OGH 17Ob17/24k

OGH17Ob17/24k3.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Präsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Stefula und MMag. Sloboda, die Hofrätin Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI Mag. Michael Neuhauser, Rechtsanwalt, Esslinggasse 7, 1010 Wien, als Masseverwalter im Insolvenzverfahren des R* zu AZ *, vertreten durch die Stapf Neuhauser Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. B*, vertreten durch die Appiano & Kramer Rechtsanwälte Gesellschaft m.b.H. in Wien, wegen Anfechtung, Rechnungslegung und Zahlung (Streitwert 191.000 EUR sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. September 2024, GZ 3 R 73/24p-38, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0170OB00017.24K.0303.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Insolvenzrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte ist die Ehefrau von R*, über dessen Vermögen mit Beschluss vom 28. 9. 2021 ein Konkursverfahren eröffnet wurde (idF: der Insolvenzschuldner); der Kläger ist der Masseverwalter.

[2] Die Eheleute realisierten einerseits verschiedene Filmprojekte gemeinsam, und zwar mittels der 2001 gegründeten * GesmbH. Während zunächst beide Geschäftsführer und Gesellschafter waren, schied die Beklagte im Jahr 2008 als Geschäftsführerin und im Februar 2016 als Gesellschafterin aus. Über die GmbH wurde mit Beschlüssen vom 11. 7. 2007 ein erstes Konkursverfahren eröffnet, das mit einem Zwangsausgleich endete, mit 29. 6. 2016 ein zweites Konkursverfahren, das in einem Sanierungsplan mündete, und mit 14. 11. 2022 ein drittes Konkursverfahren, das letztlich zur Schließung des Unternehmens führte.

[3] Andererseits betrieben die Eheleute eine gewerbliche Kurzzeitvermietung von Wohnungen im Rahmen einer GesbR. Im Jahr 2003 erwarben sie zu diesem Zweck sechs Wohnungseigentumsobjekte in einem Haus jeweils zur Hälfte in Form einer Eigentümerpartnerschaft. Elf weitere Wohnungseigentumsobjekte in einem anderen Haus standen im Alleineigentum des Insolvenzschuldners. Zur Finanzierung schlossen die Eheleute in den Jahren 2003 bis 2016 als Solidarschuldner mehrere Kreditverträge ab, für deren Besicherung sie auch die Liegenschaftsanteile verpfändeten.

[4] Mit Notariatsakt vom 12. 11. 2015 schenkte der Insolvenzschuldner der Beklagten (ua) seinen Hälfteanteil an den sechs Wohnungseigentumsobjekten.

[5] Während das Erstgericht eine vom Kläger auf § 28 Z 1 IO gestützte Anfechtungs‑(stufen‑)klage betreffend die sechs Hälfteanteile mangels Benachteiligungsabsicht abwies, gab das Berufungsgerichtder Klage (mittels Teilurteil) statt. Es erklärte die Schenkung der Hälfteanteile gegenüber den Gläubigern des Insolvenzschuldners für unwirksam und verpflichtete die Beklagte, in die Einverleibung des Eigentumsrechts des Insolvenzschuldners einzuwilligen sowie über die Einnahmen aus der Vermietung im Zeitraum 12. 11. 2015 bis 31. 12. 2022 Rechnung zu legen. In Stattgebung der Beweisrüge des Klägers traf es – nach Beweiswiederholung – folgende Ersatzfeststellung: „Bei Abschluss des Schenkungsvertrags am 12. 11. 2015 handelte der Insolvenzschuldner mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, und war dies der Beklagten auch bekannt. Ziel war, die vermieteten Eigentumswohnungen aus dem Risiko von möglichen Haftungen im Zusammenhang mit der * GesmbH zu bekommen, indem die Wohnungen nun im Alleineigentum der Beklagten stehen sollten, die, nachdem sie bereits 2008 ihre Geschäftsführungstätigkeit zurückgelegt hatte, in der Folge auch ihre Geschäftsanteile an der * GesmbH an den Insolvenzschuldner übergab. Mit dieser Vorgehensweise wollten der Insolvenzschuldner und die Beklagte sich die Chance auf mögliche Steigerungen der Werte der Wohnungen, die die damit besicherten Bankkredite übersteigen, unabhängig von den Risiken der * GesmbH wahren.“

Rechtliche Beurteilung

[6] Die außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig und daher zurückzuweisen.

[7] 1. Die Richtigkeit von Feststellungen kann vom Obersten Gerichtshof, der keine Tatsacheninstanz ist, nicht überprüft werden (RS0042903 [T5]). Die Beweiswürdigung kann daher im Revisionsverfahren nicht angefochten werden (vgl RS0043371). Dies gilt auch für den Fall, dass ein Gericht zweiter Instanz bei Behandlung einer Beweisrüge nach Beweiswiederholung von den Feststellungen des Erstgerichts abgeht und so eine neue Tatsachengrundlage schafft (RS0123663).

[8] 2.1. Die Revision macht insofern geltend, dass das Berufungsgericht im Rahmen der Beweiswiederholung tragende Grundsätze des Verfahrensrechts außer Acht gelassen hätte und damit Verfahrensfehler der zweiten Instanz von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO vorlägen (vgl RS0041032, RS0041365).

[9] 2.2. Soweit die Beklagte beanstandet, dass sich das Berufungsgericht nicht (nachvollziehbar) mit ihrer in der Berufungsbeantwortung enthaltenen Mängel- und Beweisrüge auseinandergesetzt habe, ist ihr jedoch entgegenzuhalten, dass sie zur Schenkung dieselbe Feststellung bekämpfte wie der Kläger. Aus einer Gesamtschau der Punkte 1.4. und 1.5.1. des Berufungsurteils ist klar ersichtlich, dass und warum das Berufungsgericht keine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens annahm und hinsichtlich der Beweisrüge der Argumentation des Klägers und nicht jener der Beklagten folgte. Ein (noch dazu relevanter) Begründungsmangel liegt insoweit nicht vor.

[10] 2.3. Weiters bemängelt die Beklagte, dass das Berufungsgericht sie zu einer Beweisergänzung geladen, tatsächlich jedoch eine Beweiswiederholung im Sinne einer Neudurchführung abgehalten habe. Einen prozessualen Nachteil leitet sie daraus jedoch nicht ab. Soweit sie an anderer Stelle eine unvollständige und mangelhafte Beweiswiederholung rügt, weil das Berufungsgericht keine expliziten Vorhalte gemacht habe, lässt sie offen, inwieweit sie an ihrer eigenen Aussage oder einer Fragestellung gehindert worden wäre. Welche Feststellung Thema der Berufungsverhandlung sein wird und wer dazu (neuerlich) vernommen werden soll, wurde bereits in der Ladung klargestellt, sodass kein Fall einer verpönten „Überrumpelung“ vorliegt (vgl RS0040334). Auch die Prozessleitungspflicht nach §§ 182, 182a ZPO geht nicht so weit, dass das Gericht zu erkennen geben müsste, welchen Beweisergebnissen es Glauben schenken werde (vgl RS0036869).

[11] 2.4. Regelbeweismaß ist nicht die von der Beklagten geforderte „definitive Überzeugung“, sondern die hohe Wahrscheinlichkeit (vgl RS0110701). Einem solchen Regelbeweismaß wohnt eine gewisse Bandbreite inne, sodass es sowohl von den objektiven Umständen des Anlassfalls als auch von der subjektiven Einschätzung des Richters abhängt, wann er diese „hohe“ Wahrscheinlichkeit als gegeben sieht (RS0110701 [T3]). Auch wenn das Berufungsgericht nur an anderer Stelle auf dieses Regelbeweismaß verwies, ergibt sich aus seiner Begründung sehr wohl ein hoher Grad der Überzeugung und gerade nicht, dass es hinsichtlich der Benachteiligungsabsicht und deren Kenntnis ein unrichtiges Beweismaß zu Lasten der Beklagten angewendet hätte.

