Juridisches Protokoll Nr. 10
betreffend die Erhaltung und den Betrieb der Schleuse von Lutzmannsburg.
Anlage17
(Zusatz zu den Entscheidungen des Ausschusses vom 14. Juni 1922 und 5. Dezember 1922, betreffend die Festsetzung der Grenze.)
Behufs Regelung der Erhaltung und des Betriebes der Schleuse von Lutzmannsburg sowie behufs Befriedigung und Sicherstellung der unmittelbaren Benützer und der Interessenten im allgemeinen haben die Republik Österreich und das Königreich Ungarn unter Bedachtnahme auf die Allgemeinen Instruktionen vom 22. Juli 1922 und auf die Entscheidung der Botschafterkonferenz vom 8. Februar 1922 nachstehendes Übereinkommen abgeschlossen.
Artikel I. Die allgemeinen Bestimmungen, die im ersten Teile des zwischen den Regierungen Österreichs und Ungarns im Sinne des Artikels 292 des Vertrages von Trianon abgeschlossenen Übereinkommens zur Regelung der Wasserrechtsverhältnisse im Grenzgebiete der beiden Länder enthalten sind, finden auch auf die Fragen der Erhaltung und des Betriebes der Wasserwerksanlagen (Staudamm und Schleuse) von Lutzmannsburg entsprechend Anwendung.
Artikel II. Die österreichische Regierung anerkennt den Rechtsbestand der am 22. November 1913 unter Zahl 19412 vom Vizegespan des Komitates Sopron den an der Benützung des Kanals von Lutzmannsburg nach Bük interessierten Anrainern erteilten Konzession betreffend die Schleuse von Lutzmannsburg und alle Nebenanlagen.
Es besteht Einverständnis darüber, daß eine Abänderung oder Erweiterung dieser im vorhergehenden Absatze gekennzeichneten Konzession an ein vorheriges Einvernehmen zwischen der österreichischen und der ungarischen Regierung gebunden ist.
Nach Ratifikation dieses Übereinkommens werden die in § 8 der erwähnten Konzession namentlich angeführten Interessenten und – eventuell – die neu hinzutretenden Benützer eine im Sinne des ungarischen Gesetzartikels XXIII, IV. Abschnitt, vom Jahre 1885 errichtete Genossenschaft bilden.
Artikel III. Die Erwerbung, beziehungsweise Zuerkennung neuer Wasserbenützungsrechte kann nur im Einvernehmen mit der Genossenschaft erfolgen. Das in diesen verschiedenen Fällen zu beobachtende Verfahren richtet sich ausschließlich nach den in Geltung stehenden Gesetzen und Verordnungen jenes Staates, in welchem diese Berechtigungen ausgeübt werden sollen oder auf dessen Gebiet das bestehende Rechtsverhältnis eine Änderung erfahren soll.
Sollten längs der Rabnitz – Repce auf dem Gebiete des einen oder anderen Staates neue Wasserbenützungsrechte erworben oder schon bestehende Berechtigungen erweitert werden, so würde die territorial interessierte (zuständige) Regierung die Inhaber dieser Berechtigungen, die die in der oberwähnten Konzession angeführten Wasseranlagen der Genossenschaft benützen, verpflichten, zu den Bau- und Erhaltungskosten der besagten Anlagen in Gemäßheit der Bestimmungen des letzten Absatzes des Artikels 8 der Konzession beizusteuern.
Artikel IV. Die Instandhaltung der genossenschaftlichen Anlagen ist ausschließlich Sache der Genossenschaft. Die Auslagen werden von Fall zu Fall von der Generalversammlung der Genossenschaft festgestellt und von den Behörden der beiden vertragschließenden Länder genehmigt.
Diese Kosten sind nach dem Verhältnisse aufzuteilen, welches sich aus der im Artikel II erwähnten Konzession gegenwärtig ergibt oder das sich späterhin aus dem eventuellen Eintritt neuer oder aus der Änderung der Interessen alter Genossenschaftsmitglieder ergeben wird. Die beiden Regierungen werden die Genossenschaftsmitglieder, soweit sie ihre Staatsangehörigen sind, zur Bezahlung der auf jedes einzelne von ihnen verhältnismäßig entfallenden Beiträge verhalten.
