VwGH Ra 2021/12/0032

VwGHRa 2021/12/00323.4.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie Hofrätin Mag.a Nussbaumer‑Hinterauer und Hofrat Mag. Cede als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Prendinger, in der Revisionssache der Mag. C D in S, vertreten durch Dr. Martin Wandl & Dr. Wolfgang Krempl, Rechtsanwaltspartnerschaft in 3100 St. Pölten, Kremser Gasse 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 5. März 2021, LVwG‑AV‑231/001‑2021, betreffend Auflösung des Dienstverhältnisses wegen Austritts aus dem Landesdienst (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §1
AVG §7 Abs1 Z3
B-VG Art133 Abs4
DPL NÖ 1972 §185
DPL NÖ 1972 §2
DPL NÖ 1972 §23
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §6
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021120032.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin stand als öffentlich‑rechtlich Bedienstete in einem Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich. Mit Bescheid vom 29. Dezember 2020 stellte die Niederösterreichische Landesregierung fest, dass aufgrund der schriftlichen Austrittserklärung der Revisionswerberin, in welcher diese als Austrittsdatum für die Beendigung ihres Dienstverhältnisses den 1. Februar 2021 selbst gewählt habe, das Dienstverhältnis zu diesem Tag und der Anspruch auf Bezüge mit 31. Jänner 2021 ende.

2 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde ab. Es stellte fest, dass die Revisionswerberin am 9. Juli 2020 im Zuge eines Gesprächs mit ihrem Abteilungsleiter‑Stellvertreter mündlich ihre „Kündigung“ ausgesprochen habe. Unmittelbar danach habe sie ihre Austrittserklärung schriftlich in dreifacher Ausfertigung an den Abteilungsleiter‑Stellvertreter ausgehändigt. Daraufhin habe dieser ein Foto der Austrittserklärung via WhatsApp an den Abteilungsleiter weitergeleitet, welches dieser unverzüglich per E‑Mail an die allgemeine Poststelle der Personalabteilung sowie „diverse Verantwortliche in CC“ gesendet habe. In der Zwischenzeit habe die Revisionswerberin mit ihrem rechtskundigen Lebensgefährten telefoniert, welcher ihr dazu geraten habe, die schriftliche Kündigung zu widerrufen, was sie danach mündlich gegenüber dem Abteilungsleiter‑Stellvertreter erklärt habe. Dieser habe sie darauf hingewiesen, dass ihre Austrittserklärung bereits bei der Personalabteilung eingelangt sei. Die Revisionswerberin habe „in Kenntnis dieses abgeschlossenen Übermittlungsvorganges“ am 9. Juli 2020 und in den Folgetagen „keinen weiteren Widerrufsversuch“ unternommen. Am Montag der Folgewoche habe sie mündlich gegenüber dem Abteilungsleiter‑Stellvertreter ihr Festhalten an der Kündigungserklärung erklärt. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Revisionswerberin „an irgendeinem Zeitpunkt an diesen Tagen, unter einer rechtlich relevanten Einschränkung ihrer Entscheidungsfähigkeit“ gelitten habe.

