European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0130OS00045.25D.1015.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiete: Finanzstrafsachen, Wirtschaftsstrafsachen
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier von Bedeutung – * M* und * K* jeweils eines Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a, Abs 3 lit b FinStrG idF BGBl I 2015/118 (A I 1 und 2) und nach §§ 33 Abs 2 lit b, 39 Abs 1 lit a, Abs 3 lit b FinStrG idF BGB I 2015/118 (A I 3), des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB (A II) und der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 (iVm § 161 Abs 1) StGB (A V) sowie jeweils mehrerer Vergehen der organisierten Schwarzarbeit nach § 153e Abs 1 Z 2 (iVm Abs 2) StGB (A IV) und * G* jeweils eines Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a, Abs 3 lit a FinStrG (B I und II) und nach §§ 33 Abs 2 lit b, 39 Abs 1 lit a, Abs 3 lit a FinStrG (B III) schuldig erkannt.
[2] Danach haben in W* und andernorts
(A) * M* als Geschäftsführer und abgabenrechtlich Verantwortlicher sowie * K* als bis zum 30. April 2019 faktischer Geschäftsführer und abgabenrechtlich faktisch Verantwortlicher der A* GmbH, teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 11 erster Fall FinStrG),
I) im Zuständigkeitsbereich des (ehemaligen) Finanzamts Bruck Leoben Mürzzuschlag vorsätzlich unter Verwendung falscher Beweismittel, nämlich teils selbst, teils durch formal Verantwortliche von Scheingesellschaften, darunter die B*GmbH, hergestellter Scheinrechnungen (US 10 f), auf deren Basis fingierte Betriebsausgaben von insgesamt 7.260.267,12 Euro im buchhalterischen Rechenwerk der A* GmbH erfasst wurden, hinsichtlich dieser Gesellschaft Abgabenverkürzungen bewirkt und zu bewirken versucht (§ 13 FinStrG), und zwar
1) unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten an Körperschaftsteuer durch die Abgabe unrichtiger Jahressteuererklärungen für die Jahre 2015 bis 2017, indem sie zu Unrecht Betriebsausgaben aus den Scheinrechnungen geltend machten, um (im Urteil nach Veranlagungszeiträumen aufgegliedert) insgesamt 327.119,93 Euro, wobei es für die Jahre 2016 und 2017 beim Versuch blieb,
2) unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten an Kapitalertragsteuer, indem sie die ihnen zugeflossenenAusschüttungen (US 15) und die sich daraus ergebende selbst zu berechnende und abzuführende Kapitalertragsteuer nicht anmeldeten, einbehielten und binnen einer Woche nach dem Zufließen der Kapitalerträge abführten, und zwar für jeden einzelnen Kalendermonat (im Urteil nach Monaten aufgegliedert [US 4 und 15 f]), M* hinsichtlich Mai 2015 bis Juni 2019 um insgesamt 960.555,53 Euro und K* hinsichtlich Mai 2015 bis April 2019 um insgesamt 887.775,37 Euro, ferner
3) unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von § 76 EStG sowie dazu ergangenen Verordnungen entsprechenden Lohnkonten an Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlägen zu den Dienstgeberbeiträgen, indem sie bei der A* GmbH tatsächlich beschäftigte Dienstnehmer nicht oder nicht vollständig erfassten, deren Löhne „schwarz“ auszahlten und die darauf entfallenden Lohnabgaben nicht zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten abführten, und zwar (im Urteil nach Entrichtungszeiträumen und Abgabenarten aufgegliedert [US 4 f]), M* für jeden der Kalendermonate Juli 2015 bis Juni 2019 um insgesamt 1.116.658,01 Euro und K* für jeden der Kalendermonate Juli 2015 bis März 2019 um insgesamt 983.761,70 Euro (US 4 f, 11 ff, 23 f und 29 f), und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss hielten, weiters
II) vom Mai 2015, M* bis zum Juli 2019, K* bis zum April 2019 (US 11), gewerbsmäßig (in Erfüllung der Kriterien des § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz in zahlreichen Angriffen Verantwortliche der S* Gebietskrankenkasse sowie der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) durch Täuschung über Tatsachen zu Unterlassungen verleitet, und zwar durch die Meldung unwahrer, nämlich zu niedriger Beitragsgrundlagen durch Verschweigen von unversteuert an angemeldete Dienstnehmer gezahlte Entgelte sowie durch Abmeldungen und Stornomeldungen tatsächlich Beschäftigter, nämlich jeweils in Bezug auf die von A I 3 umfassten Dienstnehmer, zur Abstandnahme von der Einhebung von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, wodurch die genannten Versicherungsträger in eineminsgesamt 300.000 Euro jedenfallsübersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurden,
