Normen
AVG §56
FlVfLG Slbg 1973 §106 Abs1
Regulierungspatent 1853 §13
Regulierungspatent 1853 §38
Regulierungspatent 1853 §9
RegulierungspatentDV 1857 §51
RegulierungspatentDV 1857 §81
Teilungs- und RegulierungsG Slbg 1892
Teilungs- und RegulierungsGNov Slbg 1910 §12
Teilungs- und RegulierungsGNov Slbg 1910 §14
VwGG §42 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RO2022070017.J00
Spruch:
Die Revisionen werden als unbegründet abgewiesen.
Das Land Salzburg hat den erst- und zweitmitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen (Revisionsverfahren zu Ro 2022/07/0017).
Die zweitrevisionswerbende Partei hat den erst- und zweitmitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen (Revisionsverfahren zu Ro 2022/07/00020).
Begründung
1 Die mitbeteiligten Parteien begehrten mit Eingabe vom 26. Juli 2021 bei der erstrevisionswerbenden Partei unter lit. a) die agrarbehördliche Feststellung, dass die im Eigentum der zweitrevisionswerbenden Partei stehenden 4/35‑Anteile an der Liegenschaft EZ 53 KG W., bestehend aus den Grst. Nrn. 336, 337/1 und 338 (im Eigentum der Agrargemeinschaft M. Alpe) an die Stammsitzliegenschaft EZ 69 KG W. (M. Gut), welche im Hälfteeigentum der mitbeteiligten Parteien stünden, gebunden seien. Weiters begehrten die mitbeteiligten Parteien in dieser Eingabe unter lit. b) festzustellen, dass die agrarbehördliche Genehmigung vom 7. Juni 1995 auf Übertragung der 4/35‑Anteile an der Liegenschaft EZ 53 KG W. auf dem Erbwege nichtig sei.
2 Diese lit. a) und b) der Eingabe der mitbeteiligten Partei vom 26. Juli 2021 wurden von der erstrevisionswerbenden Partei mit ihrem Bescheid vom 24. November 2021 gemäß § 106 Abs. 1 des Salzburger Flurverfassungs Landesgesetzes 1973 (FLG 1973) als unbegründet abgewiesen.
3 Begründend ging die erstrevisionswerbende Partei in ihrem Bescheid zusammengefasst davon aus, dass durch das Erkenntnis des Erkenntnissenates der Agrarlandesbehörde zu Zahl 226/A.O. aus 1923 keine Anteilsbindung an der Agrargemeinschaft M. Alpe an das M. Gut erfolgt sei, weil eine solche Anteilsbindung insbesondere dem Spruch dieser Entscheidung nicht zu entnehmen sei. Überdies beziehe sich die Entscheidung auf neunzehn Gemeinschaftsliegenschaften, wobei das M. Gut darin keine Erwähnung finde. Die in Rede stehenden Anteile seien sohin als persönliche oder walzende Anteile zu werten, die der zweitrevisionswerbenden Partei als eingeantwortetem Erben nach dessen Mutter zustünden.
4 Gegen diesen Bescheid der erstrevisionswerbenden Partei erhoben die mitbeteiligten Parteien Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Salzburg (Verwaltungsgericht).
5 Nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde in Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses vom 21. Juni 2022 zu lit. a) der Eingabe vom 26. Juli 2021 Folge und stellte gemäß § 106 Abs. 1 FLG 1973 fest, dass die zugunsten der zweitrevisionswerbenden Partei verbücherten 4/35-Anteile an der Liegenschaft EZ 53 KG W., Agrargemeinschaft M. Alpe, bestehend aus den Grst. Nrn. 336, 337/1 und 338, mit der im Eigentum der mitbeteiligten Parteien stehenden Stammsitzliegenschaft EZ 69 KG W., M. Gut, verbunden seien.
6 In Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses vom 21. Juni 2022 wurde die Beschwerde der mitbeteiligten Parteien mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass lit. b) der Eingabe der mitbeteiligten Parteien vom 26. Juli 2021 auf Feststellung, dass die agrarbehördliche Genehmigung vom 7. Juni 1995 auf Übertragung der 4/35-Anteile an der Liegenschaft EZ 53 KG W., auf dem Erbwege nichtig sei, als unzulässig zurückgewiesen werde.
7 In Spruchpunkt III. des angefochtenen Erkenntnisses erklärte das Verwaltungsgericht die ordentliche Revision gemäß § 133 Abs. 4 B‑VG als zulässig.
8 In den Entscheidungsgründen des angefochtenen Erkenntnisses führte das Verwaltungsgericht aus, dass sich vor einem Eingehen auf die Sache selbst die von der erstrevisionswerbenden Partei zutreffend aufgeworfene Frage stelle, inwieweit Feststellungsbescheide im begehrten Umfang zulässig seien. Die Erlassung eines solchen sei betreffend lit. a) der Eingabe der mitbeteiligten Parteien im Einklang mit der erstrevisionswerbenden Partei zu bejahen:
9 Dies ergebe sich nicht nur aus der Bestimmung des § 106 Abs. 1 FLG 1973, welche der erstrevisionswerbenden Partei die Befugnis einräume, auch außerhalb eines eingeleiteten Teilungs- oder Regulierungsverfahrens darüber zu entscheiden, in welchem Umfang Anteilsrechte an agrargemeinschaftlichen Grundstücken bestünden, sondern auch aus der (näher wiedergegebenen) höchstgerichtlichen Rechtsprechung.
10 Voraussetzung für die Klärung der Frage, welche Liegenschaft an einer Agrargemeinschaft anteilsberechtigt sei oder welcher (natürlichen) Person walzende ‑ also nicht an eine Liegenschaft gebundene ‑ Anteile zustünden, sei die Bejahung des Vorliegens einer Agrargemeinschaft selbst. Eine solche liege bei der EZ 53 KG W. ‑ was zwischen den Verfahrensparteien nicht strittig sei ‑ vor:
11 Zum einen werde die M. Alpe seit Jahrzehnten, wie festgestellt, von ihren Mitgliedern gemeinschaftlich genutzt, sodass die Agrargemeinschaftseigenschaft im Sinne des § 36 Abs. 1 lit. b erster Fall FLG 1973 zu bejahen sei.
12 Zum anderen sei die M. Alpe eine Agrargemeinschaft im Sinne des § 36 Abs. 2 lit. c FLG 1973, sei doch das gemeinschaftliche Eigentum daran ‑ in zwei Teilen ‑ gestützt auf Grundabtretungen nach dem kaiserlichen Patent vom 5. Juli 1853, RGBl. Nr. 130/1853, begründet worden, nämlich durch den vom k.k. Finanzministerium am 1. März 1854 und durch den von der k.k. Grundlasten-Ablösungs- und Regulierungs‑Landeskommission Salzburg am 5. November 1865 genehmigten Vergleich. Beide durch die jeweils zuständigen Behörden genehmigten Ablösungsvergleiche seien aufgrund zuvor bestandener Holz- bzw. Weiderechte in ärarischen Waldungen geschlossen worden.