3 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht nach auszugsweiser Wiedergabe der §§ 2, 22 und 185 der Dienstpragmatik der Landesbeamten, 1972 (DPL 1972) aus, dass es sich beim Austritt aus dem Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich um eine einseitige empfangsbedürfte Willenserklärung handle, die zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform bedürfe. Die Formvorschriften seien von der Revisionswerberin eingehalten worden. Durch Zugang der Austrittserklärung in der Personalabteilung sei diese rechtswirksam geworden und die Revisionswerberin „ex lege“ aus dem Landesdienst ausgetreten. Ein Widerruf der zugegangenen Austrittserklärung sei nach den Bestimmungen der DPL 1972 zu prüfen, die eine Widerrufsmöglichkeit einer Austrittserklärung nicht explizit vorsehe. Der Rechtsansicht, wonach aufgrund des Verweises des § 2 DPL 1972 („Soweit durch dieses Gesetz nichts anderes bestimmt wird, sind auf die Beamten die für das Dienstrecht einschließlich des Besoldungs- und des Disziplinarrechtes für die öffentlich‑rechtlichen Bediensteten des Bundes maßgebenden Bundesgesetze sinngemäß anzuwenden“) für die Revisionswerberin unter sinngemäßer Anwendung des § 21 Abs. 3 BDG 1979 die Möglichkeit bestanden habe, ihre Austrittserklärung noch nach deren Zugang bei der Dienstbehörde zu widerrufen, trat das Verwaltungsgericht nicht bei. Es begründete dies zusammengefasst damit, dass § 23 DPL 1972 im Hinblick auf das Fehlen einer Regelung über den Widerruf der Austrittserklärung keine Lücke aufweise, und verwies diesbezüglich auch auf die „bis Ende 1994“ in Geltung gestandene Fassung des § 21 BDG 1979, bezüglich derer die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „keine solche Lücke“ erkannt habe. Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 In der Zulässigkeitsbegründung beruft sich die Revisionswerberin zunächst auf den „Anschein der Befangenheit“ des Vorsitzenden des erkennenden Senats des Verwaltungsgerichts und begründet dies damit, dass dieser (nach Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses) eine Sachverhaltsdarstellung an die Rechtsanwaltskammer Niederösterreich übermittelt habe und dieser ein Konvolut an Unterlagen mit Angaben zur Person der Revisionswerberin und ihrem gesundheitlichen Zustand angeschlossen habe, wodurch er „sowohl gegen seine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit als auch gegen das Datenschutzgesetz“ verstoßen habe. Die der weitergeleiteten Sachverhaltsdarstellung beigeschlossenen Kopien aus dem Akteninhalt hätten mit der (den Gegenstand der Sachverhaltsdarstellung bildenden) Frage, ob ein Mitarbeiter der mit der Vertretung der Revisionswerberin betrauten Rechtsanwaltskanzlei zur Unterfertigung eines näher bezeichneten im Verfahren vor der belangten Behörde namens der Revisionswerberin eingebrachten Schreibens berechtigt gewesen sei oder nicht, bzw. ob er dadurch den Anschein erweckt habe, eingetragener Rechtsanwalt zu sein, nichts zu tun.

9 Der Einwand der Befangenheit der entscheidenden Richter begründet nur dann die Zulässigkeit der Revision, wenn vor dem Hintergrund des konkret vorgelegenen Sachverhaltes die Teilnahme eines oder mehrerer Mitglieder des Verwaltungsgerichts an der Verhandlung und Entscheidung tragende Rechtsgrundsätze des Verfahrensrechtes verletzt hätte bzw. in unvertretbarer Weise erfolgt wäre (vgl. VwGH 18.3.2019, Ra 2019/01/0068, mwN). Die Erstattung ‑ wenn auch allenfalls unbegründeter ‑ Straf- oder Disziplinaranzeigen gegen einen Parteienvertreter begründet als solche kein Indiz für Befangenheit (vgl. in diesem Sinn auch OGH 18.1.2007, 6 Ob 290/06z, mwN), ebensowenig wie dies Rechtsverletzungen allein begründen (vgl. zB VwSlg. 8783 A/1975; VwGH 9.9.1998, 98/04/0101). Der Hinweis der Zulässigkeitsbegründung auf die Übermittlung einer Sachverhaltsdarstellung (unter ‑ behaupteter ‑ Verletzung von Geheimhaltungspflichten) zeigt für sich genommen im Revisionsfall daher keine Rechtsfrage im Sinne von Art. 133 Abs. 4 B‑VG auf.

10 Soweit die Zulässigkeitsbegründung ‑ unter Hinweis auf das für Austrittserklärungen gemäß § 23 NÖ DPL 1972 geltende Schriftformerfordernis ‑ eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung darin erblickt, dass nicht erhoben worden sei, wann das Schreiben der Revisionswerberin vom 9. Juli 2020 tatsächlich dem Dienstgeber zugegangen sei, weil im angefochtenen Erkenntnis lediglich festgestellt worden sei, dass das Schreiben dem stellvertretenden Abteilungsleiter ihrer Abteilung übergeben worden sei, welcher es ‑ nicht im Original, sondern per WhatsApp oder Mail ‑ an die Personalabteilung weitergeleitet habe, wird übersehen, dass die Revisionswerberin ihre Austrittserklärung durch Übergabe an den Abteilungsleiter‑Stellvertreter ihrer Abteilung des Amtes der Landesregierung (welcher dem Dienstgeber zuzurechnen ist) dem Dienstgeber übermittelt hat, womit die Erklärung dem Dienstgeber zugegangen ist. Davon ist zu unterscheiden, ob bzw. in welchem Zeitpunkt diese Austrittserklärung der Dienstbehörde zugegangen ist (vgl. VwGH 30.6.2010, 2008/12/0139).

