Normen
ApG 1907 §10 Abs2 Z1
ApG 1907 §10 Abs2 Z3 idF 2016/I/103
ApG 1907 §10 Abs6a idF 2016/I/103
ApG 1907 §47 Abs2 idF 2002/I/065
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023100018.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 4. Juli 2022 wies das Landesverwaltungsgericht Tirol ‑ im Beschwerdeverfahren ‑ einen Antrag des Revisionswerbers vom 1. August 2016 auf Erteilung einer Konzession zum Betrieb einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke mit näher umschriebenem Standort in I ab, wobei es die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zuließ.
2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung ‑ soweit für den vorliegenden Revisionsfall von Interesse ‑ auf der Grundlage eines im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholten (ergänzenden) Gutachtens der Österreichischen Apothekerkammer vom 28. März 2022 zugrunde, infolge der Errichtung der beantragten öffentlichen Apotheke würde (u.a.) der bestehenden öffentlichen Apotheke in einem bestimmten Einkaufszentrum in I lediglich ein Versorgungspotential von 4.879 (somit weniger als 5.500) weiterhin zu versorgenden Personen verbleiben.
3 In Entfernungen von jeweils weniger als 2 km (5 Minuten Fahrzeit mit dem Kfz) von der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der beantragten Apotheke befänden sich acht (näher bezeichnete) bereits bestehende öffentliche Apotheken. Es liege daher ‑ auch wenn sich die beantragte Apotheke in einem sich nachhaltig und stetig entwickelnden Siedlungsgebiet befinde ‑ kein Mangel in der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln vor.
4 Die Abweisung des Konzessionsantrags stützte das Verwaltungsgericht ‑ davon ausgehend ‑ in der rechtlichen Beurteilung darauf, dass ein Bedarf an der beantragten Apotheke gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 Apothekengesetz (ApG) zu verneinen sei.
5 Die Anwendung des § 10 Abs. 6a ApG verneinte das Verwaltungsgericht anhand einer Prüfung nach den in der hg. Rechtsprechung dafür entwickelten Voraussetzungen (Hinweis u.a. auf VwGH 8.8.2018, Ra 2017/10/0103): Angesichts der Existenz mehrerer bestehender öffentlicher Apotheken im nahen Umkreis um die in Aussicht genommene Betriebsstätte der beantragten Apotheke, welche mit dem Kraftfahrzeug leicht und rasch erreichbar seien, mangle es an der Voraussetzung eines Mangels in der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln bei Nichterrichtung der beantragten Apotheke; eine allenfalls gegebene lediglich „bequemere“ Möglichkeit des Erwerbs von Arzneimitteln reiche hiefür nicht aus (Hinweis auf VwGH 27.9.2018, Ra 2017/10/0069).
6 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluss vom 14. Dezember 2022, E 2262/2022‑8, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
7 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 2.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. etwa VwGH 21.11.2022, Ra 2021/10/0049, mwN).
11 3. § 10 Apothekengesetz (ApG), RGBl. Nr. 5/1907 idF BGBl. I Nr. 103/2016, lautet ‑ auszugsweise ‑ wie folgt:
„Sachliche Voraussetzungen der Konzessionserteilung
§ 10. (1) Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn
[...]
2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.
(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn
[...]
3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich in Folge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5 500 betragen wird.
[...]
(6a) Die Zahl der von der Betriebsstätte einer oder mehrerer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen gemäß Abs. 2 Z 3 ist zu unterschreiten, wenn es auf Grund besonderer örtlicher Verhältnisse im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung unter Berücksichtigung des Versorgungsangebots durch bestehende Apotheken einschließlich Filialapotheken und ärztlichen Hausapotheken geboten ist.
[...]“
12 § 47 ApG, RGBl. Nr. 5/1907 idF BGBl. I Nr. 65/2002, lautet ‑ auszugsweise ‑ wie folgt:
„Abweisung ohne weiteres Verfahren.
§ 47. (1) [...]