13 Das Verwaltungsgericht verwies in diesem Zusammenhang auf Punkt X. des Vergleiches vom 12. September 1853, wonach die „oben aufgeführten Alpenbesitzer“ für sich und ihre Besitznachfolger auf jeden weiteren „Forstproductenbezug“ aus landesfürstlichen Waldungen verzichten und „die Ausforstung“ dieser Alpe in der Steuergemeinde W. für vollkommen abgelöst und aufgehoben erkennen würden. Weiters verwies das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang auf Punkt I. des Ablösungsvergleiches vom 14. August 1864, wonach „das kk. Aerar und die oben genannten gemeinschaftlichen Besitzer“ der in der Steuergemeinde W. liegenden M. Alpe sich dahin einigen würden, dass das dieser Alpe im aerarischen M. Alpswalde Kat. Parzelle Nr. 336 der erwähnten Steuergemeinde zustehende Weiderecht mittels Abtretung von Grund und Boden abgelöst werde.
14 Ausgehend von diesen behördlich genehmigten Ablösungsvergleichen könne bei der EZ 53 KG W. das Bestehen einer Agrargemeinschaft im Sinne des § 36 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 lit. c FLG 1973 nicht zweifelhaft sein. Aufgrund der Genehmigung der zitierten Grundablösungsvergleiche durch die jeweiligen Agrarbehörden seien Hoheitsakte gesetzt worden, die das Rechtsverhältnis zwischen den Gemeinschaftsmitgliedern zu einem hoheitlichen, also in das öffentlich-rechtliche Regime der Bodenreform fallenden, gemacht hätten.
15 Diese Zustimmung der jeweiligen Agrarbehörden habe zur Folge, dass die Untersuchung aller in Zusammenhang mit der Agrargemeinschaft bzw. dem Mitgliedschaftsverhältnis stehenden Rechtsfragen insoweit einer zivilrechtlichen Beurteilung entzogen sei, als sich dazu Bestimmungen im öffentlichen Recht fänden, wie dies vorliegend bezogen auf die Feststellungsanträge der Fall sei.
16 Ausgehend von der Prämisse, dass es sich bei der EZ 53 KG W. um eine Agrargemeinschaft im Sinne des geltenden FLG 1973 handle, hätte sich das Verwaltungsgericht mit der zwischen den Parteien strittigen Frage, ob die in Rede stehenden, zugunsten der zweitrevisionswerbenden Partei verbücherten 4/35‑Anteile dieser als persönliche (walzende) Anteile zustünden oder diese Anteile an die Stammsitzliegenschaft M. Gut (EZ 69 KG W.) gebunden seien, auseinanderzusetzen. Vorauszuschicken sei, dass das Grundbuch nach gesicherter höchstgerichtlicher Judikatur insoweit nur deklaratorischen Charakter habe; die Tatsache, dass das Eigentum der in Rede stehenden Anteile an der Agrargemeinschaft M. Alpe zugunsten der zweitrevisionswerbenden Partei einverleibt sei, sei sohin öffentlich-rechtlich nicht von Bedeutung.
17 Um zu einer Feststellung, ob die in Rede stehenden 4/35‑Anteile an der Agrargemeinschaft M. Alpe persönliche der zweitrevisionswerbenden Partei oder an das M. Gut gebunden seien, zu gelangen, bedürfe es einer Untersuchung, ob eine Anteilsbindung an diese Liegenschaft erfolgt sei.
18 Blicke man in die Historie der Einforstungsrechte, so zeige sich, dass Weide- und/oder Holzbezugsrechte in aller Regel dem landwirtschaftlichen Bedarf einer Liegenschaft dienten (in diesem Zusammenhang sei auf die Bestimmung des § 5 lit. a des kaiserlichen Patentes vom 5. Juli 1853 zu verweisen, wonach eine Ablösung nur dann stattfinden habe können, wenn dadurch der Hauptwirtschaftsbetrieb des berechtigten Gutes nicht auf unersetzliche Weise gefährdet würde).
19 Bestimmungen des zitierten Inhalts zögen sich seit 1853 durch die bundes- und landesrechtlichen bodenreformatorischen Bestimmungen. Einer Ablösung in Grund und Boden zugrundeliegende Weide- und/oder Holzbezugsrechte ‑ so führte das Verwaltungsgericht in seinen Entscheidungsgründen weiter aus ‑ hätten ihre Grundlage stets in einer (land-)wirtschaftlichen Liegenschaft, für die sie benötigt worden seien, und seien nicht einer Person allein zugeordnet worden. Dies ergebe sich fallbezogen auch aus der Tatsache, dass beide Ablösungsurkunden den Erwerbern die Liegenschaftsnamen anfügten. Hätte in Zusammenhang mit dem Abschluss der behördlich genehmigten und damit ins öffentliche Recht transformierten Vergleiche der Partei‑ und durch deren Genehmigung auch der Behördenwille bestanden, diese Ablösungsgrundstücke nur in das Eigentum der benannten Personen ohne Konnex zu einer Liegenschaft zu übertragen, wäre die Beifügung des Liegenschaftsnamens überflüssig. Die Aufnahme nicht notwendiger Vergleichsinhalte könne insbesondere dem Übergeber, dem k.k. Ärar, dessen Behörden nachfolgend die Zustimmungen erteilten, nicht zugesonnen werden.
20 Es sei daher zunächst davon auszugehen, dass mit beiden Ablösungsurkunden die jeweiligen Grundstücke in das gemeinschaftliche Eigentum der Eigentümer der dort genannten Liegenschaften übertragen werden sollten, um den Haus- und Gutsbedarf dieser Liegenschaften zu sichern, auch wenn darin und in den zugrundeliegenden Rechtsgrundlagen noch von keiner Bindung an diese Liegenschaften die Rede sei.
21 Erstmals spreche eines der Reichsrahmengesetze vom 7. Juni 1883, das Gesetz betreffend die Theilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulirung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte, RGBl. Nr. 94/1883, das gemäß seinem § 15 gemeinsam mit dem Gesetz vom 11. Oktober 1892 betreffend die Theilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benutzungs- und Verwaltungsrechte, LGBl. Nr. 32/1892, in Kraft getreten sei, in seinem § 1 lit. b von einer persönlichen oder mit einem Besitz verbundenen Mitgliedschaft an einer Agrargemeinschaft, lasse aber ebenso wie das Ausführungsgesetz des Landes Salzburg in dessen dem § 1 lit. b inhaltsgleichen Bestimmung die Frage, wie ein Anteil zu einem gebundenen und wie zu einem persönlichen werde, offen. Ebenso wenig bänden diese Normen die Übertragung eines Anteils an eine behördliche Zustimmung.
22 Die Frage, ob agrarische Anteilsrechte als persönliche oder gebundene erworben würden, sei im Lichte dessen sohin (zunächst) anhand der jeweiligen Urkunden, mit denen der Erwerb stattgefunden habe, zu beurteilen. Die von der zweitrevisionswerbenden Partei vertretene Rechtsauffassung, dass es zur Anteilsbindung zu jedem Zeitpunkt eines besonderen Rechtsaktes bedurft hätte, liefe auf dem Boden des historischen Gesamtverständnisses vom Zweck von Nutzungsrechten diesem zuwider.
23 Wie bereits dargetan, seien die beiden Teilflächen der Agrargemeinschaft M. Alpe vom k.k. Ärar jeweils natürlichen Personen unter Beifügung der von diesen damals offensichtlich bewirtschafteten fünf Liegenschaften übertragen worden. Die Erstübertragung sollte auf dem Boden des Zwecks agrarischer Rechte, den jeweiligen Haus- und Gutsbedarf einer landwirtschaftlichen Liegenschaft zu decken, offenkundig zur Sicherung der Bewirtschaftung der fünf genannten Liegenschaften erfolgen, ansonsten die jeweilige Anfügung der Liegenschaftsnamen nicht nur überflüssig wäre, sondern zur Rechtsunklarheit beitrüge.
