Normen
COVID-19 BH Landeck Verordnung Nr. 128/2020
COVID-19 BH Landeck Verordnung Nr. 186/2020
COVID-19-MaßnahmenG 2020
COVID-19-MaßnahmenG 2020 §4 Abs2 idF 2020/I/023
COVID-19-MaßnahmenV BGBl II 96/2020
COVID-19-MaßnahmenV BGBl II 96/2020 §1
EpidemieG 1950 §24 idF 2006/I/114
EpidemieG 1950 §32 Abs1 idF 2022/I/089
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z1 idF 2022/I/089
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z2 idF 2022/I/089
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z3 idF 2022/I/089
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z4 idF 2022/I/089
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z5 idF 2022/I/089
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z6 idF 2022/I/089
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z7 idF 2021/I/090
EpidemieG 1950 §32 Abs3 idF 2022/I/089
EpidemieG 1950 §7
GelVerkG 1996 §10
GewO 1994 §46 Abs1
VwGG §28 Abs1 Z4
VwGG §28 Abs1 Z5
VwGG §28 Abs2
VwGG §28 Abs3
VwGG §41
VwGG §42 Abs2 Z3 litb
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023090023.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die revisionswerbende Partei, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, betreibt ein Taxiunternehmen mit Sitz in einem Ort im Paznauntal, im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Bezirkshauptmannschaft Landeck (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde).
2 Mit dem ‑ mit Schreiben vom 27. April 2020 ergänzten ‑ Antrag vom 2. April 2020 begehrte die revisionswerbende Partei Vergütung für den ihr im Zeitraum 13. März 2020 bis 13. April 2020 durch die von ihr als Dienstgeberin namentlich genannten Dienstnehmern geleistete Entgeltfortzahlung sowie aus ihrer selbstständigen Erwerbstätigkeit als Taxiunternehmen eingetretenen Verdienstentgang nach § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG).
3 Über diesen Antrag entschied die belangte Behörde mit Bescheid vom 12. Oktober 2022 wie folgt (ohne die im Original enthaltene Hervorhebung):
„Der von [der revisionswerbenden Partei] eingebrachte Antrag auf Vergütung des Verdienstentganges, betreffend den einleitend bezeichneten Dienstleistungsbetrieb für den Zeitraum 13.03.2020 bis 13.04.2020 und der geleisteten Entgeltfortzahlungen samt Dienstgeberbeiträge für den Zeitraum 13.03.2020 bis 13.04.2020 wird gemäß §§ 15, 20, 24 und 32 Abs. 1 Z 4, 5 und 7 sowie Abs. 3 EpiG iVm den Verordnungen der Bezirkshauptmannschaft Landeck, Bote für Tirol, Stück 10a (Nr. 118/2020), Stück 10b (Nr. 119/2020 und 128/2020), Stück 10c (Nr. 137/2020), Stück 11b (Nr. 164/2020), Stück 12a (Nr. 181/2020), Stück 12b (Nr. 189/2020), Landeck, Bote für Tirol, Stück 13b (Nr. 196/2020), Stück 13c (Nr. 214/2020) sowie §§ 1 und 2 COVID‑19‑Maßnahmengesetz (COVID‑19‑MG), BGBl. I Nr. 12/2020 idF BGBl. I Nr. 23/2020 iVm sämtlichen auf dieser Rechtsgrundlage erlassenen Verordnungen, abgewiesen.“
4 Die belangte Behörde ging dabei davon aus, dass bereits dem Grunde nach weder für den Dienstleistungsbetrieb selbst noch für die Entgeltfortzahlungen ein Ersatzanspruch bestehe, weshalb Ermittlungen und Feststellungen zur Höhe unterbleiben könnten.
5 Gegen diesen Bescheid erhob die revisionswerbende Partei Beschwerde, in der sie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde mit der Maßgabe ab, dass der Spruch zu lauten habe: „Der Antrag der [revisionswerbenden Partei], vertreten durch [...], auf Vergütung desVerdienstentganges für den Zeitraum 13.03.2020 bis zum 13.04.2020 wird gemäß §§ 15, 20, 24 und 32 Abs 1 Z 4, 5 und 7 sowie Abs 2 EpiG BGBl I Nr 186/1950 (WV) in der im Anspruchszeitraum geltenden Fassung BGBl I Nr 103/2020, iVm den Verordnungen der BH Landeck, Bote für Tirol, Stück 10a (Nr 118/2020), Stück 10b (Nr 119/2020 und 128/2020), Stück 10c (Nr 137/2020), Stück 11b (Nr 164/2020), Stück 12a (Nr 181/2020), Stück 12b (Nr 189/2020), Stück 13b (Nr 196/2020), Stück 13c (Nr 214/2020) sowie §§ 1, 2 und § 4 Abs 2 COVID‑19‑MG, BGBl I Nr 12/2020 idF BGBl I Nr 23/2020 iVm sämtlichen auf dieser Rechtsgrundlage erlassenen Verordnungen, abgewiesen.“
Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte es für nicht zulässig.
