Normen
AVG §56;
EinforstungsLG Stmk 1983 §5 Abs1;
EinforstungsLG Stmk 1983 §5 Abs2;
EinforstungsLG Stmk 1983 §5 Abs3;
Regulierungspatent 1853 §13;
Regulierungspatent 1853 §38;
Regulierungspatent 1853 §9;
RegulierungspatentDV 1857 §51;
RegulierungspatentDV 1857 §81;
VwGG §42 Abs2 Z1;
WWSGG §6;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Auf Grundflächen der revisionswerbenden Partei lasten Einforstungsrechte unter anderem zugunsten der erstmitbeteiligten Partei. Die rechtliche Grundlage für dieses Rechtsverhältnis stellt der Regulierungsvergleich Nr. 913 vom 25. Juli 1863 (in weiterer Folge: Regulierungsvergleich) dar.
2 Dieser Regulierungsvergleich enthält unter anderem folgende Vorschrift:
"II.
Die Dienstbarkeit der Weide bleibt auf das Eigenvieh der Berechtigten beschränkt, und es ist nicht gestattet, solche eigenmächtig an andere zu überlassen, oder auf ein anderes Gut zu übertragen."
3 Die erstmitbeteiligte Partei beantragte mit Schriftsatz vom 11. Jänner 2016 die agrarbehördliche Genehmigung der Übertragung des mit ihrer Liegenschaft auf Grund des Regulierungsvergleiches verbundenen Weiderechtes auf die Liegenschaft EZ 13 des Zweitmitbeteiligten. Dem diesbezüglich eingeholten Gutachten des landwirtschaftlichen Sachverständigen vom 1. März 2016 ist eine grundsätzlich positive Stellungnahme zu entnehmen; der Sachverständige wies allerdings bereits auf die Bestimmung des § 2 Punkt II des Regulierungsvergleiches hin.
4 Mit Bescheid vom 6. Juli 2016 wies die belangte Behörde gemäß § 5 Abs. 3 des Steiermärkischen Einforstungs-Landesgesetzes 1983 (StELG 1983) den Antrag der erstmitbeteiligten Partei ab. Die Begründung beschränkt sich auf den Hinweis darauf, dass auf Grund des Punktes II des Regulierungsvergleiches eine Übertragung der Dienstbarkeit der Weide auf ein anderes Gut ausdrücklich ausgeschlossen sei.
5 Gegen diesen Bescheid erhoben die mitbeteiligten Parteien Beschwerde und machten geltend, die Bestimmungen des StELG 1983, insbesondere des § 5 Abs. 3 leg. cit., verdrängten entgegenstehende Bestimmungen des Regulierungsvergleichs. Die belangte Behörde habe sich mit den Versagungsgründen des StELG nicht beschäftigt und insbesondere nicht festgestellt, dass solche Gründe der Übertragung nicht entgegenstünden.
6 Die revisionswerbende Partei erstattete mit Schriftsatz vom 9. September 2016 eine Stellungnahme im Beschwerdeverfahren, in der sie auf die Relevanz des Regulierungsvergleiches und auch auf eine andere Regulierungsurkunde (Nr. 914 vom gleichen Tag) verwies, in welcher eine inhaltsgleiche, ebenfalls den Ausschluss der Übertragung auf ein anderes Gut verfügende Regelung zu finden sei.
7 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 4. Oktober 2016 verwies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) in Stattgebung der Beschwerde und unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG an die belangte Behörde zur neuerlichen Entscheidung zurück.
8 Dies wurde nach Wiedergabe des Sachverhaltes und der Rechtslage, insbesondere des § 5 Abs. 1 bis 3 StELG 1983 damit begründet, dass es nach der erwähnten Bestimmung des Regulierungsvergleichs dem Berechtigten nicht gestattet sei, die Dienstbarkeit der Weide eigenmächtig auf ein anderes Gut zu übertragen. Ein solcher Sachverhalt liege hier allerdings nicht vor. Mit dem Antrag auf agrarbehördliche Bewilligung der Übertragungsvereinbarung gemäß § 5 Abs. 1 StELG 1983 sei auch die Verpflichtung der Behörde verbunden, die Übertragung des Nutzungsrechtes dann mit Bescheid zu verfügen, wenn der Verpflichtete, wie hier, der Übertragung des Nutzungsrechtes nicht zustimme. Sowohl die Bewilligung einer Übertragung von Nutzungsrechten gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit. als auch die Übertragung durch Bescheid gemäß Abs. 3 stellten keine eigenmächtige Übertragung im Sinne des Punktes II der zu Grunde liegenden Regulierungsurkunde dar, sondern diese seien von der Agrarbehörde im öffentlichen Interesse einer leistungsfähigen Land- und Forstwirtschaft vorzunehmen. Eine Auslegung der Bestimmung der Regulierungsurkunde, wonach jegliche, nämlich auch die agrarbehördlich genehmigte Übertragung der Nutzungsrechte von einer berechtigten Liegenschaft auf eine andere untersagt sei, führe zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides.
