OGH 4Ob213/24p

OGH4Ob213/24p25.2.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch die Gheneff – Rami – Sommer Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei *, vertreten durch Mag. Peter Akkad, Rechtsanwalt in Wels, wegen Unterlassung und Veröffentlichung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. November 2024, GZ 33 R 121/24t‑16, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00213.24P.0225.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Urheberrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin ist Tierärztin und Hundezüchterin. Die von ihr gezüchteten Welpen bietet sie auf einer Internet‑Plattform zum Verkauf an.

[2] Im Jänner 2024 veröffentlichte die Klägerindrei Inserate, mit denen sie Welpen mit der Fellfarbe „blue merle“ anbot. Jedes Inserat enthielt ein Lichtbild, das die Welpen zeigte. Die Klägerin ist Werknutzungsberechtigte der Lichtbilder in den ersten beiden Inseraten und Urheberin des Lichtbilds im dritten Inserat.

[3] Die Beklagte übernahm die Inserate der Klägerin samt den Lichtbildern in drei Postings, die sie in einem sozialen Netzwerk veröffentlichte.

[4] Zum ersten Inserat samt Lichtbild ergänzte sie:

„Wieder ein Wurf Mischlinge aus der Massenproduktion */[Klägerin][…] natürlich nicht zum Schnäppchenpreis.“

[5] Zum zweiten Inserat samt Lichtbild gab sie an:

„* und anderen Zuchtverbänden soll die Zucht von blue merle Welpen egal welche Rasse verboten werden […] da Qualzucht! […] Wenn man aber eine Massenzucht betreibt und teure Mischlinge produziert und mit * verwandt ist, ist das scheinbar kein Problem! […] Wo ist da der Tierschutz? […] Was ist mit den Medien und Parteien? […] Teilen erwünscht! […]

[6] Zum dritten Inserat samt Lichtbild hielt sie fest:

„Tierschutzombudsstelle Wien gilt offenbar nur für seriöse Züchter […]; wenn man * heißt ist das kein Problem blue Merle Mischlinge zu produzieren […]

[7] Die Klägerin begehrte, gestützt auf die Bestimmungen des UrhG, der Beklagten die Vervielfältigung und Veröffentlichung der drei in den Inseraten enthaltenen Lichtbilder zu verbieten, die Zahlung von 3.270 EUR sA Schadenersatz gemäß § 87 Abs 3 UrhG (1.090 EUR sA pro Lichtbild) sowie die Urteilsveröffentlichung.

[8] In Abänderung des (das Klagebegehren zur Gänze abweisenden) Ersturteils gab das Berufungsgericht dem auf das erste Lichtbild bezogenen Unterlassungs‑ und Zahlungsbegehren rechtskräftig statt. Dagegen bestätigte es die Abweisung des Mehrbegehrens. Die Veröffentlichung des zweiten und dritten Lichtbilds als Teil der in den Postings der Beklagten wiedergegebenen Inserate der Klägerin sei ein zulässiges Zitat gewesen (§ 42f UrhG). Die gebotene Abwägung des Schutzinteresses der Klägerin mit dem Interesse der Beklagten an der Ausübung ihres durch Art 10 MRK garantierten Rechts auf freie Meinungsäußerung schlage zugunsten der Beklagten aus. Die Klägerin habe auch kein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung des (rechtskräftigen) stattgebenden Teils des Urteilsspruchs.

[9] Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

[10] Die gegen den die erstgerichtliche Abweisung des Klagebegehrens bestätigenden Teil des Berufungsurteils gerichtete außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:

Rechtliche Beurteilung

[11] 1. Die von der Klägerin geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO) wurde vom Obersten Gerichtshof geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[12] 2.1. Die Klägerin meint, das Berufungsgericht sei bei der im Rahmen des § 42f UrhG gebotenen Interessenabwägung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen, nach der unwahre Tatsachenbehauptungen nicht in den Schutzbereich des Art 10 MRK fallen (vgl RS0032201; RS0075601; RS0107915). Die Beklagte habe ihr eine „Qualzucht“ vorgeworfen. Dieser Vorwurf sei falsch, habe doch das Erstgericht zur Frage, ob die auf den Lichtbildern abgebildeten Welpen durch eine Qualzucht zustande gekommen seien, eine Negativfeststellung getroffen.

[13] 2.2. Wie eine Äußerung zu verstehen ist, hängt nach der Rechtsprechung von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der konkreten Formulierung in ihrem Zusammenhang (RS0115693 [T1]; RS0031883 [T6]). Beurteilungsmaßstab ist das Verständnis des angesprochenen Publikums (RS0115693), konkret des unbefangenen Durchschnittslesers und ‑hörers (RS0031883). Nach diesen Grundsätzen ist auch zu ermitteln, ob durch eine Äußerung Tatsachen verbreitet wurden oder Werturteile (RS0031815; RS0031883). Erhebliche Rechtsfragen stellen sich in diesem Zusammenhang regelmäßig nicht (vgl RS0031883 [T28]; RS0113943 [T1]); nur eine krasse Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts wäre aufzugreifen (RS0113943 [T2]).