7 Das Verwaltungsgericht stellte dazu aufgrund der Aktenlage als unstrittigen Sachverhalt fest, dass die revisionswerbende Partei ein Taxiunternehmen mit Sitz in einem Ort im Paznauntal betreibe, dessen Bewohner im Zeitraum vom 16. März bis 13. April 2020 Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 EpiG unterworfen gewesen seien.
8 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe maßgeblicher Vorschriften fallbezogen im Wesentlichen aus, dass es sich bei einer Entschädigung nach § 32 EpiG um einen zeitraumbezogenen Anspruch handle, sodass diese Bestimmung in der Fassung des betroffenen Zeitraums (hier: 13. März bis 13. April 2020) anzuwenden sei.
9 Vor dem Inkrafttreten der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck Nr. 128/2020 mit 16. März 2020 seien keine verkehrsbeschränkenden Maßnahmen in Kraft gewesen, sodass für die Zeit vor diesem Datum schon deshalb kein Entschädigungsanspruch bestehe.
10 Für die Zeit ab 16. März 2020 stehe ein Entschädigungsanspruch nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG mangels Schließung oder Beschränkung des Taxibetriebs gemäß § 20 EpiG nicht zu. Die einzige auf § 20 EpiG gestützten Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck Nr. 119/2020 habe nur Gastgewerbebetriebe zu touristischen Zwecken betroffen.
11 Im Hinblick auf einen Vergütungsanspruch nach § 32 Abs. 1 Z 7 EpiG sei ‑ so führte das Verwaltungsgericht weiter aus ‑ die verkehrsbeschränkende Maßnahmen gemäß § 24 EpiG in der Form des Verbots der Zu- und Abfahrt für die Gemeinden im Paznauntal und die Gemeinde St. Anton am Arlberg verfügende Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck Nr. 128/2020 in Kraft gewesen. Diese Verordnung sei am 28. März 2020 durch die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck Nr. 186/2020 abgelöst worden, deren rechtliche Grundlage ‑ unter Berücksichtigung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Juni 2021, E 4044/2022, ‑ ebenfalls § 24 EpiG sei. Da der Sitz der revisionswerbenden Partei im Paznauntal liege, und damit im Epidemiegebiet über das Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 EpiG verhängt worden seien, sei diese Voraussetzung zunächst erfüllt.
12 Ein Ersatzanspruch nach § 32 Abs. 1 Z 7 EpiG setze jedoch auch voraus, dass der Verdienstentgang unmittelbar durch die behördlich verordnete Verkehrsbeschränkung entstanden sei. Eine mittelbare Beeinträchtigung des Unternehmens begründe nicht die notwendige Kausalität einer Entschädigung (Hinweis auf VwGH 9.8.2022, Ra 2022/09/0049).
13 Nun sei aber mit der auf Grundlage des COVID‑19‑Maßnahmengesetz erlassenen und am 16. März 2020 in Kraft getretenen Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz vom 15. März 2020, BGBl. II Nr. 96/2020, und verlängert durch die Verordnung BGBl. II Nr. 110/2020, das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsbetrieben bis 13. April 2020 untersagt worden.
14 Das gegenständliche Taxiunternehmen nach dem Gelegenheitsverkehrsgesetz sei als Dienstleistungsunternehmen einzustufen, weshalb die revisionswerbende Partei mit dem Inkrafttreten der Verordnung BGBl. II Nr. 96/2020 ihren Betrieb nicht mehr habe öffnen dürfen. Infolge dieser Betriebsschließung nach dem COVID‑19‑Maßnahmengesetz wäre deren Verdienstentgang auch ohne die verkehrsbeschränkenden Verordnungen der Bezirkshauptmannschaft Landeck für das Paznauntal entstanden. Die verkehrsbeschränkenden Maßnahmen seien somit nicht kausal für den Verdienstentgang, sodass auch ein Entschädigungsanspruch gemäß § 32 Abs. 1 Z 7 EpiG nicht gegeben sei.
15 Ob § 32 Abs. 1 Z 7 EpiG dem Beschwerdevorbringen entsprechend und entgegen der Annahme der belangten Behörde nicht nur auf natürliche, sondern auch auf juristische Personen anzuwenden sei, ließ das Verwaltungsgericht bei diesem Ergebnis ausdrücklich offen.
16 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.
17 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhalts und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende außerordentliche Revision. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren entsprechend § 36 Abs. 2 VwGG eine Revisionsbeantwortung.
