OGH 10Ob15/25s

OGH10Ob15/25s30.7.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden, den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi sowie die Hofräte Dr. Steger, Dr. Annerl und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*, vertreten durch Hochedlinger Luschin Marenzi Kapsch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. J*, und 2. Mag. E*, beide vertreten durch Mag. Petra Cernochova, Rechtsanwältin in Wien, wegen 2.813,79 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 22. November 2024, GZ 40 R 181/24z‑19, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 29. Juli 2024, GZ 5 C 742/23h‑13, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0100OB00015.25S.0730.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Bestandrecht, Klauselentscheidungen, Konsumentenschutz und Produkthaftung, Unionsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 662,48 EUR (darin enthalten 110,41 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin als Mieterin schloss am 4. 3. 2021 mit den Beklagten als Vermietern einen Mietvertrag über eine (unter § 1 Abs 4 Z 2 MRG fallende) Dachgeschoßwohnung, beginnend am 15. 3. 2021, für die Dauer von 10 Jahren und 16 Tagen.

Punkt III.2. des Mietvertrags lautet:

Der frei vereinbarte Nettohauptmietzins beträgt EUR 1.246,-. Es wird die Wertbeständigkeit des vereinbarten Hauptmietzinses vereinbart. Die Wertsicherung erfolgt derzeit nach dem von der Bundesanstalt Statistik Österreich monatlich verlautbarten Verbraucherpreisindex 2010 (VPI 2010). Der Hauptmietzins erhöht und vermindert sich in jenem Ausmaß, in dem sich der Verbraucherpreisindex gegenüber dem Monat Mai 2017 verändert, wobei eine Veränderung der Indexzahl bis einschließlich 3 Prozent jeweils unberücksichtigt bleibt. Wird jedoch die Schwellgrenze über- oder unterschritten, so wird die gesamte Veränderung voll berücksichtigt.

Sollte der genannte Index nicht mehr veröffentlicht werden, sind die Vermieter berechtigt, die Wertsicherungsvereinbarung durch einen entsprechenden Nachfolgeindex zu ersetzen.

Sollte dereinst überhaupt kein vom wirtschaftlichen Ergebnis her vergleichbarer Index mehr verlautbart werden, so ist die Wertsicherung durch einen von den Vertragspartnern einvernehmlich zu bestellenden Sachverständigen nach jenen Grundsätzen zu ermitteln, die zuletzt von der Bundesanstalt Statistik Austria angewendet wurden, sodass die Kaufkraft des ursprünglich vereinbarten Betrages erhalten bleibt. Einigen sich die Parteien nicht binnen vier Wochen auf die Person eines geeigneten Sachverständigen, so ernennt ihn über Antrag jedes Vertragsteiles der Präsident des Handelsgerichts Wien. Sollte die Benennung nicht binnen vier Wochen nach dem Ersuchen erfolgen, ist der Antrag auf Bestimmung des Sachverständigen an die Kammer der Wirtschaftstreuhänder zu richten.

Ein Verzicht bedarf einer ausdrücklich darauf gerichteten Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien.

[2] Der Erstbeklagte bediente sich für den schriftlichen Mietvertrag eines Vertragsmusters („Schimmel“), das nach Errichtung der Dachgeschoßwohnungen 2017 unter anwaltlicher Beteiligung verfasst worden war. Er adaptierte dieses Vertragsmuster durch Einfügen der Daten der Klägerin, des Vertragsbeginns, der Vertragslaufzeit sowie der Mietzinshöhe, übersah jedochden in die Wertsicherungsvereinbarung Vertragspunkt III.2. aufgenommenen Ausgangsmonat Mai 2017 als Ausgangsbasis für die Berechnung von Wertsicherungsanpassungen, sodass dieser im Vertragstext enthalten blieb.

[3] Den solcherart erstellten Vertragsentwurf übermittelte er der Klägerin. Diese überflog den Vertragstext und leitete ihn ihrem Exgatten, einem Rechtsanwalt, weiter. Weder diesem noch der Klägerin fiel dabei der Ausgangsmonat Mai 2017 auf.

[4] Auch bei der Unterfertigung des Mietvertrags fiel den Streitteilen der im Text verbliebene Ausgangsmonat Mai 2017 nicht auf, die einzelnen Konditionen der Wertsicherungsvereinbarung wurden auch im Zuge der Vertragsunterfertigung nicht näher besprochen.

[5] Die Aufnahme des Wertsicherungsberechnungsausgangsmonats Mai 2017 in den Mietvertrag beruhte daher nicht auf dem Wissen und Wollen der Beklagten, sondern auf einem Irrtum. Es kann nicht festgestellt werden, welchen Wertsicherungsausgangsmonat die Streitteiletatsächlich vereinbaren wollten.

[6] Erst dem Hausverwalter der Beklagten fiel in der Folge der ungewöhnliche Anfangsmonat auf. Im Einvernehmen mit den Beklagtennahm er anstelle dieses Monats den Dezember 2020 als Ausgangsmonat in seine Unterlagen auf. Eine Rückfrage bei der Klägerin erfolgte diesbezüglich nicht.

[7] Dabei wählte der Hausverwalter diesen Monat aus, weil der Indexwert für Dezember 2020 im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im März 2021 der zeitlich jüngste fix veröffentlichte Indexwert war und bei Aufnahme der Vertragsdaten in die Datenbank die Eingabe eines fixen Wertsicherungsausgangswerts erforderlich war.

[8] Die Hausverwaltung verständigte die Klägerin von der Erhöhung des Nettohauptmietzinses aufgrund der Wertsicherungsklausel

mit Schreiben vom 14. 2. 2022 per März 2022 mit dem Vergleichswert Dezember 2020 zu November 2021 auf 1.291 EUR,

mit Schreiben vom 13. 6. 2022 per Juli 2022 mit dem Vergleichswert November 2021 zu März 2022 auf 1.340,55 EUR,

mit Schreiben vom 13. 10. 2022 per November 2022 mit dem Vergleichswert März 2022 zu Juli 2022 auf 1.387,20 EUR und schließlich

mit Schreiben vom 14. 3. 2023 per April 2023 mit dem Vergleichswert Juli 2022 zu Dezember 2022 auf 1.430,48 EUR.

[9] Die Klägerin bezahlte die angepassten Mietzinse immer fristgerecht, jedoch seit ihrem an die Beklagten gerichteten Schreiben vom 26. 3. 2023 unter dem ausdrücklichem Vorbehalt der Rückforderung, wobei dieser Vorbehalt nicht begründet wurde.

[10] Die Klägerin begehrt die Zahlung von 2.813,79 EUR sA an zuviel bezahltem Mietzins sowie die Feststellung der Unwirksamkeit der angeführten Wertsicherungsklausel (mit Ausnahme deren ersten Satzes) und brachte vor, diese Bestimmung sei nicht im Einzelnen ausgehandelt worden, die Klägerin sei bei Vertragsabschluss auch nicht ausdrücklich auf deren Inhalt hingewiesen worden. Die Beklagten zögen den von ihnen erstellten Vordruck des Mietvertrags regelmäßig zur Vermietung der Wohnungen des Hauses heran. Die Indexanpassungsklausel sei gemäß § 864a ABGB unwirksam, weil sie den Beklagten das Recht gäbe, auf den lange vor Vertragsabschluss liegenden Indexausgangswert Mai 2017 Bezug zu nehmen und damit einseitig eine unmittelbar nach Vertragsabschluss liegende Preiserhöhung vorzunehmen. Die Klausel sei auch gemäß § 6 Abs 2 Z 4 KSchG unwirksam, weil sie bereits innerhalb der ersten zwei Monate nach Abschluss des Mietvertrags eine Anhebung des Mietentgelts ermöglicht habe. Mangels Verständlichkeit der Klausel sei diese auch intransparent nach § 6 Abs 3 KSchG; zudem widerspreche sie § 6 Abs 1 Z 5 KSchG, da die Beklagten ein einseitiges Preisänderungsrecht hätten.