9 Bei der bescheidmäßigen Übertragung eines Nutzungsrechtes gemäß § 5 Abs. 2 leg. cit. seien die in Abs. 2 angeführten Versagungsgründe zu prüfen. Die Nutzungsrechte der erstmitbeteiligten Partei auf der Liegenschaft der revisionswerbenden Partei seien in zwei unterschiedlichen Urkunden (Nrn. 913 und 914) reguliert, würden aber auf Grund eines Übereinkommens mit der revisionswerbenden Partei gemeinsam ausgeübt. Die Übertragung von lediglich mit der einen Urkunde regulierten Weiderechten auf eine andere berechtigte Liegenschaft hätte daher zwangsläufig faktische Auswirkungen für die verpflichtete Partei dergestalt, dass für sie eine bisher nicht berechtigte Partei hinzukomme. Die Prüfung der beabsichtigten Änderung im Hinblick darauf, ob durch die Übertragung der Nutzungsrechte aus nur einer Regulierungsurkunde eine Rechtszersplitterung herbeigeführt werde, die für den Verpflichteten unwirtschaftlich sei, habe die Agrarbehörde bisher gänzlich unterlassen. Mit der Vorlage einer Übertragungsvereinbarung auch der anderen Weiderechte an eine weitere berechtigte Liegenschaft sei es der Agrarbehörde möglich, die Prüfung dieser Frage in einem und damit kostengünstiger und rascher durchzuführen als es das Verwaltungsgericht könnte.
10 Der Bescheid sei daher wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen gewesen.
11 Diese Entscheidung habe gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ohne Durchführung der beantragten öffentlichen Verhandlung erlassen werden können, da die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten habe lassen und, zumal lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung stattgefunden habe, dem Entfall weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehe.
12 Die ordentliche Revision wurde nicht als zulässig erklärt. Dies wurde damit begründet, dass - abgesehen vom Nichtvorliegen der in Art. 133 Abs. 4 B-VG genannten Gründe - auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorlägen.
13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die revisionswerbende Partei erachtet die Revision deshalb als zulässig, weil das LVwG verkannt habe, dass Regulierungsurkunden Urkunden öffentlich-rechtlichen Charakters mit normativen Inhalt seien, die nicht durch einen anderen Rechtsakt vernichtet werden könnten und die daher der Anwendung des § 5 StELG 1983 entgegenstünden.
14 Die mitbeteiligten Parteien erstatteten eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Abbzw. Zurückweisung der vorliegenden außerordentlichen Revision beantragten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
15 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
16 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
17 In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG bei einer außerordentlichen Revision gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung über die Revision zu lösen hätte.
18 Die revisionswerbende Partei wirft die Frage auf, welche rechtliche Bedeutung der Bestimmung des Regulierungsvergleiches über das Verbot einer eigenmächtigen Überlassung bzw. Übertragung der Weiderechte auf ein anderes Grundstück vor dem Hintergrund der Bestimmungen des StELG 1983 zukommt.
19 Die Revision erweist sich als zulässig. Die aufgeworfene Rechtsfrage nach dem Verhältnis zwischen Vorschriften eines Regulierungsvergleichs zum einen und dem StELG zum anderen, wurde - wie zu zeigen sein wird - vom LVwG nämlich unrichtig beantwortet.
20 Der oben eingangs wiedergegebene Text des Punktes II des Regulierungsvergleiches ist unstrittig. Ebenso unbestritten ist der Umstand, dass der Regulierungsvergleich in dieser Fassung unverändert in Kraft ist und der gegenständlichen Rechtsausübung zu Grunde liegt. Von den Verfahrensparteien wurde auch nicht in Zweifel gezogen, dass unter dem Begriff "Dienstbarkeit" das Recht zur Ausübung der Weide zu verstehen ist.
Demnach ist das Weiderecht auf das Eigenvieh der Berechtigten beschränkt. Dieses Gebot wird durch zwei Verbote verstärkt; zum einen ist nicht gestattet, das Weiderecht eigenmächtig an andere zu überlassen, zum anderen ist es nicht gestattet, das Weiderecht auf ein anderes Gut zu übertragen.
21 Entgegen der Ansicht des LVwG bezieht sich der Begriff "eigenmächtig" nicht auf die Übertragung der Weiderechte auf ein anderes Gut, sondern lediglich auf die faktische Überlassung des Weiderechtes an andere.