24 Betreffend die Verträge, die im Ermittlungsverfahren beigeschafft worden seien, sei sohin bis zu einer eindeutigen gesetzlichen Regelung ebenfalls im Auslegungswege zu beurteilen, ob die Anteile an eine Person oder in Zusammenhang mit einer dieser gehörigen Liegenschaft übertragen werden sollten.
25 Wenngleich die Übertragungsurkunden betreffend die in Rede stehenden Anteile für den Zeitraum zwischen der zweiten Grundablösung im Jahr 1865 und der Einantwortung zum Nachlass nach Wolfgang L. im Jahr 1878 fehlten, also nicht festgestellt habe werden können, von welcher urkundlichen Liegenschaft deren Übertragung erfolgt sei, stehe aufgrund der Einantwortungsurkunde 3838/1878 zu TZ 988/1878 fest, dass auch Wolfgang L. Landwirt, nämlich der „K. Bauer“, gewesen sei.
26 Dessen eingeantwortete Erbin Juliana L. habe mit Kaufvertrag vom 27. Mai 1887 16/140‑Anteile an der Agrargemeinschaft M. Alpe an Georg und Margarete G., „Besitzer des B. Gutes“ übertragen. Auch hier gelte das Vorgesagte, dass die Beifügung der jeweiligen Liegenschaftsnamen, nämlich auch in diesem Vertrag der Zusatz „K. Gut“ bei der Veräußerung und der Zusatz „B. Gut“ bei den Erwerbern, nur den Sinn gehabt haben könnte, den Willen der Vertragsparteien, die anteilsrechtlich von der Nutzung im Zusammenhang mit einer landwirtschaftlichen Liegenschaft zur Nutzung mit einer anderen zu übertragen, zu manifestieren.
27 Lege man schließlich den Kaufvertrag vom 21. April 1903, mit dem die Anteile an den damaligen Eigentümer des M. Gutes veräußert worden seien, aus, spreche auch dessen Vertragstext für eine Übertragung von einer Liegenschaft auf eine andere, heiße es doch darin „die B.‑Bauersgatten Johann Georg und Margarete G in P. verkaufen und übergeben an Peter W., M. Bauer in W. ... die denselben ... gleichteilig gehörigen 16/140‑Anteile der im Grundbuch W., Einlage 53 vorgetragenen insgesamt 399 Joch 919 Quadratklafter messenden M. Alpe in W. samt rechtlichem Zugehör, insbesondere samt Alpmahd und Alphütte“.
28 Diese Auslegung werde durch die Mitübertragung insbesondere der Almhütte untermauert. Die Annahme, eine Almhütte sei im Jahr 1903 zu anderen als zu land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken, also etwa aus touristischen Gründen oder zur Vermietung, erworben worden, liege nämlich fern.
29 Als Zwischenergebnis sei nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes ‑ auf dem Boden des historischen Verständnisses von Einforstungsrechten im Zusammenhang mit dem jeweils erkennbaren Vertragswillen ‑ festzuhalten, dass die den Gegenstand dieses Verfahrens bildenden Anteile im Jahr 1903 durch den damaligen Eigentümer des M. Gutes zum Zweck der Nutzung mit dieser Liegenschaft erworben worden seien, welcher Erwerb in Ermangelung einer behördlichen Zustimmungspflicht ohne Behördenakt zulässig gewesen sei.
30 Erstmals die Änderung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 32/1892 durch LGBl. Nr. 79/1910 sähe in § 12 vor, dass die mit einer Liegenschaft verbundene Mitgliedschaft in einer agrarischen Gemeinschaft von der Liegenschaft in der Regel nicht gültig abgesondert werden könnte, sondern die Agrarbehörde nur in Ausnahmefällen befugt gewesen sei, von dieser Regelung aus wichtigen rechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen teilweise abzugehen. Aus dieser gesetzgeberischen Genese folge, dass die zu diesem Zeitpunkt gebunden gewesenen Anteile gemäß § 14 der Novelle pro futuro lediglich in den näher determinierten Fällen mit Bewilligung der Agrarbehörde von der bisher berechtigten Liegenschaft abgesondert hätten werden können, wobei nach § 14 eine Absonderung dann zulässig wäre, wenn das Nutzungsrecht den ordentlichen Bedarf der berechtigten Liegenschaft überstiege.
31 In Ermangelung einer gesetzlichen Regelung für die Feststellung, ob zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle LGBl. Nr. 79/1910 vom 20. November 1910 Anteilsrechte an einer Agrargemeinschaft gebundene oder walzende gewesen wären, habe es keines besonderen Behördenaktes bedurft, sondern der Auslegung der vorangegangenen Ablösungsbescheide und Rechtsgeschäfte, zu deren Wirksamkeit bis zum Jahr 1910 hinsichtlich der Anteilsübertragung keine behördliche Zustimmung notwendig gewesen sei. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle LBGl. Nr. 79/1910 wären die Anteile an der Agrargemeinschaft M. Alpe an das M. Gut gebunden gewesen.
32 Der Erkenntnissenat der Agrarlandesbehörde ‑ so führte das Verwaltungsgericht in seinen Entscheidungsgründen weiter aus ‑ habe mit seiner Entscheidung vom 14. März 1923, Zahl 226/A.O., „betreffend die Bindung der Anteilsrechte von Agrargemeinschaften an die Stammsitzliegenschaften“ im Spruch dieses Erkenntnisses verfügt, dass die nachfolgend benannten Gemeinschaftsliegenschaften im Gerichtsbezirke W., für welche die Mitgliedschaft im Sinne der §§ 12 und 13 des Gesetzes vom 20. November 1910, LGBl. Nr. 79, in Frage komme, im öffentlichen Buche als solche besonders zu bezeichnen seien. In diesem Zusammenhang habe der Erkenntnissenat neben der Agrargemeinschaft M. Alpe noch weitere fünfzehn Gemeinschaftsliegenschaften angeführt.
33 Im Verfahren sei strittig, ob durch dieses Erkenntnis eine Bindung an die Mitgliedsliegenschaften erfolgt sei:
Während die mitbeteiligten Parteien dies bejahten, stellte die erstrevisionswerbende Partei und die zweitrevisionswerbende Partei dies in Abrede.
34 § 12 des Landesgesetzes LGBl. Nr. 79/1910, das zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Erkenntnisses gegolten habe, habe lediglich ein Absonderungsverbot mit der Berechtigung der Agrarbehörde, davon abzugehen, vorgesehen. Diese Bestimmung habe sohin ‑ weiterhin ‑ keine Rechtsgrundlage für die von den mitbeteiligten Parteien bejahte und den anderen Parteien in Abrede gestellte Bindung der Anteile mit Bescheid geboten.
35 Dies gelte in gleicher Weise für § 13 leg. cit., worin lediglich vorgesehen sei, Liegenschaften, für welche die Mitgliedschaft im Sinn dieses Gesetzes in Frage komme, im öffentlichen Buche besonders zu bezeichnen. Der Gesetzgeber habe damit nur die Ersichtlichmachung einer Anteilsbindung im Grundbuch ermöglicht; diese Bestimmung böte aber keine Rechtsgrundlage, die Bindung als solche vorzunehmen.