[11] Die Beklagten wandten ein, die Wertsicherungsvereinbarung werde für jeden Mietvertrag individuell in Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vereinbart, die angegebene Ausgangsbasis Mai 2017 sei irrtümlich genannt, dies sei auf einen beiden Parteien bewussten Tippfehler zurückzuführen. Die Ausgangsbasis Mai 2017 hätte keinen Sinn und sei von beiden Parteien nicht gewollt gewesen. Der Parteiwille habe sich vielmehr auf den Monat der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zuletzt verlautbarten Indexzahl (somit für Dezember 2020) bezogen. Dass dies beiden Parteien völlig bewusst gewesen sei, zeige auch der Umstand, dass die Beklagten das tatsächlich Gewollte, und zwar den Index Dezember 2020, als Ausgangsbasis für die Wertsicherung genommen hätten und dieser Umstand von der Klägerin auch akzeptiert worden sei. Sollte daher nicht von vornherein klar als Ausgangsbasis die Indexzahl Dezember 2020 vereinbart worden sein, wäre sie dies durch schlüssige Vertragsänderung im März 2022 geworden. Die Klägerin versuche nur, aus den letzten zwei einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen im Verbandsprozess Nutzen zu ziehen. Die Wertsicherungsvereinbarung sei nicht unwirksam, die Ausgangsbasis entspreche der vom Obersten Gerichtshof als zulässig erkannten. Die Bestimmung sei in unzähligen Mietverträgen zu finden und Standard, ein Verstoß gegen § 864a ABGB und § 6 Abs 3 KSchG liege nicht vor. Es sei innerhalb der ersten zwei Monate nicht zu einer Anhebung gekommen; eine solche wäre angesichts der mit 3 % vereinbarten Schwelle auch denkunmöglich gewesen, ein Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG liege somit nicht vor. Die Klausel spreche von einem Nachfolgeindex, derselbe wäre daher klar definiert, es komme nicht zu einer Preisänderung, § 6 Abs 1 Z 5 KSchG sei nicht anwendbar.

[12] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es handle sich um ein Verbrauchergeschäft. Die Wertsicherungsklausel sei einerseits gemäß § 6 Abs 2 Z 4 KSchG nichtig, weil unter Zugrundelegung des Vergleichsmonats Mai 2017 für die Wertsicherung eine Erhöhung des Entgelts entsprechend dem Verbraucherpreisindex innerhalb der ersten beiden Monate beginnend mit 4. 3. 2021 sehr wohl denkbar sei; anderseits verstoße sie auch gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG, weil die Beklagten als Vermieter berechtigt seien, einen Nachfolgeindex für die Wertsicherungsvereinbarung einseitig zu bestimmen. Zudem sei die Bestimmung gemäß § 6 Abs 3 KSchG unwirksam, da es für den durchschnittlichen Verbraucher, der die Entwicklung des Verbraucherpreisindex nicht aktiv verfolge und den Vertragsinhalt nur mit gewöhnlicher Aufmerksamkeit und ohne spezifisches Fachwissen zur Kenntnis nehme, nicht klar verständlich sei, dass es sich bei der Heranziehung des Mai 2017 als Vergleichsmonat um eine benachteiligende Regelung handle. Schließlich verstoße die Wertsicherungsvereinbarung gegen § 864a ABGB, die Ungewöhnlichkeit der Klausel liege jedenfalls vor, da Wertsicherungsklauseln üblicherweise einen aktuellen Verbraucherpreisindex als Vergleichswert heranzögen.

[13] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge, wies das Zahlungsbegehren sowie die Feststellung der Unwirksamkeit der Klausel zur Wertsicherung des vereinbarten Mietzinses (erster Absatz der Klausel mit Ausnahme dessen ersten Satzes) ab und erklärte lediglich die Klausel zur Vereinbarung eines Nachfolgeindex sowie des Verzichts (zweiter bis vierter Absatz der Klausel) für unwirksam.

[14] Der vorliegende Mietvertrag sei ein Vertragsformblatt. Nach Auslegung der Wertsicherungsklauseln gelte Jänner 2021 als der Ausgangsmonat für die Berechnung der Wertsicherungsbeträge als vereinbart, weil mangels übereinstimmenden Parteiwillens und ohne Hinweise auf die Parteienabsicht auf die Übung des redlichen Verkehrs abzustellen sei. In der Wertsicherungsklausel bleibe vollkommen unklar, welcher Wertmesser für die Preisanpassung bei Wegfall des verlautbarten VPI Index maßgeblich sein solle. Die Beklagten würden dazu ermächtigt, einen solchen Nachfolgeindex nach ihrem Willen, auszuwählen bzw zu bestimmen, welcher der „entsprechende“ sein soll. Dieser Teil der Wertsicherungsklausel verstoße daher gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG. Eine geltungserhaltende Reduktion komme im Individualprozess über ein Verbrauchergeschäft nicht in Betracht. Die vorliegende Wertsicherungsklausel bestehe jedoch aus mehreren eigenständigen Teilen. Als eigenständiger Teil sei der Teil der Klausel zu werten, der auf den Umstand Bezug nehme, dass der vereinbarte Verbraucherpreisindex nicht mehr veröffentlicht werde. Nur jener Teil sei als unzulässig zu erachten. Dieser sei getrennt von der Vereinbarung der grundsätzlichen Wertbeständigkeit des Hauptmietzinses nach dem VPI 2010 zu sehen. Ein Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG liege nicht vor, weil die beanstandete Klausel den Beklagten zwar theoretisch die Möglichkeit eingeräumt habe, innerhalb der ersten beiden Monate eine Indexanpassung vorzunehmen, eine solche jedoch tatsächlich nicht erfolgt sei. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liege ebenfalls nicht vor, weil eine Entgelterhöhung bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht möglich sei. Aus diesem Grund verstoße die Klausel auch nicht gegen § 879 Abs 3 ABGB und § 864a ABGB. Die Beklagten hätten die Indexanpassung zwar mit dem Ausgangsmonat Dezember 2020 vorgenommen, die Klägerin sei dadurch jedoch nicht beschwert, da sich bei Anwendung des richtigen Ausgangsmonats Jänner 2021 ein höherer indexierter Hauptmietzins per März 2022 von 1.302,07 EUR (im Vergleich zum vorgeschriebenen von 1.291 EUR) ergeben hätte. Auch die weiteren Erhöhungen durch die Beklagten seien daher in einem geringeren Ausmaß als eigentlich zulässig erfolgt. Die Vorschreibung der wertgesicherten Hauptmietzinse sei daher zu Recht erfolgt.

[15] Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR.

[16] Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil zur Frage der (Un‑)Gültigkeit einer Wertsicherungsvereinbarung gemäß § 6 Abs 2 Z 4 KSchG im Individualprozess für den Fall, dass innerhalb der ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss keine Wertsicherungsanpassung vorgenommen wurde, sowie zur Frage der Teilbarkeit von Wertsicherungsvereinbarungen keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

[17] Gegen den klagsabweisenden Teil richtet sich die Revisionder Klägerin mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils, hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

[18] Die Beklagten beantragen in ihrer rechtzeitig erstatteten Revisionsbeantwortungdie Zurückweisung der Revision als absolut unzulässig (wegen des behauptetermaßen unter 5.000 EUR liegenden Entscheidungsgegenstands), in eventu deren Abweisung.

[19] Die Revision ist entgegen der Auffassung der Beklagten im Hinblick auf den Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts nicht jedenfalls unzulässig nach § 502 Abs 2 ZPO (vgl RS0042296; RS0042410 [T17]).

Rechtliche Beurteilung

[20] Die Revision der Klägerin ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen sowie zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Zu den Revisionsausführungen wurde Folgendes erwogen:

Unstrittiges

[21] 1. Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass die Klägerin Verbraucherin ist und die Beklagten Unternehmer iSd KSchG sind. Weiters ist nicht mehr strittig, dass es sich beim Mietvertrag um ein der Klauselkontrolle unterliegendes Vertragsformblatt handelt und das Mietobjekt der Teilausnahme vom MRG nach dessen § 1 Abs 4 Z 2 unterliegt.

