OGH 4Ob215/24g

OGH4Ob215/24g29.9.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., Mag. Fitz, Mag. Waldstätten, und Dr. Gusenleitner-Helm in der Rechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch die Dr. Dr. Josef Wieser Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei * GmbH, *, vertreten durch die Singer Fössl Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Beseitigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. November 2024, GZ 5 R 149/24d-20, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00215.24G.0929.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger, ein Rechtsanwalt und Steuerberater, ist Inhaber einer im Jahr 2006 registrierten österreichischen Wort-Bildmarke mit dem Wortbestandteil *TAX ua für Steuerberatung und -vertretung.

[2] Der Kläger war auch Gesellschafter und Geschäftsführer der beklagten GmbH, bis es zu einem Gesellschafterstreit mit deren nunmehrigem Alleingeschäftsführer kam. Die Beklagte firmiert(e) seit 2015 unter *TAX * Steuerberatungs GmbH und seit 2017 unter *TAX Steuerberatungs GmbH, wobei die Nutzung des Markenwortlauts *TAX zunächst auf den Wunsch des Klägers zurückging.

[3] Mit seiner auf das MSchG gestützten Klage begehrt der Kläger (zusammengefasst), die Beklagte für schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, in Österreich im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung *TAX im Zusammenhang mit der Ankündigung, dem Verkauf oder dem Vertrieb von Dienstleistungen zu verwenden, und diese aus ihrem Firmenwortlaut zu beseitigen. Er habe der Beklagten nunmehr die Nutzung seiner Marke untersagt.

[4] Die Vorinstanzen wiesen die Klage übereinstimmend ab, weil die Beklagte nicht mehr operativ tätig sei und die Verwendung des Markenwortlauts als Firma nach der Entscheidung C-17/06 Céline keine Nutzungshandlung iSd §§ 10, 10a MSchG sei.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig und daher zurückzuweisen.

[6] 1.1 § 10 Abs 1 MSchG gewährt einem Markeninhaber das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke gleiches Zeichen für gleiche Waren oder Dienstleistungen zu „benutzen“ (oder ein ähnliches Zeichen für ähnliche Waren und Dienstleistungen, wenn dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht).

[7] § 10a MSchG regelt, welche Handlungen insbesondere als Benutzung eines Zeichens zur Kennzeichnung von Waren und Dienstleistungen anzusehen sind und daher vom Markeninhaber verboten werden können. Diese Bestimmung wurde zuletzt durch BGBl I Nr 91/2018 an Art 10 Abs 3 der RL 2015/2436/EU angepasst und ua um eine Z 4 ergänzt, wonach als Benutzung eines Zeichens „zur Kennzeichnung einer Ware oder Dienstleistung“auch angesehen wird, „das Zeichen als Handelsnamen oder Unternehmensbezeichnung oder als Teil von solchen zu benutzen“.

[8] Diese Änderung geht auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union C‑17/06 Céline zurück (vgl ErwGr 19 der RL 2015/2436/EU ; RV 294 dB XXVI. GP S 5). Danach ist die Benutzung einer Marke durch den Inhaber einer gleichnamigen Firma infolge der unterschiedlichen Funktionen von Firma und Marke kein Kennzeichenverstoß (Rz 21), es sei denn, dass der dazu nicht befugte Dritte seine Firma auf den Waren, die er vertreibt, anbringt (Rz 22) oder sie in der Weise benutzt, dass eine Verbindung zwischen der Firma und den vom Dritten vertriebenen Waren hergestellt wird (Rz 23), sie also gewissermaßen zur Marke macht, und dadurch die Funktionen der Marke, insbesondere die Herkunftsfunktion, beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann (Rz 26).

