European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:010OBS00101.25P.1021.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Sozialrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der 1969 geborene Kläger ist seit 2009 im Landeskrankenhaus H* als diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger auf der „Fachstation für Drogenerkrankungen“ beschäftigt.
[2] Der Kläger betreut Personen, die in der Regel schwer suchtkrank sind und häufig an psychiatrischen Begleiterkrankungen (zB Borderline‑Syndrom, Schizophrenie, Depression, Alkoholsucht etc) leiden. Die Station bemüht sich um ein günstiges Klima zur körperlichen und psychischen Erholung und Stabilisierung. Voraussetzungen für die Betreuung sind Freiwilligkeit zur Behandlung und die Bereitschaft zum Verzicht auf nicht verordnete Substanzen während des stationären Aufenthalts. Die durchschnittliche Therapiedauer beträgt drei bis fünf Wochen.
[3] Das Therapieangebot auf der Station umfasst „warmen“ Entzug (Voll‑ und Teilentzüge); körperliche Entzugsbehandlung mit Medikamenten, Bädern, Massagen, Aromapflege, Lasertherapie ua; Diagnose und gegebenenfalls Therapie von körperlichen und psychischen Begleiterkrankungen; Beratung und Hilfestellung bei der Klärung sozialer Probleme; soziales Kompetenztraining; psychotherapeutische Einzel‑ und Gruppengespräche; psychologische Beratung; physiotherapeutische Behandlungen; Entspannungstherapie; Einbeziehung von Angehörigen; Sport‑ und Bewegungstherapie; aktive Freizeitgestaltung und Vorbereitung für und Vermittlung in eine weiterführende stationäre Behandlung oder ambulante Nachbetreuung.
[4] Die vom Kläger zu verrichtende Betreuungstätigkeit ist herausfordernd, weil sich manche der zu betreuenden Personen auch renitent, aggressiv und widerspenstig verhalten. Der Kläger wurde einmal mit einer Tasse beworfen, darüber hinaus aber noch nie tätlich angegriffen. Er war auch Beschimpfungen ausgesetzt. Es kommt auf der Station auch zu Tätlichkeiten und Spannungen unter den Patienten. Im Schnitt ist der Kläger einmal pro Woche mit einem aggressiven Patienten konfrontiert.
[5] Mit dem klagsgegenständlichen Bescheid anerkannte die Beklagte mit Blick auf geleistete Schicht‑ und Wechseldienste iSd § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV von den 481 nachgewiesenen Versicherungsmonaten 18 Versicherungsmonate als Schwerarbeitsmonate und lehnte die Anerkennung weiterer Schwerarbeitszeiten ab.
[6] Der Kläger richtet sich mit seiner Klage gegen den abweisenden Teil des Bescheids der Beklagten und begehrt, die gesamte Zeit seiner Tätigkeit als Schwerarbeitszeiten iSd § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV festzustellen.
[7] Das Berufungsgericht bestätigte die abweisende Entscheidung des Erstgerichts. Auch wenn der Kläger zum Teil mit schwierigen und aggressiven Patienten zu tun habe, reiche die psychische Belastung des Klägers im Rahmen seiner Tätigkeit auf seiner Station nicht an jene von Pflegetätigkeiten auf einer Palliativ‑ oder Hospizstation heran. Es sei auszuschließen, dass der Kläger im relevanten Zeitraum „überwiegend“ mit solchen Patienten zu tun hatte, oder dass der zeitliche Umfang der Betreuung solcher renitenten und aggressiven Patienten überwogen habe.
Rechtliche Beurteilung
[8] In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
[9] 1.1. Es ist ständige Rechtsprechung, dass Schwerarbeit nur dann anerkannt werden kann, wenn der Versicherte einer besonders belastenden Schwerarbeit auch tatsächlich ausgesetzt war. Nicht jede Art von schwerer Arbeit schlechthin, mag sie auch psychisch belastend sein, sondern nur bestimmte Formen von besonders belastender Schwerarbeit sind zu berücksichtigen (10 ObS 47/25x Rz 11 mwN; vgl RS0131699).
[10] 1.2. § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV stellt auf die Pflege von erkrankten oder behinderten Menschen mit besonderem Behandlungs‑ oder Pflegebedarf ab. Nach der Rechtsprechung wird dieser besondere Behandlungs- und Pflegebedarf dann verwirklicht, wenn die gepflegte Person die Voraussetzungen für den Anspruch zumindest auf Pflegegeld der Stufe 5 nach § 4 Abs 2 BPGG erfüllt (RS0132681 [T2]) oder Pflegetätigkeiten an Schwerstkranken in der Hospiz- oder Palliativmedizin vorliegen bzw Tätigkeiten, die dem gleichzuhalten sind (10 ObS 47/25x, Rz 12 mwN).
[11] 2.1 Wenn die Vorinstanzen aufgrund der Feststellungen die gewiss herausfordernde Arbeit des Klägers noch nicht als Schwerarbeit für die klagsgegenständlichen Zeiträume anerkannten, hält sich das im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung. Es ist jedenfalls ua mangels ausreichender Pflegegeldeinstufung als wichtiges Indiz für die psychische Belastungen (vgl 10 ObS 36/19w, Pkt 2.5; 10 ObS 122/19t, Pkt 3.) im Anlassfall vertretbar, das Vorliegen von Schwerarbeitszeiten zu verneinen (idS zuletzt 10 ObS 47/25x, Rz 15), zumal die im Rechtsmittel hervorgehobene Aggressivität mancher Patienten nur eine Minderheit betrifft und der Kläger davon nur in einem Bruchteil seiner Arbeitszeit betroffen ist.
[12] 2.2. Zudem lässt sich die Frage, ob ein besonderer Behandlungs‑ oder Pflegebedarf vorliegt nur aus den Umständen des Einzelfalls ableiten (10 ObS 47/25x, Rz 16), sodass die diesbezügliche Beurteilung der Vorinstanzen die Zulässigkeit der Revision grundsätzlich nur bei einer krassen Fehlbeurteilung stützen könnte. Derartiges wird im Rechtsmittel aber nicht aufgezeigt.
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