Teilbarkeit der Klausel

[22] 2.1 Maßgeblich für die Qualifikation einer Klausel als eigenständig iSd § 6 KSchG ist nicht die Gliederung des Klauselwerks. Es können vielmehr auch zwei unabhängige Regelungen in einem Punkt oder sogar in einem Satz der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) enthalten sein. Es kommt vielmehr darauf an, ob ein materiell eigenständiger Regelungsbereich vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn die Bestimmungen isoliert voneinander wahrgenommen werden können (RS0121187 [T1]).

[23] 2.2 Die im Revisionsverfahren noch gegenständliche Klausel (Wertsicherung des ersten Absatzes nach dem Verbraucherpreisindex) kann für sich allein wahrgenommen und verstanden werden und hat einen eigenständigen Regelungsbereich (vgl jüngst 8 Ob 81/24f Rz 30). Sie kann jedenfalls für sich alleine einer rechtlichen Beurteilung unterzogen werden.

§ 6 Abs 2 Z 4 KSchG im Individualprozess

[24] 3. Das Berufungsgericht hat seine Revisionszulassung mit offenen Fragen zu § 6 Abs 2 Z 4 KSchG im Individualprozess begründet.

[25] 3.1 Noch 2019 hat der 6. Senat eine mietvertragliche Wertsicherungsklausel in einem Verbandsverfahren ohne jeden Blick auf § 6 Abs 2 Z 4 KSchG geprüft (6 Ob 226/18f [Klausel 2]).

[26] Die jüngere Judikatur des Obersten Gerichtshofs hat hingegen diese Norm in mehreren Verbandsverfahren auch dann für anwendbar erachtet, wenn sich die Klausel auf einen Bestandvertrag bezog:

[27] 3.1.1 Dem Zurückweisungsbeschluss vom 21. 3. 2023, 2 Ob 36/23t, lagen Klauseln für Wohnungsmietverträge im Teilanwendungsbereich des MRG zugrunde. Das Berufungsgericht qualifizierte eine Wertsicherungsklausel (Klausel 6) wegen Verstoßes gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG als unwirksam. Die dagegen erhobene Revision der Beklagten wies der 2. Senat unter Bezugnahme auf die bisher zu § 6 Abs 1 Z 5 KSchG ergangene Rechtsprechung zurück. Im Anschluss daran (Rz 10) wurde auch (und zwar als Antwort auf den erst in der Revisionsbeantwortung behaupteten Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG) obiter und knapp ausgeführt: „Im Übrigen verstößt die Klausel auch gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG, weil bei kundenfeindlichster Auslegung schon in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss eine Entgeltänderung eintreten könnte (RS0115215 [T5]).“

[28] 3.1.2 In seinem Urteil vom 24. 5. 2023 zu 8 Ob 37/23h erachtete der 8. Senat eine Wertsicherungsklausel (Klausel 17) für unwirksam (Rz 13–15). Der Senat stützte sich dabei auf § 879 Abs 3 ABGB, aber auch auf § 6 Abs 2 Z 4 KSchG. Unter Bezugnahme auf 2 Ob 36/23t vertrat der 8. Senat in dieser Entscheidung den Standpunkt, diese Norm wolle „verhindern, dass der Preis im Vertrag zahlenmäßig bestimmt wird, der Unternehmer sich jedoch die Möglichkeit offen hält, für nur kurze Zeit später erbrachte Leistungen ein höheres als dieses zahlenmäßig bestimmte Entgelt zu verlangen (JAB 1223 BlgNR 14. GP  2)“. Auch der Mieter habe ein berechtigtes Interesse daran, dass der zahlenmäßig vereinbarte Mietzins zumindest für die nächsten Monate verbindlich sei.

[29] 3.1.3 Die Entscheidung 8 Ob 37/23h wurde auch in einem Verbandsprozess in der Entscheidung vom 24. 1. 2024 zu 9 Ob 4/23p (Rz 262) knapp obiter dahin referiert, dass § 6 Abs 2 Z 4 KSchG „zwar auch auf den Mietzins und entsprechende Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen anwendbar“ sei. Im Ergebnis verneinte der 9. Senat aber einen Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG durch eine Klausel, die den Mieter zur Tragung der Kosten der anteiligen Grundsteuer verpflichtete, „wenn sich die – vereinbarungsgemäß vom Mieter zu tragende – Grundsteuer erhöht“, weil die Norm auf die Klausel, die keine Preisänderungsklausel sei, nicht anwendbar sei.

[30] 3.1.4 Im Zurückweisungsbeschluss vom 22. 3. 2024 ging der 8. Senat zu 8 Ob 6/24a (Rz 6–8: ohne Auseinandersetzung mit der Kritik an der jüngeren Judikatur) unter Bezugnahme auf die Entscheidungen 2 Ob 36/23t und 8 Ob 37/23h davon aus, die Ansicht, § 6 Abs 2 Z 4 KSchG sei auf Dauerschuldverhältnisse nicht anzuwenden, sei weder vom Wortlaut noch vom Zweck des Gesetzes gedeckt. Er wiederholte seinen zu 8 Ob 37/23h vertretenen Standpunkt.

[31] 3.1.5 In der Entscheidung vom 27. 2. 2025 zu 8 Ob 81/24f hatte der 8. Senat in einem Individualprozess erneut die Vereinbarkeit einer Wertsicherungsklausel in einem Bestandvertrag mit § 6 Abs 2 Z 4 KSchG zu prüfen (Rz 34). Eine Verletzung der genannten Bestimmung wurde aber schon deshalb verneint, weil nach der dort getroffenen Vereinbarung eine Wertanpassung erstmals mehr als zehn Monate nach Vertragsabschluss erfolgen konnte. Eine nähere Auseinandersetzung mit der im Schrifttum gegen die jüngere Rechtsprechung geäußerte Kritik, auf die der 8. Senat ausdrücklich Bezug nahm, konnte daher unterbleiben.

[32] 3.1.6 Der erkennende Senat selbst erachtete in einem Verbandsverfahren mit Entscheidung vom 10. 9. 2024 zu 10 Ob 23/24s eine Wertsicherungsklausel für Bestandverträge (Baukostenindex als Wertsicherungsparameter) schon mit Blick auf § 6 Abs 1 Z 5 KSchG als unwirksam. Eine nähere Auseinandersetzung mit § 6 Abs 2 Z 4 KSchG und dem kritischen Schrifttum konnte deshalb unterbleiben, was der Senat ausdrücklich festhielt (Rz 32: „Ebenso wenig ist aus diesem Grund auf die […] Frage zurückzukommen“).

[33] 3.1.7 Ähnlich wie in der Konstellation zu 8 Ob 81/24f konnte in der Entscheidung vom 17. 12. 2024 zu 10 Ob 54/24z in einem Individualprozess ein Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG jedenfalls verneint werden, „sodass auf die Frage, ob § 6 Abs 2 Z 4 KSchG überhaupt zur Nichtigkeit von Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen führen kann, wenn sich die Möglichkeit einer Entgelterhöhung in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss bietet, nicht eingegangen werden muss“ (Rz 48).

[34] 3.1.8 Schließlich mussten auch weitere Entscheidungen der jüngeren Zeit auf die hier relevante Frage (Anwendung des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf längerfristige Bestandverträge) und die Kritik im Schrifttum an der jüngeren Rechtsprechung nicht eingehen, wobei die Entscheidungen dabei weder obiter noch implizit die Anwendung der Norm für Wertsicherungsklauseln in Bestandverträgen bejahten (vgl zB 5 Ob 166/24h Rz 39; 5 Ob 110/24y Rz 16).

[35] 3.2.1 Außerhalb von Bestandverträgen fand die Bestimmung im Bereich von Dauerschuldverhältnissen bisher in den Entscheidungen 3 Ob 268/09x (Heimträgervertrag), 2 Ob 198/10x (Leasing) und 5 Ob 103/21i (Rz 19 f) (Energielieferungsvertrag) Anwendung: Die drei Entscheidungen ergingen jeweils in Verbandsprozessen, sie betrafen jedoch keine Wertsicherung, sondern einseitige Preiserhöhungsrechte, die dem Unternehmer in den AGB eingeräumt wurden. Die Anwendbarkeit von § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf die zu beurteilenden Dauerschuldverhältnisse wurde dabei jeweils ohne weitere Begründung vorausgesetzt.

