European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00166.24H.0402.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Bestandrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der Sachbeschluss des Erstgerichts einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die Kosten des Rekursverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit 863,54 EUR (darin enthalten 261 EUR an Pauschalgebühr und 100,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Antragsteller war von 1. Oktober 2008 bis 30. September 2021 Hauptmieter einer Wohnung. Die Antragsgegnerin war die Vermieterin.
[2] Am 7. September 2008 unterfertigten die Parteien einen schriftlichen Mietvertrag über diese Wohnung, der auf fünf Jahre befristet war und in dem ein wertgesicherter monatlicher Hauptmietzins von 658,67 EUR vereinbart wurde. Der Mietvertrag wurde am 18. Oktober 2012 um fünf Jahre verlängert. Am 12. Juni 2018 schlossen die Parteien einen neuen Mietvertrag ab, der auf drei Jahre befristet war und in dem ein wertgesicherter monatlicher Hauptmietzins von 777,04 EUR vereinbart wurde. Der Mietvertrag endete am 30. September 2021.
[3] Mit Antrag an die Schlichtungsstelle vom 23. September 2021 begehrte der Antragsteller die Überprüfung der von Oktober 2008 bis September 2021 vorgeschriebenen Hauptmietzinse. Die Mietzinsvereinbarung sei teilunwirksam, weil der vereinbarte Hauptmietzins (auch wegen der Mietzinsanhebungen aufgrund der Wertsicherungsvereinbarung) nicht dem zulässigen Richtwert entspreche. Er beantragte dazu, festzustellen, 1. in welchem Ausmaß die Hauptmietzinsvereinbarung das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten hat und damit im Sinne des § 16 Abs 8 MRG (teil‑)unwirksam sei, und 2. in welchem Ausmaß die erfolgten Mietzinsanhebungen das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten hätten und damit im Sinne des § 16 Abs 9 MRG unwirksam seien […].
[4] Die Antragsgegnerin wendete die Präklusion eines Teils des Begehrens ein und bestritt eine Überschreitung der zulässigen Höhe des Hauptmietzinses.
[5] Die Schlichtungsstelle gab dem Antrag mit Entscheidung vom 11. November 2022 teilweise statt und stellte die Überschreitung des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses für den Zeitraum November 2011 bis September 2021 fest.
[6] Gegen die Entscheidung der Schlichtungsstelle rief die Antragsgegnerin rechtzeitig das Gericht an.
[7] Das Erstgericht stellte mit seinem Sachbeschluss unter Berücksichtigung von Zu‑ und Abschlägen zum Richtwert die Überschreitung des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses im Zeitraum Juni 2011 bis September 2021 fest. Die Mietzinsvereinbarung sei insoweit rechtsunwirksam, als der Hauptmietzins von Juni 2011 bis Mai 2012 den Betrag von monatlich 450,42 EUR, von Juni 2012 bis Juni 2014 den Betrag von monatlich 473,16 EUR, von Juli 2014 bis Mai 2017 den Betrag von monatlich 495,02 EUR, von Juni 2017 bis Dezember 2019 den Betrag von monatlich 512,52 EUR und von Jänner 2020 bis September 2021 den Betrag von monatlich 533,51 EUR überschritten habe. Es verpflichtete die Antragsgegnerin zur Zahlung der Überschreitungsbeträge von gesamt 31.866,07 EUR.
[8] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin nicht, jenem des Antragstellers hingegen teilweise Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass es die Mietzinsvereinbarung (auch) insoweit für unwirksam erklärte, als die Vorschreibungen im Zeitraum Juni 2011 bis September 2021 den Betrag von monatlich 428,50 EUR überschritten. Rechtlich ging es – soweit für das Revisionsrekursverfahren noch relevant – davon aus, dass die im Mietvertrag enthaltene Wertsicherungsvereinbarung gröblich benachteiligend gemäß § 879 Abs 3 ABGB sei und § 6 Abs 2 Z 4 KSchG widerspreche. Sämtliche auf die Wertsicherungsvereinbarung gestützten Erhöhungen des Hauptmietzinses seien daher unwirksam. Für den gesamten Überprüfungszeitraum von Juni 2011 bis September 2021 sei daher der zu Beginn des Mietverhältnisses im Jahr 2008 zulässige Richtwertmietzins von 428,50 EUR maßgebend. Der von der Antragstellerin zu zahlende Überschreitungsbetrag belaufe sich auf 40.376,40 EUR.
