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1.10.  Die Wirkung von Barwertmodellen zur Entscheidungsfindung

Haeseler/Hörmann/Kros2. AuflAugust 2007

Hier soll nun zunächst ein Gedankenexperiment zur verhaltenssteuernden Wirkung des Barwerts als Entscheidungsmodell demonstriert werden11Dieses Gedankenexperiment entstammt der Lehrveranstaltung „Vertiefungskurs Unternehmensbewertung“ an der Wirtschaftsuniversität Wien.
. Dazu stelle man sich zunächst vor, ein exzentrischer superreicher Investor böte die Zahlung eines Einmalbetrags in beliebiger Höhe an, mit dem Ziel, den gesamten Rest des Lebens davon zehren zu können ohne noch jemals einer bezahlten Tätigkeit nachgehen zu müssen. Die Bedingung dazu wäre jedoch, man müßte diesen Betrag nun nennen (die Skala wäre nach oben offen, jeder beliebige Betrag wäre wählbar). Wie würde man in dieser Situation wohl verfahren? Wahrscheinlich wäre zunächst die Orientierung am aktuellen Lebensstandard. Diesen wollte man höchstwahrscheinlich halten (u. U. auch steigern, jedenfalls z. B. gegen die Inflation absichern), d. h. diese Schätzung ergäbe zunächst einen Sockelbetrag. Danach kämen allfällige Reparaturen an Haus und Heim, die Anschaffung neuer Personenkraftwägen und ähnlicher periodischer Investitionen. Um diesen Betrag (bzw. den Barwert, wenn man intertemporale Veranlagungen/Finanzierungen in die Überlegung mit einbezieht) müsste der Sockelbetrag daher erhöht werden. Auch für die Gesundheitsvorsorge (evtl. Behandlungs- oder Pflegekosten oder aber die Prämien für eine entsprechende Versicherung) sollte man hier noch vorsorgen. Auch dieser (Bar)Wert erhöht daher den Ausgangsbetrag. Denkt man danach noch an die eigenen Kinder (die Finanzierung eines Studiums sowie der Wohnungskosten am Studienort) so erhöht sich der Betrag nochmals. Berücksichtigt man danach auch noch evtl. Kosten für die Pflege der eigenen Eltern, so kann auch dafür noch ein (Bar)Wert errechnet werden, der ebenfalls noch zum ursprünglichen Betrag zugeschlagen wird. Letztlich ergibt sich daraus ein ziemlich hoher Gesamtbetrag, welcher keinesfalls einer persönlichen „Gier“ entspringt, sondern lediglich auf den Umstand zurückzuführen ist, dass die Barwertmethode ihre Anwender dazu zwingt, Beträge zu nennen, welche in diesem Zeitpunkt (Entscheidungszeitpunkt t0) prinzipiell noch nicht bekannt sein können. In dieser Situation wird natürlich, um die „Sicherheit“ zu erhöhen bzw. die „Unsicherheit“ zu vermindern, im Zweifelsfall stets ein höherer Betrag in die Berechnung Eingang finden, d. h. die „Gier“ ist immanenter Bestandteil der Berechnungsmethode und nicht Charaktermerkmal der Methodenanwender.

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