3.2.2 Im Einzelnen zu diesen drei Entscheidungen:

[36] Im Urteil zu 3 Ob 268/09x begründete der 3. Senat einen Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG durch die Klausel 3 in den AGB eines Heimträgervertrags nur kurz mit dem Hinweis, dass die Klausel „eine Preiserhöhung für die ersten beiden Vertragsmonate nicht ausschließt“.

[37] In seiner Entscheidung 2 Ob 198/10x sah der 2. Senat das in den AGB eines Leasingvertrags zugunsten des Leasinggebers vorgesehene Preiserhöhungsrecht unter Verwendung der verba legalia des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG als unzulässig an. Ohne weitere Begründung hielt er fest, dass die Preiserhöhung in der Klausel 29 unabhängig davon unzulässig sei, ob „dies durch äußere, vom Unternehmer unbeeinflussbare Umstände induziert wurde oder nicht“.

[38] Bei der Entscheidung 5 Ob 103/21i handelt es sich um einen Zurückweisungsbeschluss. Der 5. Senat erachtete dabei den vom Berufungsgericht bejahten Verstoß einer Klausel gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG knapp und ohne eigene Begründung als „nicht korrekturbedürftig“ (Rz 20).

[39] 3.3 In der Entscheidung 8 Ob 145/24t (Rz 77 und 86 [Abovertrag Online‑Streaming]) konnte offen bleiben, ob § 6 Abs 2 Z 4 KSchG gilt, sodass der Oberste Gerichtshof schon deshalb auf die hier relevanten Fragen gar nicht einging bzw auch nicht eingehen musste.

[40] 3.4 Als Folge der oben referierten Entscheidungen 2 Ob 36/23t, 8 Ob 37/23h und 8 Ob 6/24a kam es auch zu Gesetzesprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof (G 170/2024‑17, G 37–38/2025‑11). Diesen Verfahren lagen Prozesse über Wertsicherungsklauseln in Bestandverträgen zugrunde. Verfahrensgegenstand war dabei die Verfassungskonformität ua von § 6 Abs 2 Z 4 KSchG. Der Verfassungsgerichtshof verneinte mit Erkenntnis vom 24. 6. 2025 die von den Antragstellern geäußerten Bedenken an der Verfassungsgemäßheit dieser Norm.

[41] Die von den Zivilgerichten zu entscheidende einfachgesetzliche Auslegung des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG wird dadurch aber nicht präjudiziert (vgl zB G 9/09 ua).

[42] 3.5.1 Die (zT implizite, zT ausdrückliche) Bejahung der Anwendbarkeit von § 6 Abs 2 Z 4 KSchG durch die oben referierten drei Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (2 Ob 36/23t, 8 Ob 37/23h und 8 Ob 6/24a) auf (in der Praxis seit Jahrzehnten durchaus gängige) Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen wurde im Schrifttum mehrfach kritisiert (zB Brauneis, Wertsicherungsvereinbarungen in Mietverträgen unter Beschuss, ImmoZak 2023, 52; Bunka/Brauneis, Wertsicherungsvereinbarungen – liegt der OGH richtig? immo aktuell 2024, 53; Fidler, Inflationsbewältigung durch Vertragsrecht? Ein Beitrag zur Auslegung der § 6 Abs 2 Z 4 KSchG, § 879 Abs 3 ABGB, wobl 2023, 399 [402 ff]; Flume/Riss, Wertsicherungsabreden in Bestandverträgen, Studie für die Arbeiterkammer [2024] Rz 164 ff; Kronthaler, Zum [möglichen] Verstoß von Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG, wobl 2023, 414 [417 ff]; Leitner, Wirksamkeit von Indexklauseln in Mietverträgen, wobl 2023, 422; Parapatits, Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen: Beurteilung im Individualverfahren, ÖJZ 2024, 603; Parapatits, Wertsicherung in Mietverträgen und Klauselkontrolle, in FS Lovrek 567; Rassi, Die Wertsicherung des Bestandzinses, Zak 2024, 304 [306 f]; Terlitza, [Un‑]Wirksame Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen, NZ 2024, 174 [180 ff]; A. Vonkilch, Pathologie von Wertsicherungsabreden im Bestandsrecht, wobl 2024, 485).

[43] 3.5.2 Dabei bedienten sich die Autoren zum Teil sehr drastischer Worte, wonach der Oberste Gerichtshof „dadurch ein mittleres Erdbeben ausgelöst hat“ (A. Vonkilch, wobl 2024, 485), das Ergebnis „völlig überzogen“ wirke (Fidler, wobl 2023, 403) und „Dass all das weit über das Ziel des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG hinausschießt, ist evident“ (Terlitza, NZ 2024, 181).

3.5.3 Das Schrifttum hat dabei folgende Kritikpunkte an der jüngeren Rechtsprechung herausgearbeitet:

[44] 3.5.3.1 Eine durch die maßgeblichen Umstände in einem Bestandvertrag klar umschriebene Wertsicherungsklausel sei schon begrifflich keine einseitige Entgelterhöhung und erfülle (auch in der kundenfeindlichsten Auslegung) nicht den Tatbestand des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG (zB Brauneis, ImmoZak 2023, 52). Durch die Vereinbarung eines wertgesicherten Bestandzinses habe der Bestandnehmer nämlich nicht mehr (bei Inflation) oder weniger (bei Deflation) Entgelt zu leisten, als im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vereinbart worden sei, wenngleich sich der nominelle Geldbetrag ändere (Fidler, wobl 2023, 405; Flume/Riss, Wertsicherungsabreden Rz 166; vgl idS bereits Bollenberger, Geldwert und Vertragsänderung, RdW 2014, 693).

[45] 3.5.3.2 § 6 Abs 2 Z 4 KSchG sei auf langfristige Dauerschuldverhältnisse gar nicht anwendbar (Fidler, wobl 2023, 403 ff; Kronthaler, wobl 2023, 416 ff; Terlitza, NZ 2024, 180). Eine Wertsicherungsklausel in einem längerfristigen Mietvertrag lasse sich nicht gewissermaßen zeitlich gestaffelt in einen unzulässigen (die ersten zwei Monate betreffenden) und einen zulässigen (darüber hinaus gehenden) Teil zerlegen (Terlitza, NZ 2024, 180). Wäre § 6 Abs 2 Z 4 KSchG ein passender Maßstab, müsste immer die gesamte Wertsicherungsklausel fallen, obwohl sie für den größten Teil des Vertragsverhältnisses gar nicht zu beanstanden wäre (Terlitza, NZ 2024, 180).

[46] 3.5.3.3 Bei einem langfristigen Dauerschuldverhältnis bilde sich – anders als bei kurzfristig zu erfüllenden Verträgen – zudem von vornherein ein Vertrauen auf die (Preis‑)Stabilität nicht aus, sodass der Normzweck von § 6 Abs 2 Z 4 KSchG (den Verbraucher vor Überraschungen beim von ihm zu bezahlenden Entgelt zu schützen) nicht betroffen sei (zB Kronthaler, wobl 2023, 420 f), was insbesondere bei einem bloß wertgesicherten Mietzins gelte (zB Fidler, wobl 2023, 403). Vielmehr sei hier der Eintritt in das Erfüllungsstadium ausschlaggebend, ab diesem Stadium seien Preisanpassungen nicht mehr überraschend (Brauneis, ImmoZak 2023, 52; Fidler, wobl 2023, 405). Der Überraschungseffekt sei damit als Tatbestandsvoraussetzung für § 6 Abs 2 Z 4 KSchG zu verlangen (Flume/Riss, Wertsicherungsabreden Rz 165).

[47] 3.5.3.4 Aus der Entstehungsgeschichte gehe klar hervor, dass § 6 Abs 2 Z 4 KSchG nur dann greifen solle, wenn die Leistung des Unternehmers vollständig innerhalb einer im Vertrag vorgesehenen Leistungsfrist von zwei Monaten zu erbringen ist. Die Regelung habe ausschließlich solche Verträge im Blick, die vom Unternehmer innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums vollständig zu erfüllen seien, sodass etwa ein mehrjähriger Mietvertrag von § 6 Abs 2 Z 4 KSchG nicht erfasst sei (Kronthaler, wobl 2023, 420; Terlitza, NZ 2024, 180; vgl auch Parapatits, Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen Keine(?) Sorge vor dem EuGH, ÖJZ 2023, 717).

