OGH 3Nc12/25g

OGH3Nc12/25g12.5.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Mag. Schober als weitere Richter in der Ordinationssache der betreibenden Partei G*, vertreten durch die Summer Schertler Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in Bregenz, gegen die verpflichtete Partei L*, Malta, wegen 621.229,70 EUR sA, über den Antrag auf Ordination nach § 28 JN den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0030NC00012.25G.0512.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Für die Bewilligung und den Vollzug der von der betreibenden Partei beabsichtigten Forderungsexekution wird das Bezirksgericht Feldkirch als örtlich zuständiges Gericht bestimmt.

Der Antrag der betreibenden Partei auf Kostenzuspruch wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der in Vorarlberg wohnhafte Betreibende hat gegen die Verpflichtete, eine Gesellschaft mit Sitz in Malta, ein rechtskräftiges und vollstreckbares Urteil auf Rückzahlung von Spielverlusten erwirkt.

[2] In seinem auf § 28 Abs 1 Z 2 JN gestützten Ordinationsantrag macht er zusammenfassend geltend, dass sich die Verpflichtete weigere, das Urteil zu erfüllen, weshalb er beabsichtige, ihre Bankguthaben bei mehreren (namentlich genannten) maltesischen Banken in Exekution zu ziehen. Eine Exekutionsführung in Malta sei ihm aber weder zumutbar noch möglich, weil die maltesischen Gerichte unter Berufung auf Art 56a des maltesischen Glücksspielgesetzes (Kap 583 [Gaming Act]) die Anerkennung und Vollstreckung österreichischer Urteile in Glücksspielfällen ablehnten und sich zudem weigerten, die Frage der Vereinbarkeit dieser Bestimmung mit dem Unionsrecht dem EuGH vorzulegen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der Ordinationsantrag ist berechtigt.

[4] 1. Vorauszuschicken ist, dass dem Antrag zwar kein Exekutionsantrag angeschlossen ist. Es reicht aber aus, wenn der zu betreibende Anspruch im Ordinationsantrag ausreichend individualisiert wird (RS0036093 [T4]; 3 Nc 26/13y). Das ist hier der Fall. Es bedarf auch weder der Angabe der Kontonummer noch der genauen Höhe der in Exekution zu ziehenden Forderungen. Grundsätzlich steht auch die Inanspruchnahme mehrerer Bankinstitute als Drittschuldner der Exekutionsführung nicht entgegen (3 Ob 180/14p Pkt 2.6.3.).

[5] 2. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Ordination auch in Exekutionssachen zulässig, wenn es an einem (international) örtlich zuständigen inländischen Gericht mangelt (RS0053178) und eine der in § 28 Abs 1 JN normierten Voraussetzungen vorliegt (3 Nc 78/24m Rz 4 ua).

[6] 3. Die Grundvoraussetzung jeder Ordination nach § 28 Abs 1 JN, dass für die betreffende Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind (RS0108569), ist hier im Hinblick auf § 4 Abs 1 EO gegeben (3 Nc 72/24d Rz 12).

[7] Klarzustellen ist nur, dass in der hier zu beurteilenden Konstellation des § 28 Abs 1 Z 2 JN die inländische Gerichtsbarkeit (im Sinn der internationalen Zuständigkeit) der österreichischen Gerichte durch die Ordinationsentscheidung geschaffen wird, weshalb es – anders als das die Rechtssätze RS0118239 und RS0046326 (T2) suggerieren – keines weiteren Anknüpfungspunktes zu Österreich bedarf (3 Nc 77/24i Rz 9; 3 Nc 78/24m Rz 9). Ein „Hineinreichen“ der zu pfändenden Forderung ins Inland ist somit nicht erforderlich (3 Nc 72/24d Rz 11, 14).

[8] 4. Auch die besonderen Voraussetzungen des § 28 Abs 1 Z 2 JN sind erfüllt.

[9] 4.1. Nach dieser Vorschrift ist die Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichts durch den Obersten Gerichtshof (nur) zulässig, wenn der Betreibende – wie hier – österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre (3 Nc 44/24m Rz 3 ua). Im Anwendungsbereich der EuGVVO ist eine Ordination für Verfahren gegen Parteien, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, zwar nur in Ausnahmefällen möglich (RS0053178 [T3, T7]). Ein solcher Fall liegt aber vor, wenn der Versuch einer Exekutionsführung im Ausland gescheitert ist oder die beabsichtigte zwangsweise Rechtsdurchsetzung nach der Rechtsprechung im anderen Mitgliedstaat generell nicht bewilligt würde (3 Nc 77/24i Rz 7; 3 Nc 35/24p Rz 4).

[10] 4.2. Der Senat bejaht in mittlerweile ständiger Rechtsprechung die Voraussetzungen des § 28 Abs 1 Z 2 JN für die Durchsetzung von in Österreich erwirkten Urteilen, mit denen maltesische Glücksspielanbieter zur Rückzahlung von Spielverlusten verpflichtet wurden, weil die maltesischen Gerichte deren Vollstreckung unter Hinweis auf den mit Gesetz Nr XXI/2023 zur Anpassung des Glücksspielgesetzes geschaffenen Art 56a des maltesischen Glücksspielgesetzes ablehnen. Überdies weigern sich die maltesischen Gerichte, die von Betreibenden mit guten Gründen vertretene Unionsrechtswidrigkeit des neuen maltesischen Gesetzes – zufolge Verstoßes gegen die Freizügigkeit europäischer gerichtlicher Entscheidungen, insbesondere gegen Art 36 ff und Art 45 f EuGVVO 2012 – vom EuGH im Weg eines Vorabentscheidungsverfahrens prüfen zu lassen. Es ist daher davon auszugehen, dass Exekutionen gegen maltesische Glücksspielanbieter aufgrund österreichischer Urteile in Malta derzeit nicht bewilligt werden und die Rechtsdurchsetzung in Malta daher jedenfalls unzumutbar ist. Der Betreibende hätte zwar noch die Möglichkeit, bei der Europäischen Kommission die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Malta anzuregen. Da auf die Einleitung eines solchen Verfahrens aber kein Rechtsanspruch besteht, wird durch diese Möglichkeit die Unzumutbarkeit der Rechtsdurchsetzung nicht beseitigt (stRsp: 3 Nc 41/24w Rz 4; 3 Nc 44/24m Rz 4; 3 Nc 77/24i Rz 8; 3 Nc 78/24m Rz 8).

[11] 5. Ausgehend davon erweist sich der Ordinationsantrag als berechtigt.

[12] Ob die beabsichtigte Exekutionsführung aufgrund der Situierung sowohl der Drittschuldner als auch der Verpflichteten in Malta erfolgversprechend sein kann, ist im Rahmen der Ordination nicht zu prüfen (3 Nc 72/24d Rz 16; vgl auch 3 Nc 78/24m Rz 10).

[13] 6. Unter Bedachtnahme auf die maßgeblichen Kriterien der Sach- und Parteinähe bzw der Zweckmäßigkeit (vgl RS0106680 [T13]) ist im Hinblick auf den Wohnsitz des Betreibenden das Bezirksgericht Feldkirch als zuständiges Gericht zu bestimmen.

[14] 7. Im einseitigen Ordinationsverfahren findet ein Kostenersatz nicht statt (RS0114932; 3 Nc 10/24m Rz 8 ua).

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