[12] 2.5.1. Schließlich moniert die Beklagte, dass das Berufungsgericht von einem Indizienbeweis ausgegangen sei, obwohl die rechtlichen Voraussetzungen dafür nicht vorgelegen seien.

[13] Die Annahme, dass eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt bestimmte Umstände kannte oder nicht, gewisse Vorstellungen besaß oder nicht und willensmäßig konkrete Zielsetzungen verfolgte oder nicht, gehört in den Bereich der Tatsachenfeststellungen (RS0043601). Dies gilt sohin auch für die Benachteiligungsabsicht des Insolvenzschuldners und die Kenntnis der Beklagten davon (vgl RS0064178, RS0043601 [T2], RS0043680 [T1]).

[14] Vom Beweis des ersten Anscheins ist der Indizienbeweis streng zu trennen, der darauf gerichtet ist, durch den Beweis bestimmter Hilfstatsachen dem Gerichte die volle Überzeugung des Vorhandenseins der direkt nicht oder nur schwer zu beweisenden Haupttatsache zu vermitteln (RS0040290; 2 Ob 248/23v). Die Frage, ob ein Indizienbeweis erbracht worden ist, ist eine solche der Beweiswürdigung, die vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden kann (vgl RS0040278 [T1], RS0043521 [T3], RS0043500 [T2], RS0043136).

[15] Gerade hinsichtlich innerer seelischerZustände, einer bestimmten Willensrichtung oder eines bestimmten Wissensstands – wie hier der Benachteiligungsabsicht und ihrer Kenntnis – sind logische Schlussfolgerungen aus äußeren Umständen sohin zulässig und ein Akt der Beweiswürdigung (vgl RS0043604, RS0043196, RS0115378, RS0043961).

[16] 2.5.2. Die Revision führt insoweit ins Treffen, dass der Insolvenzschuldner maßgebliche Teile seines Vermögens gerade nicht verschenkt habe und steuerliche sowie sonstige Gründe für eine Schenkung der Hälfteanteile noch im Jahr 2015 gesprochen hätten; weiters, dass zu seiner materiellen Insolvenz, dem Stand seines Verrechnungskontos bei der GmbH, (sonstigen) Schulden sowie zu potentiellen künftigen Gläubigern, dem Wert bzw einer Überbelastung der Liegenschaften und der Besicherung der Kredite im Zeitpunkt der Schenkung Negativ- oder überhaupt keine Feststellungen getroffen worden seien.

[17] Damit macht sie aber keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens oder eine Rechtsfrage geltend, sondern greift die Tatsachenfeststellungen zur Benachteiligungsabsicht und deren Kenntnis sowie die diesen zugrunde liegende Beweiswürdigung an, was im Revisionsverfahren, wie eingangs dargelegt, auch bei einem Indizienbeweis unzulässig ist.

[18] Dies gilt grundsätzlich ebensofür den Vorwurf, dass das Berufungsgericht die Gläubiger der Gesellschaft mit jenen des Insolvenzschuldners gleichgesetzt und damit die Trennungstheorie im GmbH-Recht außer Acht gelassen habe. Damit verstieß es auch nicht gegen zwingende Denkgesetze oder Rechtsvorschriften, sind gerade bei einer personalistisch geprägten GmbH wie der vorliegenden persönliche Haftungen eines Geschäftsführer-Gesellschafters – sei es wegen einer Bürgschaft oder aufgrund von § 25 GmbHG – keineswegs denkunmöglich. Im Anfechtungsrecht ist zudem eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten (vgl RS0111460 [T6]).