36 Abgesehen davon habe diese Entscheidung insoweit einen rechtsirrigen Inhalt, als sie den Begriff „Liegenschaft“ als agrargemeinschaftliche Liegenschaft auslege, aus dem Gesetzestext des § 13 sich aber unzweifelhaft ergebe, dass mit dem Begriff „Liegenschaft“ nur die jeweils anteilsberechtigte Liegenschaft gemeint sein könne, weil nur für eine solche die „Mitgliedschaft“ (an einer Agrargemeinschaft) in Betracht komme, nicht aber für die Agrargemeinschaft selbst. Eine Ersichtlichmachung im Grundbuch bei den angeführten Agrargemeinschaften, wie sie im Spruch dieser Entscheidung verfügt worden sei, sei daher ungeachtet von dessen Rechtskraft nicht geeignet, einen Ausspruch über die Bindung von Anteilen zu treffen.
37 Dafür sprächen auch die Materialien (561 aus 1909/1910, Bericht des Landesausschusses des Herzogtums Salzburg, S 425), in welchen ‑ nur ‑ darauf hingewiesen werde, dass nach den neuen Bestimmungen die Anteilsübertragung nur mit behördlicher Bewilligung stattfinden dürfe.
38 Dass der Gesetzestext der Novelle lediglich eine Zustimmungspflicht für die Übertragung gebundener Anteile, nicht aber eine für walzende vorgesehen habe, sei ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass Anteile zum Zeitpunkt der Erlassung dieser Novelle in der Regel als gebunden angesehen worden seien, widrigenfalls (auch) zur Übertragung walzender Anteile Rahmenbedingungen normiert worden wären.
39 Diese Überlegungen bestätigten die bisherigen Ausführungen ‑ so führte das Verwaltungsgericht in seinen Entscheidungsgründen weiter aus ‑, wonach die Frage, ob eine Bindung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle 1910 vorgelegen sei, im Wege der Auslegung der zum Anteilserwerb führenden Urkunden zu beantworten gewesen sei.
40 Auch aus der Begründung des Erkenntnisses aus 1923, in der davon die Rede sei, dass sich, auch wenn in den Grundbüchern des Bezirksgerichtes W. die Zugehörigkeit der Gemeinschaftsanteile zu den Stammsitzliegenschaften in der Regel nicht ersichtlich gemacht sei, in den voranstehend bezeichneten Fällen doch die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit durch die gepflogenen Erhebungen feststellen habe lassen, ergebe sich auf dem Boden der deklaratorischen Wirkung von Grundbuchseintragungen nichts Gegenteiliges.
41 Diese Entscheidungsbegründung bedeute, dass die Behörden offensichtlich ‑ auch ‑ betreffend die Agrargemeinschaft M. Alpe in W. Erhebungen durchgeführt hätten und zum Ergebnis gelangt seien, dass bei dieser Agrargemeinschaft und den anderen angeführten die Anteile an die Liegenschaft des jeweiligen Eigentümers gebunden seien. Dass die in der Folge verfügte Konsequenz der Anmerkung des Absonderungsverbotes nur bei der Agrargemeinschaft, nicht aber bei den jeweils berechtigten Liegenschaften erfolgt sei, sei wohl dem ‑ wie erläutert ‑ rechtswidrigen Behördenspruch geschuldet.
42 Zusammengefasst sei sohin festzuhalten, dass der Erkenntnissenat der Agrarlandesbehörde vor Erlassung seiner Entscheidung ermittelt habe, dass betreffend die in dieser Entscheidung angeführten Agrargemeinschaften eine Bindung der Anteile an die jeweilige Mitgliedsliegenschaften vorgelegen sei. Für die Verbücherung dieser Entscheidung habe er ‑ in freilich unvollständiger Weise ‑ Sorge getragen.
43 Die strittigen Anteile seien sohin ab dem Erwerb dieser durch Peter W. im Jahr 1903 an das M. Gut gebunden gewesen und hätten seither in eigentumsrechtlicher Hinsicht und wirtschaftlich bis zum Jahr 2018 das Schicksal der Stammsitzliegenschaft geteilt.
44 Es stelle sich weiter die Frage, was ausgehend davon die agrarbehördliche Genehmigung des Nachtrags vom 8. April 1995 zum Übergabsvertrag vom 24. Februar 1995, mit dem der Nachtrag hinsichtlich Punkt Erstens gemäß § 38 FLG 1973 und § 3 Salzburger Einforstungsrechtegesetz, also (auch) die Zurückbehaltung der Agrargemeinschaftsanteile bei den Übergebern betreffend, agrarbehördlich genehmigt worden sei, bedeute. Da es dem Stempelbescheid neben der Anführung eines Absatzes (oder mehrerer Absätze) zu § 38 leg. cit. nicht nur an einer Begründung, sondern in Folge Skartierung auch an den ihm zugrundeliegenden Unterlagen, nämlich vor allem dem Antrag, mangle, sei auch die Bedeutung dieses Bescheides im Auslegungswege zu ergründen:
45 Der von der Behörde vorgelegte Agrargemeinschaftsakt beginne im Jahr 1962. Die Agrarbehörde habe ohne Ermittlungen jahrzehntelang zugrunde gelegt, dass es sich bei den Anteilen an der Agrargemeinschaft M. Alpe um walzende Anteile handle. Auch die von den mitbeteiligten Parteien vorgelegte Entscheidung des Erkenntnissenates der Agrarlandesbehörde aus 1923 sei ihr nicht bekannt gewesen. Es sei davon auszugehen, dass die Agrarbehörde diesen Genehmigungsbescheid nach dem FLG 1973 (der einforstungsrechtliche Genehmigungsteil sei fallbezogen nicht von Bedeutung) in der Absicht erlassen habe, die Stammsitzliegenschaftsteilung des M. Gutes dahin zu genehmigen, dass beim überwiegenden Teil der der Liegenschaft zugehörigen Grundstücke die agrarischen Rechte verbleiben sollten. Dafür spreche auch der Umstand, dass lediglich ein Stempelbescheid erlassen worden sei und nicht ein dem § 58 AVG genügender Bescheid, weil Stempelbescheide lediglich bei Stammsitzliegenschaftsteilungen ohne Mitübertragung von agrarischen Rechten an den abzutrennenden Teil erlassen würden.
46 Bezogen auf die Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft M. Alpe habe sich die Agrarbehörde ‑ was aufgrund des nicht mehr vorliegenden Aktes nicht festgestellt werden könne, aber naheliege ‑ entweder nicht mit der Frage, was im Vertrag bzw. dessen Nachtrag mit den zurückbehaltenen Anteilen an der EZ 53 (also der M. Alpe) je KG W. gemeint sei, auseinandergesetzt oder sie sei ‑ entsprechend ihrer über Jahrzehnte hinweg vertretenen Rechtsauffassung, dass es sich bei den Anteilen an der M. Alpe um walzende handle ‑ davon ausgegangen, dass diese bei den seinerzeitigen Übergebern verbleiben sollten. In beiden Fälle habe sie betreffend diese Anteile durch ihren Stempelbescheid keine Änderung des Rechtszustandes herbeigeführt.
