European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:010OBS00010.25F.0318.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Sozialrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob die vom Kläger bezogene slowenische Leistung bei der Berechnung der Höhe der Witwerpension zu berücksichtigen ist.
[2] Der 1950 geborene Kläger bezog in den unstrittig für die Berechnung der Pensionshöhe maßgeblichen Kalenderjahren 2020 und 2021 neben einer Alterspension und einer Versehrtenrente eine Leistung vom slowenischen Träger der Pensionsversicherung. Im Zuerkennungsbescheid vom 11. Juli 2008 wurde dem Kläger ein verhältnismäßiger Teil der Alterspension nach den Bestimmungen des slowenischen Gesetzes über die Pensions- und Invaliditätsversicherung (infolge der Zusammenrechnung österreichischer und slowenischer Versicherungszeiten) zuerkannt. Als slowenische Versicherungszeit wurde (ausschließlich) die Zeit des Freiheitsentzugs des Klägers vom 16. Jänner 1950 bis 5. Mai 1956 herangezogen, die dem Kläger durch Beschluss der Kommission zur Durchführung des slowenischen Gesetzes über die Wiedergutmachung von Unrecht vom 19. Dezember 2006 in zweifachem Ausmaß als Pensionszeit angerechnet worden war.
[3] Mit Bescheid vom 12. Mai 2023 sprach die beklagte Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen unter anderem aus, dass der Kläger verpflichtet sei, von seiner ausländischen Pension Krankenversicherungsbeiträge gemäß §§ 29, 29a GSVG in Höhe von 5,1 % zu entrichten. Das Bundesverwaltungsgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde des Klägers mit Erkenntnis vom 23. Oktober 2023 ab.
[4] Mit Bescheid vom 27. September 2023 anerkannte die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Witwerpension ab 15. September 2022 und berücksichtigte bei der Höhe der Witwerpension die slowenische Leistung als Einkommen des Klägers im Sinn des § 145 Abs 3 GSVG.
[5] Der Kläger begehrt die Gewährung einer höheren Witwerpension im gesetzlichen Ausmaß, nämlich ohne Berücksichtigung der slowenischen Leistung als Einkommen des Klägers. Bei der Pension, die er aus Slowenien beziehe, handle es sich nicht um eine Alterspension, sondern um eine Opferrente. Die Zeiten der Freiheitsentziehung seien – unabhängig vom Alter oder Erwerbstätigkeit der betroffenen Personen – als doppelte Pensionszeiten gezählt worden, sodass es sich nicht um eine reguläre Pension, sondern um eine Entschädigungsleistung handle, die mit der österreichischen Opferrente vergleichbar sei. Die Koordinierungsverordnung 883/2004 sei nicht anwendbar.
[6] Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger beziehe aus Slowenien keine Opferrente, sondern eine Invaliditäts- und Alterspension, die in die Berechnungsgrundlage zur Witwerpension einzubeziehen sei. Als Einkommen im Sinn des § 145 Abs 3 und 4 GSVG würden auch Pensionen aufgrund ausländischer Versicherungs- oder Versorgungssysteme gelten, wenn es sich nicht um Hinterbliebenenleistungen aus dem gleichen Versicherungsfall handle. Das Bundesverwaltungsgericht habe festgestellt, dass es sich um eine anrechenbare Pension handle.
[7] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und wiederholte den Zuspruch der Witwerpension in der im bekämpften Bescheid zuerkannten Höhe.
[8] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Die slowenische Leistung basiere auf den Rechtsvorschriften des Gesetzes über die Pensions- und Invaliditätsversicherung und die Auszahlung erfolge aus dem allgemeinen Pensionssystem Sloweniens, weshalb diese Zahlungen nicht als Entschädigung im Sinn der Kriegsopferrente, sondern als Alterspension zu qualifizieren seien. Die Privilegierung im Rahmen der Wiedergutmachung begründe keinen eigenen, von einer Rentenleistung zu unterscheidenden Leistungsanspruch, sondern sie beziehe sich auf eine Verbesserung der Position in Bezug auf einen Rechtsanspruch auf eine slowenische Leistung bei Alter, die vom Geltungsbereich der VO 883/2004 erfasst sei. Die Beklagte habe mit Bescheid die Verpflichtung des Klägers zur Leistung von Krankenversicherungsbeträgen für die hier strittige Leistung festgestellt. Daran seien die Gerichte gebunden, sodass zwischen den Parteien bindend feststehe, dass der Kläger eine Pension beziehe, die vom Geltungsbereich der VO 883/2004 bzw der früheren VO 1408/71 erfasst sei, sodass es nicht (mehr) darauf ankomme, ob man auch zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.