[9] Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
[10] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin, mit dem sie die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses begehrt; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
[11] Der Antragsteller beantragt in der ihm freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisions-rekurs zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[12] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist zulässig und berechtigt:
1. Allgemein:
[13] 1.1. Nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG ist über die Angemessenheit des vereinbarten oder begehrten Haupt-mietzinses im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden.
[14] 1.2. Dazu bestimmt § 16 Abs 8 MRG, dass Mietzinsvereinbarungen insoweit unwirksam sind, als der vereinbarte Hauptmietzins den nach Abs 1 bis 7 des § 16 MRG zulässigen Höchstbetrag überschreitet. Mit dieser Bestimmung wird die Teilnichtigkeit der Mietzinsvereinbarung hinsichtlich des Überschreitungsbetrags unter Aufrechterhaltung sämtlicher übriger Vertragsbestimmungen angeordnet (5 Ob 105/90; 1 Ob 589/94; Lovrek/Stabentheiner in GeKO Wohnrecht I § 16 MRG Rz 14 [Stand 1. Oktober 2017, rdb.at]).
[15] 1.3. Gegenstand eines Verfahrens nach § 37 Abs 1 Z 8 iVm § 16 Abs 8 MRG ist daher die Frage, ob die gesetzlichen Mietzinsbildungsvorschriften eingehalten wurden. Mit „Angemessenheit des Hauptmietzinses“ ist dessen Zulässigkeit gemeint (RS0118030; RS0069523 [T2, T11]; 5 Ob 136/16k; 5 Ob 134/24b). Es geht um die Feststellung, ob der vereinbarte oder begehrte Hauptmietzins den zwingenden gesetzlichen Bestimmungen über die Mietzinsbildung entspricht. Bei der Feststellung des gesetzeskonformen Hauptmietzinses kann der Außerstreitrichter zwar vor die Aufgabe gestellt sein, als Vorfrage das wirksame Zustandekommen oder den Inhalt einer Mietzinsvereinbarung zu überprüfen (5 Ob 159/15s; 5 Ob 27/16f; 5 Ob 89/23h; 5 Ob 134/24b), jedoch lediglich soweit dies für die Beurteilung der Gesetzmäßigkeit des vereinbarten oder begehrten Hauptmietzinses erforderlich ist (vgl Kulhanek in GeKO Wohnrecht I § 37 MRG Rz 59 [Stand 1. Oktober 2017, rdb.at]).
[16] 1.4. Andere Fragen, von deren Beantwortung die Höhe des vereinbarungsgemäß geschuldeten Hauptmietzinses abhängen, wie etwa die Erfüllung der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Voraussetzungen für das Zustandekommen oder Weiterbestehen einer gültigen Vereinbarung, sind – ebenso wie die Frage, welcher Hauptmietzins danach zu zahlen wäre (5 Ob 156/08i; 5 Ob 89/23h; 5 Ob 134/24b) – im streitigen Rechtsweg zu klären (RS0070552; 5 Ob 62/22m; 5 Ob 134/24b).
[17] 1.5. Die Prüfung der (Vor‑)Frage, ob eine Mietzinsvereinbarung wirksam zustande gekommen ist, ist in einem Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 damit auf die Frage beschränkt, ob eine für die Überprüfung nach mietrechtlichen Vorschriften erforderliche Vereinbarung über den Hauptmietzins vorliegt. Darüber hinausgehende Fragen, die den Bestand einer solchen Vereinbarung ganz oder teilweise betreffen, oder die Auslegung strittiger Vertragsbestimmungen sind demgegenüber dem streitigen Verfahren vorbehalten und damit der Kognitionsbefugnis des Außerstreitrichters entzogen. Soweit aus den Entscheidungen zu 5 Ob 89/23h und zu 5 Ob 137/19m ein weitergehender Prüfumfang von (Vor‑)Fragen abgeleitet werden könnte, wird dies nicht aufrecht gehalten.