[14] 2.3. Das Berufungsgericht hat die (im zweiten Posting enthaltenen) Äußerung der Beklagten, die Züchtung von „Blue‑Merle“‑Hundewelpen solle verboten werden, weil es sich um eine „Qualzucht“ handle, nicht strikt im Sinne des § 5 Abs 2 Z 1 TSchG verstanden, sondern ihm den Inhalt beigemessen, dass die Beklagte damit – wenn auch mit drastischen Worten – auf die ihrer Meinung nach bestehende Gefahr gesundheitlicher Probleme bei diesen Hundewelpen hingewiesen und die unternehmerische Tätigkeit der Klägerin kritisiert habe. Darin ist jedenfalls keine im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung zu erblicken. Die Klägerin behauptet das auch nicht, sondern nimmt ohne nähere Begründung – insbesondere ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit den Argumenten des Berufungsgerichts – an, dass der Vorwurf der „Qualzucht“ eine Tatsachenbehauptung sei. Das reicht nicht aus, um eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.

[15] 3.1. Die Klägerin meint pauschal, es gebe keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs „zu § 57 Abs 2 UrhG iZm Bildzitaten“. Damit legt sie nicht einmal eine konkrete Rechtsfrage dar, von deren Lösung die Entscheidung iSd § 502 Abs 1 ZPO abhängen könnte.

[16] 3.2. Auch das weitere Vorbringen zu § 57 Abs 2 UrhG kann die Zulässigkeit der Revision nicht begründen: Ob eine Quellenangabe entsprechend deutlich iSd § 57 Abs 2 UrhG erfolgte, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und ist – abgesehen vom Fall einer gravierenden Fehlbeurteilung – keine erhebliche Rechtsfrage (4 Ob 80/21z zum Herstellerhinweis nach § 74 Abs 3 UrhG, der einen ähnlichen Sinn und Zweck wie die Quellenangabe hat). Die Klägerin führt zwar aus,warum die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, nach der die Beklagte die Quelle der Lichtbilder aufgrund der Wiedergabe der Inserate der Klägerin ausreichend deutlich angegeben habe, ihrer Meinung nach unrichtig sei. Dass dem Berufungsgericht aber eine auch im Einzelfall korrekturbedürftige gravierende Fehlbeurteilung unterlaufen sei, behauptet sie nicht.

[17] 4.1. Schließlich argumentiert die Klägerin, die Abweisung des auf das erfolgreiche Unterlassungsbegehren bezogenen Veröffentlichungsbegehrens entferne sich von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Sie will aus der Entscheidung 4 Ob 107/18s ableiten, bereits deshalb ein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung iSd § 85 UrhG zu haben, weil die Beklagte den falschen Eindruck erweckt habe, die Zustimmung der Klägerin zur Veröffentlichung des Lichtbilds eingeholt zu haben.

[18] 4.2. Wird einem in § 85 UrhG aufgezählten Begehren stattgegeben, ergibt sich daraus nach der Rechtsprechung noch nicht zwingend die Berechtigung der Urteilsveröffentlichung; vielmehr ist in jedem Einzelfall das berechtigte Interesse des Klägers daran zu prüfen (RS0077300). Entscheidend ist sein schutzwürdiges Interesse an der Aufklärung des Publikums im begehrten Ausmaß (RS0079737). An der bloßen Information der Öffentlichkeit über die Widerrechtlichkeit der Veröffentlichung eines Lichtbilds besteht kein berechtigtes Interesse. Ein Veröffentlichungsbegehren ist nur dann gerechtfertigt, wenn sich aus der zu veröffentlichenden Unterlassungsverpflichtung (zusätzlich zur widerrechtlichen Veröffentlichung eines Lichtbilds) der konkrete Zusammenhang zu einer Verletzung von Urheber‑ oder Leistungsschutzrechten oder aber zu einer persönlichkeitsverletzenden Aussage in einem Bildbegleittext ergibt und durch die Veröffentlichung auch über diesen Verletzungszusammenhang aufgeklärt wird (RS0077338 [T5]; RS0077343 [T2]). Die Urteilsveröffentlichung hat keinen Strafcharakter (RS0077294).

[19] 4.3. Das Berufungsgericht ist zum Ergebnis gekommen, dass eine Veröffentlichung in der von der Klägerin beantragten Form – in der nur das Lichtbild ohne das Posting der Beklagten zu sehen wäre – die Öffentlichkeit nur auf die unbefugte Veröffentlichung des Lichtbilds hinzuweisen könnte, ohne konkret den Kontext darzulegen, in dem die Verletzungshandlung passiert sei, und dass daran kein berechtigtes Interesse bestehe. Diese Beurteilung hält sich im Rahmen der dargelegten Rechtsprechung. Der von der Klägerin behauptete Widerspruch zu 4 Ob 107/18s besteht nicht, führte das dortige Unterlassungsbegehren doch den konkreten Kontext der Urheberrechtsverletzung an.

[20] 5. Weitere Rechtsfragen spricht die außerordentliche Revision nicht an. Sie ist daher zurückzuweisen.

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