18 Die Zulässigkeit der Revision wird zusammengefasst u.a. im Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen für einen Vergütungsanspruch nach § 32 Abs. 1 Z 7 EpiG gesehen, habe der Verwaltungsgerichtshof die Unmittelbarkeit zwischen dem Verdienstentgang und der beschränkenden Maßnahme, die das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Verkehrsbeschränkung gemäß § 24 EpiG fordere, doch bislang nur im Zusammenhang mit einer Betriebsbeschränkung oder -schließung nach § 20 EpiG und dem Entschädigungstatbestand des § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG judiziert. Zudem stelle (auch die Rechtsprechung zu) § 4 Abs. 2 COVID‑19‑MG nur auf Betriebsschließungen oder ‑beschränkungen im Sinn des § 20 EpiG ab. Eine solche liege hier auch deshalb nicht vor, weil die Taxis des Betriebs der revisionswerbenden Partei vom Betretungsverbot der Verordnung BGBl. II Nr. 96/2020 nicht umfasst gewesen seien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
19 Die Revision ist entgegen dem ‑ den Verwaltungsgerichtshof nicht bindenden (§ 34 Abs. 1a VwGG) ‑ Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG aus den im Zulässigkeitsvorbringen aufgezeigten Gründen zulässig. Sie ist im Ergebnis auch begründet.
20 Hat eine außerordentliche Revision die Zulässigkeitsschwelle überschritten, weil sie eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzeigt, prüft der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung des Verwaltungsgerichts inhaltlich (im Rahmen des erklärten Umfangs der Anfechtung: § 28 Abs. 1 Z 4 iVm Abs. 2 VwGG) auf Grund des gesamten Vorbringens in den Revisionsgründen nach § 28 Abs. 1 Z 5 VwGG (siehe VwGH 6.9.2016, Ra 2016/09/0055, mwN).
21 Zur Begründung ihrer Revision führt die revisionswerbende Partei das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht trotz dahingehenden Antrags in der Beschwerde sowie fehlende Feststellungen als Verfahrensmängel ins Treffen. Bereits aus diesen Gründen war das angefochtene Erkenntnis aufzuheben.
22 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer Verhandlung absehen kann, soweit durch Bundes‑ oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher durchzuführen, wenn es um „civil rights“ oder „strafrechtliche Anklagen“ im Sinn des Art. 6 EMRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird. Bei einem rechtswidrigen Unterlassen einer nach Art. 6 EMRK oder Art. 47 GRC erforderlichen mündlichen Verhandlung ist keine Relevanzprüfung hinsichtlich des Verfahrensmangels vorzunehmen.
23 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieht den Entfall der nach Art. 6 Abs. 1 MRK grundsätzlich gebotenen öffentlichen Verhandlung dann als zulässig an, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, die eine Ausnahme davon rechtfertigen. Der Gerichtshof hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände etwa dann angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder hoch technische Fragen betrifft; er verwies in diesem Zusammenhang aber auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (vgl. zum Ganzen ausführlich VwGH 26.4.2023, Ra 2022/09/0050, mwN).
24 Wie der Verwaltungsgerichtshof ferner bereits ausgeführt hat, fällt ein Anspruch auf Vergütung von Verdienstentgang nach § 32 EpiG unter den Begriff der „civil rights“ im Verständnis des Art. 6 Abs. 1 EMRK (siehe VwGH 16.12.2021, Ra 2021/09/0214).
25 Das Verwaltungsgericht, das den Entfall der Verhandlung zunächst ausreichend zu begründen gehabt hätte (siehe VwGH 11.3.2021, Ra 2020/09/0017), durfte im hier zu beurteilenden Verfahren mangels Vorliegen der Voraussetzungen nicht von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung absehen.
26 In diesem Zusammenhang ist bereits an dieser Stelle noch auf das Folgende hinzuweisen:
27 § 24 Epidemiegesetz 1950 (EpiG), BGBl. Nr. 186/1950, lautete in der zum Zeitpunkt der Erlassung der nachgenannten Verordnungen geltenden Fassung BGBl. I Nr. 114/2006:
„§ 24. Sofern dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist, hat die Bezirksverwaltungsbehörde für die Bewohner von Epidemiegebieten Verkehrbeschränkungen zu verfügen. Ebenso können Beschränkungen für den Verkehr mit den Bewohnern solcher Gebiete von außen angeordnet werden.“
28 Im hier gegenständlichen Anspruchszeitraum 13. März bis 13. April 2020 waren betreffend (auch) das Gemeindegebiet, in dem sich der Sitz der revisionswerbenden Partei befindet, folgende Verkehrsbeschränkungen der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde verfügt:
29 Die im Bote für Tirol vom 14. März 2020, Nr. 128, kundgemachte Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck betreffend „Verkehrsbeschränkende Maßnahmen nach dem Epidemiegesetz 1950 für die Gemeinden im Paznauntal und Gemeinde St. Anton a. A.“ lautete:
„Um eine geordnete Rückkehr der Gäste in die Heimatländer sicherstellen zu können, den Verbleib einer relevant großen Menschenmenge in den Hotspot ‑ Gebieten zu unterbinden und gleichzeitig aber eine mögliche zusätzliche Verbreitung der SARS‑CoV‑2 durch Heimreisen bzw. in den Gemeinden einzudämmen, werden für das Paznauntal, darunter zählen die Gemeinden Galtür, Ischgl, Kappl und See sowie für die Gemeinde St. Anton am Arlberg nachstehende Anordnungen getroffen.
