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B. Die Auslegung des Garantievertrages (Koziol - unter Mitarbeit von Michael Potyka)

Koziol2. AuflDezember 2008

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Die Anwendung der Auslegungsregel des § 914 ABGB bietet bei den Bankgarantien letztlich keine spezifischen Probleme, obwohl die Rechtsprechung auf den ersten Blick den gegenteiligen Anschein erweckt. Sie betont nämlich immer wieder den Grundsatz der „formellen Garantiestrenge“ 263263OGH 1 Ob 529/93 in ÖBA 1993, 985; 1 Ob 557/95 in ÖBA 1996, 717 mit Anm von Koziol; 1 Ob 318/98s in ÖBA 1999, 484 mit Anm von Rummel = ecolex 1999, 318 mit Anm von Wilhelm; 10 Ob 51/03b in ÖBA 2004, 707; 4 Ob 149/06z in ÖBA 2007, 400 (Besprechungsaufsatz von Fössl/Kurat, ecolex 2007, 332). und neigte zu einer starren Überbetonung dieses Prinzips, die mit der Auslegungsregel des § 914 ABGB nicht in Einklang zu bringen war. Die Rechtsprechung anerkennt aber heute, dass dieser Grundsatz kein Selbstzweck sei und Garantieerklärungen nach den allgemeinen Regeln auszulegen seien264264OGH 7 Ob 608/94 in ÖBA 1995, 632; 1 Ob 620/95 in ÖBA 1996, 474 mit Anm von Koziol = SZ 68/230 = ecolex 1996, 447 mit Anm von G. Wilhelm; 7 Ob 2135/96p in ÖBA 1997, 191 mit Anm von Rummel; ÖBA 1999, 484 mit Anm von Rummel; 1 Ob 66/04v in ÖBA 2005, 134; 1 Ob 160/02i in ÖBA 2003, 541; ÖBA 2004, 707; 4 Ob 149/06z in ÖBA 2007, 400. Eine genaue Analyse der Rechtsprechung bietet Rummel, Auslegung von Bankgarantien, ÖBA 2000, 210.. Das bedeutet, dass der im konkreten Fall ermittelte Wille der Parteien – entsprechend den gesetzlichen Auslegungsregeln des § 914 ABGB – der Übung des Verkehrs vorgeht. Ist kein derartiger konkreter Wille zu ermitteln, so kann der Grundsatz der formellen Garantiestrenge als Ausdruck der „Absicht der Parteien“ und der „Übung des Verkehrs“ verstanden und daher mit den Auslegungsregeln des § 914 ABGB in Einklang gebracht werden265265 Rummel, ÖBA 2000, 217.: Er kann mit den allgemein anerkannten Überlegungen erklärt werden, dass einerseits der Garant keinen Einblick in das Grundverhältnis und als Bank auch nicht die Kompetenz zur Prüfung verschiedenster Fragen aus diesem Verhältnis habe266266Vgl dazu Rüßmann/Britz, Die Auswirkungen des Grundsatzes der formellen Garantiestrenge auf die Geltendmachung einer befristeten Garantie auf erstes Anfordern, WM 1995, 1825., anderseits der Garant sowohl die Interessen des Garantieauftraggebers als auch des Begünstigten wahren müsse, da beide seine Vertragspartner seien, und dies nur durch eine genaue Einhaltung der Vereinbarungen erreicht werden kann. Der OGH betont dementsprechend, dass die erkennbaren Interessen der Bank jedenfalls eine strenge, am Wortlaut haftende Auslegung nahelegen, damit sie nicht in den Streit zwischen Begünstigtem und Garantieauftraggeber hineingezogen wird267267OGH in ÖBA 2007, 400.. Es wird deshalb auch betont, dass die Gründe für ein Abweichen vom Wortlaut sehr gut abgesichert sein müssen268268 Rummel, ÖBA 1989, 818; derselbe, ÖBA 2000, 217; OGH in ÖBA 1996, 474 mit Anm von Koziol = ecolex 1996, 447 mit Anm von G. Wilhelm; OGH in ÖBA 1997, 191 mit Anm von Rummel; 9 Ob 319/99y in ÖBA 2000, 703..

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