(2) Ein Konzessionsantrag eines Bewerbers ist von der Bezirksverwaltungsbehörde auch dann ohne weiteres Verfahren abzuweisen, wenn ein früherer Antrag eines anderen Bewerbers um die Errichtung einer neuen Apotheke an demselben Standort wegen des Fehlens der im § 10 bezeichneten sachlichen Voraussetzungen abgewiesen worden ist, von dem Datum der Zustellung des letzten in der Angelegenheit ergangenen Bescheides an gerechnet nicht mehr als zwei Jahre vergangen sind und eine wesentliche Veränderung in den für die frühere Entscheidung maßgebenden lokalen Verhältnissen nicht eingetreten ist. [...]“
13 4.1. In den Zulässigkeitsausführungen seiner außerordentlichen Revision bezieht sich der Revisionswerber zunächst auf einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes vom 17. Juli 2022, mit dem eine Beschwerde des Revisionswerbers gegen einen Bescheid der belangten Behörde zurückgewiesen wurde, mit welchem die Verlegung der Betriebsstätte der Apotheke A ‑ aufgrund eines Antrages vom 9. Jänner 2017 ‑ außerhalb ihres bisherigen Standortes unter Festlegung eines neuen Standortes (in I), bewilligt worden war. (Eine außerordentliche Revision gegen diesen Beschluss wurde mit hg. Beschluss vom heutigen Tag, Ra 2023/10/0017, zurückgewiesen.)
14 In diesem Zusammenhang vertritt der Revisionswerber wiederholt die Auffassung, mangels rechtskräftiger Entscheidung über sein Konzessionsansuchen hätte das Verwaltungsgericht im Verfahren über die Standortverlegung der Apotheke A noch nicht entscheiden dürfen und dieses Verfahren aussetzen müssen.
15 Dem kann nicht gefolgt werden, wird doch die Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes ‑ ungeachtet der Möglichkeit, Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben ‑ mit ihrer Erlassung rechtskräftig (vgl. etwa VwGH 5.3.2020, Ra 2019/15/0114, oder 18.2.2022, Ra 2021/04/0137, 0165, 0166, mwN); die vorliegend angefochtene (abweisende) Entscheidung des Verwaltungsgerichtes über den Konzessionsantrag des Revisionswerbers wurde diesem ‑ nach dessen eigenem Vorbringen ‑ am 13. Juli 2022 zugestellt und damit rechtskräftig.
16 4.2. Mit dem weiteren, wenig konkreten Vorbringen des Revisionswerbers, bei der Beurteilung des der Apotheke A weiterhin verbleibenden Versorgungspotentials sei von deren Standort vor der (mit dem erwähnten Beschluss des Verwaltungsgerichtes vom 17. Juli 2022) bewilligten Standortverlegung auszugehen, legt der Revisionswerber eine Rechtsfrage, von der das rechtliche Schicksal seiner Revision abhinge, jedenfalls nicht dar:
17 Er lässt damit die Feststellung des angefochtenen Erkenntnisses außer Acht, wonach (auch) der bestehenden öffentlichen Apotheke in einem näher genannten Einkaufszentrum im Fall der Neuerrichtung der beantragten öffentlichen Apotheke lediglich ein Versorgungspotential von weniger als 5.500 weiterhin zu versorgenden Personen verbliebe (vgl. die Wiedergabe unter Rz 2); schon aus diesem Grund durfte das Verwaltungsgericht einen Bedarf an der neu zu errichtenden Apotheke des Revisionswerbers gemäß § 10 Abs. 2 Z 3 ApG verneinen.
18 4.3. Das Vorbringen des Revisionswerbers, das Verwaltungsgericht habe das „Prioritätsprinzip“ nicht berücksichtigt, bleibt (schon deshalb) unklar, weil das Verwaltungsgericht mit dem vorliegend angefochtenen Erkenntnis über den Konzessionsantrag des Revisionswerbers vom 1. August 2016 unbestreitbar vor der Erledigung des (vom 9. Jänner 2017 datierenden) Antrages auf Standortverlegung betreffend die Apotheke A abgesprochen hat.