47 Nach der ersten Auslegung wären die Anteile nach der Behördenentscheidung ‑ unwissentlich ‑ beim M. Gut verblieben, nach der zweiten hätte sie betreffend die Anteile durch den Stempelbescheid keine Genehmigung ausgesprochen, da ein Verbleiben walzender Anteile bei der Person gemäß dem damals geltenden § 38 Abs. 6 FLG keiner behördlichen Bewilligung bedurft hätte, weil eine solche lediglich für deren Veräußerung erforderlich gewesen sei. Gerade eine Veräußerung sei aber bei der Zurückbehaltung der Anteile durch die Eltern der zweitrevisionswerbenden Partei und der erstmitbeteiligten Partei nicht vorgelegen, weil der intendierte Eigentümerwechsel zivilrechtlich nicht im Veräußerungswege, sondern im Zuge der Einantwortung (also einer Universalsukzession) im Jahr 2018 vollzogen worden sei.
48 Zusammengefasst hielt das Verwaltungsgericht fest, dass auch der Stempelbescheid ungeachtet der diesbezüglichen Vertragsformulierung, wonach die Anteile an der M. Alpe weiterhin bei den Übergebern verbleiben sollten, nicht geeignet gewesen sei, die bereits zuvor an das M. Gut gebunden gewesenen Anteile zu persönlichen zu machen, weil eine solche Übertragung nach der damals wie auch nach der heute gültigen Rechtslage rechtlich nicht möglich gewesen wäre und sohin nicht bewilligt habe werden können.
49 Aus diesen Erwägungen folge, dass sich der Antrag von vornherein als unzulässig erweise und in Spruchpunkt II. zurückzuweisen gewesen sei.
50 Die Zulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass zwar die Auslegung von Rechtsgeschäften oder agrarbehördlichen Bescheiden, wie sie hier erfolgt sei, eine einzelfallbezogene und somit nicht revisibel sei. Die nach Auslegung der in Rede stehenden Verträge vorgenommene Würdigung, wonach die Bindung von Anteilen an eine Stammsitzliegenschaft bis zum Inkrafttreten des Landesgesetzes LGBl. Nr. 79/1910 keines gesonderten behördlichen Rechtsaktes bedurft hätte, sondern auf die Urkundenauslegung gestützt habe werden können, sei hingegen freilich eine, der eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme, sodass die ordentliche Revision gegen beide Spruchpunkte des angefochtenen Erkenntnisses zuzulassen gewesen sei, weil die Entscheidung zu Spruchpunkt I. jene zu Spruchpunkt II. nach sich gezogen habe.
51 Gegen dieses Erkenntnis richten sich die vorliegenden ordentlichen Revisionen, in denen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
52 Die mitbeteiligten Parteien erstatteten in beiden Revisionsverfahren jeweils getrennte, jedoch teilweise gleichlautende Revisionsbeantwortungen, in denen sie jeweils die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revisionen beantragen.
53 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revisionsverfahren wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung sowie Entscheidung verbunden und erwogen:
54 Auch in einer vom Verwaltungsgericht für zulässig erklärten (ordentlichen) Revision hat der Revisionswerber von sich aus die unter dem erwähnten Gesichtspunkt maßgeblichen Gründe zur Zulässigkeit der Revision anzusprechen. Diesbezüglich genügt es, wenn in der Revision auf eine zutreffende und ausreichende Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes in erkennbarer Weise Bezug genommen wird (vgl. VwGH 19.9.2023, Ro 2022/07/0015, mwN).
55 Beide Revisionen erfüllen diese Anforderung, wobei sich die erstrevisionswerbende Partei lediglich gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses wendet, während hingegen die zweitrevisionswerbende Partei sowohl Spruchpunkt I. als auch Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses bekämpft.
56 Übereinstimmend bringen die revisionswerbenden Parteien zur Frage, ob die Bindung von Anteilen an eine Stammsitzliegenschaft auf eine Urkundenauslegung gestützt werden könnte, vor, dass zum Zeitpunkt des Regulierungsvergleiches (12. September 1853) und des Ablösungserkenntnisses (5. November 1865) aus diesen Urkunden keine Bindung eines agrargemeinschaftlichen Anteilsrechtes an Liegenschaften abgeleitet werden könne, weil eine solche zu diesen Zeitpunkten noch nicht rechtlich existent gewesen sei. Zum damaligen Zeitpunkt habe es jedenfalls für Agrargemeinschaften noch keine verbindliche „Einteilung“ in gebundene und persönliche bzw. walzende Anteile samt den daraus sich ergebenden Rechtsfolgen gegeben.
57 Es könne jedenfalls aufgrund der mehrfachen „freien“ Veräußerungen des Anteilsrechtes an der Agrargemeinschaft M. Alpe nicht von gebundenen Anteilen gesprochen werden. Vor diesem Hintergrund sei von einer Bindung des Anteilsrechts an eine Stammsitzliegenschaft erst ab ihrer Erfassung im Regulierungsplan oder, wenn ein solcher nicht bestehe, erst ab der bescheidmäßigen Feststellung der Stammsitzliegenschaften einer Agrargemeinschaft und der auf sie entfallenden Anteile auszugehen. Auch wenn der Wortlaut des § 12 des Gesetzes vom 20. November 1910, LGBl. Nr. 79/1910, eine weitergehende Auslegung eröffnete, sei diese Bestimmung bzw. die des nachfolgenden Salzburger Flurverfassungs Landesgesetzes 1973 aus Gründen der rechtsstaatlichen Bestimmtheit in diesem Sinne zu interpretieren.
58 Zur Frage, ob es in den Revisionsfällen zur Bindung von agrargemeinschaftlichen Anteilsrechten an eine Stammsitzliegenschaft eines gesonderten behördlichen Rechtsaktes bedarf oder nicht, existiert keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Revisionen erweisen sich daher als zulässig. Sie sind jedoch nicht begründet.
59 Die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen des kaiserlichen Patentes vom 5. Juli 1853, wodurch die Bestimmungen über die Regulirung und Ablösung der Holz-, Weide- und Forstproducten-Bezugsrechte, dann einiger Servituts- und gemeinschaftlichen Besitz- und Benützungsrechte festgesetzt werden, RGBl. Nr. 130/1853, lauten auszugsweise wie folgt:
„§ 1.
Den Bestimmungen dieses Patentes unterliegen:
1. Alle wie immer benannten Holzungs- und Bezugsrechte von Holz und sonstigen Forstproducten in oder aus einem fremden Walde;
2. die Weiderechte auf fremdem Grunde und Boden;
...
§ 5
Die Ablösung findet nur dann entweder ganz oder wenigstens teilweise Statt:
a) wenn und inwieweit durch Ablösung und durch die Art derselben der übliche Hauptwirthschaftsbetrieb des berechtigten oder des verpflichteten Gutes nicht auf eine unersetzliche Weise gefährdet wird;
...“
60 Das Gesetz vom 7. Juni 1883 betreffend die Theilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulirung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte, RGBl. Nr. 94/1883, lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 1
Die nach dem Gesetze vom 7. Juni 1883 (RGBl. Nr. 92) in Zusammenlegungsangelegenheiten zuständigen Behörden sind zugleich im Verfahren bei Theilung von Grundstücken, sowie im Verfahren bei Regulirung gemeinschaftlicher Benützungs- und Verwaltungsrechte an ungetheilt verbleibenden Grundstücken zuständig, bezüglich derer entweder
... oder
b) welche von allen oder von gewissen Mitgliedern einer Gemeinde, einer oder mehrerer Gemeindeabtheilungen, Nachbarschaften oder ähnlicher agrarischer Gemeinschaften (Klassen der Bauern, Bestifteten, Singularisten und dergl.) kraft ihrer persönlichen oder mit einem Besitze verbundenen Mitgliedschaft... gemeinschaftlich... benützt werden.