Stellungnahme des Senats zu § 6 Abs 2 Z 4 KSchG im Bestandrecht:

[48] 4.1 Insoweit sich die Kritik dagegen richtet, dass § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auch für Bestandverträge gilt, die auf eine längere Dauer als zwei Monate angelegt sind, wird sie vom Senat aus den sogleich angeführten Erwägungen geteilt. Für die Frage der Anwendung des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG im Bereich längerfristiger Bestandverträge macht es dabei keinen Unterschied, ob die Prüfung der Klausel in einem Verbandsverfahren oder in einem Individualprozess erfolgt.

[49] 4.2 Das Gesetz qualifiziert nach § 6 Abs 2 Z 4 KSchG eine Klausel als unzulässig, wenn diese dem Unternehmer auf sein Verlangen für seine innerhalb von zwei Monaten nach der Vertragsschließung zu erbringende Leistung ein höheres als das ursprünglich bestimmte Entgelt zusteht, sofern die Klausel nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde. Durch das Erfordernis einer „Aushandlungsvereinbarung“ sollen Verbraucher, die typischerweise nicht mit einer besonders kurzfristigen Erhöhung des Entgelts rechnen, vor Überraschungen geschützt werden (ErläutRV 744 BlgNR 14. GP  26; Eccher in Klang3 § 6 Abs 2 Z 4 KSchG Rz 1; Kathrein/Schoditsch in KBB7 § 6 KSchG Rz 27; Kronthaler, wobl 2023, 415). Aus diesem Grund sind (nicht im Einzelnen ausgehandelte) Vertragsbestimmungen nichtig, die dem Unternehmer das Recht auf einseitige Preiserhöhung für seine innerhalb von zwei Monaten nach Vertragsschluss zu erbringende Leistung zugestehen (Krejci in Rummel 3 § 6 KSchG Rz 189), wobei es nicht auf den Zeitpunkt des Beginns der Erfüllung ankommt (vgl 8 Ob 81/24f Rz 34).

[50] 4.3 Die bei Vertragsabschluss erzielte Einigung über das Entgelt soll zumindest bei kurzfristig zu erfüllenden Verträgen Bestand haben und nicht über AGB‑Klauseln aufgeweicht werden (Krejci in Rummel 3 § 6 KSchG Rz 190). § 6 Abs 2 Z 4 KSchG hat nur den Fall vor Augen, dass durch die (individuell ausgehandelte) Preisgestaltung zunächst beim Verbraucher das Vertrauen in einen (für eine Lieferung innerhalb von zwei Monaten zu leistenden) Fixpreis erweckt wird und dieses Vertrauen „gleichsam unter der Hand“ durch eine AGB-Bestimmung wieder enttäuscht wird (Fenyves/Rubin, Vereinbarung von Preisänderungen bei Dauerschuldverhältnissen und KSchG, ÖBA 2004, 347 [362]; Langer in Kosesnik-Wehrle 5 § 6 KSchG Rz 96; deutlich idS der JAB 1223 BlgNR 14. GP 2 [„Es soll nur verhindert werden, dass in einem Vertrag der Preis zahlenmäßig bestimmt wird, der Unternehmer sich jedoch durch eine irgendwo anders im Vertrag enthaltene Bestimmung die Möglichkeit offenhält, auch bei Lieferung innerhalb kurzer Zeit ein höheres als dieses zahlenmäßig bestimmte Entgelt zu verlangen.“]). Dies ist die typische Gefahr der Vereinbarung einer Preisänderungsklausel in AGB. Der Zweck der Norm beschränkt sich damit auf die Verhinderung dieses Überraschungsmoments. Wenn daher bereits die ursprüngliche Vereinbarung des Preises nicht den Anschein von dessen Unveränderlichkeit erweckt, so ist auf diese Weise den Kautelen des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG Genüge getan und das Entgelt auch innerhalb der „Sperrfrist“ von zwei Monaten (und auch ohne Individualklausel) abänderbar (Fenyves/Rubin ÖBA 2004, 362; Kathrein/Schoditsch in KBB7 § 6 KSchG Rz 27; Fidler, wobl 2023, 404).

[51] 4.4 Bei Wertsicherungsabreden zur inflationsbedingten Anpassung des Entgelts in einem langfristigen Dauerschuldverhältnis besteht keine Gefahr der erwähnten Überraschung (Kronthaler, wobl 2023, 420 f). Ein wertgesicherter Bestandzins erweckt beim Bestandnehmer „gerade kein Vertrauen auf eine unveränderbare Fixmiete, das rücklings wieder enttäuscht würde“ (Fidler, wobl 2023, 405). Wenn das Gesetz sogar im Vollanwendungsbereich des MRG (vgl § 16 Abs 6 und 9 MRG; vgl auch § 14 Abs 1 WGG) davon ausgeht, dass der Mietzins zulässigerweise einer Wertsicherung unterliegen kann, wäre es schwer erklärbar, eine inflationsbedingte Anpassung des Entgelts bei auf längere Dauer angelegten Bestandverhältnissen als „überraschende, einseitige Entgelterhöhung“ zu qualifizieren.

[52] 4.5 Die Berücksichtigung des herausgearbeiteten Normzwecks des Überraschungsverbots erleichtert die hier notwendige teleologische Interpretation des Tatbestandselements der „zu erbringenden Leistung“ iSd § 6 Abs 2 Z 4 KSchG. Im Einklang mit dem aufgezeigten Normzweck indiziert die Einschränkung (anders als bei § 6 Abs 1 Z 5 KSchG) auf „seine innerhalb von zwei Monaten […] zu erbringende Leistung“ klar, dass nur solche Verträge erfasst sind, die vom Unternehmer innerhalb von zwei Monaten (gemäß der Vereinbarung) zur Gänze erfüllt werden müssen (Kronthaler, wobl 2023, 420).

[53] 4.6 § 6 Abs 2 Z 4 KSchG hat daher schon nach seinem Zweck nur solche Verträge im Blick, die vom Unternehmer innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums vollständig zu erfüllen sind (Apathy/Frössel in Schwimann/Kodek 5 § 6 KSchG Rz 78 mwN; Fidler, wobl 2023, 404; Terlitza, NZ 2024, 180). Bei einem kurzfristig zu erfüllenden Vertrag bzw bei einer kurzfristigen Lieferfrist soll und darf sich der Verbraucher – auch unter Bedachtnahme auf die Gepflogenheiten im Geschäftsverkehr – ohne Weiteres darauf einstellen, dass der vereinbarte Preis im Zuge der Leistungsabwicklung keine Anpassung erfährt. Zudem ist vorausgesetzt, dass im Vertrag der Preis für die gesamte Leistung bestimmt, also betragsmäßig festgelegt ist.

[54] 4.7 Die daraus folgende Nichtanwendbarkeit der Regel auf längerfristige Dauerschuldverhältnisse ist dabei keine teleologische Reduktion, für die enge Voraussetzungen erfüllt sein müssen (RS0008979), sondern findet noch im (wegen der ratio legis eng auszulegenden) Wortlaut der Norm („seine innerhalb von zwei Monaten […] zu erbringende Leistung“) Deckung.

[55] 4.8 Für das hier vertretene Ergebnis spricht auch, dass sich eine Wertsicherungsklausel in einem längerfristigen Mietvertrag nicht gewissermaßen zeitlich gestaffelt in einen unzulässigen (die ersten zwei Monate betreffenden) und einen zulässigen (darüber hinausgehenden) Teil zerlegen lässt (zutreffend Terlitza, NZ 2024, 180).

[56] 4.9 Die hier vertretene Auslegung deckt sich auch mit der Entstehungsgeschichte der Norm und den Materialien (dazu umfassend Kronthaler in GeKo Wohnrecht II2 § 6 KSchG Rz 189 ff).

