Die Anwendung der Auslegungsregel des § 914 ABGB bietet bei den Bankgarantien letztlich keine spezifischen Probleme, obwohl die Rechtsprechung auf den ersten Blick den gegenteiligen Anschein erweckt. Sie betont nämlich immer wieder den Grundsatz der „formellen Garantiestrenge“ 263 und neigte zu einer starren Überbetonung dieses Prinzips, die mit der Auslegungsregel des § 914 ABGB nicht in Einklang zu bringen war. Die Rechtsprechung anerkennt aber heute, dass dieser Grundsatz kein Selbstzweck sei und Garantieerklärungen nach den allgemeinen Regeln auszulegen seien264. Das bedeutet, dass der im konkreten Fall ermittelte Wille der Parteien – entsprechend den gesetzlichen Auslegungsregeln des § 914 ABGB – der Übung des Verkehrs vorgeht. Ist kein derartiger konkreter Wille zu ermitteln, so kann der Grundsatz der formellen Garantiestrenge als Ausdruck der „Absicht der Parteien“ und der „Übung des Verkehrs“ verstanden und daher mit den Auslegungsregeln des § 914 ABGB in Einklang gebracht werden265: Er kann mit den allgemein anerkannten Überlegungen erklärt werden, dass einerseits der Garant keinen Einblick in das Grundverhältnis und als Bank auch nicht die Kompetenz zur Prüfung verschiedenster Fragen aus diesem Verhältnis habe266, anderseits der Garant sowohl die Interessen des Garantieauftraggebers als auch des Begünstigten wahren müsse, da beide seine Vertragspartner seien, und dies nur durch eine genaue Einhaltung der Vereinbarungen erreicht werden kann. Der OGH betont dementsprechend, dass die erkennbaren Interessen der Bank jedenfalls eine strenge, am Wortlaut haftende Auslegung nahelegen, damit sie nicht in den Streit zwischen Begünstigtem und Garantieauftraggeber hineingezogen wird267. Es wird deshalb auch betont, dass die Gründe für ein Abweichen vom Wortlaut sehr gut abgesichert sein müssen268.