IV) vom Februar 2016, M* bis zum Mai 2019, K* bis zum April 2019 (US 11 iVm ON 2.117) als leitende Angestellte (§ 74 Abs 3 StGB) einer juristischen Person gewerbsmäßig (in Erfüllung der Kriterien des § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) durchgehend eine stets größere Zahl illegal erwerbstätiger Personen (§ 153e Abs 1 Z 1 StGB) beschäftigt, indem sie wiederholt gleichzeitig zumindest zehn Arbeiter ohne die erforderliche Anmeldung zur Sozialversicherung auf den Baustellen der A* GmbH einsetzten, sowie
V) vom Mai 2015, M* bis zum Juli 2019, K* bis zum April 2019 (US 11), als leitende Angestellte (§ 74 Abs 3 StGB) einer juristischen Person Bestandteile des Vermögens der A* GmbH beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft vereitelt oder geschmälert, wobei sie durch die Tat einen 300.000 Euro übersteigenden Schaden von rund 2 Millionen Euro und M* alleine von weiteren 264.655,13 Euro herbeiführten, indem sie die zu A I angeführten Scheinrechnungen aus dem Vermögen der A* GmbH bezahlten und die infolge sogenannter Kick-Back-Zahlungen zurückgeflossenen Geldbeträge (abzüglich der von A I 3 umfassten Schwarzlohnzahlungen) für private Zwecke (US 17) verwendeten, weiters
(B) * G* vom 4. September 2017 bis zum 15. Februar 2018 zu den unter A I genannten strafbaren Handlungen des M* und des K* vorsätzlichbeigetragen (§ 11 dritter Fall FinStrG), indem sie als Angestellte des Scheinunternehmens B* GmbH über Vorgabe des M* die bei der Tatbegehung verwendeten Scheinrechnungen in der Höhe von insgesamt 978.708,58 Euro an die A* GmbH ausstellte, wobei darauf bezogen und intendiert (US 14 und 28 f) Abgabenverkürzungen (im Urteil aufgegliedert) an Körperschaftsteuer um 69.567,41 Euro, an Kapitalertragsteuer um 126.721,82 Euro sowie an Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlägen zu den Dienstgeberbeiträgen um 153.475,15 Euro bewirkt und zu bewirken versucht wurden.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen dieses Urteil richten sich die von den Angeklagten * M* und * G* je auf Z 4, 5 und 9 lit a sowie vom Angeklagten * K* auf Z 9 lit a und 11, jeweils des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des * M*:
[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden die in der Hauptverhandlung gestellten Anträge des Angeklagten auf Beischaffung der „beim Finanzamt Bruck Leoben Mürzzuschlag befindliche[n] Buchhaltung der A*“ zum Beweis dafür, dass M* „keine malversiven Handlungen“ gesetzt habe, eine „korrekte Erfassung der Arbeitnehmer, seinen Geschäftspartnern sowie der damit verbundenen Abrechnungen erfolgt“ sei und „sämtliche Geschäftsvorgänge mit den in der Anklageschrift genannten Subunternehmen ordnungsgemäß abgewickelt“ worden seien (ON 140.2 S 76 und ON 166.2 S 25), sowie von „sämtliche[n] […] auf diesen Sicherstellungsprotokoll, ersichtlichen Unterlagen, […] damit eine korrekte Beurteilung [...] möglich ist“, um „die Unschuld“ des M* zu beweisen (ON 166.2 S 26), vom Erstgericht zu Recht abgewiesen (ON 166.2 S 25 ff). Denn diese Anträge ließen nicht erkennen, weshalb die begehrten Beweisaufnahmen das behauptete Ergebnis erbringen sollten und waren daher auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet (RIS-Justiz RS0118444 [T6], eingehend Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 330 f).
[5] Das die Anträge ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS‑Justiz RS0099618).
[6] Soweit die Mängelrüge (Z 5) substratlos Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) der „getroffenen Feststellungen“ zu „sämtliche[n] Urteilsfakten“ releviert, dabei aber keinen Bezug zu konkreten Konstatierungen über eine entscheidende Tatsache herstellt, übersieht sie, dass dies prozessuale Voraussetzung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes ist (RIS-Justiz RS0106268 und RS0130729).