19 Soweit der Revisionswerber vermeint, infolge der „Sperrfrist des § 47 APG“ hätte dieser Antrag auf Standortverlegung „zurück- bzw. abgewiesen werden müssen“, bezieht er sich gar nicht auf das vorliegend angefochtene Erkenntnis. (Im Übrigen sei zu diesem ‑ nicht konkretisierten ‑ Vorbringen angemerkt, dass § 47 Abs. 2 erster Satz ApG auf Konzessionsanträge abstellt, welche sich auf „denselben Standort“ beziehen.)
20 4.4. Als Verfahrensrüge bringt der Revisionswerber zur Zulässigkeit seiner Revision vor, das Verwaltungsgericht habe „gegen das auch verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein faires Verfahren sowie gegen den Grundsatz der Unabhängigkeit und der amtswegigen objektiven Erforschung der materiellen Wahrheit“ verstoßen, indem es nach der Erörterung des ergänzenden Gutachtens der Österreichischen Apothekerkammer vom 28. März 2022 in der Verhandlung am 25. Mai 2022 vom Revisionswerber gestellten „weiteren Anträgen“ (nämlich „der Apothekerkammer weitere Aufträge zu erteilen und die für die Begutachtung herangezogenenen Unterlagen vorzulegen“) nicht entsprochen habe; in Hinblick auf eine Änderung der Einschätzung der Österreichischen Apothekerkammer gegenüber ihrem ursprünglichen (im behördlichen Verfahren erstatteten) Gutachten sei eine „vollständige objektive Aufklärung und auch amtswegige Erörterung der Frage, warum die Apothekerkammer plötzlich zu dieser gänzlich entgegengesetzten widersprüchlichen Ansicht gelangt, notwendig“.
21 Bereits die Zulässigkeit der Revision setzt neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird. Der Revisionswerber hat die Entscheidungswesentlichkeit des Mangels konkret zu behaupten. Er darf sich nicht darauf beschränken, einen Verfahrensmangel (bloß) zu relevieren, ohne die Relevanz für den Verfahrensausgang durch ein konkretes tatsächliches Vorbringen aufzuzeigen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (vgl. etwa VwGH 29.9.2021, Ra 2021/01/0181, mwN).
22 Der Revisionswerber legt mit dem wiedergegebenen Vorbringen die Relevanz des von ihm behaupteten Verfahrensmangels nicht konkret dar. Dasselbe gilt für vom Revisionswerber „zum Gutachten der Apothekerkammer“ für erforderlich erachtete, allerdings bloß skizzierte „weitere Beweise“.
23 4.5. Im Folgenden behauptet der Revisionswerber, das Verwaltungsgericht lasse „gänzlich unbeantwortet“, „warum die Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 6a APG gegenständlich nicht anzuwenden ist“; insofern weiche das Verwaltungsgericht von der „ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab“.
24 Diese Behauptung trifft nicht zu, hat das Verwaltungsgericht doch die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 6a ApG auf der Grundlage der hg. Rechtsprechung dazu geprüft und verneint (vgl. die Wiedergabe oben unter Rz 5).
25 Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang auf das nach seiner Auffassung zu erwartende Versorgungspotential der von ihm beantragten Apotheke abstellt, bewegt er sich außerhalb der geltenden Rechtslage (vgl. in diesem Zusammenhang die Aufhebung [u.a.] des damaligen § 10 Abs. 2 Z 1 ApG durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. März 1998, https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Vfgh&Dokumentnummer=JFT_10019698_97G00037_00 . = VfSlg. 15.103).
26 4.6. Das abschließende Zulässigkeitsvorbringen des Revisionswerbers, der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes über die Standortverlegung der Apotheke A liege ein unzulässigerweise umgedeuteter Antrag zugrunde, betrifft wiederum nicht das vorliegend angefochtene, den Konzessionsantrag des Revisionswerbers abweisende Erkenntnis.
27 5. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
28 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 20. März 2023
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