...
§ 15
Dieses Gesetz tritt gleichzeitig mit den hierin der Landesgesetzgebung vorbehaltenen gesetzlichen Anordnungen in Wirksamkeit und tritt mit eben diesem Zeitpunkte das kaiserliche Patent vom 5. Juli 1853 (RGBl. Nr. 130) in Ansehung der ebendaselbst § 1 Z 4 erwähnten gemeinschaftlichen Besitz- und Benützungsrechte außer Wirksamkeit.
...“
61 Das Salzburger Gesetz betreffend die Theilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte, LGBl. Nr. 32/1892, lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 1
Die nach dem Gesetze vom 7. Juni 1883 (RGBl. Nr. 92 ‑ bzw. nach dem Landesgesetze vom 11. Oktober 1892, LGBl. Nr. 31) in Zusammenlegungs‑Angelegenheiten zuständigen Behörden sind zugleich im Verfahren bei Theilung von Grundstücken sowie im Verfahren bei Regulierung gemeinschaftlicher Benützungs- und Verwaltungsrechte an ungetheilt verbleibenden Grundstücken zuständig, bezüglich derer entweder
... oder
b) welche von allen oder gewissen Mitgliedern einer Gemeinde, einer oder mehreren Gemeinde-Abtheilungen, Nachbarschaften oder ähnlicher agrarischer Gemeinschaften (Klassen der Bauern, Bestifteten, Singularisten, Alp- und Weidegenossenschaften u. dgl.) kraft ihrer persönlichen oder mit einem Besitze verbundenen Mitgliedschaft... gemeinschaftlich... benützt werden.“
62 Das Gesetz vom 20. November 1910 des Herzogtums Salzburg, mit welchem einige Bestimmungen des Gesetzes vom 11. Oktober 1892, LGBl. Nr. 32, betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte ergänzt und abgeändert werden, LGBl. Nr. 79/1910, lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 1
Zu den gemeinschaftlichen Grundstücken im Sinne des § 2 des Gesetzes vom 11. Oktober 1892, LGBl. Nr. 32, sind ‑ unbeschadet der Rechte aus einer bereits vollendeten Ersitzung ‑ auch jene zu zählen, welche einer gemeinschaftlichen Benützung im Sinne des § 1 des bezogenen Gesetzes früher unterlagen, inzwischen aber in Folge physischer Teilung in Einzelbesitz übergangen sind, wenn die Teilung weder von einer kompetenten Behörde bewilligt oder in den öffentlichen Büchern durchgeführt ist.
...
§ 12
Die mit einer Liegenschaft verbundene Mitgliedschaft in einer agrarischen Gemeinschaft (§ 1, lit. b. des Gesetzes vom 11. Oktober 1892, LGBl. Nr. 32) kann in der Regel von der Liegenschaft giltig nicht abgesondert werden.
In Durchführung des Regulierungsverfahrens sind die Agrarbehörden berechtigt, bei Aufstellung des Regulierungsplanes von dieser Regel aus wichtigen rechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen ganz oder teilweise abzugehen.
§ 13
Die vorstehenden Bestimmungen finden besonders auch auf die Mitgliedschaft bei denjenigen Gemeinschaften Anwendung, die aufgrund einer in Ausübung des kaiserlichen Patentes vom 5. Juli 1853, RGBl. Nr. 130, erfolgten Abtretung von Grund und Boden an die Gesamtheit der Servitutsberechtigten bestehen.
Die Liegenschaften, für welche die Mitgliedschaft im Sinne dieses Gesetzes in Frage kommt, sind im öffentlichen Buche aufgrund einer Schlussfassung der Agrarbehörden besonders zu bezeichnen.
...
§ 14
Auf Ansuchen der Partei ist die Absonderung von der politischen Landesstelle (§ 17) zu bewilligen, wenn und insoweit das in der Mitgliedschaft begründete Nutzungsrecht den ordentlichen Bedarf der berechtigten Liegenschaft übersteigt, und wenn ferner das abzutretende Anteilrecht entweder mit dem Anteilrechte eines anderen Gemeinschafts-Mitgliedes vereinigt wird, oder aber im Falle, als es mit einer an der Gemeinschaft nicht beteiligten Liegenschaft verbunden wird, die Mehrheit der Gemeinschaftsmitglieder dazu die Zustimmung erteilt. Die Bewilligung ist zu verweigern:
1. wenn durch die Absonderung eine dem wirtschaftlichen Zwecke der Gemeinschaft abträgliche Zersplitterung der Anteilrechte eintreten würde, sowie
2. wenn begründete Umstände dafür sprechen, dass der Anteilrechtserwerb nicht aus wirtschaftlichen, sondern aus anderweitigen Zwecken angestrebt wird.
...“
63 Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Salzburger Flurverfassungs‑Landesgesetzes 1973, LGBl. Nr. 1/1973, in der geltenden Fassung (FLG 1973) lauten auszugsweise wie folgt:
„II. Hauptstück
Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken
1. Abschnitt
Agrargemeinschaftliche Grundstücke, Agrargemeinschaften
§ 36
(1) Agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne dieses Gesetzes sind jene,
...
b) welche von allen oder von gewissen Mitgliedern einer Gemeinde (Ortschaft), einer oder mehreren Gemeindeabteilungen (Ortsteile), Nachbarschaften oder ähnlichen agrarischen Gemeinschaften kraft ihrer persönlichen oder mit einem Besitze verbundenen Mitgliedschaft oder von den Mitberechtigten an Wechsel- oder Wandelgründen gemeinschaftlich oder wechselweise benutzt werden.
(2) Zu diesen Grundstücken sind, unbeschadet der Rechte aus einer bereits vollendeten Ersitzung, ferner zu zählen:
...
c) Grundstücke, die in Ausführung der Gesetze über die Regulierung und Ablösung der Servituten einer Gemeinde (Ortschaft) oder Gesamtheit von Berechtigten zu gemeinsamer Benutzung und gemeinsamem Besitz abgetreten worden sind;
...
Zuständigkeit außerhalb eines Zusammenlegungs-, Flurbereinigungs-, Teilungs- oder Regulierungsverfahrens
§ 106
(1) Der Agrarbehörde steht auch außerhalb eines Verfahrens nach § 90 die Entscheidung über die Frage zu, ob in einem gegebenen Falle eine Agrargemeinschaft im Sinne dieses Gesetzes vorhanden ist, auf welches Gebiet sie sich erstreckt, wer Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Grundstücke ist, ferner die Entscheidung über den Bestand oder Nichtbestand sowie den Umfang von Anteilsrechten an agrargemeinschaftlichen Grundstücken und über die Frage, ob Gemeindegut oder Gemeindevermögen vorliegt.
...“
64 Sowohl die erstrevisionswerbende Partei als auch das Verwaltungsgericht gingen auf der Rechtsgrundlage des § 106 Abs. 1 FLG 1973 von der Zulässigkeit der Erlassung eines Feststellungsbescheides über den von den mitbeteiligten Parteien in ihrer Eingabe vom 26. Juli 2021 unter lit. a) gestellten Antrag aus.