[7] Der zum Schuldspruch A I erhobenen Rügekritik zuwider haben die Tatrichter die Aussagen der Zeugen D* Mi* und Dr* Mi* nicht unberücksichtigt gelassen (Z 5 zweiter Fall), sondern ausführlich erörtert (US 19, 21 und 23 f). Zu einer weitergehenden Auseinandersetzung mit Details dieser Aussagen waren sie unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten.
[8] Entgegen dem weiteren Vorbringen sind die mit der Stellungnahme des M* vom 14. Oktober 2024 vorgelegten Urkunden (ON 136 samt Beilagen) mangels Verlesung (vgl ON 166.2 S 27 f) in der Hauptverhandlung nicht vorgekommen, womit sie das Erstgericht bei der Urteilsfällung gerade nicht berücksichtigen durfte (§ 258 Abs 1 StPO).
[9] Die Konstatierungen, dass die auf den Scheinrechnungen ausgewiesenen Geldbeträge jeweils zeitnah aus dem Vermögen der A* GmbH bezahlt wurden, anschließend im Wege von sogenannten Kick-Back-Zahlungen in den Verfügungsbereich der Angeklagten M* und K* zurückgelangten, die damit die Schwarzlöhne bezahlten und sich den Restbetrag als verdeckte Ausschüttungen privat zuführten (US 15), erschloss der Schöffensenat in vernetzter Betrachtung einer Vielzahl von Beweisergebnissen (US 19 ff [25 f] iVm den in den Entscheidungsgründen angeführten Fundstellen [insbesondere US 15 f]). Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) ist diese Ableitung nicht zu beanstanden.
[10] Indem die Rüge diese erstgerichtlichen Feststellungen unter Außerachtlassung der diesbezüglichen Entscheidungsgründe in ihrer Gesamtheit (RIS‑Justiz RS0119370) als „rein willkürlich“ getroffen bemängelt und sich darin erschöpft, unter isoliertem Hervorheben einer einzelnen Aussagepassage (siehe aber RIS-Justiz RS0116504) oder auf rein spekulativer Basis anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Angeklagten M* günstige Schlüsse zu ziehen, wendet sie sich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).
[11] Soweit die Rüge zum Schuldspruch A II die Konstatierungen zu einem 300.000 Euro übersteigenden Betrugsschaden (US 12) als offenbar unzureichend begründet ansieht, versäumt sie es prozessordnungswidrig (erneut RIS‑Justiz RS0119370), die Gesamtheit der diesbezüglichen Entscheidungsgründe in den Blick zu nehmen (US 21 f).
[12] Das Gleiche gilt für den Vorwurf einer „Scheinbegründung“ der Konstatierungen zum Schuldspruch A I, weil dem Urteil die „Schätzungsgrundlage“ und die „angewandte Methode“ zur „Berechnung des strafbestimmenden Wertbetrags“ nicht zu entnehmen seien, orientiert sich dieser doch ebenfalls nicht an der Gesamtheit der diesbezüglichen Entscheidungsgründe (US 19 ff [23 ff, 29 f] sowie US 13 ff; zur Zulässigkeit der Heranziehung von auf Schätzungen beruhenden Abgabenbescheiden siehe im Übrigen RIS-Justiz RS0114105).
[13] Das übrige Beschwerdevorbringen kritisiert abermals bloß unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
[14] Die zum Schuldspruch A I Feststellungen zu einem Vorsatz des M* in Bezug auf einen „zumindest € 150.000,00 übersteigenden strafbestimmenden Wertbetrag“ vermissende Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565), weshalb sich der Tätervorsatz auf die (nicht „null“ betragende) Höhe des strafbestimmenden Wertbetrags (§ 53 Abs 1 FinStrG) erstrecken müsse und es von Bedeutung sein soll, ob die subjektive Tatseite einen die Zuständigkeitsgrenze übersteigenden strafbestimmenden Wertbetrag umfasste (zur Rechtsnatur des strafbestimmenden Wertbetrags siehe Lässig in WK2 Vor FinStrG Rz 20 und FinStrG § 33 Rz 48 sowie § 53 Rz 3 je mwN, weiters RIS‑Justiz RS0086282, RS0103991, RS0086997 und RS0087087).
[15] Soweit die Rechtsrüge mit ihrem darüber hinausgehenden Vorbringen zum Schuldspruch A I zum einen nicht auf der Basis der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (US 10 ff) argumentiert, zum anderen Feststellungen des Erstgerichts bestreitet, verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).