[9] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob zwischen den Parteien infolge Feststellung der Versicherungspflicht (§ 29a Abs 1 GSVG) bindend feststehe (§ 74 ASGG), dass die slowenische Alterspension des Klägers vom Geltungsbereich der VO 883/2004 bzw der früheren VO 1408/71 erfasst und bei der Berechnung der Witwerpension anzurechnen sei.
[10] Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinn einer Stattgabe des Klagebegehrens.
[11] Die Beklagte hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
[12] Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
[13] 1.1. Das Berufungsgericht stützte die Qualifikation der slowenischen Leistung als Pension, die vom Geltungsbereich der Koordinierungsverordnung 883/2004 erfasst sei, auf eine seiner Ansicht nach gegebene Bindungswirkung des Bescheids der Beklagten vom 12. Mai 2023 und des dazu ergangenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts, sodass es nicht (mehr) darauf ankomme, ob man auch zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.
[14] Auf diese Argumentation geht der Kläger in der Revision nicht ein, wenn er lediglich die Unrichtigkeit dieser Entscheidungen und der diesbezüglichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs behauptet. Eine Rechtsfrage von im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblicher Bedeutung zeigt er insofern nicht auf.
[15] 1.2. Unabhängig davon kommt es darauf im vorliegenden Verfahren aber ohnedies nicht an.
[16] Die Beurteilung des Berufungsgerichts wäre insofern zwar korrekturbedürftig, weil die Bindung der Zivilgerichte an rechtskräftige Bescheide der Verwaltungsbehörden (RS0036880; RS0036981; RS0036864) nach ständiger Rechtsprechung nur den Spruch über den Bescheidgegenstand umfasst (RS0037051; RS0036948; RS0036880 [T12]; RS0036981 [T8]; RS0037015 [T7]) und der Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2023 (und auch das diesen bestätigende Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts) die vom Berufungsgericht als bindend angenommene Aussage gar nicht spruchmäßig traf(en). Gegenstand jenes Verfahrens war vielmehr die Frage der Beitragspflicht für die ausländische Leistung, sodass auch nur darüber bindend abgesprochen wurde. Die im Bescheid der Beklagten (und im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts) enthaltene Begründung zu der für die Beitragspflicht nach § 29a GSVG entscheidenden (Vor-)Frage, ob die ausländische Leistung vom Geltungsbereich der Koordinierungsverordnungen 883/2004 bzw VO 1408/71 erfasst ist, könnte nach der Rechtsprechung keine Bindungswirkung entfalten (RS0037015; RS0036948).
[17] Dieser Frage kommt allerdings nur im Rahmen des § 29a GSVG Bedeutung zu. Im vorliegenden Fall geht es nicht um eine Versicherungs- oder Beitragspflicht nach § 29a GSVG, sondern nur um die Frage, ob die ausländische Leistung in die Berechnungsgrundlage des Klägers nach § 145 Abs 2 und 3 GSVG einzufließen hat, weil es sich dabei um ein Einkommen im Sinn des § 145 Abs 5 Z 5 GSVG handelt. Auch wenn man – entsprechend dem vom Kläger in der Revision vertretenen Standpunkt – davon ausginge, dass die hier zu beurteilende ausländische Leistung nicht vom Geltungsbereich der VO 883/2004 bzw der VO 1408/71 erfasst wäre und sie keine Beitragspflicht nach § 29a GSVG auslöste, wäre der Revision nicht zu entnehmen und auch sonst nicht ersichtlich, inwiefern dies einer Berücksichtigung dieser Leistung im Rahmen des § 145 Abs 2 und 3 GSVG als Einkommen des Witwers entgegen stehen könnte. Dementsprechend erübrigt sich die vom Kläger angeregte Einholung einer Vorabentscheidung durch den EuGH zu dieser – hier nicht entscheidenden – Frage und stellt sich insofern auch keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO.