Die Bezirkshauptmannschaft Landeck verordnet als zuständige Behörde gemäß § 24 Epidemiegesetz in der geltenden Fassung folgende Maßnahmen zum Schutz vor der Weiterverbreitung des Corona‑Virus (SARS‑CoV‑2):
§ 1 a) Die Zu- und Abfahrt ins Paznauntal und nach St. Anton am Arlberg wird mit Ausnahme der unter lit. b angeführten Bestimmung verboten. Dieses Verbot gilt insbesondere für das Personal der Tourismusbetriebe und für Gäste aus Österreich.
Davon ausgenommen werden (Einsatz‑) Fahrten der Blaulichtorganisationen, allgemeine Versorgungsfahrten (z.B. Lebensmitteltransporte) und Dienstleistungen im Bereich der Daseinsvorsorge (z.B. Straßendienst, Müllabfuhr, Dienstleistungsbetriebe, öffentlicher Verwaltungsdienst, öffentlicher Kraftfahrlinienverkehr), Fahrten zur Erfüllung der täglichen Bedürfnisse und Fahrten zur Aufrechterhaltung der Gesundheitsfürsorge, sowie Alten- und Krankenpflege und individuelle unaufschiebbare Fahrten (z.B. Dialysepatient etc.).
b) Sonderregelung für Urlaubsgäste aus dem Ausland: Das gesamte Paznauntal und die Gemeinde St. Anton a. A werden insofern verkehrsbeschränkt, als für ausländische Gäste die Abfahrt aus den betroffenen Gebieten (Paznauntal und die Gemeinde St. Anton am Arlberg) nur mehr kontrolliert und nur mehr unter bestimmten Voraussetzungen möglich sein wird.
Im Rahmen der Regelung für das Abreisemanagement ist für jeden abreisenden Gast aus dem Paznauntal oder der Gemeinde St. Anton a. A. in das Ausland das beiliegenden Formular mit den wesentlichen Kontaktdaten auszufüllen und an den Kontrollpunkten der Exekutive vorzuweisen.
§ 2 Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben die Beschränkungen zu überwachen und gegebenenfalls sicherheitspolizeilich einzuschreiten.
§ 3 Diese Verordnung tritt am Tag der Kundmachung an der Amtstafel der Gemeinden sowie der Bezirksverwaltungsbehörde in Kraft und mit Ablauf des 28. März 2020 außer Kraft.
§ 4 Wer gemäß § 1 dieser Verordnung zuwiderhandelt, begeht gemäß § 40 Epidemiegesetz 1950 eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu € 1.450,–, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen, zu bestrafen.“
30 Diese Verordnung wurde abgelöst durch die „Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 27. März 2020 nach § 2 Z 3 des COVID‑19‑Maßnahmengesetzes“, an diesem Tag an der Amtstafel der betroffenen Gemeinden sowie der Bezirkshauptmannschaft Landeck und am 28. März 2020 im Bote für Tirol Nr. 186 kundgemacht:
„Auf Grund von § 2 Z 3 des Covid‑19‑Maßnahmengesetzes, BGBl I Nr. 12/2020, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. I Nr. 16/2020, wird verordnet:
§ 1 (1) Die Zufahrt in das und die Abfahrt aus dem Paznauntal sowie nach und aus St. Anton am Arlberg werden verboten.
(2) Abs. 1 gilt nicht für:
a)(Einsatz‑) Fahrten der Blaulichtorganisationen,
b)Allgemeine Versorgungsfahrten durch Zulieferer (z.B. Lebensmitteltransporte) und Fahrten zur Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Daseinsvorsorge (z.B. Straßendienst, Müllabfuhr, Dienstleistungsbetriebe, öffentlicher Verwaltungsdienst, öffentlicher Kraftfahrlinien‑ und Schienenverkehr) und im Bereich der versorgungskritischen öffentlichen Infrastruktur (z.B. Strom‑ und Wasserversorgung) sowie Fahrten, die zur Abwendung von Schäden unbedingt notwendig und unaufschiebbar sind,
c)Fahrten zur Aufrechterhaltung der Gesundheitsfürsorge und Alten- und Krankenpflege, insbesondere individuell unaufschiebbare Fahrten (z.B. Dialyseversorgung, Bestattung nächster Angehöriger),
d)vorab im Einzelfall von der Behörde genehmigte, organisierte, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes eskortierte, im Rahmen der kontrollierten Abreise (Abs. 4) erfolgende Gruppen-Repatriierungen und ebensolche Einzelfahrten von ausländischem Personal der Tourismusbetriebe und ausländischen Urlaubsgästen, sofern der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten dem jeweils zugestimmt haben und der jeweilige Heimatstaat oder jener Staat, in dem der Ausreisende seinen Wohnsitz hat, die Rücknahme dieser Personen jeweils zugesagt hat,
e)vorab im Einzelfall von der Behörde genehmigte, organisierte und von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes eskortierte, im Rahmen der kontrollierten Abreise (Abs. 4) erfolgende Gruppenheimfahrten und vorab im Einzelfall von der Behörde genehmigte, im Rahmen der kontrollierten Abreise (Abs. 4) erfolgende Einzelfahrten von Personen, die in Österreich gemeldet sind, nicht jedoch solchen mit Hauptwohnsitz im Paznauntal oder in St. Anton am Arlberg, der bereits vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung bestanden hat, sofern der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und der Bundesminister für Inneres dem jeweils zugestimmt haben und die Bezirkshauptmannschaft Landeck als zuständige Gesundheitsbehörde erster Instanz das Einvernehmen mit der zuständigen Gesundheitsbehörde am Hauptwohnsitz des Ausreisenden hergestellt hat.