[57] 4.9.1 Demnach soll die Regel (nur) für solche Verträge gelten, „die unverzüglich oder doch sehr rasch zu erfüllen sind“ (JAB 1223 BlgNR 14. GP  3). Die Regierungsvorlage sah noch eine Frist von drei Monaten vor. Durch den parlamentarischen Justizausschuss wurde die Frist aber auf zwei Monate verkürzt. Es ist daher – anders als bei § 6 Abs 1 Z 5 KSchG – auch aus diesem Grund auszuschließen, dass alle Dauerschuldverhältnisse von der Bestimmung erfasst sind (Terlitza, NZ 2024, 180).

[58] 4.9.2 Die Erläuterungen der Regierungsvorlage zu § 6 Abs 2 Z 4 KSchG beginnen zwar mit einem allgemeinen Verweis auf die Erläuterungen zu § 6 Abs 1 Z 5 KSchG, wo unter anderem als Beispiel ein Darlehensvertrag (also ein Vertragsverhältnis, das in aller Regel länger als zwei Monate dauert) angeführt wird (vgl ErläutRV 744 BlgNR 14. GP 24 und 26).

[59] Dieser Verweis auf die Erläuterungen zu § 6 Abs 1 Z 5 KSchG ist jedoch dahin zu erklären, dass beide Normen vom Wortlaut im Kern ident sind (jeweils „dem Unternehmer auf sein Verlangen für seine […] zu erbringende Leistung ein höheres […] Entgelt zusteht […]“). Beide betreffen einen nachträglichen einseitigen Eingriff des Unternehmers in das ursprüngliche Verhältnis von Leistung und Gegenleistung. Es erscheint daher nachvollziehbar, dass die Erläuterungen insoweit für beide Normen nutzbar gemacht werden können. Das gilt aber gerade nicht für die Einschränkung „innerhalb von zwei (in der RV noch: drei) Monaten“, die eben nicht im Bereich des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG normiert wurde. Aus dem in der Regierungsvorlage angeführten Darlehensbeispiel ist daher nicht abzuleiten, dass § 6 Abs 2 Z 4 KSchG alle Dauerschuldverhältnisse erfasst.

[60] 4.9.3 Schließlich dürfen bei der Analyse der Gesetzesgeschichte auch die neueren unionsrechtlichen Entwicklungen nicht außer Acht gelassen werden.

[61] 4.9.3.1 Die Rechtsprechung des EuGH, wonach eine missbräuchliche Klausel im Individualprozess ganz wegfällt, ändert insofern die Rechtslage (A. Vonkilch, wobl 2024, 485). Denn der Verstoß gegen das Verbot hat nun eine andere, wesentlich schwerer wiegende Rechtsfolge als zuvor (vgl zB Fidler, wobl 2023, 403; A. Vonkilch, wobl 2024, 486 [jeweils auch im Zusammenhang mit bestandrechtlichen Klauseln]). Zu denken ist an den Ausschluss einer geltungserhaltenden Reduktion bei einer auch nur teilweise missbräuchlichen Vertragsklausel, die grundsätzliche Unzulässigkeit einer richterlichen Füllung solcherart entstandener Vertragslücken, die grundsätzliche Unzulässigkeit einer Berufung des Unternehmers auch auf dispositives Recht, das an die Stelle der unzulässigen Vertragsklausel treten könnte und für ihn günstige Rechtsfolgen parat hielte (Fidler, wobl 2023, 403; A. Vonkilch, wobl 2024, 486). Erst durch diese unionsrechtlichen Implikationen wird der „kollektive Aufschrei“ wegen der jüngeren Judikatur verständlich.

[62] 4.9.3.2 Für bestehende Mietverhältnisse brächte die Anwendung des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf langfristige Mietverträge enorme Unbilligkeiten, weil wegen der Judikatur des EuGH zur Klauselrichtlinie die Gefahr bestünde, dass das Mietverhältnis ohne Wertsicherungsabrede fortlebte und der Mieter Beträge, die er aufgrund von Wertanpassungen bezahlt hat, bereicherungsrechtlich zurückfordern könnte, was insbesondere bei einem kündigungsgeschützten unbefristeten Mietverhältnis unverhältnismäßig erscheint (Flume, Anatomie von Wertsicherungsabreden im Bestandsrecht – Zu den legislativen Bauelementen und kautelarjuristischen Stellschrauben bei Indexierung von Langzeitverträgen, wobl 2024, 468).

[63] 4.9.3.3 Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass er § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auch bei Kenntnis dieser Rechtsfolge unterschiedslos auf (alle) Dauerschuldverhältnisse angewendet wissen wollte. Auch objektiv wäre diese Anwendung wegen der im Verhältnis zum Unrechtsgehalt überschießenden Rechtsfolge nur schwer vertretbar.

[64] 4.9.3.4 Anders gewendet: Auch die deutlich schwerer wiegenden Folgen des Verstoßes gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG, die aus der Rechtsprechung des EuGH drohen, führen dazu, dass diese Bestimmung auf der Tatbestandsebene eng auszulegen ist. Bei der Auslegung des Tatbestands sind die Mitgliedstaaten (anders als bei der Rechtsfolge) unionsrechtlich nicht gebunden.

[65] 4.10 Mangels Ausschlusses von Dauerschuldverhältnissen im Wortlaut ist die Trennlinie damit nicht zwischen Ziel- und Dauerschuldverhältnissen, sondern – insbesondere wegen der aufgezeigten teleologischen und historischen Betrachtungen – dahingehend zu ziehen, ob die Leistung des Unternehmers vollständig innerhalb einer im Vertrag vorgesehenen Leistungsfrist von zwei Monaten zu erbringen ist oder nicht (so zB auch Kronthaler in GeKo Wohnrecht II2 § 6 KSchG Rz 191; derselbe, wobl 2023, 418).Das ist bei klassischen Bestandverträgen über Wohnungen oder Geschäftsräume (anders etwa als bei Verträgen über Mietwägen, Urlaubsunterkünfte oder Tennisplätze) in aller Regel eben nicht der Fall. Langfristige Bestandverträge sind gerade nicht „unverzüglich oder doch sehr rasch zu erfüllen“ (JAB 1223 BlgNR 14. GP  3).

[66] 4.11 Auf längerfristige Dauerschuldverhältnisse mit typischerweise wiederkehrend zu erbringenden, vielfachen Leistungen ist die Bestimmung des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG somit nicht zugeschnitten (Terlitza, NZ 2024, 180), sodass hinsichtlich des hier vorliegenden zehnjährigen Bestandvertrags eine Wertsicherungsklausel nicht mit Hinweis auf § 6 Abs 2 Z 4 KSchG für unwirksam erklärt werden kann.

[67] 4.12 Diesen Ausführungen kann auch das jüngste Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (dazu 3.4) nicht entgegengehalten werden. Auch wenn die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs – wie bereits ausgeführt – den Obersten Gerichtshof bei der Auslegung eines Gesetzes im Bereich des Zivilrechts nicht bindet, ist der Vollständigkeit halber zu den Aussagen des Verfassungsgerichtshofs Folgendes auszuführen:

[68] 4.12.1 Das Erkenntnis hält in Rz 46 fest, es bestehe eine „ständige[n] Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs“, dass § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auch für Verbrauchermietverträge gilt. Für diese Aussage werden (wenngleich mit dem relativierenden Vermerk „vgl“) sechs Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zitiert. Bei drei dieser Entscheidungen (10 Ob 23/24s, 10 Ob 54/24z und 8 Ob 81/24f) wurde jedoch gerade keine (abschließende) Aussage über die Anwendbarkeit dieser Norm im Bestandrecht getroffen (vgl oben 3.1.5 bis 3.1.7). Die letztgenannte Entscheidung deutet mit der Erwähnung der Kritik einer Lehrmeinung an der vorangegangenen Rechtsprechung sogar eine gewisse Distanzierung des 8. Senats (auch) von seinen Vorentscheidungen an. Bei den weiteren angeführten Entscheidungen handelt es sich – wie aus der Darstellung zu Punkt 3.1 ersichtlich – nur bei 8 Ob 37/23h um eine Sachentscheidung, während bei 2 Ob 36/23t und 8 Ob 6/24a das Rechtsmittel jeweils ohne meritorische Entscheidung zurückgewiesen wurde. Zudem erfolgte bei 2 Ob 36/23t die Bejahung der Anwendbarkeit des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG nur obiter.