11 Doch selbst unter Zugrundelegung in der Revision vertretenen Prämisse, dass es auf den Zeitpunkt des Zugangs zur Dienstbehörde ankäme, zeigt diese keine Abweichung von der hg. Rechtsprechung auf: Dazu ist nämlich auf das hg. Erkenntnis vom 19. November 2002, 2001/12/0065, zu verweisen. Darin hat der Verwaltungsgerichtshof (zur ‑ insofern auf die Frage der Wirksamkeit einer Austrittserklärung nach § 23 NÖ DPL 1972 übertragbaren ‑ Rechtsfrage der Wirksamkeit einer Austrittserklärung nach § 21 BDG 1979) festgehalten, dass „die Austrittserklärung eine einseitige empfangs-, aber nicht annahmebedürftige Willenserklärung des Beamten“ ist, „die an die Schriftform gebunden ist“. In Ermangelung näherer Regeln in § 21 BDG 1979 ist ‑ so das zitierte Erkenntnis ‑ zur Beurteilung der Frage, ob die Schriftform eingehalten wurde, auf die Bestimmungen des ABGB zurückzugreifen. Dessen § 886 regelt die Einhaltung der Schriftform bei Verträgen. In Ermangelung einer ausdrücklichen diesbezüglichen Regelung für vergleichbare einseitige Rechtsgeschäfte ist § 886 ABGB vorliegendenfalls für die an die Schriftform zu stellenden Anforderungen sinngemäß anzuwenden. Unter Übertragung der Aussagen im Urteil des Obersten Gerichtshofes (OGH) vom 18. Februar 1976, SZ 49/23 (zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen des an das Formerfordernis eines Notariatsaktes gebundenen Übertragung vom GmbH‑Anteilen gemäß § 76 GmbHG), führte der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis vom 19. November 2002, 2001/12/0065, weiters aus, dass aus der Schriftformgebundenheit der Erklärung nicht zwingend folgt, dass diese an den Empfänger erst als in dem Zeitpunkt zugekommen gilt, in dem diesem die formgerecht errichtete Urkunde zugeht. Vielmehr hat sich der OGH im zitierten Urteil der Auffassung angeschlossen, „dass die Verbindlichkeit ... auch dann [besteht], wenn nur die Formvorschrift eingehalten und hievon Mitteilung gemacht wurde, ohne dass auch die Urkunde schon ausgefolgt sein müsste“. Die Aussagen des Obersten Gerichtshofes im genannten Urteil sind (so das zitierte Erkenntnis) auch auf die Frage des Zeitpunktes des Zuganges einer an das Erfordernis der Schriftform gebundenen Austrittserklärung iSd. § 21 BDG 1979 anzuwenden.

12 Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht somit nicht abgewichen, wenn es auf dem Boden des von ihm festgestellten Sachverhalts (ohne dass weitere Ermittlungsschritte der in der Zulässigkeitsbegründung erwähnten Art geboten gewesen wären) davon ausgegangen ist, dass die Austrittserklärung der Revisionswerberin der Dienstbehörde (der Personalabteilung des Amtes der NÖ Landesregierung) in dem Zeitpunkt zugegangen ist, in dem die Personalabteilung die Mitteilung über die von der Revisionswerberin eigenhändig unterschriebene Austrittserklärung erhalten hat. Ausgehend davon konnte das Verwaltungsgericht auch von der Annahme ausgehen, dass der in der Revision ins Treffen geführte Widerruf erst nach bereits eingetretener Wirksamkeit der Austrittserklärung erfolgte. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zeigt das diesbezügliche Vorbringen der Zulässigkeitsbegründung somit nicht auf.

13 Bezugnehmend auf den Inhalt der Austrittserklärung rügt das Zulässigkeitsvorbringen zudem, dass „die Erörterung der Frage unterlassen“ worden sei, ob das Schreiben der Revisionswerberin vom 9. Juli 2020 „überhaupt eine an den Dienstgeber“ (das Land Niederösterreich) gerichtete „Austrittserklärung“ nach § 23 DPL 1972 sei. Eine Regelung dahingehend, dass der Austritt gegenüber dem unmittelbaren Vorgesetzen rechtswirksam erklärt werden könne, sei weder der DPL 1972 noch dem Landesbediensteten‑Gesetz zu entnehmen.