(3) Die Abfahrt aus dem Paznauntal und aus St. Anton am Arlberg gemäß Abs. 2 lit. d) und e) ist nur dann zulässig, wenn sichergestellt ist, dass ab dem Zeitpunkt der kontrollierten Abreise (Abs. 4) das Landesgebiet unverzüglich, spätestens jedoch am selben Tag ohne Zwischenstopp auf der kürzest möglichen Route verlassen wird. Dies gilt insbesondere für Personen, die in weiterer Folge auf dem Luftweg weiterreisen.
(4) Für die in Abs. 2 lit. d) und e) angeführten Fahrten werden das gesamte Paznauntal und die Gemeinde St. Anton am Arlberg insofern verkehrsbeschränkt, dass für alle abreisenden Personen die Abfahrt nur mehr kontrolliert unter Einhaltung der jeweiligen Regelungen für das Abreisemanagement zulässig ist. Dazu zählt für jede im Rahmen einer Fahrt gemäß Abs. 2 lit. d) und e) abreisende Person insbesondere die Verpflichtung, ein Formular nach dem Muster der Anlage mit den wesentlichen Kontaktdaten auszufüllen. Das ausgefüllte Formular ist an den Kontrollpunkten den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes vorzuweisen und verbleibt während der Fahrt beim Ausreisenden. Sofern der Ausreisende einen Wohnsitz im Bundesgebiet hat, ist eine Kopie des Formulars der zuständigen Gesundheitsbehörde am Hauptwohnsitz des Ausreisenden unverzüglich zu übermitteln. Sofern der Ausreisende seinen Wohnsitz im Ausland hat, ist eine Kopie des Formulars der diplomatischen Vertretungsbehörde des jeweiligen Heimatstaates unverzüglich zu übermitteln. Für die in Abs. 2 lit. d) und e) angeführten Fahrten gilt, dass gegenüber anderen Personen ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten ist. Dieser Mindestabstand darf nur unterschritten werden, wenn durch entsprechende Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko minimiert werden kann oder wenn es sich um Personen handelt, die im gemeinsamen Haushalt leben.
(5) Abs. 2 lit. d) und e) gilt nicht für:
a)Personen, die mit Bescheid gemäß § 7 Epidemiegesetz 1950 abgesondert wurden, für die Dauer der Absonderung. Nach Aufhebung der Maßnahme ist diesen Personen die Ausreise nur nach Maßgabe der Bestimmungen der Abs. 2 lit. d) und e) 3 und 4 gestattet.
b)Personen, die, ohne durch Bescheid abgesondert zu sein, Krankheitssymptome von COVID‑19 aufweisen. Diese Personen haben darüber unverzüglich die Bezirkshauptmannschaft Landeck als zuständige Gesundheitsbehörde zu verständigen.
§ 2 Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben die Beschränkungen und die kontrollierte Abreise im Sinne des § 2 Abs. 3 zu überwachen und gegebenenfalls sicherheitspolizeilich einzuschreiten.
§ 3 Wer dieser Verordnung zuwiderhandelt, begeht gemäß § 3 Abs. 3 COVID‑19-Maßnahmengesetz eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von bis zu 3.600,‑ Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen, zu bestrafen.
§ 4 Diese Verordnung tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 13. April 2020 außer Kraft.“
31 § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG), BGBl. Nr. 186/1950, lautete in der bei Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses geltenden Fassung BGBl. I Nr. 89/2022, Z 7 in der insoweit maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 90/2021:
„Vergütung für den Verdienstentgang.
§ 32. (1) Natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit
1.sie gemäß §§ 7 oder 17 abgesondert worden sind, oder
2.ihnen die Abgabe von Lebensmitteln gemäß § 11 untersagt worden ist, oder
3.ihnen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gemäß § 17 untersagt worden ist, oder
4.sie in einem gemäß § 20 im Betrieb beschränkten oder geschlossenen Unternehmen beschäftigt sind, oder
5.sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, oder
6.sie in Wohnungen oder Gebäuden wohnen, deren Räumung gemäß § 22 angeordnet worden ist, oder
7.sie in einem Epidemiegebiet, über das Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 verhängt worden sind, aufhältig sind oder Beschränkungen hinsichtlich des Betretens unterworfen sind,
und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.