[69] 4.12.2 Der Verfassungsgerichtshof sagt in Rz 44 seiner Entscheidung aus, dass (ua) § 6 Abs 2 Z 4 KSchG nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre sowohl auf Ziel- als auch auf Dauerschuldverhältnisse anzuwenden ist. Aus einigen der dort angeführten Entscheidungen (4 Ob 28/01y; 3 Ob 12/09z; 5 Ob 159/09g) ist jedoch keine Aussage des Obersten Gerichtshofs zur Frage zu entnehmen, ob § 6 Abs 2 Z 4 KSchG überhaupt auf Dauerschuldverhältnisse anwendbar ist. Überdies steht der Hinweis auf die Anwendbarkeit auf Dauerschuldverhältnisse nicht im Widerspruch zum hier erzielten Ergebnis (siehe Punkt 4.10).

[70] 4.12.3 Insoweit der Verfassungsgerichtshof in Rz 45 des Erkenntnisses im Zusammenhang mit § 6 Abs 1 Z 5 KSchG und § 6 Abs 2 Z 4 KSchG die Regierungsvorlage mit dem Darlehensbeispiel erwähnt, kann auf die Ausführungen zu Punkt 4.9.2 verwiesen werden.

[71] 4.12.4 Wenn der Verfassungsgerichtshof im Weiteren (insbesondere Rz 47 ff) – im Rahmen der ihm überantworteten Kompetenz zur Prüfung der Verfassungsgemäßheit von § 6 Abs 2 Z 4 KSchG – davon spricht, die Regel sei auch für (langfristige) Bestandverträge anwendbar und dafür an die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs 2 Ob 36/23t, 8 Ob 37/23h und 8 Ob 6/24a sowie an die Gesetzesmaterialien anknüpft, ist hierzu auf die obigen Ausführungen zu verweisen, weshalb eine solche Auslegung gerade nicht geboten ist. Die – nur für die Prüfung der Verfassungswidrigkeit relevante – Auffassung des Verfassungsgerichtshofs kann auch zu diesem Punkt aus zivilrechtlicher Sicht daher keinen Anlass bieten, vom hier erzielten Ergebnis Abstand zu nehmen.

4.13 Als Ergebnis der vorstehenden Erwägungen wird somit festgehalten:

[72] Auf Dauerschuldverhältnisse (etwa Bestandverträge), die darauf angelegt sind, dass die Leistung des Unternehmers (Vermieters) nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Vertragsschließung vollständig zu erbringen ist, ist § 6 Abs 2 Z 4 KSchG nicht anwendbar.

[73] Damit kann der Klagsanspruch nicht darauf gestützt werden, dass der in dritter Instanz noch relevante Teil der Klausel gegen die Bestimmung des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG verstößt.

Zur Entscheidung in einfacher Senatsbesetzung

[74] 5.1 Ein einfacher Senat ist nach § 8 Abs 1 OGHG durch sechs weitere Mitglieder des Obersten Gerichtshofs zu verstärken (sogenannter „verstärkter Senat“), wenn er nach Erstattung des Berichts mit Beschluss ausspricht, 1. dass die Entscheidung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ein Abgehen von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs oder von der in dieser Rechtsfrage zuletzt ergangenen Entscheidung eines verstärkten Senats des Gerichtshofs bedeuten würde oder 2. dass eine zu lösende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht einheitlich beantwortet worden ist.

[75] 5.2 Der Senat hat im Anlassfall eine Verstärkung nach § 8 Abs 1 Z 1 1. Fall OGHG erwogen, weil die hier vertretene Ansicht in einem gewissen Spannungsverhältnis zu den in jüngster Zeit ergangenen Entscheidungen 2 Ob 36/23t, 8 Ob 37/23h und 8 Ob 6/24a steht. In diesen Entscheidungen wurde freilich „erstmals und für die meisten unerwartet“ (Terlitza, NZ 2024, 174) eine Anwendung von § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auch im Bereich von Mietverträgen bejaht, womit „der OGH [...] bislang unbekannte Schranken für Wertsicherungsklauseln aufgestellt hat“ (Fidler, wobl 2023, 399).

[76] 5.3 Unter anderem deswegen, weil es sich um zwei Zurückweisungsbeschlüsse und nur um eine urteilsmäßige Sachentscheidung handelte und der 2. Senat zudem seine (knappe) Aussage nur obiter (also bloß nebenbei bzw beiläufig) getroffen hat (vgl RS0070438), sowie aus den in den Punkten 3.1 bis 3.3 sowie 4.12 ersichtlichen Erwägungen existiert – entgegen der Einschätzung durch den Verfassungsgerichtshof – nach Ansicht des Senats zur Frage der Anwendbarkeit des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG zu langfristigen Dauerschuldverträgen im Allgemeinen und zu solchen Bestandverträgen im Besonderen noch keine „ständige Rechtsprechung“ iSd § 8 Abs 1 Z 1 1. Fall OGHG.

[77] 5.4 Auch die sonstigen (vor den referierten drei Klauselprozessen ergangenen) Entscheidungen, bei denen (zum Teil) die Anwendung des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG im Zusammenhang mit langfristigen Dauerschuldverträgen (außerhalb des Bestandrechts) nicht beanstandet wurde (wenngleich zum Teil nur implizit und/oder obiter), führen nicht zu einer Annahme einer „ständigen Rechtsprechung“ im Zusammenhang mit einer Anwendung des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf Wertsicherungsklauseln für Bestandverträge, auf die sich die Klägerin stützt. Hinzu kommt, dass die oben geschilderten unionsrechtlichen Implikationen im Zusammenhang mit der Judikatur des EuGH zur Klausel‑RL bei den älteren Entscheidungen noch nicht absehbar waren.

[78] 5.5 Auch die Materialien zu § 8 OGHG sprechen für die hier vertretene Zurückhaltung bei einer Verstärkung (ErläutRV 470 BlgNR 11. GP  8).

[79] 5.5.1 Demnach „kommt es häufig vor, dass eine oft nur nebenbei vertretene Rechtsmeinung sich bei späterer genauer Betrachtung als unrichtig herausstellt. Auch ältere Entscheidungen halten manchmal einer Überprüfung aus der Sicht der jetzigen Zeit nicht stand. Es würde die Elastizität der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes leiden, wenn in allen diesen Fällen der verstärkte Senat angerufen werden müsste“.

[80] 5.5.2 Wie oben in Punkt 3. ausgeführt, war die bisherige Judikatur zur hier relevanten Frage stark von nebenbei vertretenen Rechtsmeinungen, impliziten Annahmen und beschlussmäßigen Zurückweisungsbeschlüssen geprägt. „Genaue Betrachtung“ zu § 6 Abs 2 Z 4 KSchG bei längeren Bestandverträgen bzw sonstigen langfristigen Dauerschuldverhältnissen lassen die referierten Entscheidungen vermissen, zumal (die wenigen) (iwS) „einschlägigen“ Entscheidungen vor 2 Ob 36/23t die uneingeschränkte Anwendbarkeit der Bestimmung auf Dauerschuldverhältnisse augenscheinlich begründungslos voraussetzen. Die referierte Judikatur ist damit keine über lange Zeit gleichbleibende Rechtsprechung, die (auch) bei den Parteien die Auffassung aufkommen lässt, der Oberste Gerichtshof habe immer so entschieden (Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen IV1 [1971] Vor §§ 502 ff ZPO Anm 16).

[81] 5.5.3 Die Materialien waren sich auch bewusst, dass die oben referierte Einschränkung in § 8 OGHG „wohl auch zur Folge haben wird, dass eine Verstärkung eines einfachen Senats nicht besonders häufig notwendig werden wird“ (ErläutRV 470 BlgNR 11. GP  8), wobei deshalb auch angenommen wurde, dass „eine wesentliche Vermehrung des richterlichen Personals des Obersten Gerichtshofes voraussichtlich“ nicht erforderlich sei (ErläutRV 470 BlgNR 11. GP  8).

[82] 5.6 Zusammenfassend erachtet es der Senat aufgrund der aufgezeigten Erwägungen nicht für geboten, einen Beschluss auf Verstärkung zu fassen.