[19] Schließlich ist gleichgültig, welche Gläubiger der Schuldner benachteiligen wollte: gegenwärtige, künftige, bestimmte, unbestimmte, alle oder einige (RS0050623 [T2]). Dass zu verschiedenen Aspekten der finanziellen Situation des Insolvenzschuldners im Schenkungszeitpunkt keine oder Negativfeststellungen getroffen wurden, schließt eine (anfechtungsrelevante) Benachteiligungsabsicht daher nicht aus. Als Gläubiger kommen im Übrigen nicht nur solche der GmbH aufgrund von persönlichen Haftungen in Betracht, sondern ebenso die GmbH selbst. Auch wenn der Stand des Verrechnungskontos des Insolvenzschuldners zum 12. 11. 2015 nicht festgestellt werden konnte, handelte es sich bei der GmbH zumindest um eine potentielle – und unbesicherte – Gläubigerin (die mit 30. 6. 2016 bereits eine Forderung von 327.870,45 EUR gegen den Insolvenzschuldner hatte).

[20] 3. Voraussetzung für eine Anfechtung nach § 28 Z 1 IO ist neben der – vom Berufungsgericht festgestellten – Absicht und deren Kenntnis eine Gläubigerbenachteiligung sowie eine Befriedigungstauglichkeit der Anfechtung (vgl RS0064333 [T2]).

[21] Das Berufungsgericht bejahte eine Befriedigungstauglichkeit unter Verweis auf die – unbekämpften – Feststellungen des Erstgerichts, laut denen sich bei einer Verwertung der Liegenschaftsanteile selbst unter Berücksichtigung der Pfandrechte ein Überschuss ergebe, was von der Revision nicht in Zweifel gezogen wird.

[22] Das Berufungsgericht legte – von der Beklagten unbekämpfte – Negativfeststellungen des Erstgerichts zur Überbelastung der Liegenschaftsanteile im Schenkungszeitpunkt im Sinne der Rechtsprechung (vgl 4 Ob 306/98y) zu ihren Lasten aus. Die Revision setzt sich mit dieser Rechtsansicht nicht näher auseinander, sondern beanstandet nur, dass die Negativfeststellungen vom Erstgericht im Hinblick auf die fehlende Benachteiligungsabsicht getroffen worden sei und vom Berufungsgericht nicht hätte übernommen werden dürfen, zumal sich die Überbelastung schon aus der Bestellung von Simultanpfandrechten ergebe, der Insolvenzschuldner auch nicht aus der persönlichen Haftung entlassen worden sei, und es keine Feststellungen zum Wert der Liegenschaftsanteile und der Höhe der Verbindlichkeiten im Zeitpunkt der Schenkung gebe.

[23] Eine in zweiter Instanz versäumte Rüge kann in der Revision jedoch nicht mehr nachgeholt werden (vgl RS0043111), und auch sonst wird damit keine erhebliche Rechtsfrage des materiellen Rechts oder Verfahrensrechts iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt.

[24] 4.1 Schließlich bringt die Revision (erstmalig) vor, dass das Rechnungslegungsbegehren unschlüssig sei, weil es sich nur auf „Einnahmen“, nicht aber auch auf liegenschaftsbezogene Ausgaben und Überschüsse beziehe.

[25] 4.2 Wurden bestimmte Rechtshandlungen erfolgreich angefochten oder besteht der Anfechtungsanspruch dem Grunde nach zu Recht, hat der Masseverwalter gegen den Anfechtungsgegner einen Anspruch auf Rechnungslegung nach Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO (vgl RS0106847, RS0035051). Der Kläger verwies dazu bereits in seiner (Stufen-)Klage auf (richtig:) § 39 Abs 2 IO und die Stellung der Beklagten als unredliche Besitzerin. Zwar hat auch der unredliche Bereicherungsschuldner nicht alle Vorteile herauszugeben, wenn er einen gewichtigen eigenen Beitrag für die Vermögensvermehrung leistete; dafür ist jedoch der Bereicherungsschuldner behauptungs- und beweispflichtig (vgl RS0107346 [T3]). Weder erstattete die Beklagte ein dahingehendes Vorbringen, noch macht sie (Aufwandsersatz-)Ansprüche iSd § 41 IO geltend (s dazu 7 Ob 49/08v).

[26] Eine Unschlüssigkeit des Rechnungslegungsbegehrens oder sonst eine erhebliche Rechtsfrage wird von der Revision auch in diesem Zusammenhang nicht aufgezeigt, sodass sie daher als unzulässig zurückzuweisen ist.

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