(1a) Abweichend von Abs. 1 Z 1 und Z 3 ist für die Dauer der Pandemie mit COVID‑19 eine Vergütung nach Abs. 1 auch dann zu leisten, wenn bei einer natürlichen Person der Nachweis einer befugten Stelle über ein positives Ergebnis eines molekularbiologischen Tests auf SARS‑CoV‑2 vorliegt. Die Vergütung ist für jeden Tag zu leisten, für den eine Maßnahme gemäß § 7 oder § 17 angeordnet worden wäre. Ebenso ist eine Vergütung zu leisten, wenn einer Person aufgrund einer Verordnung nach § 7b Abs. 1 Verkehrsbeschränkungen auferlegt wurden und ihr deshalb durch die Behinderung ihres Erwerbes ein Vermögensnachteil entstanden ist.
(2) Die Vergütung ist für jeden Tag zu leisten, der von der in Abs. 1 genannten behördlichen Verfügung umfaßt ist.
(3) Die Vergütung für Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, ist nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes, BGBl. Nr. 399/1974, zu bemessen. Die Arbeitgeber haben ihnen den gebührenden Vergütungsbetrag an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen. Der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund geht mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über. Der für die Zeit der Erwerbsbehinderung vom Arbeitgeber zu entrichtende Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung und der Zuschlag gemäß § 21 des Bauarbeiterurlaubsgesetzes 1972, BGBl. Nr. 414, ist vom Bund zu ersetzen.
(3a) Der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund gemäß Abs. 3 besteht ungeachtet privatrechtlicher oder öffentlich‑rechtlicher Verpflichtungen zur Fortzahlung des Entgelts beziehungsweise der Bezüge.
(4) Für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen ist die Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen.
(5) Auf den gebührenden Vergütungsbetrag sind Beträge anzurechnen, die dem Vergütungsberechtigten wegen einer solchen Erwerbsbehinderung nach sonstigen Vorschriften oder Vereinbarungen sowie aus einer anderweitigen während der Zeit der Erwerbsbehinderung aufgenommenen Erwerbstätigkeit zukommen. Dies gilt nicht im Falle der Fortzahlung des Entgelts bzw. der Bezüge gemäß Abs. 3a.
(6) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister kann, wenn und soweit dies zur Gewährleistung einer einheitlichen Verwaltungsführung erforderlich ist, durch Verordnung nähere Vorgaben zur Berechnung der Höhe der Entschädigung oder Vergütung des Verdienstentgangs erlassen.
(7) Auf Grund dieser Bestimmung erlassene Bescheide, denen unrichtige Angaben eines Antragstellers über anspruchsbegründende Tatsachen zugrunde liegen, leiden an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler im Sinne des § 68 Abs. 4 Z 4 AVG.“
32 Entgegen der vom Verwaltungsgericht und der revisionswerbenden Partei vertretenen Ansicht ist ‑ wie in der Revisionsbeantwortung insoweit zutreffend ausgeführt wird ‑ § 32 EpiG in der Fassung zum Entscheidungszeitpunkt anzuwenden.
33 Es entspricht ‑ ausgehend vom Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 4. Mai 1977, 898/75, VwSlg. 9315 A ‑ der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das Verwaltungsgericht (früher die Rechtsmittelbehörde) im Allgemeinen das zum Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses bzw. Beschlusses geltende Recht anzuwenden hat. Eine andere Betrachtungsweise ist dann geboten, wenn der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, dass auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist, oder wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens gewesen ist. Für die Beurteilung der Frage, welche Rechtslage heranzuziehen ist, ist auf die Auslegung der im jeweiligen Fall anzuwendenden Verwaltungsvorschriften abzustellen (vgl. zum Ganzen VwGH 9.12.2021, Ra 2020/08/0155, mwN).
34 Nach § 50 Abs. 21 EpiG trat § 32 Abs. 1 Z 7 EpiG in der im gegenständlichen Fall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 90/2021, mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft, also mit dem 28. Mai 2021. § 32 Abs. 1 EpiG regelt keine zeitraumbezogenen Ansprüche an sich, sondern normiert, aufgrund welcher Tatbestände ein Vergütungsanspruch besteht. Diese Bestimmung ist daher in der im Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden. Diese (vom angefochtenen Erkenntnis abweichende) Beurteilung dieser Frage hat aber keine unmittelbare Auswirkung auf den hier in Rede stehenden Anspruch.
35 Nach § 32 Abs. 1 EpiG ist natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechts wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbs entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit eine der im Einzelnen in den Z 1 bis 7 leg. cit. aufgezählten Maßnahmen vorliegt und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist. Mit anderen Worten: Ein Ersatzanspruch nach § 32 EpiG scheidet nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus, wenn keine der in § 32 Abs. 1 Z 1 bis Z 7 EpiG aufgezählten Maßnahmen vorliegt, die zu einem Verdienstentgang geführt hat (vgl. VwGH 28.2.2022, Ra 2021/09/0229, mwN).