Zum Ausgangsmonat für die Wertsicherung

[83] 6. Der Klagsanspruch kann schließlich auch nicht darauf gestützt werden, dass der in dritter Instanz noch relevante Teil der Klausel objektiv ungewöhnlich und überraschend iSd § 864a ABGB und damit gar nicht erst Vertragsinhalt geworden ist (vgl 1 Ob 153/17g ErwGr 3.; RS0014659 [T5]) oder gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG (§ 879 Abs 3 ABGB) bzw § 6 Abs 3 KSchG verstößt. Zur Argumentation der Klägerin, die Nichtgeltung bzw Nichtigkeit der Wertsicherungsklausel ergebe sich schon aus dem darin statuierten (weit) vor Vertragsabschluss liegenden Ausgangswert, wurde nämlich Folgendes erwogen:

[84] 6.1 Die Auslegung von Vertragsbestimmungen im Individualprozess ist nicht „im kundenfeindlichsten Sinn“ vorzunehmen. Vielmehr hat sie zunächst nach den Grundsätzen der §§ 914, 915 ABGB zu erfolgen (RS0016590 [T32]) und zwar so, wie sich die Bestimmung einem durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis erschließt (RS0008901 [T15]). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen. Dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [T7, T72, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten des Verwenders (RS0008901 [T41]), das heißt im Regelfall zu Lasten des Unternehmers (vgl RS0050063 [T3]). Der übereinstimmende Parteiwille ist die oberste Norm des Vertrags. Die Auslegung nach dem objektiven Erklärungswert, nach der redlichen Verkehrssitte, kommt erst dann in Betracht, wenn eine Willensübereinstimmung der Parteien nicht feststellbar ist (RS0017811 [T3]).

[85] 6.2 Falls jemand dann, wenn der Wortsinn dem Zweck der Vereinbarung entspricht, einen abweichenden Parteiwillen oder eine andere Verkehrssitte geltend machen will, so muss er dies in einem Prozess behaupten und beweisen (RS0017915 [T7]). Dies ist den Beklagten nicht gelungen, konnte doch nicht festgestellt werden, welchen Wertsicherungsausgangsmonat (statt Mai 2017) die Parteien vereinbaren wollten.

[86] 6.3 Nach Vertragsabschluss erkannten die Beklagten die Bezeichnung des Mai 2017 als Ausgangsmonat für die Valorisierung des Bestandzinses als Irrtum und legten stattdessen den Dezember 2020 zugrunde. Diesen Ausgangsmonat für die Valorisierung kommunizierten sie auch der Klägerin durch das Schreiben der Hausverwaltung vom 14. 2. 2022. Die Klägerin bezahlte in der Folge ein Jahr lang ohne Vorbehalt den ihr vorgeschriebenen (auch in der Folge mehrmals erhöhten, letztlich auf dem Ausgangsmonat Dezember 2020 aufbauenden) Mietzins fristgerecht. Dieses Verhalten der Klägerin konnte für die Beklagten nur den Erklärungswert haben, die Klägerin sei mit der ihr mitgeteilten Erhöhung und somit auch mit dem zugrunde liegenden und ihr mitgeteilten Ausgangsmonat Dezember 2020 einverstanden. Die ein Jahr lang pünktlich und vorbehaltlos geleisteten Mietzinszahlungen der Klägerin sind daher als schlüssige Zustimmung nach § 863 ABGB zum Ausgangsmonat Dezember 2020 zu werten (zur Bedeutung der Handhabung einer Klausel in der Praxis im Individualprozess für die Vertragsauslegung vgl jüngst auch 4 Ob 4/23a Rz 38‑44; vgl weiters RS0014711; RS0134940). Es ist somit zu einer nachträglichen Vertragsanpassung vom Mai 2017 auf Dezember 2020 als Ausgangsmonat gekommen.

[87] Für die weitere Beurteilung ist daher vom Wertsicherungsausgangsmonat Dezember 2020 auszugehen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung den Jänner 2021 zugrundezulegen, ist angesichts dieser Vertragsanpassung durch die Parteien verfehlt.

[88] 6.4 Soweit die Revisionswerberin auf die Bestimmungen der §§ 864a, 879 Abs 3 ABGB, § 6 Abs 1 Z 5 und Abs 3 KSchG verweist, tut sie dies ausschließlich entweder unter Zugrundelegung des Ausgangsmonats Mai 2017 oder des vom Berufungsgericht (infolge ergänzender Vertragsauslegung) angenommenen Jänner 2021. Nach den vorangegangenen Erwägungen sind aber beide Ausgangsmonate nicht zugrundezulegen, sondern der Dezember 2020.

[89] 6.5 Der bloße Umstand, dass auch dieser nachträglich vereinbarte Ausgangswert für die Zinsanpassung auf einen vor dem Abschluss des Mietvertrags liegenden Zeitpunkt Bezug nimmt, schadet in der vorliegenden Konstellation indes nicht. Entgegen dem Rechtsstandpunkt der Klägerin führt nämlich nicht jede Vereinbarung einer vor Vertragsabschluss liegenden Ausgangsbasis zur Unzulässigkeit der Wertsicherung:

[90] 6.5.1 Gerade eine – wie hier – an die zuletzt verlautbarte Indexzahl anknüpfende Wertsicherungsvereinbarung ist zum einen durchaus verkehrs- bzw branchenüblich und damit nicht objektiv ungewöhnlich iSd § 864a ABGB (vgl RS0014646; RS0014627).

[91] 6.5.2 Zum anderen begegnet eine solche Klausel auch keinen Bedenken im Lichte des Sachlichkeitsgebots des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG (sowie jenes der allgemeineren Bestimmung des § 879 Abs 3 ABGB; vgl 1 Ob 64/24d Rz 5): Es erscheint sachlich gerechtfertigt, auf diesen nahe am Zeitpunkt des Vertragsabschlusses liegenden Ausgangswert abzustellen, um das legitime Interesse beider Vertragsteile zu wahren, eine (inflations- bzw deflationsbedingte) Veränderung der bei Vertragsschluss vereinbarten, also im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhandenen subjektiven Äquivalenz der Leistungen zu verhindern (ähnlich bereits 10 Ob 54/24z Rz 45 f mwN; näher dazu Scharmer, Zur Zulässigkeit von Wertsicherungsvereinbarungen [Indexklauseln] in Verbraucher‑Mietverträgen – Grundsätzliches und Spezielles aus Anlass der „Paukenschläge“ OGH 2 Ob 63/23p und 8 Ob 37/23h, wobl 2023, 291 [295] mwN), zumal das Tatbestandsmerkmal der „sachlichen Rechtfertigung“ gerade darauf abzielt, das ursprüngliche subjektive Äquivalenzverhältnis durch eine Preisänderungsklausel möglichst exakt beizubehalten, wobei Wertveränderungen aller den ursprünglichen Preis bildenden Faktoren (also der Gestehungskosten und des Gewinnzuschlags) erfasst werden sollen (vgl dazu Fenyves/Rubin, ÖBA 2004, 352); zugleich entspricht es einhelliger Ansicht, dass eine punktgenaue Abbildung der Kostenentwicklung nicht erforderlich ist (10 Ob 23/24s Rz 19 mwN).

[92] Unproblematisch erscheint das Abstellen auf die letzte verlautbarte Indexzahl im Übrigen auch mit Blick auf § 16 Abs 6 Satz 3 MRG, der Entsprechendes im Ergebnis für die gesetzliche Valorisierung der Kategorie- und Richtwertzinse vorsieht (näher dazu Lovrek/Stabentheiner in GeKo Wohnrecht I § 16 MRG Rz 88).

[93] 6.5.3 Warum ein Anknüpfen an die letzte vor Vertragsabschluss verlautbarte Indexzahl schließlich nach § 6 Abs 3 KSchG die Intransparenz der Wertsicherungsvereinbarung zur Folge haben soll, legt die Klägerin in der Revision nicht einmal ansatzweise dar, was aber einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dieser Frage entgegensteht.

Ergebnis

[94] 7. Das Rückforderungsbegehren und das Feststellungsbegehren hinsichtlich des ersten Absatzes der gegenständlichen Klausel bestehen nicht zu Recht, weshalb der Revision nicht Folge zu geben war.

Kosten

[95] 8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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