2. Zum Verfahrensgegenstand:
[18] 2.1. Der Antragssteller begehrte in seinem Antrag an die Schlichtungsstelle (unter anderem) die Feststellung, inwieweit (auch unter Berücksichtigung von Mietzinsanhebungen) die Vorschreibungen das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten hätten und die Vereinbarung insoweit unwirksam wäre. Dieses – im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG zulässige – Begehren (5 Ob 50/13h) stützt der Antragsteller einerseits auf überhöhte/unzulässige Zuschläge (insbesondere gebühre kein Lagezuschlag) und andererseits auf die auf Grundlage der im Mietvertrag vereinbarten Wertsicherung erfolgten Anhebungen des Mietzinses.
[19] 2.2. Unstrittig ist, dass die Wohnung der Ausstattungskategorie A zuzuordnen ist und unter den Richtwertmietzins des § 16 Abs 2 MRG fällt.
[20] 2.3. Der Richtwertmietzins berechnet sich ausgehend vom Richtwert nach § 1 RichtWG unter Berücksichtigung allfälliger Zuschläge und Abstriche. Für die Berechnung des höchstzulässigen Hauptmietzinses sind daher im Vergleich zur mietrechtlichen Normwohnung entsprechende Zuschläge zum oder Abstriche vom Richtwert für werterhöhende oder wertvermindernde Abweichungen vom Standard der mietrechtlichen Normwohnung nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens vorzunehmen (§ 16 Abs 2 MRG).
[21] 2.4. Die Vorinstanzen haben die Zuschläge zum Richtwert übereinstimmend beurteilt; der Antragsteller hat gegen die Entscheidung des Rekursgerichts kein Rechtsmittel erhoben.
[22] 2.5. Ungeachtet dessen bekämpft er in seiner Revisionsrekursbeantwortung die von den Vorinstanzen herangezogenen Zuschläge, weil der Mietvertrag (auch) insoweit intransparent im Sinn von § 6 Abs 3 KSchG sei. Zweck der Revisionsrekursbeantwortung ist aber (soweit hier relevant) nur, die im Revisionsrekurs geltend gemachten Gründe zu widerlegen (zur Revisionsbeantwortung:Lovrek in Fasching/Konecny³ IV/1 § 507 ZPO Rz 20). Die Bekämpfung der vom Rekursgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Zuschläge kann der Antragsteller in der Rechtsmittelbeantwortung daher nicht mehr nachholen. Die Entscheidung des Rekursgerichts ist ihm gegenüber insoweit in (Teil‑)Rechtskraft erwachsen. Darauf ist nicht mehr einzugehen. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist daher nur noch der in Anwendung der Wertsicherungsvereinbarung erhöhte Hauptmietzins.
3. Zur Wertsicherung:
[23] 3.1. Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die Beurteilung des Rekursgerichts, die im (ersten) Mietvertrag enthaltene Wertsicherungsklausel sei gröblich benachteiligend gemäß § 879 Abs 3 ABGB und widerspreche § 6 Abs 2 Z 4 KSchG; sämtliche auf die Wertsicherungsvereinbarung gestützten Erhöhungen des Hauptmietzinses seien unwirksam, sodass der zu Beginn des Mietverhältnisses im Jahr 2008 zulässige Richtwertmietzins von 428,50 EUR für den gesamten Überprüfungszeitraum maßgebend sei. Dazu ist wie folgt Stellung zu nehmen:
[24] 3.2. Die Wertsicherung des Hauptmietzinses setzt eine entsprechende Vereinbarung voraus (§ 16 Abs 9 MRG; 8 Ob 6/23z; Lovrek/Stabentheiner in GeKo Wohnrecht I § 16 MRG Rz 114 [Stand 1. Oktober 2017, rdb.at]; Pesek in Schwimann/Neumayr, ABGB Taschenkommentar6 [2024] §§ 1092 –1094 Rz 21; Rassi, Die Wertsicherung des Bestandzinses, Zak 2024, 304; Rassi in KBB7 [2023] §§ 1092–1094 ABGB Rz 10; Riss in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.02 § 1094 ABGB Rz 16 [Stand 1. Oktober 2016, rdb.at]; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht23 § 16 MRG Rz 37 [Stand 1. April 2015, rdb.at]). Weder die Anpassung der gesetzlichen Höchstsätze für die einzelnen Ausstattungskategorien, noch die Erhöhung der Richtwerte hat für sich allein Einfluss auf die Höhe des vereinbarten Hauptmietzinses (Lovrek/Stabentheiner in GeKo Wohnrecht I § 16 MRG Rz 114 [Stand 1. Oktober 2017, rdb.at]).
[25] 3.3. Für die Zulässigkeit der Mietzinserhöhung aufgrund einer Wertsicherungsvereinbarung kommt es auf den Zinstermin an, zu dem das Erhöhungsbegehren wirksam wird (RS0069701; 5 Ob 74/24d; Stabentheiner, Das MILG – Inflationslinderung im Mietrecht, wobl 2008, 98 [102]).
[26] 3.4. Ergibt sich durch die Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung ein höherer Hauptmietzins als nach § 16 Abs 1 bis 7 MRG zu diesem Zeitpunkt zulässig, so ist der übersteigende Teil unwirksam (§ 16 Abs 9 MRG).
[27] 3.4.1. Zu klären ist nach dem Wortlaut des § 16 Abs 9 erster Satz MRG, ob der aufgrund einer vereinbarten Wertsicherung erhöhte Hauptmietzins den gesetzlichen Mietzinsbildungsvorschriften entspricht. Prüfgegenstand im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG (iVm § 16 Abs 9 MRG) ist daher die Zulässigkeit des in Anwendung einer solchen Vereinbarung angehobenen Hauptmietzinses nach den Vorgaben des § 16 Abs 1 bis Abs 7 MRG. Werden die zulässigen Höchstgrenzen überschritten, ist der durch die Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung sich ergebende Betrag in dem Maß unwirksam, in dem ein höherer als der nach § 16 MRG zulässige Mietzins gefordert wird. Die den gesetzlich zulässigen Mietzins übersteigende Vorschreibung – nicht aber die Wertsicherungsvereinbarung als solche – ist unwirksam (RS0069701; 5 Ob 19/93; 5 Ob 7/01t; 5 Ob 101/03v; 5 Ob 210/07d; Lovrek/Stabentheiner in GeKo Wohnrecht I § 16 MRG Rz 115 mwN [Stand 1. Oktober 2017, rdb.at]; Stabentheiner, wobl 2008, 102; Würth/Zingher/ Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht23 MRG § 16 Rz 37 [Stand: 1. April 2015, rdb.at]; Würth in Rummel, ABGB3 § 16 MRG Rz 24 [Stand 1. Jänner 2003, rdb.at]).
[28] 3.4.2. Prüfgegenstand eines Verfahrens nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 16 Abs 8 und Abs 9 MRG ist daher nicht die Frage nach der (Un‑)Wirksamkeit einer Wertsicherungsvereinbarung nach allgemein zivilrechtlichen Kriterien an sich, sondern die Zulässigkeit des danach angehobenen Hauptmietzinses nach den zwingenden mietrechtlichen Vorgaben. Dabei hat der Außerstreitrichter als (Vor‑)Frage lediglich zu klären, ob überhaupt eine entsprechende Vereinbarung als Voraussetzung für die Anhebung des Mietzinses vorliegt.
[29] 3.4.3. Ist das der Fall, dann istdie Kognitionsbefugnis des Außerstreitrichters auf die Frage begrenzt, ob der aus der Anwendung einer solchen Wertsicherungsklausel resultierende erhöhte Hauptmietzins nach den mietrechtlichen Kriterien des § 16 Abs 1 bis 7 MRG im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Erhöhung auch angemessen im Sinn von gesetzlich zulässig ist. Nur ein allenfalls das gesetzlich zulässige Ausmaß übersteigender Betrag einer darauf beruhenden Vorschreibung wäre nach der klaren Anordnung des § 16 Abs 9 erster Satz MRG unwirksam. Darüber hinausgehende Fragen, von deren Beantwortung der Bestand einer Wertsicherungsvereinbarung nach allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen abhinge, sind demgegenüber dem streitigen Rechtsweg vorbehalten. Einwendungen, wie die (relative) Nichtigkeit (dazu Kathrein/Schoditsch in KBB7 § 6 KSchG Rz 3) einer solchen Vertragsbestimmung (hier:) nach § 6 Abs 2 Z 4 KSchG oder deren amtswegigen Wahrnehmung (im Sinn der Entscheidung zu 6 Ob 105/21s) steht die Unzulässigkeit des (außerstreitigen) Rechtswegs entgegen.