[18] 2. Entscheidend ist im vorliegenden Fall vielmehr ausschließlich, ob die Leistung des slowenischen Versicherungsträgers als Einkommen des Klägers im Sinn des § 145 Abs 3 GSVG anzusehen ist, weil es sich um eine Pension aufgrund eines ausländischen Versicherungs- oder Versorgungssystems handelt (§ 145 Abs 5 Z 5 GSVG). Zu dieser Bestimmung liegt bereits höchstgerichtliche Rechtsprechung vor.
[19] 2.1. Dem Gesetzgeber steht es demnach grundsätzlich frei, welche Arten von Einkommen er zur Berechnung der Witwerpension heranzieht (10 ObS 126/06m; vgl RS0121105). Unter einem „Versorgungssystem“ wird – im Unterschied zu einem Versicherungssystem – in der Regel eine Altersversorgung verstanden, bei der die Leistungen nicht von einer Versichertengemeinschaft, sondern aus allgemeinen Steuermitteln erbracht werden (RS0124610). Betriebspensionen oder damit vergleichbare Leistungen fallen nicht darunter (RS0124610 [T1]), wobei es für die Abgrenzung der gesetzlichen und betrieblichen Systeme der sozialen Sicherung insbesondere auf den Rechtsgrund, die Finanzierung, den Leistungsumfang und den Kreis der Leistungsbezieher ankommt (10 ObS 18/09h).
[20] 2.2. Ausgehend davon zeigt die Revision des Klägers eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen, die die vorliegende Leistung als Pension im Sinn des § 145 Abs 5 Z 5 GSVG ansahen, nicht auf. Die Leistung wurde dem Kläger vom slowenischen Versicherungsträger ausdrücklich als Alterspension nach den Bestimmungen des slowenischen Gesetzes über die Pensions- und Invaliditätsversicherung zuerkannt. Der Kläger wendet sich auch nicht gegen die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach diese Leistung auf den Rechtsvorschriften des Gesetzes über die Pensions- und Invaliditätsversicherung basiert habe und die Auszahlung aus dem allgemeinen Pensionssystem Sloweniens erfolge. Die Revisionsausführungen beschränken sich vielmehr auf die Behauptung, dass es sich nicht um eine Pension, sondern um eine „Entschädigungsleistung“ für den Kläger als Opfer des Krieges und seiner Folgen und als ehemaligen politischen Gefangenen handle (worauf die Koordinierungsverordnung 883/2004 nicht anwendbar sei). Diese Behauptung ist insofern unrichtig, als dem Kläger im Rahmen der Wiedergutmachung nicht (schon) eine Entschädigungsleistung zuerkannt wurde, sondern (lediglich) eine Anerkennung von für den Pensionsanspruch wirksamen Zeiträumen erfolgte und bei der Zuerkennung auch andere Versicherungszeiten (etwa aufgrund einer in Österreich ausgeübten Erwerbstätigkeit) berücksichtigt wurden. Unabhängig davon lässt sich den Revisionsausführungen nicht nachvollziehbar entnehmen, aus welchem Grund die im Rahmen einer Wiedergutmachung erfolgte Anerkennung von für den Pensionsanspruch wirksamen Zeiträumen diesem Anspruch den Charakter als Pension aufgrund eines ausländischen Versicherungs- oder Versorgungssystems nehmen soll. Auch insofern wird eine Rechtsfrage von im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblicher Bedeutung nicht zur Darstellung gebracht.
[21] 3. Zwar kann ein Kostenzuspruch nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG auch dann erfolgen, wenn das Berufungsgericht die ordentliche Revision zugelassen hat, der Oberste Gerichtshof diese jedoch mangels einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 ZPO zurückweist (RS0085898 [T2]). Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden jedoch nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage.
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