65 Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Rechtsansicht, räumt doch § 106 Abs. 1 FLG 1973 der Agrarbehörde die Befugnis ein, auch außerhalb eines eingeleiteten Teilungs- und Regulierungsverfahrens darüber zu entscheiden, in welchem Umfang Anteilsrechte an agrargemeinschaftlichen Grundstücken bestehen. Genau darauf zielte der Feststellungsantrag der mitbeteiligten Parteien ab, wonach die streitgegenständlichen Anteilsrechte an ihre Stammsitzliegenschaft M. Gut gebunden seien. Im Übrigen ist auf das hg. Erkenntnis vom 14. März 1995, 92/07/0186, zu verweisen, dem zu einem vergleichbaren Sachverhalt ein Feststellungsbescheid gestützt auf die inhaltsgleiche bis zum 30. Juni 2003 in Kraft stehende Bestimmung des § 91 Abs. 1 FLG 1973 zugrunde lag.
66 Zwischen den Verfahrensparteien steht ‑ wie das Verwaltungsgericht festhält ‑ außer Streit, dass es sich bei der M. Alpe um eine Agrargemeinschaft handelt.
67 Demnach schlossen die gemeinschaftlichen Besitzer der M. Alpe mit der Vertreterin des k.k. Ärars am 12. September 1853 einen Vergleich, in der die Vertreterin des Ärars das Privateigentum dieser Besitzer anerkannte. Im Gegenzug verzichteten die Alpbesitzer auf jeden weiteren Forstproduktenbezug aus landesfürstlichen Waldungen und erkannten die Ausforstung der Alpe „für vollkommen abgelöst und aufgehoben“ (Punkt X dieses Vergleiches). Dieser Vergleich wurde vom k.k. Finanzministerium mit Dekret vom 1. März 1854 genehmigt.
68 Mit Ablösungserkenntnis Nr. 815 vom 5. November 1865 genehmigte die k.k. Grundlastenablösungs- und Regulierungs‑Landeskommission Salzburg den zwischen der k.k. Grundlasten-Ministerialkommission für das Herzogtum Salzburg und namentlich genannten gemeinschaftlichen Besitzern näher bezeichneten Liegenschaften abgeschlossenen Vergleich vom 14. August 1864, nach dessen Punkt I das der M. Alpe zustehende Weiderecht in Grund und Boden abgelöst und nach dessen Punkt II das Grundstück 336 in das vollständige, unwiderrufliche und gemeinschaftliche Eigentum der Besitzer der M. Alpe abgetreten wurde. Die Besitzer der M. Alpe erklärten unter einem, dass deren Anspruch auf ein Weiderecht auf ärarischem Grunde vollkommen befriedigt sei (Punkt XII des Vergleichs).
69 Diese behördlich genehmigten Ablösungsvergleiche lassen es unzweifelhaft erscheinen, dass die agrargemeinschaftlichen Grundstücke der M. Alpe aus einer Ablösung und Regulierung von Einforstungsrechten (Servitutenregulierung) hervorgegangen sind. Dabei handelt es sich um diejenigen Grundlastenoperationen im 19. Jahrhundert (vgl. Lang, Tiroler Agrarrecht II (1991) 150; Lienbacher, Einforstungsrechte, ein seltenes und bedeutendes Rechtsinstitut, in Agrarrecht im Lichte des öffentlichen Rechtes, 2007, 173), die § 36 Abs. 2 lit. c FLG 1973 anspricht.
70 Die revisionswerbenden Parteien behaupten nun, dass aus Ablösungsurkunden keine Bindung von Anteilsrechten an Liegenschaften abgeleitet werden könne, weil eine solche zum damaligen Zeitpunkt nicht existiert habe.
71 Vor diesem Hintergrund könne von einer Bindung des Anteilsrechts an eine Stammsitzliegenschaft erst ab ihrer Erfassung im Regulierungsplan oder, wenn ein solcher nicht bestehe, erst ab der bescheidmäßigen Feststellung der Stammsitzliegenschaften einer Agrargemeinschaft und der auf sie entfallenden Anteile gesprochen werden.
72 Diese Ausführungen erweisen sich als unzutreffend.
73 Bei der vorliegenden Agrargemeinschaft M. Alpe handelt es sich unbestritten um eine unregulierte Agrargemeinschaft. Dieser Umstand hindert indessen nicht, die Bindung eines Anteilsrechtes an eine Stammsitzliegenschaft anzunehmen. Dazu bedarf es entgegen den Revisionsausführungen keiner „Erfassung im Regulierungsplan“ oder „bescheidmäßigen Feststellung der Stammsitzliegenschaften einer Agrargemeinschaft“.
74 Diese Revisionsausführungen widersprechen der historischen Entwicklung der Allmendenutzung in der mittelalterlichen Agrarverfassung. So unterscheidet man bereits zu dieser Zeit unter anderem nach Art der Bindung von Nutzungen folgende Gemeinschaftsbildungen:
Zum einen wurde das Recht mit einer ausreichend großen „Hufe“ (Hof) verbunden, wobei diese dingliche Bindung maßgebend war (Realgemeinde). Zum anderen kam das Recht an der Allmendenutzung jeweils nur alteingesessenen Familien zu, wobei diese persönliche Bindung (Personalgemeinde) ausschlaggebend war (vgl. dazu im Einzelnen Lang, Die Teilwaldrechte in Tirol, 1978, 8 ff).
75 Für Vorarlberg hält etwa Kühne fest, dass für Gemeinschaftsgüter durchwegs Statuten über Nutzungsteilnahme bestanden hätten. Auch wären fallweise ältere Urkunden, teils auch Streitentscheidungen vorgelegen. Die Mitgliedschaft in den Agrargemeinschaften des oberen Rheintals und des Walgaus sei in der Regel eine durch Abstammung erworbene (walzende Anteile). Die Nutzungsansprüche seien nach unterschiedlichen Statuten an Hausstand und Wohnsitz gebunden. In einzelnen Gemeinschaften vor allem der Berggemeinden, so im großen Walsertal, sei Anteilsrecht und Nutzungsumfang an „Stammsitzliegenschaften“ gebunden (Kühne, Zu Agrargemeinschaften in Vorarlberg, in Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber, Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, Gemeinschaftsgut und Einzeleigentum, 366).
76 Auch Schiffhält fest, dass die Nutzungsberechtigung „an den Besitz bestimmter Höfe oder an die Zugehörigkeit zu bestimmten Familien geknüpft“ sei (Schiff, Die Gesetzgebung über agrarische Gemeinschaften, 1899, 66).
77 Dem Verwaltungsgericht kann daher nicht entgegen getreten werden, wenn es davon ausging, dass die Unterscheidung zwischen an Stammsitzliegenschaften gebundenen und persönlichen (walzenden) Anteilsrechten eine historisch vorgefundene und durch Urkundenauslegung zu ermittelnde ist.
78 Auf dieser Grundlage ist die Entstehung der unregulierten Agrargemeinschaft M. Alpe in Zusammenhang mit den zitierten Regulierungsvergleichen in den Blick zu nehmen.