36 Zu der Anspruchsgrundlage des § 32 Abs. 1 Z 7 EpiG ist noch das Folgende hervorzuheben:
37 Die Materialien zur Epidemiegesetznovelle 1974, BGBl. Nr. 702/1974, (ErläutRV 1205 BlgNR 13. GP 3), mit der in § 32 Abs. 1 EpiG eine Auflistung jener Maßnahmen aufgenommen wurde, für die ein Vergütungsanspruch zusteht (darunter § 32 Abs. 1 Z 7 leg. cit.: „sie in einer Ortschaft wohnen oder berufstätig sind, über welche Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 verhängt worden sind“), halten in diesem Zusammenhang fest:
„Das geltende Recht sieht eine Vergütung für den Verdienstentgang nur für ‚mittellose Personen, insbesondere Kleingewerbetreibende, Kleingrundbesitzer, Kleinhändler sowie Personen, die vom Tag‑ oder Wochenlohn leben, und ausnahmslos jene, die einer Einkommensteuer nicht unterliegen,‘ vor. Für diese Einschränkung besteht heute keine sachliche Rechtfertigung mehr. Im Interesse des Gleichheitsgebotes soll durch die Neufassung des § 32 eine Entschädigung für a 11 e natürlichen und juristischen Personen sowie für die Personengesellschaften des Handelsrechtes vorgesehen werden, die durch eine Erwerbsbehinderung infolge der im Gesetz aufgezählten behördlichen Maßnahmen einen Verdienstentgang erlitten haben.
Während nach den derzeitigen Bestimmungen ein Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges nur für Absonderungsmaßnahmen auf Grund der §§ 7 und 17 des Epidemiegesetzes oder wegen einer Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen nach § 20 sowie wegen der Räumung von Wohnungen zulässig ist, soll nunmehr auch bei Untersagung der Abgabe von Lebensmitteln gemäß § 11 und Verhängung von Verkehrsbeschränkungen für die Bewohner bestimmter Ortschaften ein Anspruch auf Vergütung begründet werden, wenn und soweit dadurch ein Verdienstentgang entstanden ist.“
38 Zur Novellierung des § 32 Abs. 1 Z 7 EpiG durch BGBl. I Nr. 90/2021 ist den Materialien (AB 757 BlgNR 27. GP 2 f) zu entnehmen:
„Zu § 32 Abs. 1 Z 7 und § 36 Abs. 1 lit. f:
Es erfolgen Anpassungen an die neue Diktion des § 24. Ein Verdienstentgang gebührt Personen, die in einem Epidemiegebiet über das Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 verhängt worden sind, aufhältig sind oder Beschränkungen hinsichtlich des Betretens unterworfen worden sind. Nicht erfasst sind Personen, denen nach Verlassen des Epidemiegebietes auf Grundlage einer Verkehr[s]beschränkung ein Verdienstentgang entstanden ist.“
39 Ein Anspruch auf Vergütung von Verdienstentgang nach § 32 Abs. 1 Z 7 EpiG knüpft somit ‑ nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers ‑ daran an, dass Personen durch die Verhängung von Verkehrsbeschränkungen nach § 24 EpiG, weil sie in dem davon betroffenen Epidemiegebiet aufhältig sind oder am Betreten dieses Gebiets beschränkt werden, einen Verdienstentgang erleiden. § 32 Abs. 1 Z 7 EpiG begründet damit für jene einen Anspruch auf Vergütung von Verdienstentgang, die durch eine nach § 24 EpiG erlassenen Maßnahme beschränkt werden und dadurch einen Verdienstentgang erleiden.
40 Nach § 24 EpiG, in der zum Zeitpunkt der Erlassung der gegenständlichen Verordnungen der belangten Behörde geltenden Fassung, hatte die Bezirksverwaltungsbehörde ‑ sofern dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist ‑ Verkehrsbeschränkungen „für die Bewohner von Epidemiegebieten“ zu verfügen. Ebenso konnten Beschränkungen für den Verkehr „mit den Bewohnern solcher Gebiete“ von außen angeordnet werden.
41 Von auf dieser Grundlage verordneten Verkehrsbeschränkungen können daher bereits nach dem insoweit klaren Wortlaut nur natürliche Personen, nämlich die Bewohner von Epidemiegebieten, oder Personen, die am Betreten eines Epidemiegebiets gehindert werden, erfasst sein.
42 Die hier in Rede stehenden ‑ vom Verwaltungsgericht zu Recht als (materiell) auf § 24 EpiG gestützt qualifizierten (vgl. dazu VwGH 12.12.2022, Ra 2022/09/0104; 28.2.2022, Ra 2021/09/0229) ‑ Verordnungen der Bezirksverwaltungsbehörde betrafen die revisionswerbende Partei als juristische Person als auf Grundlage von § 24 EpiG erlassene verkehrsbeschränkende Maßnahmen daher schon von vornherein nicht. Ein eigener Anspruch der revisionswerbenden Partei auf Vergütung ihres Verdienstentgangs nach § 32 Abs. 1 Z 7 EpiG scheidet daher aus (vgl. VwGH 20.5.2021, Ra 2021/03/0052, zur Einschränkung der Möglichkeit eines Vergütungsanspruchs nach § 32 Abs. 1 Z 1 EpiG auf natürliche Personen, weil nur diese gemäß §§ 7 oder 17 abgesondert werden können; vgl. auch VwGH 27.6.2022, Ra 2021/03/0301, zum Unterschied zwischen Ansprüchen nach Z 4 und solchen nach Z 5 des § 32 Abs. 1 EpiG).