14 Auch in diesem Zusammenhang ist auf die zu § 21 BDG 1979 ergangene (insofern auf die Frage der Wirksamkeit eine Austrittserklärung nach § 23 NÖ DPL 1972 übertragbare) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Danach ist die Dienstbehörde das empfangsberechtigte Organ des Dienstgebers für die Entgegennahme der Austrittserklärung (VwGH 16.12.1998, 98/12/0197). Der Verwaltungsgerichtshof sah es im zitierten Beschwerdefall, in dem die zur Entgegennahme der Austrittserklärung zuständige Dienstbehörde eine Bundespolizeidirektion war, als unschädlich an, dass die Austrittserklärung die Adressierung „An das Zentralinspektorat im Hause“ aufwies, weil es „unter Berücksichtigung des Inhaltes der Erklärung ... keinem vernünftigen Zweifel unterliegen“ konnte, „dass die Erklärung an die zuständige Dienstbehörde erster Instanz gerichtet war“ (VwGH 16.12.1998, 98/12/0197; siehe zum gleichen Ergebnis nach dem insoweit vergleichbaren § 27 Abs. 1 des Oö Gemeindebedienstetengesetzes 2001 das Erkenntnis VwGH 15.11.2007, 2006/12/0205, betreffend eine „an den Bürgermeister“ adressierte Austrittserklärung, die dem Gemeindevorstand als zuständiger Dienstbehörde zugegangen war, zumal es „in Anbetracht des Inhaltes dieser Erklärung keinem vernünftigen Zweifel unterliegen konnte, dass die Erklärung gegenüber der Dienstbehörde erster Instanz und nicht etwa nur gegenüber deren Geschäftsapparat abgegeben werden sollte“; in gleichem Sinn vgl. auch VwGH 30.6.2010, 2008/12/0139, wonach „[d]er Umstand, dass die Austrittserklärung des Beamten an das Finanzamt A adressiert war und auch dort eingebracht wurde, [...] der Austrittserklärung nicht die Bedeutung verleihen [konnte], dass sie, den Zugang beim Dienstgeber und die Übermittlung an die zuständige Dienstbehörde vorausgesetzt, nur gegenüber dem Finanzamt A abgegeben werden sollte, weil der Beamte hiemit seinen ‚Austritt aus der Finanzverwaltung‘ erklärte, sohin aus seinem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund, welches nicht gegenüber dem Finanzamt A bestand, sondern gegenüber dem Bund.“).

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zum Ausdruck gebracht, dass einer in vertretbarer Weise vorgenommenen, einzelfallbezogenen Auslegung einer Parteienerklärung keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall ist nur dann als revisibel anzusehen, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. etwa VwGH 7.3.2022, Ra 2020/12/0048, mwN). Dem Akteninhalt und dem Revisionsvorbringen zufolge erklärte die Revisionswerberin in ihrem Schreiben vom 9. Juli 2020, sie „kündige“ ihr „Arbeitsverhältnis zum Land Niederösterreich“ und adressierte dieses namentlich an den Leiter und stellvertretenden Leiter ihrer Abteilung im Amt der Landesregierung. Inwiefern das Verwaltungsgericht bei seiner Beurteilung der Austrittserklärung im Lichte der vorstehend (Rz. 13) dargestellten Leitlinien der Rechtsprechung zu § 21 BDG 1979 (und inhaltsgleichen Regelungen des öffentlichen Dienstrechts der Länder betreffend die Erklärung des Austritts aus dem Dienst) dem in der Revision angesprochenen Umstand Bedeutung hätte zumessen müssen, dass die Erklärung der Revisionswerberin nicht explizit an die Dienstbehörde, sondern an die Dienststellenleiter adressiert war, oder inwiefern das Gericht sonst eine krasse Fehlbeurteilung des Erklärungsinhalts vorgenommen hätte, legt die Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht dar (vgl. im Übrigen § 4 Abs. 6 DPL 1972, wonach der Leitereiner Abteilung des Amtes der Landesregierung als „Dienststellenleiter“ fungiert sowie § 37 Abs. 1 leg.cit., wonach der Beamte „die sein Dienstverhältnis berührenden Angelegenheiten, auf deren Erfüllung kein Rechtsanspruch besteht, bei seinem Dienststellenleiter einzubringen“ hat und wonach Letzterer verpflichtet ist, „alle Anbringen unverzüglich an die zuständige Stelle weiterzuleiten“). Die Revision zeigt in diesem Punkt daher keine Rechtsfrage im Sinne von Art. 133 Abs. 4 B‑VG auf.

