European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022100072.L00
Spruch:
Die Revision wird, soweit damit die Zurückweisung der Säumnisbeschwerde betreffend die Verlängerung einer befristeten Rodungsbewilligung angefochten wird, zurückgewiesen.
Im Übrigen (hinsichtlich der Zurückweisung der Säumnisbeschwerde betreffend die Wiederauffüllung der Tagbausohle) bleibt die Entscheidung dem zuständigen Senat 04 des Verwaltungsgerichtshofes vorbehalten.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 7. März 2022 wurde die von der revisionswerbenden Partei mit Schriftsatz vom 6. August 2021 erhobene Säumnisbeschwerde „betreffend die mit Eingabe vom 31.05.2006 beantragte Verlängerung der befristeten Rodungsbewilligung“ (sowie „betreffend die mit Eingabe vom 31.05.2006 beantragte Wiederauffüllung der Tagbausohle“) als unzulässig zurückgewiesen. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG unzulässig sei.
2 Das Verwaltungsgericht begründete diese Entscheidung ‑ was die Zurückweisung der Säumnisbeschwerde betreffend die Verlängerung einer befristeten Rodungsbewilligung anbelangt ‑ im Kern damit, dass (u.a.) der Antrag der revisionswerbenden Partei vom 31. Mai 2006 auf Verlängerung einer befristeten Rodungsbewilligung mit Schreiben der Rechtsvertretung der revisionswerbenden Partei an die belangte Behörde vom 8. Juni 2020 zurückgezogen worden sei. Dabei ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass aufgrund des Betreffs dieses anwaltlichen Schreibens, in dem die „Vollmachtsbekanntgabe und Zurückziehung aller verfahrenseinleitenden Anträge“ angeführt werde, sowie des Texts dieses Schreibens, in dem die revisionswerbende Partei ausführe, „nach den in den vergangenen Wochen und Monaten erfolgten Abstimmungen alle derzeit bei BH Feldkirch anhängigen verfahrenseinleitenden Anträge zurückzuziehen“, auch der gegenständliche Antrag der revisionswerbenden Partei vom 31. Mai 2006 auf Verlängerung einer befristeten Rodungsbewilligung zurückgezogen worden sei, dies ungeachtet des Umstandes, dass in der im Schreiben erfolgten nachfolgenden Auflistung dieser Antrag nicht genannt worden sei.
3 Weiters vertrat das Verwaltungsgericht in einer Alternativbegründung die Ansicht, dass selbst wenn davon ausgegangen würde, dass sich das erwähnte Schreiben vom 8. Juni 2020 nicht auf den Antrag vom 31. Mai 2006 erstreckt habe, keine Säumnis vorliege, weil durch einen nachfolgenden Rodungsantrag vom 31. Jänner 2019 der in Rede stehende Antrag vom 31. Mai 2006 konkludent zurückgezogen worden sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (vgl. VwGH 20.3.2023, Ra 2023/10/0018; 3.3.2023, Ra 2022/10/0094; 28.10.2022, Ra 2022/10/0135).
8 In den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision wendet sich die revisionswerbende Partei zunächst mit näheren Darlegungen gegen die Auslegung des Schreibens vom 8. Juni 2020 durch das Verwaltungsgericht und macht geltend, diese Beurteilung sei ‑ auch infolge einer unschlüssigen Beweiswürdigung ‑ in einer krass fehlerhaften, unvertretbaren und die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Weise erfolgt. Die revisionswerbende Partei habe mit der im Schreiben vom 8. Juni 2020 enthaltenen Wendung („Der guten Ordnung halber dürfen wir diese [Anträge] im Anschluss kurz auflisten:“) zum Ausdruck gebracht, „welche Anträge von der Zurückziehung taxativ umfasst sein sollten“. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass „im Schreiben auch von der Zurückziehung ‚aller verfahrenseinleitenden Anträge‘ die Rede“ sei.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kann die in vertretbarer Weise vorgenommene fallbezogene Auslegung von Parteierklärungen nicht erfolgreich mit Revision bekämpft werden. Einer vertretbaren Auslegung kommt keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall ist nur dann erfolgreich mit Revision bekämpfbar, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung im Sinn einer unvertretbaren Rechtsansicht unterlaufen ist (vgl. VwGH 20.6.2023, Ra 2022/03/0190; 22.8.2022, Ra 2022/06/0092; 3.12.2021, Ra 2021/07/0071). Parteierklärungen sind dabei nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Entscheidend ist, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der Aktenlage objektiv verstanden werden muss (vgl. VwGH 7.6.2023, Ra 2022/11/0103; 29.7.2022, Ra 2021/10/0031; 14.1.2022, Ra 2020/10/0082).