[9] Der Oberste Gerichtshof änderte bereits mit seiner Entscheidung 4 Ob 223/12sSkorpion/scorpioseine Rechtsprechung in diesem Sinne ab und judiziert seitdem, dass nur die Verwendung einer Firma als Zeichen für Waren oder Dienstleistungen in Rechte an einer Marke eingreifen und daher unter den Voraussetzungen des § 10 Abs 1 MSchG Unterlassungsansprüche begründen kann; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Änderung oder Löschung der Firma als solcher besteht nicht (s auch RS0128822, RS0066671 [T20]; 4 Ob 154/14xesterhazy‑akademie; 4 Ob 18/22hpewag; 4 Ob 206/22fIKO; zum Schutz des Handelsnamens s zudem jüngst EuGH C-365/24 Doggy).

[10] 1.2 Das Erstgericht hat konkrete Feststellungen getroffen, welche Tätigkeiten die Beklagte (noch) entfaltet und wo und wie sie im geschäftlichen Verkehr auftritt. Die in der Revision angesprochenen Fragen der Beweislast stellen sich daher nur insoweit, als es am Kläger gelegen wäre, das Vorliegen aller anspruchsbegründenden (rechtserzeugenden) Tatsachen nachzuweisen, aus denen er seine konkreten Begehren ableitet (vgl RS0039903; 4 Ob 56/24z mwN).

[11] Zusammengefasst hat die Beklagte nach den Feststellungen ihren operativen Betrieb als Steuerberaterin eingestellt, entfaltet auch keine Werbe- und Akquisetätigkeiten mehr und verfügt weder über eine Webseite noch eine E-Mail-Adresse.

[12] Indem die Vorinstanzen davon ausgehend eine Nutzung der Marke des Klägers durch die Beklagte zur Kennzeichnung von Dienstleistungen iSd §§ 10, 10a MSchG und einen daraus abgeleiteten Anspruch auf Unterlassung und Beseitigung verneinten, bewegen sie sich sohin im Rahmen der Rechtsprechung von EuGH und Oberstem Gerichtshof und des ihnen im Einzelfall notwendiger Weise zukommenden Beurteilungsspielraums.

[13] 1.3 Der Kläger vermag keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, wenn er in seiner Revision lediglich auf seinem Rechtsstandpunkt beharrt, dass die Eintragung im Firmenbuch, die noch aufrechte Kammermitgliedschaft sowie die Auflistung der Beklagten in Branchenverzeichnissen Dritter für einen markenrechtlichen Anspruch auf Unterlassung und Beseitigung ausreichen müssten. Dass dadurch die Funktionen und der Wert der klägerischen Marke beeinträchtigt würden, wird zwar behauptet, aber nicht näher begründet.

[14] Soweit die Revision unterstellt, dass die Beklagte darüber hinaus noch tätig wäre und Dienstleistungen unter ihrer Firma anbieten würde, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und ist damit nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl RS0043312).

[15] Auf den erstmals in der Revision geltend gemachten Anspruch nach § 37 UGB ist schon wegen des Neuerungsverbots des § 504 Abs 2 ZPO nicht einzugehen.

[16] 2. Als Mangelhaftigkeit des Berufungs‑verfahrens macht der Kläger geltend, dass sich das Berufungsgericht nur unzureichend mit seinen Berufungsargumenten und insbesondere seiner Beweisrüge zur fortgesetzten Nutzung der Marke durch die Beklagte auseinandergesetzt habe. Zudem liege eine Aktenwidrigkeit vor, weil sich aus dem vorgelegten Firmenbuchauszug und der Mitgliederliste der Kammer ergebe, dass die Beklagte weiterhin die Marke in ihrem Firmenwortlaut führe und daher unter dieser operativ tätig sei.

[17] Inhaltlich macht der Kläger damit jedoch nur eine unrichtige rechtliche Würdigung der ohnedies festgestellten Tatsachen geltend, sodass beide Revisionsgründe nicht verwirklicht sind.

[18] 3.1 Schließlich argumentiert die Revision mit einer Nichtigkeit der Rechtsmittelentscheidung nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO, weil das Berufungsgericht nicht auf die Begründung des Erstgerichts hätte verweisen dürfen, sondern insbesondere selbst Feststellungen treffen hätte müssen.

