European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00055.25A.0521.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 597,52 EUR (darin enthalten 95,40 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger kaufte am 8. 5. 2017 den Pkw M* zu einem Preis von 20.300 EUR. Es handelte sich um ein Gebrauchtfahrzeug. Die Beklagte ist die Herstellerin. Dass im Fahrzeug des Klägers auch nach einem Software-Update eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut ist und die Beklagte demgemäß zu Schadenersatz verpflichtet ist, ist im Revisionsverfahren nicht strittig.
[2] Der Kläger begehrt 30 % des von ihm bezahlten Kaufpreises, was dem objektiven Minderwert entspreche, der – bei Offenlegung der Manipulation – für das Fahrzeug zum Ankaufszeitpunkt bezahlt worden wäre.
[3] Die Beklagte wendet – soweit im Revisionsverfahren noch relevant – ein, der Kläger habe keinen Schaden erlitten, eine Wertminderung sei beim Fahrzeug nicht eingetreten.
[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach dem Software‑Update sei keine unzulässige Abschalteinrichtung mehr vorgelegen. Zur (fiktiven) Schadenshöhe für die Zeit vor dem Software‑Update führte es aus, dass aufgrund der Schutzgesetzverletzung nach § 273 ZPO Schadenersatz in der Bandbreite von 5 % bis 15 % festzusetzen sei. Der Kläger hat das Fahrzeug behalten und es liegt kein festgestellter Minderwert vor. Der Schaden wäre im unteren Bereich der Bandbreite festzusetzen gewesen, sohin angesichts des Kaufpreises bei ca 1.000 EUR.
[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge. Auch nach dem Software‑Update liege eine unzulässige Abschalteinrichtung vor. Es sprach dem Kläger 1.015 EUR sA zu und wies das Mehrbegehren ab. Zur Höhe des Schadenersatzes verwies es auf die Ausführungen des Erstgerichts zur fiktiven Schadenshöhe.
[6] Es ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, die Rechtsprechung sei mittlerweile unübersichtlich und teilweise uneinheitlich.
Rechtliche Beurteilung
[7] Da der Kläger in seiner Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermag, ist die Revision entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
[8] 1.1 Zur Höhe des Schadenersatzanspruchs betreffend den Minderwert des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs judiziert der Oberste Gerichtshof seit der Entscheidung 10 Ob 27/23b, dass der zu ersetzende Betrag grundsätzlich im Sinn des § 273 Abs 1 ZPO nach freier Überzeugung – selbst mit Übergehung eines von einer Partei angebotenen (etwa: Sachverständigen‑)Beweises – innerhalb einer Bandbreite von 5 % und 15 % des Kaufpreises festzusetzen ist (RS0134498). Ebenso wurde aber auch bereits mehrmals entschieden, dass dies nicht ausschließt, dass der Minderwert exakt festgestellt wird und der Käufer dessen Ersatz verlangen kann (RS0134498 [T6]). Dafür bedarf es Feststellungen zu einer allfälligen Wertdifferenz im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags, insbesondere dazu, welchen Verkehrswert das Fahrzeug in Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung aufwies bzw zu welchem Preis ein solches Fahrzeug (damals) gehandelt worden wäre (10 Ob 7/24p mwN = RS0113651 [T6]).
[9] 1.2 Das Berufungsgericht hat sich an dieser ständigen Rechtsprechung orientiert. Soweit sich der Kläger in seiner Rechtsrüge gegen das Ergebnis der Schadensschätzung durch das Berufungsgericht wendet, ist darauf Bedacht zu nehmen, dass dem Gericht bei Anwendung des § 273 ZPO die Befugnis zukommt, die Höhe des Anspruchs nach freier Überzeugung festzusetzen (RS0040459 [T1]). Für die Ausübung des richterlichen Ermessens sind die Umstände des Einzelfalls maßgeblich (vgl RS0121220 [T1]; RS0111576 [T2]). Es können daher nur gravierende, an die Grenzen des Missbrauchs gehende Fehler der Ermessensentscheidung auch noch in dritter Instanz an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (9 ObA 31/23h [Rz 16]; RS0007104 [insb T1, T5]). Dass das Berufungsgericht bei seiner Ausmittlung der zu ersetzenden Wertminderung die Grenzen des gebundenen Ermessens überschritten hätte, zeigt die Revision nicht auf.
[10] 1.3 Aus den in der Revision angeführten Entscheidungen ist für den Kläger nichts zu gewinnen, weil darin jeweils eine tatsächliche Wertminderung festgestellt wurde (9 Ob 85/24a [Rz 15]; 9 Ob 83/24g [Rz 7]; 1 Ob 124/24b [Rz 11]; 7 Ob 138/24f [Rz 4] und 4 Ob 121/24h [Rz 17]) und die Schadensbemessung daher nicht nach § 273 ZPO erfolgt ist. Ein Minderwert steht hier nicht fest.
[11] 1.4 Die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen kann vor dem Obersten Gerichtshof als reine Rechtsinstanz (RS0123663) nicht mehr bekämpft werden (vgl RS0042903 [T5, T7, T8, T10]). Soweit der Kläger im Zusammenhang mit der Ermessensausübung auf Beweisergebnisse verweist, die eine Spanne von 5 % bis 30 % ergeben hätten, handelt es sich um eine unbeachtliche Beweisrüge.
[12] 2. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
[13] 3. Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 41, 50 ZPO; die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.
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