43 Das Verwaltungsgericht hat bei seiner Entscheidung in diesem Zusammenhang jedoch vor allem § 32 Abs. 3 EpiG außer Acht gelassen. Die revisionswerbende Partei machte nämlich nicht nur einen eigenen Verdienstentgang geltend, sondern auch Ansprüche, die auf sie nach § 32 Abs. 3 EpiG übergegangen wären. So waren nach dem verfahrenseinleitenden Antrag einerseits drei Mitarbeiter individuell nach § 7 EpiG abgesondert, was zu einem Anspruch nach § 32 Abs. 1 Z 1 EpiG führen kann, und zum anderen können weiteren namentlich angeführten Mitarbeitern nach § 32 Abs. 1 Z 7 EpiG zustehende, betragsmäßig konkretisierte Ansprüche auf die revisionswerbende Partei übergegangen sein. Dies setzt voraus, dass diese Dienstnehmer infolge einer auf § 24 EpiG erlassenen Verkehrsbeschränkung nicht zu ihrer Arbeitsstelle kommen konnten (siehe etwa VwGH 28.10.2021, Ro 2021/09/0006, u.a.). Zu diesen Ansprüchen fehlen im angefochtenen Erkenntnis jedoch jegliche Ausführungen und insbesondere Tatsachenfeststellungen.
44 Soweit das Landesverwaltungsgericht mit der mit Wirksamkeit ab 16. März 2020 erlassenen und mit 30. April 2020 außer Kraft getretenen Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19, BGBl. II Nr. 96/2020, (in der Folge kurz: COVID‑19‑MV‑96) und dem in § 4 Abs. 2 COVID-19-MG, BGBl. I Nr. 12/2020 in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 104/2020, für diesen Fall angeordneten Ausschluss der Anwendung der Bestimmungen des Epidemiegesetzes betreffend die Schließung von Betriebsstätten argumentiert, übersieht es, dass nach § 1 COVID‑19‑MV‑96 ‑ soweit für den Revisionsfall von Bedeutung ‑ (bloß) das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten von Dienstleistungsunternehmen zum Zweck der Inanspruchnahme von Dienstleistungen untersagt war.
45 Zwar enthält weder diese Verordnung noch das deren Grundlage bildende COVID‑19‑Maßnahmengesetz eine Legaldefinition der Betriebsstätte in dieser Bestimmung. Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings bereits zu § 46 Abs. 1 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) ausgesprochen, dass unter Betriebsstätte der Standort der Gewerbeberechtigung zu verstehen ist, sohin der in der Gewerbeberechtigung angeführte Ort, an dem das Gewerbe (zulässigerweise) „ausgeübt“ wird (vgl. VwGH 7.5.2020, Ra 2018/04/0146, mit Hinweis auf VwGH 22.2.1994, 92/04/0214, zur Gewerbeordnung 1973).
46 In Ansehung von Gewerben, die im wesentlichen Tätigkeiten zum Gegenstand haben, die außerhalb von Betriebsstätten verrichtet werden, ist unter „Standort“ jene Betriebsstätte als ständige Einrichtung zu verstehen, wo sich zumindest in der Regel der Verkehr des Unternehmens mit seinen Kunden abspielt, wo und über welche Betriebsstätte das Unternehmen also für die Kunden erreichbar ist und wo auch regelmäßig die Mehrzahl der internen Geschäftsvorgänge abgewickelt wird (vgl. VwGH 24.10.1990, 89/03/0317, zu einer Übertretung der Gewerbeordnung 1973 bei Mietwagen‑ und Taxigewerbebetrieben; in diesem Sinn auch RIS‑Justiz RS0061354). Ebenso unterscheidet § 10 Gelegenheitsverkehrs‑Gesetz 1996 zwischen ortsfesten (weiteren) Betriebsstätten bzw. dem dauernden Standort einerseits und den zur gewerbsmäßigen Beförderung von Personen verwendeten Kraftfahrzeugen andererseits.
47 Die vom Verwaltungsgericht angenommene Schließung des Betriebs der revisionswerbenden Partei lässt sich an Hand der bislang getroffenen Feststellungen aus § 1 COVID‑19‑MV‑96 daher nicht ableiten. Der Anregung der revisionswerbenden Partei, diese Bestimmung beim Verfassungsgerichtshof anzufechten, war deshalb hier nicht näherzutreten.
48 Das angefochtene Erkenntnis war somit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
49 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
50 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und 6 VwGG abgesehen werden; eine solche wird das Verwaltungsgericht im fortzusetzenden Verfahren durchzuführen haben.
Wien, am 19. Juni 2023
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)