Der OGH qualifiziert eine polemisch-satirische E-Mail eines Richters an seinen Dienstvorgesetzten als eine von Art 10 EMRK gerade noch gedeckte Reaktion und verneint weiters das Vorliegen eines Disziplinarvergehens nach § 101 Abs 1 RStDG. Er übersieht dabei, dass der Richter im gegenständlichen Fall gerade keine Teilnahme am öffentlichen Diskurs anstrebt, sondern sich schlicht eines internen Beschwerdemechanismus bedient, sodass spezifische Maßstäbe für die Beurteilung des Schutzniveaus des Art 10 EMRK gelten. Auch der Schluss des OGH, dass keine disziplinarrechtlich relevante Gefahr für das Vertrauen der Rechtsgemeinschaft in die Rechtspflege sowie das Ansehen des Berufsstands bestehen, scheint verkürzt. Es fehlt insb eine nähere Auseinandersetzung mit dem betreffenden Richter als Individuum.