[16] Die zum Schuldspruch A II erhobene Behauptung des Fehlens von Feststellungen zum Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz des M* erklärt nicht, weshalb die diesbezüglichen Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (US 12) die Subsumtion nach §§ 146 ff StGB nicht tragen sollen (siehe aber erneut RIS-Justiz RS0116565).
[17] Indem die Rüge auch zum Schuldspruch A V Feststellungen zur subjektiven Tatseite vermisst, dabei aber die gerade dazu getroffenen Konstatierungen übergeht (US 15 bis 17), verfehlt sie einmal mehr den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (abermals RIS-Justiz RS0099810).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des * K*:
[18] Hinsichtlich der Verkürzung von Kapitalertragsteuer (A I 2) sieht das Erstgericht verdeckte Gewinnausschüttungen an die Angeklagten M* und K* als Grundlage der Abgabepflicht an (insbesondere US 4 und 15 f).
[19] Verdeckte Ausschüttungen sind alle außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gelegenen Zuwendungen einer Körperschaft an Anteilsinhaber, die das Einkommen der Körperschaft vermindern und ihre Wurzel in der Anteilsinhaberschaft haben. Gewinnausschüttungen setzen definitionsgemäß eine Vorteilszuwendung einer Körperschaft an eine Person mit Gesellschafterstellung voraus, bloße Machthaber, wie etwa an der Gesellschaft nicht beteiligte faktische Geschäftsführer, können nicht Empfänger von Gewinnausschüttungen sein. Die Zuwendung eines Vorteils an einen Anteilsinhaber kann allerdings auch darin gelegen sein, dass eine dem Anteilsinhaber nahestehende Person begünstigt wird. Eine verdeckte Ausschüttung ist daher auch dann anzunehmen, wenn Dritte aufgrund ihres Naheverhältnisses zum Anteilsinhaber eine in der Anteilsinhaberschaft wurzelnde Zuwendung erhalten.
[20] Davon ausgehend erklärt die zum Schuldspruch A I 2 erhobene Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht, weshalb die Erfüllung des Tatbilds des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 FinStrG neben den Feststellungen zur Gesellschafterstellung des M* (US 10) und zur Begünstigung des K* aufgrund seines Naheverhältnisses zu Ersterem (US 10 f, 15 ff und 20) solche zu einer Gesellschafterstellung des K* bei der A* GmbH hätte erfordern sollen (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565).
[21] Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) verstößt die aggravierende Wertung des „mehrfache[n] Überschreiten[s] der Wertgrenze“ und der „Höhe des […] Forderungsausfalls“ (US 41) vorliegend nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB), weil nach § 156 Abs 2 StGB bereits das Überschreiten der Wertgrenze von 300.000 Euro an sich strafsatzbestimmend ist und jeder größere Schaden (hier zu A V mehr als 2 Millionen Euro [US 5 f und 17]) gemäß § 32 Abs 3 StGB strafschärfend wirkt (RIS-Justiz RS0091126 [T5] und RS0099961).
[22] Ebenso wenig ist – der Beschwerdebehauptung zuwider – in der Berücksichtigung der „Höhe des strafbestimmenden Wertbetrags“ (US 13 ff) als erschwerend (US 41) ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (hier § 23 Abs 2 erster Satz FinStrG) zu erblicken, weil diese Größe – bei (wie hier zu A I) Anwendung des § 39 Abs 3 FinStrG – nicht die Strafdrohung bestimmt (13 Os 98/16k, 13 Os 119/17z, RIS‑Justiz RS0086302 [T5]).
[23] Das Vorbringen, die „organisierte Begehung“ sei bereits Tatbestandsmerkmal des Vergehens der organisierten Schwarzarbeit nach § 153e StGB, geht von vornherein ins Leere, weil das Erstgericht die aggravierende Wertung des organisierten Vorgehens nicht auf den Schuldspruch A IV bezieht (US 41).
[24] Die weitere Rüge bringt zwar zutreffend vor, dass die Bestimmung des § 33 Abs 1 Z 1 StGB nur einen einzigen Erschwerungsgrund normiert. Soweit sie hieraus den Schluss ableitet, die kumulativ aggravierende Wertung der „zahlreichen Fakten“ neben dem „langen Tatzeitraum“ und dem „Zusammentreffen von Verbrechen mit Vergehen“ (US 41) verstoße gegen das Doppelverwertungsverbot, erweist sie sich als verfehlt, weil das Gewicht des relevierten Erschwerungsgrundes durch das Zusammentreffen der von ihm erfassten Varianten entsprechend erhöht wird (RIS‑Justiz RS0096654 [T1]).