[30] 3.4.4. Als Zwischenergebnis kann daher festgehalten werden, dass der Außerstreitrichter in einem Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG, in dem der aufgrund einer Wertsicherungsvereinbarung erhöhte Mietzins Gegen-stand ist, als Vorfrage zwar zu prüfen hat, ob eine Wertsicherungsvereinbarung (im Sinn des § 16 Abs 9 MRG) vorliegt. Als Hauptfrage ist für den Zinstermin (die Zinstermine), zu dem (denen) das (die) Erhöhungsbegehren wirksam wurde(n), zu klären, ob der erhöhte Hauptmietzins den zwingenden gesetzlichen Bestimmungen über die Mietzinsbildung entspricht. Einwendungen, die die (relative) Nichtigkeit einer solchen Vertragsbestimmung betreffen, steht die Unzulässigkeit des (außerstreitigen) Rechtswegs entgegen.
[31] 3.5. Jede ausreichend bestimmte Wertsicherungsvereinbarung ist grundsätzlich auch aus mietrechtlicher Sicht zulässig (vgl Lovrek/Stabentheiner in GeKo Wohnrecht I § 16 MRG Rz 115 mwN [Stand 1. Oktober 2017, rdb.at]; Würth/Zingher/Kovanyi, aaO Rz 37; E. M. Hausmann/ M. Reithofer in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 16 MRG Rz 87). Das ist bei einer Vereinbarung der Wertsicherung des Richtwertmietzinses unter Bezugnahme auf § 5 RichtWG im Allgemeinen der Fall (Lovrek/Stabentheiner aaO Rz 115; E. M. Hausmann/ M. Reithofer aaO Rz 87).
[32] 3.5.1. Die Parteien vereinbarten im Mietvertrag aus September 2008 die Wertbeständigkeit des Hauptmietzinses (des Entgelts für mitvermietete Einrichtungsgegenstände und sonstige Leistungen) unter Verweis auf die in § 5 RichtWG vorgesehene Wertsicherung (Neufestsetzung) der Richtwerte – ausgehend von dem im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Richtwert.
[33] 3.5.2. § 5 Abs 2 RichtWG regelt die periodische Valorisierung der in § 5 Abs 1 dieser Bestimmung festgeschriebenen Richtwerte, die zunächst im Jahr 2008 mit dem (ersten) Mietrechtlichen Inflationslinderungsgesetz (MILG, BGBl 2008/50) neu konzipiert und mit der Wohnrechtsnovelle 2009 (WRN 2009, BGBl 2009/25) auf eine 2‑jährige Valorisierungsperiode umgestellt wurde (Stabentheiner in GeKo Wohnrecht I § 5 RichtWG Rz 3 [Stand 1. Oktober 2017, rdb.at]). Demnach vermindern oder erhöhen sich die in § 5 Abs 1 RichtWG angeführten Richtwerte in Abhängigkeit vom jeweils aktuellen Verbraucherpreisindex (bzw in Zukunft damit verkettete Indizes).
[34] 3.5.3. Der Antragsteller beantragte in Punkt 2. seines vor der Schlichtungsstelle erhobenen Begehrens festzustellen, in welchem Ausmaß die erfolgten Mietzinsanhebungen das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten hätten und [...] unwirksam seien […]. Damit hat er im Sinn des § 16 Abs 8 iVm § 16 Abs 9 MRG die Unwirksamkeit der durch die Anwendung der vereinbarten Wertsicherung erhöhten Hauptmietzinse geltend gemacht. Prüfungsumfang im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG war demnach die mietrechtliche Zulässigkeit der daraus resultierenden erhöhten Hauptmietzinse nach den Kriterien des § 16 Abs 1 bis Abs 7 MRG.
