OGH 8Ob20/25m

OGH8Ob20/25m27.2.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Rechtssache der Erlegerin N*, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, gegen die Erlagsgegnerin M*, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in Graz, wegen Hinterlegung nach § 1425 ABGB (Streitwert: 471.906,76 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Erlagsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 24. November 2023, GZ 2 R 169/23z‑51, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0080OB00020.25M.0227.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Erlegerin begehrt 471.906,76 EUR als Erlag nach § 1425 ABGB bei Gericht anzunehmen und nur gegen Nachweis der Lastenfreiheit zweier Liegenschaften an die Erlagsgegnerin auszufolgen. Die Erlegerinbringt dazu vor, dass die Erlagsgegnerin aufgrund des Schiedsspruchs vom 31. 8. 2022 die lastenfreie Übertragung dieser Liegenschaften Zug um Zug gegen Zahlung von insgesamt 936.397,24 EUR schulde, wovon noch 471.906,76 EUR aushaften würden. Die Erlagsgegnerin weigere sich, die Zahlungen der Erlegerin als Erfüllung des Schiedsspruchs anzunehmen.

[2] Das Erstgericht nahm den Erlag „als Zahlung gemäß Schiedsspruch vom 31. 8. 2022“ an, sprach aber aus, dass die begehrten Ausfolgungsbedingungen „abgelehnt“ würden. Der Annahmeverzug der Erlagsgegnerin rechtfertige eine Hinterlegung, doch sei nicht schlüssig dargetan worden, dass die Zahlung Zug um Zug gegen den Nachweis der Lastenfreiheit der Liegenschaften zu erfolgen habe.

[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Erlegerin Folge und änderte die Entscheidungdahin ab, dass der erlegte Betrag nur gegen Nachweis der Lastenfreiheit der Liegenschaften ausgefolgt werde. Die Verpflichtung zur Lastenfreistellung sei schlüssig behauptet worden.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der Revisionsrekurs der Erlagsgegnerin ist unzulässig.

[5] 1. Der Erlag bei Gericht ist eine einseitige Rechtshandlung des Schuldners, auf die der Gläubiger keinen Einfluss nehmen kann, sodass demErlagsgegner nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Erlagsverfahren keine Parteistellung zukommt (RS0006734; RS0033639). Da sich derErlagsgegner durch den Annahmebeschluss nicht beschwert erachten kann, ist er auch nicht rechtsmittellegitimiert (RS0033664). Die Parteistellung des Erlagsgegners beschränkt sich vielmehr auf das Ausfolgungsverfahren (RS0006723; RS0006734 [T2]).

[6] 2. Eine ausnahmsweise Parteistellung des Erlagsgegners kann sich ergeben, wenn der Annahmebeschluss seine materielle Rechtsstellung berührt (RS0110881). Eine Rechtsmittellegitimation des Erlagsgegners wird deshalb von der Rechtsprechung bejaht, wenn der Erlag zugunsten mehrerer Erlagsgegner erfolgt (RS0110882). Das ist hier aber nicht der Fall. Erfolgt der Erlag nur zugunsten eines Erlagsgegners, wird die materielle Rechtsstellung des Antragsgegners durch den Annahmebeschluss im Regelfall nicht berührt (RS0006723 [T7]; RS0110881 [T1]). Der Erlagsgegner müsste daher konkret vorbringen, weshalb er durch die Annahme eines solchen Erlags ausnahmsweise doch beschwert ist (RS0110881 [T10]). Die Erlagsgegnerin fühlt sich offenbar dadurch beschwert, dass die Herkunft des Geldes nicht geklärt sei, aus dem Schiedsspruch tatsächlich noch 704.152 EUR aushaften würden und keine Verpflichtung zur Lastenfreistellung der Liegenschaften bestehe.

[7] 3. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Erleger berechtigt, Bedingungen für die Ausfolgung des Gerichtserlags zu setzen (RS0087237). Dem Erlag kommt aber nur dann schuldbefreiende Wirkung nach § 1425 ABGB zu, wenn der Schuldner die Leistung in der geschuldeten Art und Weise erbringt (RS0033636). Im Erlagsverfahren ist nicht zu klären, ob der Hinterlegung im Verhältnis zum Gläubiger tatsächlich schuldbefreiende Wirkung zukommt (RS0033489 [T3]; RS0033636 [T8]). Dementsprechend ist auch die Rechtmäßigkeit des Erlags im Erlagsverfahren nicht zu prüfen, sondern kann nur in einem eigens darüber geführten Rechtsstreit geklärt werden (RS0033495; RS0033489). Sollte es daher zutreffen, dass der Erlag und die Ausfolgebedingungen nicht dem Schiedsspruch entsprechen, wie dies von der Erlagsgegnerin behauptet wird, hat der Erlag keine schuldbefreiende Wirkung, sodass die Ansprüche der Erlagsgegnerin aus dem Schiedsspruch unberührt bleiben. Damit ist die Erlagsgegnerin weder durch die Annahme des Erlags noch durch die von der Erlegerin genannten Ausfolgungsbedingungen beschwert.

[8] 4. Der Revisionsrekurs war daher mangels Parteistellung der Erlagsgegnerin zurückzuweisen.

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