[25] Das von der Rüge vermisste Sachverhaltssubstrat zur vom Erstgericht vorgenommen Wertung der „verursachten Wettbewerbsverzerrung“ als erschwerend (US 41) findet sich auf US 31. Die Unterscheidung zwischen besonderen Erschwerungs- und Milderungsgründen (§§ 33, 34 StGB) und allgemeinen Strafbemessungsaspekten (§ 32 StGB) ist nicht Gegenstand der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO (RIS‑Justiz RS0134711).
Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten M* und K* waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der * G*:
[26] Die durch einen Wahlverteidiger (vgl ON 75) vertretene Angeklagte meldete unmittelbar nach der Urteilsverkündung am 23. Jänner 2025, in der sie wegen der eingangs zitierten Verbrechen zu einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe verurteilt wurde, „Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung“ an (ON 166.2 S 34).
[27] Nach Zustellung einer Urteilsausfertigung an den Wahlverteidiger mit Wirksamkeit (§ 89d Abs 2 GOG) vom 26. Februar 2025 (vgl dazu den Zustellnachweis zu ON 1.101), gab dieser mit Schriftsatz vom 10. März 2025 die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bekannt und beantragte namens der Angeklagten die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers (ON 169.1).
[28] Die Substitutin (ON 171) der daraufhin bestellten (ON 170) Verfahrenshilfeverteidigerin brachte am 7. April 2025 eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung ein (ON 175).
[29] Die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde ist – worauf auch die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend hinweist – verspätet:
[30] Nach der Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde hat der Beschwerdeführer das Recht, binnen vier Wochen (hier) nach Zustellung einer Urteilsabschrift eine Ausführung seiner Beschwerdegründe beim Gericht zu überreichen (§ 285 Abs 1 StPO).
[31] Der Lauf dieser Frist wird weder durch die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zum Wahlverteidiger noch durch die danach erfolgte Beigebung eines Vefahrenshilfeverteidigers beeinflusst (§ 63 Abs 2 StPO, RIS‑Justiz RS0125686 [insbesondere T1 und T2] sowie Kirchbacher, StPO15 § 63 Rz 2 und Murschetz, WK-StPO § 84 Rz 4). Vorliegend begann die Frist mit der Zustellung der Urteilsausfertigung an den Wahlverteidiger am 26. Februar 2025 zu laufen und endete demzufolge (vgl § 84 Abs 1 StPO) mit Ablauf des 26. März 2025. Die erst am 7. April 2025 eingebrachte Rechtsmittelausführung erweist sich daher als verspätet.
[32] Da die Angeklagte G* demnach weder bei der Anmeldung noch innerhalb der vierwöchigen Ausführungsfrist Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet hat, war auch ihre Nichtigkeitsbeschwerde schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285a Z 2 StPO).
[33] Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[34] Hinzugefügt sei, dass – wie die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend aufzeigt – das Erstgericht die Taten der Angeklagten M* und K* zu A I jeweils irrig § 39 Abs 3 lit b FinStrG idF BGBl I 2015/118 subsumiert hat, obwohl (im Hinblick auf die festgestellten Verkürzungsbeträge [US 3 ff und 13 ff]) der strafbestimmende Wertbetrag je 500.000 Euro überstieg und demzufolge die Qualifikationsnorm des § 39 Abs 3 lit c FinStrG idF BGBl I 2015/118 (vgl § 4 Abs 2 FinStrG) heranzuziehen gewesen wäre. Dieser Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) gereicht den Angeklagten jedoch nicht zum Nachteil (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO), weshalb kein Anlass zu amtswegigem Vorgehen besteht.
[35] Das Schöffengericht ging jedoch bei den Sanktionsaussprüchen der Angeklagten M* und K* zu Unrecht von einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe und einer (neben einer acht Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstrafe fakultativ zu verhängenden) Geldstrafe bis zu 2,5 Millionen Euro aus (US 40), weil § 39 Abs 3 lit b FinStrG idF BGBl I 2015/118 eine Freiheitsstrafe von (nur) sechs Monaten bis zu fünf Jahren und neben einer vier Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstrafe eine Geldstrafe bis zu 1,5 Millionen Euro vorsieht. Dieser nicht geltend gemachten Nichtigkeit des jeweiligen Sanktionsausspruchs (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO) ist im Rahmen der Entscheidung über die Berufungen Rechnung zu tragen (vgl RIS‑Justiz RS0122140 und RS0109969 sowie jüngst 15 Os 10/25x [Rz 12 mwN]).
[36] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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