[19] Zwar kann dieser Nichtigkeitsgrund auch durch eine bloße Scheinbegründung verwirklicht werden (vgl RS0007484 [T7]), davon kann bei der vorliegenden, ausführlich begründeten Berufungsentscheidung aber keine Rede sein. Welche Feststellungen vom Berufungsgericht trotz Neuerungsverbots (§ 482 ZPO) zu treffen gewesen wären, lässt die Revision zudem offen.

[20] 3.2.1 Weiters seien die Vorentscheidungen nach Ansicht des Revisionswerbers gemäß § 477 Abs 1 Z 2 ZPO nichtig, weil die Geschäftsverteilungen des Erst- und des Berufungsgerichts gegen den Grundsatz der festen Geschäftsverteilung nach Art 87 Abs 3 B-VG verstoßen würden.

[21] 3.2.2 Der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 2 ZPO liegt nach der Rechtsprechung auch dann vor, wenn die generelle Norm der Geschäftsverteilung gegen eine Verfassungsnorm verstieß (vgl RS0039915), zumal die Festlegung der Geschäftsverteilung durch den Personalsenat ein Akt der Gerichtsbarkeit ist und nicht als solche von einer Partei angefochten werden kann (vgl RS0053522, RS0053547; 3 Ob 109/18b).

[22] Die Geltendmachung einer Nichtigkeit begründet aber nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, wenn der Nichtigkeitsgrund tatsächlich gegeben ist (RS0043067 [T1, T2]); das ist hier nicht der Fall.

[23] 3.2.3 Die behauptete Verfassungswidrigkeit der Geschäftsverteilung des Erstgerichts und die daraus abgeleitete Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens kann schon grundsätzlich nicht zur Begründung der Revision herangezogen werden:

[24] Ist das Berufungsgericht – wie hier – in die Prüfung der Frage einer allfälligen im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufenen Nichtigkeit eingetreten und hat eine solche verneint, ist die Wahrnehmung dieser Nichtigkeit im Verfahren dritter Instanz nicht mehr möglich (vgl RS0042981, RS0043405 uvm).

[25] 3.2.4 Fehler der Geschäftsverteilung sind so wie Prozessvoraussetzungsmängel nach §§ 260 und 261 ZPO zu behandeln (vgl 8 Ob 109/14h = RS0130249 [zur Rechtslage vor der Novelle BGBl I Nr 94/2015]; 3 Ob 109/18b).

[26] Da hier keine mündliche Berufungsverhandlung stattgefunden hat, ist eine erstmalige Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach § 477 Abs 1 Z 2 ZPO betreffend das Berufungsverfahren mit Revision grundsätzlich zulässig.

[27] Auch wenn an den Inhalt der Rüge keine besonderen Anforderungen zu stellen sind, hat der Rechtsmittelwerber aber schlüssig darzutun, worin die seiner Ansicht nach vorliegende Verletzung der Geschäftsverteilung bzw des Art 87 Abs 3 B-VG besteht (vgl RS0125783).

[28] Mit der pauschalen Behauptung einer unklaren Zuweisung der anfallenden Rechtssachen und der Unzulässigkeit der Bildung eines Senats aus Vorsitzendem und seinem Stellvertreter vermag der Revisionswerber jedoch keinen Nichtigkeitsgrund zur Darstellung zu bringen (zur Geschäftsverteilung desselben Berufungsgerichts s bereits 1 Ob 36/13w).

[29] Soweit der Revisionswerber beanstandet, dass sich die Geschäftsverteilung nicht im Rechtsinformationssystem findet, ist er auf § 4 Abs 2 iVm § 22 GeO und § 27 Abs 4 iVm § 47 Abs 2 GOG zu verweisen, wonach (nur) eine Geschäftsverteilungsübersicht an der Gerichtstafel anzuschlagen ist; eine Veröffentlichung im Internet ist nicht erforderlich (vgl 3 Ob 4/18m).

[30] 4. Im Ergebnis ist die Revision sohin mangels Geltendmachung von erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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