16 Als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung führt die Zulässigkeitsbegründung weiters ins Treffen, dass Rechtsprechung zur Frage fehle, ob „§ 2 in Verbindung mit § 185 DPL 1972 und § 21 Abs. 2 und 3 Beamten‑Dienstrechtsgesetz 1979 ... eine ausreichende Rechtsgrundlage für den Widerruf eines Austritts aus dem Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich“ darstelle. Entgegen der Ansicht des Landesverwaltungsgerichts stelle die in § 2 DPL 1972 angeordnete sinngemäße Anwendung der für das Dienstrecht der öffentlich‑rechtlichen Bediensteten des Bundes geltenden Bundesgesetze für den Fall, dass die DPL 1972 nichts anderes bestimme, keine „dynamische“ Verweisung dar.

17 Darauf, ob die in § 2 DPL 1972 vorgesehene sinngemäße Anwendbarkeit von Bundesrecht eine (verfassungsrechtlich bedenkliche) „dynamische“ Verweisung auf Bundesrecht oder aber in Verbindung mit der klarstellenden Regelung des § 185 leg.cit. als (hinreichend bestimmte und) „statische“ Verweisung angesehen werden kann, kommt es im Revisionsfall jedoch nicht an (‑ nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass § 185 NÖ DPL 1972 nicht nur konkret festlegt, welche bundesgesetzlichen Vorschriften Verweisungsobjekt sind, sondern auch jeweils die Angabe der verwiesenen Fassung enthält, sodass es sich bei den §§ 2, 185 leg.cit. um eine „statische“ Verweisung handelt; vgl. im Übrigen zu einer solchen ‑ vom Verfassungsgerichtshof als „statisch“ interpretierten und als unbedenklich qualifizierten ‑ Verweisung auf Bundesgesetze in einer landesgesetzlichen Regelung VfGH 28.9.2021, V 148/2021).

18 Nach seinem insofern eindeutigen Wortlaut verweist § 2 DPL 1972 nämlich auf bundesrechtliche Normen nur, „[s]oweit durch dieses Gesetz nichts anderes bestimmt wird“. Mit der Formulierung „soweit ... nichts anderes bestimmt ist“ bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass der Rückgriff auf verwiesene Rechtsvorschriften nur dann in Betracht kommt, wenn das verweisende Gesetz den Regelungsgegenstand nicht einer abschließenden Regelung unterworfen hat (vgl. zu einer insofern vergleichbaren Regelung zB VwGH 15.5.2002, 2000/12/0102). Dafür, dass es sich bei der den Austritt aus dem Landesdienst regelnden Vorschrift des § 23 DPL 1972 um eine abschließende (und keine Unvollständigkeit aufweisende) Regelung handelt, wurden im angefochtenen Erkenntnis nähere Gründe angeführt, denen die Zulässigkeitsbegründung der Revision nichts entgegensetzt. Eine ‑ ebenfalls den Austritt aus dem Landesdienst regelnde ‑ landesgesetzliche Bestimmung, die ‑ wie hier ‑ keine Vorschriften über den Widerruf der Austrittserklärung enthielt, hat der Verwaltungsgerichtshof in dieser Hinsicht ebenfalls als „abschließende Regelung“ qualifiziert und aus diesem Grund den Rückgriff auf die in diesem Landesgesetz enthaltene Verweisung auf andere, subsidiär anwendbare und eine Widerrufsmöglichkeit vorsehende Gesetze verneint (VwGH 15.5.2002, 2000/12/0102, zur „Dienstentsagung“ gemäß § 40 OÖ Gemeindebedienstetengesetz sowie zu der in § 2 Abs. 1 dieses Gesetzes enthaltenen Verweisung auf andere landesgesetzliche Bestimmungen, die ihrerseits einen Widerruf vorsahen). Da sich die DPL 1972 in dieser Hinsicht von der im zitierten Erkenntnis zu beurteilenden Rechtslage nicht unterscheidet, lässt sich die darin zum Ausdruck gebrachte Auffassung auf den vorliegenden Revisionsfall übertragen. Im Übrigen ist § 23 DPL 1972 mit § 21 BDG 1979 in der vor der Novelle BGBl. Nr. 43/1995 geltenden Fassung, in der das BDG 1979 einen Widerruf der Austrittserklärung noch nicht vorgesehen hatte, inhaltsgleich. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Rechtslage die Auffassung vertreten, dass danach ein Widerruf der Austrittserklärung nicht zulässig ist (VwGH 8.6.1994, 93/12/0289; 16.11.1994, 94/12/0288). Dass das Verwaltungsgericht von den zitierten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre oder diese für die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage nicht einschlägig wären, zeigt die Zulässigkeitsbegründung nicht auf.

19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

20 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 3. April 2023

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