[35] 3.5.4. Dass eine Vereinbarung der Wertsicherung des Richtwertmietzinses unter Bezugnahme auf § 5 RichtWG ausreichend bestimmt ist, wurde bereits festgehalten. Ob darüber hinaus ihr Zustandekommen oder Inhalt im Einzelfall den allgemein‑bürgerlichen Vorschriften entspricht, ist nicht in einem Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG zu klären. Indem das Rekursgericht die gesamte Wertsicherungsvereinbarung als unwirksam beurteilte und als gesetzlich zulässigen Hauptmietzins (nur) den zum Zeitpunkt des ursprünglichen Mietvertragsabschlusses geltenden Richtwert inklusive Zu‑ und Abschlägen ansah, hat es seine Kognitionsbefugnis überschritten.
[36] 4. Diesem Ergebnis steht die vom Rekursgericht zur Begründung seiner Rechtsansicht herangezogene Entscheidung zu 8 Ob 37/23h nicht entgegen:
[37] 4.1. Zu 8 Ob 37/23h (Klausel 17 [Rz 13 bis Rz 15] hat der 8. Senat unter Berufung auf die Entscheidung zu 2 Ob 36/23t zwar eine nahezu wortgleiche Wertsicherungsvereinbarung für unzulässig nach § 6 Abs 2 Z 4 KSchG erklärt und ausgesprochen, dass eine solche Klausel auch gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB sei. Diese Entscheidung ist jedoch – ebenso wie jene zu 2 Ob 36/23t – in einem Verbandsverfahren ergangen, in dem die Auslegung der Klausel (der Wertsicherungsregelung) im kundenfeindlichsten Sinn erfolgte.
[38] 4.2. Die Annahme, bei kundenfeindlichster Auslegung einer Wertsicherungsklausel könnte schon innerhalb der ersten zwei Monate nach Vertragsabschluss eine Entgelterhöhung eintreten oder es könnte schon in der Zeit vor Abschluss des Mietvertrags zu einem Anstieg des Preisniveaus gekommen sein, steht der für das Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG, in dem es um die Zulässigkeit des aufgrund der Anwendung einer solchen Vereinbarung erhöhten Hauptmietzinses nach zwingenden mietrechtlichen Kriterien geht, maßgeblichen (Vor‑)Frage, ob überhaupt eine Wertsicherungsvereinbarung vorliegt, nicht entgegen. Weder aus der Entscheidung zu 8 Ob 37/23h noch aus jener zu 2 Ob 36/23t kann nämlich abgeleitet werden, dass die Vereinbarung einer Wertsicherung, wie sie hier in Rede steht, unbestimmt wäre und damit von Vornherein keine taugliche Grundlage für eine Anpassung des Hauptmietzinses und dessen Überprüfung im Sinn des § 16 Abs 9 MRG (iVm § 37 Abs 1 Z 8 MRG) böte.
[39] 4.3. Damit kommt es im hier zu beurteilenden Kontext – wie erwähnt – nur noch darauf an, ob der durch die Anwendung der Wertsicherungsvereinbarung erhöhte Hauptmietzins zum maßgeblichen Zeitpunkt nach den zwingenden mietrechtlichen Bestimmungen zulässig ist. Die Frage, ob das Verbot des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auch für Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen gilt, hat in einem Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG daher dahinzustehen.
5. Ergebnis:
[40] Im Revisionsrekursverfahren ist nicht mehr strittig, dass der unter Anwendung der im Mietvertrag vereinbarten Wertsicherung erhöhte Hauptmietzins (in Höhe der vom Erstgericht unter Berücksichtigung von Zu‑ und Abschlägen ermittelten Beträge) zu den jeweils maßgeblichen Zeitpunkten gesetzlich zulässig war. Dass die Antragsgegnerin die auf die Wertsicherung gestützte Erhöhung des Hauptmietzinses auch ordnungsgemäß geltend gemacht hat, stand zu keinem Zeitpunkt in Frage. Damit ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben und der erstgerichtliche Sachbeschluss einschließlich der Kostenentscheidung wiederherzustellen.
[41] 6. Die Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG.
[42] Keine der Parteien ist mit ihrem Rekurs durchgedrungen, sodass es der Billigkeit entspricht, die Kosten des Rekursverfahrens gegeneinander aufzuheben.
[43] Im Revisionsrekursverfahren ist die Antragsgegnerin mit ihrem Standpunkt zur Gänze durchgedrungen. Damit ist es billig, dass der Antragsteller ihr die Kosten des Revisionsrekurses zur Gänze ersetzt.
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