Die wirtschaftliche Betrachtungsweise wurde erstmals in § 4 RAO 1919110 gesetzlich positiviert. Diese Bestimmung sah vor, dass bei „der Auslegung der Steuergesetze […] ihr Zweck, ihre wirtschaftliche Bedeutung und die Entwicklung der Verhältnisse zu berücksichtigen“ sind. Nach der Auffassung von Becker111 schuf diese Bestimmung keineswegs völlig neues Recht; insbesondere sollte sie nicht gemäß den Gedanken der Freirechtsschule112 den Richter über das Gesetz stellen. Vielmehr sollte sie zur vollen Entwicklung der im Steuerrecht enthaltenen Rechtsgedanken, unter Berücksichtigung der Zwecke des Gesetzes, anregen.113 Unter Hinweis auf die Ausführungen Beckers, wonach die Positivierung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise in § 4 RAO 1919 als Reaktion gegen die „übertriebene Verherrlichung der Begriffsjurisprudenz“ und als ein „Sieg Jherings gegen seine wissenschaftlichen Gegner“ zu sehen sei, werden die Wurzeln dieser Bestimmung heute vorwiegend in der Interessenjurisprudenz114 gesehen.115