Die nach § 138 leg. cit. erfolgte Auflösung und die nach § 140 ibidem durch das Ministerium für Ackerbau verfügte Auflösung können – ebenso wie das Ausscheiden eines Mitgliedes aus der Genossenschaft – nur im gegenseitigen Einvernehmen der österreichischen und ungarischen Regierung genehmigt werden.
Artikel V. Die Genossenschaft führt die Aufsicht über die genossenschaftlichen Anlagen und besorgt die Durchführung der Erhaltungsarbeiten durch besondere Organe. Die Namen der bezeichneten Funktionäre sind vorher der österreichischen Regierung mitzuteilen, die ihnen den freien Zutritt zu allen der Genossenschaft gehörenden Anlagen gestatten wird.
Die österreichische Regierung gewährt die gleiche Freiheit – unter den gleichen Bedingungen – den mit der Kontrolle der Genossenschaft betrauten Personen und den Funktionären, welche die ungarische Regierung zur Führung der Geschäfte bestellen wird, falls die Genossenschaft ihren statutarischen Verpflichtungen nicht nachkäme.
Die österreichische Regierung behält sich vor, aus triftigen Gründen die Abberufung der oberwähnten Funktionäre zu begehren, und die ungarische Regierung verpflichtet sich, in diesem Falle, das Entsprechende zu veranlassen, damit diesem Begehren Rechnung getragen werde.
Artikel VI. Die von der Genossenschaft auf Grund der im Artikel II erwähnten Konzession errichteten Wasserwerksanlagen bilden das Eigentum der Genossenschaft, welche in dieser Eigenschaft ausschließlich berechtigt ist, unter Bedachtnahme auf die geltenden Gesetze und Verordnungen irgendwelche Arbeiten (wie Pflanzen und Fällen von Bäumen und Sträuchern, Entnahme von Schotter u. s. w.) an den Anlagen vornehmen zu lassen.
Artikel VII. Die Genossenschaft stellt die Bezahlung der von ihr bestellten Aufsichtsorgane sicher; ihr steht es frei, dieselben jederzeit zu entlassen. Sofern die Entlohnung eines Aufsichtsorgans ganz oder teilweise in Naturalien erfolgt, verpflichten sich die beiden Regierungen den Transport dieser Naturalien in den Wohnsitz des Aufsichtsorgans in Gemäßheit der für das Grenzgebiet in Geltung stehenden besonderen Zollbestimmungen zu gestatten.
Artikel VIII. Die Bedienung des Schleusenwerkes wird von dem Aufsichtsorgan der Genossenschaft nach einer bestimmten Betriebsordnung besorgt; diese Betriebsordnung muß von den kompetenten Behörden der beiden Länder genehmigt sein.
Artikel IX. Zum Wirkungskreise des genossenschaftlichen Aufsichtsorganes gehört auch die Instandhaltung (Beaufsichtigung) und das Ablesen des Pegels an der Brücke des Klein-Lutzmannsburger Weges. Die österreichische Regierung wird dem Aufsichtsorgan die Beförderung der Wasserstandsnachrichten an das Oberstuhlrichteramt in Csepreg – gegebenenfalls auch auf drahtlichem Wege – ermöglichen und verpflichtet sich, das genannte Oberstuhlrichteramt oder das ständige Aufsichtsorgan der Genossenschaft von den im Oberlaufe der Flüsse Rabnitz und Stoob auftretenden Weges, telegraphisch oder telephonisch, verständigen zu lassen.
Artikel X. Zur Wahrung der öffentlichen Interessen werden die zuständigen technischen Behörden der beiden Länder durch ihre Organe von Zeit zu Zeit eine Besichtigung der Wasserbauanlagen der Genossenschaft vornehmen. Diese Organe bedürfen der gegenseitigen Bestätigung der beiden Regierungen und werden die Besichtigungen stets gemeinsam zu einem vorher festgesetzten Zeitpunkt vornehmen.
Artikel XI. Dieses Übereinkommen tritt nach Ratifizierung durch die beiden Regierungen in Kraft.
Gesehen und genehmigt in der am 23. Juli 1924 in Sopron abgehaltenen Sitzung.
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