OGH 7Ob116/25x

OGH7Ob116/25x22.10.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin sowie die Hofräte Dr. Weber, Mag. Fitz, Mag. Jelinek und MMag. Dr. Dobler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* S*, vertreten durch die Prutsch-Lang & Damitner Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei Dr. A* B*, vertreten durch die Niederbichler Sixt Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 1.113.981,58 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 29. April 2025, GZ 3 R 49/25p‑132, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00116.25X.1022.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Mit (rechtskräftigem) Teil‑ und Zwischenurteil sprachen die Vorinstanzen aus, dass das – näher aufgeschlüsselte – Leistungsbegehren der Klägerin dem Grunde nach zu Recht besteht und stellten fest, dass der Beklagte der Klägerin für sämtliche zukünftigen Vermögensschäden und Vermögensnachteile sowie den zukünftigen Unterhalt resultierend aus der Geburt des Sohnes haftet.

[2] Die Klägerin begehrt vom Beklagten Zahlung von 1.113.981,58 EUR sA.

[3] Das Erstgericht sprach der Klägerin 609.605,75 EUR sA zu und wies das Mehrbegehren ab.

[4] Das Berufungsgerichthob aus Anlass der Berufung der Klägerin das Urteil im Umfang der Abweisung eines Teilbetrags von 1.020 EUR als nichtig auf und wies die Klage in diesem Umfang zurück (rechtskräftig). Weiters gab es der Berufung der Klägerin nicht, der Berufung des Beklagten hingegen teilweise Folge, sprach der Klägerin 535.641,14 EUR sA (rechtskräftig) zu und wies das Mehrbegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die Klägerin zeigt mit ihrer dagegen erhobenen außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

[6] 1. Bei Pflegeleistungen durch Angehörige des Geschädigten ist durch den Schädiger der objektive Wert der Pflegeleistung zu ersetzen (RS0022789 [T3, T30]). Der Klägerin ist dahin zuzustimmen, dass die nach § 273 ZPO erfolgte Betragsfestsetzung als revisible rechtliche Beurteilung zu qualifizieren ist (RS0111576). Die Klägerin verkennt aber, dass bei der Festsetzung des Ersatzanspruchs nach § 273 ZPO die für die Schadenshöhe maßgebenden Faktoren zugrundezulegen sind, zu denen die Tatsacheninstanzen Feststellungen treffen konnten (RS0040341).

[7] Sofern die Klägerin ihrer Revision zugrundelegt, ein höherer Stundensatz wäre angemessen, weil für die Leistungen eine pflegerische Ausbildung erforderlich sei, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt. Insofern ist die Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043603; RS0043312).

[8] 2. Für die Ausübung des richterlichen Ermessens sind die Umstände des Einzelfalls maßgeblich (vgl RS0121220 [T1]; RS0111576 [T2]). Es können daher nur gravierende, an die Grenzen des Missbrauchs gehende Fehler der Ermessensentscheidung auch noch in dritter Instanz an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (9 ObA 31/23h [Rz 16]; RS0007104 [insb T1, T5]).

[9] Fest steht, dass es zwischen den Pflege- und Betreuungsleistungen der Klägerin für ihren Sohn zu nicht definierbaren Überschneidungen kommt. Das Berufungsgericht ging bei einem in den ersten Lebensjahren festgestellten Pflegebedarf von 13 Stunden und einem Betreuungsbedarf von elf Stunden täglich, davon aus, dass sich 50 % der Betreuungsstunden mit Zeiten der Pflege überschneiden. Dass das Berufungsgericht dabei die Grenzen des gebundenen Ermessens überschritten hätte, zeigt die Revision nicht auf. Sofern die Klägerin von der Notwendigkeit ausgeht, ein Säugling sei 24 Stunden pro Tag zu betreuen, ist dem entgegenzuhalten, dass jene Zeit, in der keine konkrete Pflege und Betreuung notwendig ist, aber dennoch eine Betreuungsperson anwesend sein muss, nicht zu ersetzen ist, wenn es sich bei der Betreuungsperson um einen im selben Wohnverband lebenden Angehörigen handelt und die Person jedenfalls in derselben Wohnung anwesend wäre (vgl 2 Ob 148/19g [Punkt 3]).

[10] 3. Der Klägerin wurde der von ihr anhand des– teils hypothetischen – Familieneinkommens nach der Prozentwertmethode geltend gemachte Betrag für den Ersatz des Unterhalts in der begehrten Höhe zugesprochen. Inwiefern die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts unrichtig ist, dass die Ausgaben der Klägerin für Kleidung, Hygieneartikel, Spielsachen, Babyausstattung usw zum allgemeinen Unterhalt zählen und deshalb nicht gesondert vom Beklagten zu ersetzen sind, legt die Revision nicht dar. Dass einzelne der zahlreichen Positionen einen Sonderbedarf darstellen, das heißt Kosten betreffen, die den allgemeinen für jedes Kind anfallenden Bedarf übersteigen (vgl RS0107180 [T9]), zeigt die Revision nicht auf, zumal die Klägerin nicht auf einzelne Positionen eingeht, sondern pauschal sämtliche Aufwendungen ersetzt haben möchte.

[11] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte