3.2.4.1. Allgemeines
Das Master File (Stammdokumentation) soll einen Überblick über die Tätigkeit der multinationalen Unternehmensgruppe geben, einschließlich der Art ihrer globalen Geschäftstätigkeiten, ihrer Verrechnungspreispolitik insgesamt sowie der globalen Verteilung ihrer Einkünfte und ihrer Wirtschaftstätigkeit (Z 5.18 OECD-VPL). Es enthält standardisierte Informationen, die für alle Mitglieder der multinationalen Unternehmensgruppe relevant sind, und deckt gemäß § 6 Abs. 1 VPDG folgende Teilbereiche ab:- Organisationsaufbau der multinationalen Unternehmensgruppe,
- Beschreibung der Geschäftstätigkeit,
- Dokumentation der immateriellen Werte,
- Dokumentation der unternehmensgruppeninternen Finanztätigkeiten,
- Dokumentation der Finanzanlage- und Steuerpositionen.
Die Verpflichtung zur Erstellung von Master und Local File geht im Rahmen einer Verschmelzung auf die übernehmende Gesellschaft über.
Beispiel:
Wird eine österreichische GmbH, deren Umsätze bereits mehrere Jahre über 50 Mio. EUR betragen und die daher gemäß § 3 Abs. 2 VPDG zur Erstellung eines Master File und eines Local File verpflichtet ist, im Jahr X6 auf eine andere österreichische GmbH, die diese Verpflichtung nicht trifft, verschmolzen, so gehen die Dokumentationsverpflichtungen der übertragenden GmbH im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende GmbH über. Es besteht somit eine durchgehende Dokumentationsverpflichtung und die übernehmende GmbH ist bereits ab X6 zur Erstellung eines Master Files und eines Local Files verpflichtet.
Im Falle einer österreichischen Geschäftseinheit, die ihrerseits zur Erstellung eines länderbezogenen Berichts verpflichtet ist, weil sie oberste Muttergesellschaft einer multinationalen Unternehmensgruppe im Sinne von § 3 Abs. 1 VPDG ist, deren eigene Umsätze jedoch die Umsatzgrenze im Sinne von § 3 Abs. 2 VPDG nicht überschritten haben (weil es sich etwa um eine reine Holdinggesellschaft handelt), greift - mit Ausnahme von § 3 Abs. 3 VPDG für das Master File - keine Verpflichtung zur Erstellung eines Master und Local File.§ 3 Abs. 2 VPDG stellt einzig auf die Umsatzerlöse ab und nicht auf das Vorhandensein grenzüberschreitender Transaktionen. Daher ist ein Master File und ein Local File auch für jene österreichischen Geschäftseinheiten zu erstellen, die Teil einer multinationalen Unternehmensgruppe sind, und bei denen in den beiden vorangegangenen Wirtschaftsjahren die Umsatzerlöse den Betrag von 50 Mio. Euro überschritten haben, auch wenn sie keine grenzüberschreitenden Transaktionen im betreffenden Berichtswirtschaftsjahr durchgeführt haben. Im Falle fehlender grenzüberschreitender Transaktionen ist jedoch der Dokumentationsaufwand im Sinne von § 7 Abs. 1 Z 2 VPDG-DV entsprechend geringer, da rein innerstaatliche gruppeninterne Transaktionen im Local File in der Regel nicht zu dokumentieren sind (Rz 487).Die Einschränkung auf wesentliche Dokumentationselemente, so wie sie in mehreren Bestimmungen des VPDG und der VPDG-DV (zB in § 3 Z 3 VPDG-DV ("die wesentlichen Dienstleistungsvereinbarungen") oder in § 8 Z 3 VPDG-DV ("der wesentlichen Mitbewerber") erfolgt, entspricht dem Musterkonzept, das die OECD/G20 im Rahmen des BEPS-Aktionspunkts 13 (Annex I und II) bereitgestellt hat. Dabei wurde keine nähere Empfehlung dazu gegeben, was in diesen Fällen unter dem Begriff der Wesentlichkeit zu verstehen ist. Das Merkmal der Wesentlichkeit lässt sich nur aus dem Gesamtbild der Umstände ermitteln. Als wesentlich können jene Elemente angesehen werden, die für eine Entscheidung bedeutsam sind, sodass bei Nichtvorliegen die Entscheidung nicht in der Weise getroffen worden wäre, wie sie getroffen wurde. Die Festlegung bestimmter Grenzen ohne Würdigung der Gesamtumstände könnte folglich zu Fehlergebnissen führen. Zudem lässt sich die Wesentlichkeit nicht immer nur nach quantitativen Kriterien bewerten. Daher bedarf es einer Wertungsentscheidung in jedem Einzelfall, wobei die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers anzuwenden und darauf zu achten ist, dass für einzelne Geschäftseinheiten ausreichend belegt wird, dass die Preisgestaltung dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht.Für Zwecke der Erstellung von Master und Local File ist bei der Entscheidung über den angemessenen Grad der Detailliertheit der gelieferten Informationen ebenso mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers vorzugehen.Die innerstaatliche Umsetzung von Master und Local File entspricht nicht nur den international anerkannten Vorgaben der OECD, sondern auch jenen der EU, nämlich der EU-TPD (Rz 413). So bildet die VPDG-DV innerstaatlich den neuen Mindeststandard der Verrechnungspreisdokumentation für nach dem VPDG dokumentationspflichtige Geschäftseinheiten. Zugleich steht es den Unternehmen frei, im Rahmen ihrer Verrechnungspreisdokumentation über diesen Mindeststandard hinausgehende Punkte aus der EU-TPD aufzugreifen.