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Die Qualifikation von COVID-19 als Arbeitsunfall oder als Berufskrankheit oder doch als beides? Eine Entscheidungsbesprechung zu zwei Entscheidungen: OGH 10 Ob S 68/23g und 10 Ob S 85/23g

EntscheidungsbesprechungAufsatzMichael GeiblingerJAS 2024, 375 - 384 Heft 4 v. 4.12.2024

1. Für den Bereich der Unfallversicherung ist ein Unfall ein zeitlich begrenztes Ereignis - eine Einwirkung von außen, ein abweichendes Verhalten, eine außergewöhnliche Belastung -, das zu einer Körperschädigung (oder zum Tod) geführt hat.2. Während der Unfall ein plötzliches Ereignis ist, entwickelt sich die Berufskrankheit typischerweise während eines länger andauernden Zeitraums. Der Gesetzgeber geht implizit selbst von der Dauer einer Arbeitsschicht als zeitliche Grenze für die Annahme eines Arbeitsunfalls aus.3. Das schadensstiftende Ereignis muss nicht unbedingt ein mechanischer Vorgang sein, sondern kann auch - wie bei Krankheiten - ein chemo-physikalischer Vorgang sein.4. Eine "schlichte" bzw "bloße" Ansteckung mit COVID-19 stellt keinen Arbeits- bzw Dienstunfall dar.5. Die Zuordnung von Infektionskrankheiten zu den Berufskrankheiten durch Nr 38 der Anlage 1 zum ASVG kann nur dahin verstanden werden, dass der Gesetzgeber sie bewusst nur als solche behandeln, respektive sie nur unter den dort genannten Voraussetzungen unter Versicherungsschutz stellen will.6. Sinn und Zweck der Nr 38 der Anlage 1 besteht darin, nur jenen Personen (Unfallversicherungs-)Schutz bei einer Erkrankung an einer Infektionskrankheit zu gewähren, die aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit in genau definierten Unternehmen einer besonderen Ansteckungsgefahr ausgesetzt sind.7. Vom Gesetzgeber wurde kein lückenloses System des (Unfall-)Versicherungsschutzes geschaffen und Infektionskrankheiten werden ausschließlich als Berufskrankheit unter den Schutz der Unfallversicherung gestellt. Davon ausgenommen sind lediglich Fälle, in denen die Ansteckung auf ein unfallartiges Ereignis (Insektenstich, Biss, Injektion mit einer infizierten Nadel etc) zurückgeht.

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