auseinander. Damit ist dem Obersten Gerichtshof eine Überprüfung dieser Frage mangels gesetzmäßiger Rechtsrüge verwehrt (RS0043603 [T16]; 1 Ob 152/24w).

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