10 Entgegen der Ansicht der revisionswerbenden Partei ist es allerdings nicht als unvertretbar anzusehen, einem durch einen Rechtsanwalt eingebrachten Schreiben, in dem im Betreff auf die Zurückziehung aller verfahrenseinleitenden Anträge Bezug genommen und im Text ausdrücklich die Zurückziehung aller bei der Behörde anhängigen verfahrenseinleitenden Anträge erklärt wird, ungeachtet einer nachfolgenden - wie ausgeführt wird - „der guten Ordnung halber“ erfolgten Auflistung der Anträge den objektiven Erklärungswert beizumessen, dass damit alle bei der Behörde anhängigen verfahrenseinleitenden Anträge ‑ somit auch solche, die in der nachfolgenden Auflistung nicht aufscheinen ‑ zurückgezogen wurden. Die gegenteilige Ansicht der revisionswerbenden Partei lässt unberücksichtigt, dass im Schreiben eben nicht (bloß) die Zurückziehung der im Einzelnen aufgezählten, sondern aller bei der Behörde anhängigen verfahrenseinleitenden Anträge erklärt wurde; von einer „explizit taxativen Aufzählung“ derjenigen Anträge, die zurückgezogen werden sollten, kann im Revisionsfall daher keine Rede sein. Soweit die revisionswerbende Partei in diesem Zusammenhang ins Treffen zu führen sucht, das Schreiben vom 8. Juni 2020 könne deshalb nicht dahin verstanden werden, dass sich dieses auch auf den Antrag vom 31. Mai 2006 beziehe, weil die revisionswerbende Partei zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst habe, dass „dieser Antrag noch unerledigt“ gewesen sei, so ist auf die oben genannte hg. Rechtsprechung zu verweisen, wonach es auf den objektiven Erklärungswert der Erklärung, nicht aber auf die dieser Erklärung zugrunde gelegten Beweggründe ankommt. Eine im Revisionsfall erfolgte krasse Fehlbeurteilung des Verwaltungsgerichtes in Ansehung der in Rede stehenden Parteierklärung wird von der revisionswerbenden Partei daher nicht aufgezeigt.
11 In den Zulässigkeitsausführungen wendet sich die revisionswerbende Partei im Weiteren mit näheren Ausführungen gegen die Alternativbegründung des Verwaltungsgerichtes, wonach selbst dann, wenn davon ausgegangen würde, dass sich das Schreiben vom 8. Juni 2020 nicht auf den Antrag vom 31. Mai 2006 erstreckt habe, keine Säumnis vorliege, weil durch einen nachfolgenden Rodungsantrag vom 31. Jänner 2019 der in Rede stehende Antrag vom 31. Mai 2006 konkludent zurückgezogen worden sei.
12 Zu diesem Vorbringen genügt es auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach eine Revision unzulässig ist, wenn das angefochtene Erkenntnis ‑ wie hier ‑ auf einer tragfähigen Begründung beruht und dieser Begründung keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zugrunde liegt. Wenn einer tragfähigen Begründung keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zugrunde liegt, kann die Revision zurückgewiesen werden, selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die anderen Begründungsalternativen unzutreffend waren (vgl. VwGH 3.3.2023, Ra 2021/10/0178; 28.10.2022, Ra 2022/10/0135; 20.6.2022, Ra 2022/10/0038).
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in dem im Spruch dargestellten Umfang zurückzuweisen.
Wien, am 4. Oktober 2023
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