22 Dieses Verständnis ergibt sich nicht nur aus dem Text selbst (so ist das Wort "eigenmächtig" nur dem Halbsatz zugeordnet, der die Überlassung regelt), sondern auch daraus, dass eine eigenmächtige faktische Überlassung des Rechts an einen anderen Berechtigten leicht möglich erscheint. Die Übertragung des Rechts auf ein anderes Gut war hingegen weder im Zeitpunkt des Entstehens des Regulierungsvergleiches (vgl. dazu § 43 des Kaiserlichen Patents vom 5. Juli 1853, RGBl Nr. 130/1853) noch in den darauffolgenden Jahrzehnten (vgl. dazu etwa § 27 des Stmk Landesgesetzes betreffend die Neuregulierung und Ablösung der im Verfahren auf Grund des kaiserlichen Patents vom 5. Juli 1853, RGBl Nr. 130, regulierten Holz-, Weide- und Forstprodukten-Bezugsrechte sowie betreffend die Sicherung der Rechte der Eingeforsteten, LGuVBl Nr. 29/1911, und § 35 des Landesgesetzes betreffend Neuordnung und Sicherung der auf Grund des kaiserlichen Patents vom 5. Juli 1853, RGBl Nr. 130, regulierten Forstproduktenbezugs- und Weiderechte, LGBl Nr. 237/1922) "eigenmächtig" möglich, sondern es hätte dazu eines normativen, den Regulierungsvergleich abändernden Aktes bedurft. Ein gesondertes Verbot eines solchen Vorgangs wäre daher nicht notwendig gewesen.
23 Aus dem Wortlaut des Regulierungsvergleichs ergibt sich daher, dass die Dienstbarkeit der Weide nicht auf ein anderes Gut übertragen werden darf.
24 Fraglich ist, ob diese Regelung im Regulierungsvergleich allfälligen entgegenstehenden Bestimmungen des StELG 1983 vorgeht oder ob die Bestimmungen des StELG 1983 diese Bestimmung des Regulierungsvergleichs verdrängen.
25 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits wiederholt mit dem Verhältnis von Bestimmungen in Regulierungsurkunden (Regulierungsvergleichen) zu gesetzlichen Vorschriften beschäftigt.
26 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei Regulierungsurkunden um agrarbehördliche Bescheide (vgl. unter vielen das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1995, 94/07/0058). Sie stellen Normen im Einzelfall dar und ihnen kommt daher grundsätzlich der Vorrang auch vor entgegenstehenden gesetzlichen Bestimmungen zu (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 13. Mai 1996, 95/07/0092, 0093, und vom 19. September 1996, 95/07/0215, mwN).
27 Dies gilt auch für Regulierungsvergleiche wie den hier vorliegenden. Die Rechtswirksamkeit eines Regulierungsvergleiches gemäß dem Kaiserlichen Patent vom 5.7.1853, RGBl 1853/130, hängt vom Vorliegen einer behördlichen Genehmigung ab. Damit wird das den Gegenstand eines solchen Vergleiches bildende Rechtsverhältnis letztlich durch einen Hoheitsakt gestaltet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Dezember 1989, 89/07/0075).
28 Der hier verfahrensgegenständliche Regulierungsvergleich wurde durch die k.k. steiermärkische Statthalterei als 1. Instanz in Grundlasten-, Ablösungs- und Regulierungsangelegenheiten beurkundet und behördlich bestätigt. Auch dieser Regulierungsvergleich stellt daher eine Norm im Einzelfall dar, der grundsätzlich der Vorrang auch vor entgegenstehenden gesetzlichen Bestimmungen zukommt.
29 Daraus folgt, dass - ungeachtet der Regelungen des § 5 Abs. 1 bis 3 StELG 1983 - das im Regulierungsvergleich festgelegte Verbot der Übertragung der Dienstbarkeit der Weide auf ein anderes Gut für das verfahrensgegenständliche Weiderecht Geltung hat. Infolgedessen wäre der Antrag der mitbeteiligten Partei daher richtigerweise abzuweisen gewesen.
30 Das angefochtene Erkenntnis, mit dem der eine solche Abweisung vornehmende Bescheid der belangten Behörde aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen wurde, erweist sich aus diesem Grund als rechtswidrig.
31 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Im fortgesetzten Verfahren wird auch zu prüfen sein, ob vor dem Hintergrund des § 50 StELG der zweitmitbeteiligten Partei überhaupt Parteistellung im Verfahren zukommt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1987, 86/07/0081, ua).
32 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II. Nr. 8/2014. Der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Kostenersatz der Umsatzsteuer war abzuweisen, weil diese im pauschalierten Aufwandersatz bereits enthalten ist.
Wien, am 30. Mai 2017
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