79 Betrachtet man die Historie der (abgelösten) Einforstungsrechte, so ist dem Verwaltungsgericht beizupflichten, dass diese in aller Regel dem landwirtschaftlichen Bedarf einer Liegenschaft dienten. In diesem Zusammenhang ist auf die zitierte Bestimmung des § 5 lit. a. des kaiserlichen Patentes vom 5. Juli 1853, RGBl. Nr. 130, zu verweisen, wonach eine Ablösung von Holzbezugsrechten aus einem fremden Wald oder von Weiderechten auf fremdem Boden nur dann stattfinden durfte, wenn dadurch der Hauptwirtschaftsbetrieb des berechtigten Gutes nicht auf unersetzliche Weise gefährdet wurde.
80 Zudem ist auf zahlreiche Äußerungen in der Literatur zu verweisen:
So spricht etwa Dimitz davon, dass die „Einforstung ... zur Deckung der Hausnotdurft auf immerwährende Zeiten vereinbart oder zuerkannt“ worden sei (Dimitz, Die Einforstung im Lande Salzburg, 1921, 48). Auch Lienbacher verweist darauf, dass sich die Bemessung der Nutzungsrechte am sogenannten „Haus- und Gutsbedarf“ des Hofeigentümers orientiert habe (Lienbacher, Waldeigentum und seine Beschränkungen, 2012, 168, mwN).
81 Selbst die erstrevisionswerbende Partei geht in ihren Ausführungen davon aus, dass sich in einforstungsrechtlichen Dokumenten detaillierte Festlegungen zum jeweiligen Gutsbedarf fänden. In den vorliegenden Ablösungsurkunden sei dies ihrer Ansicht nach nicht der Fall.
82 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei Regulierungsurkunden um agrarbehördliche Bescheide (vgl. VwGH 28.3.2022, Ra 2022/07/0011, mwN). Dies gilt auch für Regulierungsvergleiche wie die hier vorliegenden. Die Rechtswirksamkeit eines Regulierungsvergleichs gemäß dem kaiserlichen Patent vom 5. Juli 1853, RGBl. Nr. 130/1853, hängt vom Vorliegen einer behördlichen Genehmigung ab. Damit wird das den Gegenstand eines solchen Vergleiches bildende Rechtsverhältnis letztlich durch einen Hoheitsakt gestaltet (vgl. VwGH, 30.5.2017, Ra 2016/07/0109, mwN).
83 Das Verwaltungsgericht konnte sein Auslegungsergebnis ‑ wie dargestellt ‑ auf die Rechtsnatur der (abgelösten) Einforstungsrechte stützen. Zudem rechtfertigt die bei den einzelnen Übertragungen (Kauf, Erbgang) erfolgte Beifügung des Namens des berechtigten Gutes den Schluss des Verwaltungsgerichtes, die Anteilsrechte und deren Nutzung stünden im Zusammenhang mit diesem landwirtschaftlichen Gut und würden ausschließlich zur Nutzung für ein anderes Gut (und nicht zur davon unabhängigen Nutzung durch Einzelpersonen) übertragen.
84 Auch das Auslegungsergebnis des Verwaltungsgerichtes betreffend die Entscheidung des Erkenntnissenates der Agrarlandesbehörde vom 14. März 1923, Zahl 226/A.O., ist nicht zu beanstanden. Demzufolge konnte das Verwaltungsgericht davon ausgehen, dass der Erkenntnissenat der Agrarlandesbehörde nach Durchführung von Ermittlungen zum Ergebnis gelangt sei, dass eine Bindung der Anteilsrechte an die jeweiligen Mitgliedsliegenschaften bereits vorgelegen sei, die Verbücherung dieser Entscheidung jedoch nur in unvollständiger Weise erfolgt sei.
85 In diesem Zusammenhang bleibt festzuhalten, dass bei agrargemeinschaftlichen Anteilsrechten der grundbuchsrechtliche Publizitäts- und Eintragungsgrundsatz nicht gilt. Ihr Bestand ist vom Grundbuchsstand unabhängig (vgl. VwGH 28.6.2017, Ra 2015/07/0085 bis 0087, mwN).
86 Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festhält, sah erstmals die Änderung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 32/1892 durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 79/1910 in § 12 vor, dass die mit einer Liegenschaft verbundene Mitgliedschaft in einer agrarischen Gemeinschaft von der Liegenschaft in der Regel nicht gültig abgesondert werden konnte, sondern die Agrarbehörde nur in Ausnahmefällen befugt war, von dieser Regel aus wichtigen rechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen teilweise abzugehen. Daraus folgt, dass die zu diesem Zeitpunkt gebunden gewesenen Anteile gemäß § 14 der Novelle pro futuro lediglich in den näher determinierten Fällen mit Bewilligung der Agrarbehörde von der bisher berechtigten Liegenschaft abgesondert werden konnten, wobei nach § 14 eine Absonderung dann zulässig war, wenn das Nutzungsrecht ‑ neben anderen Voraussetzungen ‑ den ordentlichen Bedarf der berechtigten Liegenschaft überstieg.
87 § 12 des Landesgesetzes LGBl. Nr. 79/1910, das zum Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung des Erkenntnissenates der Agrarlandesbehörde vom 14. März 1923 galt, sah somit lediglich ein Absonderungsverbot mit der Berechtigung der Agrarbehörde davon abzugehen, vor. Diese Bestimmung bot indessen ‑ wie das Verwaltungsgericht zutreffend festhält ‑ keine Rechtsgrundlage für eine Bindung der Anteile an eine Stammsitzliegenschaft mit Bescheid.
88 Allein die zweitrevisionswerbende Partei wendet sich gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes.
89 Aus dem Text des agrarbehördlich (mit „Stempelschild“) genehmigten Nachtrags vom 8. April 1995 zum Übergabsvertrag vom 24. Februar 1995 ergibt sich, dass die Vertragsparteien eine agrarbehördliche Genehmigung im Hinblick darauf eingeholt haben, dass die mit der übergebenen Liegenschaft EZ 69 KG W. verbundenen agrarischen Nutzungs- und Mitgliedschaftsrechte ‑ im Grundbuch sind mehrere weitere solche eingetragen ‑ nicht mit dem (von dieser Liegenschaft abzutrennenden) Grundstück Nummer 569 Wald übertragen werden, sondern ungeschmälert mit der Stammsitzliegenschaft (also der EZ Nr. 69 KG W.) verbunden bleiben sollten.
90 Es kann daher dem Verwaltungsgericht nicht entgegengetreten werden, wenn es zum Ergebnis gekommen ist, dass damit nach der Behördenentscheidung ‑ wenn auch mangels näherer Befassung mit der EZ 53 KG W. „unwissentlich“ ‑ die strittigen Anteile weiterhin beim M. Gut verblieben sind, zumal auch nach dem Vertragstext gerade keine Abtrennung von mit der EZ 69 KG. W (dem M. Gut) verbundenen agrarischen Rechten vorgenommen werden sollte.
91 Entgegen den Ausführungen der revisionswerbenden Parteien waren dem vorliegenden Verfahren, in dem es um die zwischen der zweitrevisionswerbenden Partei und den mitbeteiligten Parteien strittigen Qualifikation der Anteilsrechte als an eine Stammsitzliegenschaft gebundene oder persönliche ging, auch nicht die übrigen Mitglieder der Agrargemeinschaft M. Alpe beizuziehen.
92 Ob ein aktueller Bedarf der Stammsitzliegenschaft an den agrargemeinschaftlichen Anteilsrechten vorliegt, ist schließlich für das vorliegende Feststellungsverfahren ohne Relevanz.
93 Die Revisionen waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
94 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 21. Dezember 2023
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